• Meine Meinung zur 15ten (!) Zwielicht-Ausgabe.


    Zu allererst das Cover: Wieder ein absoluter Hingucker von Spooky und für die ganze Reihe prägend. Ich bin verliebt.


    Zu den Geschichten. Ich habe noch nicht alle gelesen, daher erst einmal der beginn meiner Besprechung.


    Martin Schemm - Heimatabend


    Historischer Horror, der mir sehr gefiel. 1911 treffen sich in einer stürmischen Nacht die Heimatfreunde in einer Gastsätte auf dem Falkenberg in Neugraben. Und irgendetwas stimmt nicht mit ihrem Vorsitzenden. Stimmungsvoll erzählt, Zeit und Wetter sorgen für eine schaurige Atmosphäre in der sich die Geschichte gut entfalten kann.


    Silke Brandt - Der vierte Apokalyptische Reiter


    Ebenfalls historischer Horror, sehr gut recherchiert mit einem unfangreichen Quellenverzeichnis. Aus der Ich-Perspektive eines Geistlichen werden die taten des Deutschen Ordens in ein neues, ihm unbekanntes Licht gestellt. Und bisweilen ist es nicht so, wie die Geschichte gemeinhin bekannt ist. Hat mir gefallen.


    Tobias Lagemann - Nachtschalter


    Ha, da ich selbst zwei Jahre lang am Nachtschalter einer Tankstelle gearbeitet habe, hatte ich sofort einen engen Bezug zur Geschichte. Ein sonderbarer Kunde erscheint immer mal wieder und stellt noch sonderbarere Fragen. Die ersten drei Geschichten waren bisher alle schön düster.


    Holger Vos - Rast der Kraniche


    Fantastisch und schaurig über eine Mutter, die ihr Familienglück anzweifelt.


    Christophe Nicolas - Der Pitch


    Yeah, Technik und Horror as its best. Totaler Zeitgeist, die Situation wunderbar vorstellbar, die Idee nicht neu, aber für mich neu in dieser Ausprägung. Alles hängt an einem Pitch. Geile Geschichte.


    Dirk Ryll - Wohin der Grimm der Toten verschwindet


    Weird und wunderbar geschrieben. Dazu noch überraschend und authentisch. Kurzum: Im wahrsten Sinne ganz großes Kino!


    Karin Reddemann - Ansichtssache


    Ein Heiratsschwindler, ein Mord, eine Séance - gut inszeniertes Horrorkammerspiel!


    Vincent Voss - Das Ordnungsamt und das Hexenhaus


    Nach einer wahren Begebenheit ... ;)

  • Martin Mächler - Verschränktes Schicksal


    Wissenschaftshorror. Ich mag das. Hier spielt Nikola Tesla eine Rolle und wie man sich bei dem Titel denken kann, muss das gehirn etwas angestrengt werden.


    Arthur J. Burks - Stalagmiten


    Hm, mit dieser Geschichte bin ich nicht warm geworden. Es geht um Höhlenforschung und Entitäten darin. Mir wurde zu wenig die Geschcihte erzählt.


    Ralph Williams - Kleines Missverständnis


    Ich musste lachen. Genau so kann es wohl wirklich passieren, wenn man in unbekannte Nester Transitreisen beschreiten muss.


    Algernon Blackwood - H.S.H.


    Eine Berghütte, ein Wanderer, der sich zu einem gesellen will und ein Geheimnis hat. Mehr braucht Blackwood nicht, um Stimmung zu erzeugen.


    Hier enden die Geschichten und es folgt der Artikelteil.


    Karin Reddemann - Teuflische Flüche, eine bitterböse Witwe und ein grausig ungesunder Schönheitssegen


    Wow, war das wieder spannend zu lesen und erkenntnisreich. Habe ich früher die Artikel immer als Leseanhängsel empfunden, freue ich mich jetzt immer.


    Silke Brandt - Unter dem Zeichen der Sanduhr; Bettagte Protagonisten in der Dunklen Phantastik


    Tja, der Lesegenuss reißt nicht ab. Spannendes Thema!


    Niels-Gerrit Horz - Cultes des Ghoules and Others


    Eine umfangreiche Auflistung über die veröffentlichten Werke des August William Derleth


    Super!



    Fazit: Auch die Zwielicht 15 ist in meinen Augen wieder herausragend unter allen VÖ des Jahres 2020.

  • Das Titelbild ist von Björn Ian Craig und gewann den Vincent Preis 2020/21

    Geschichten:
    Martin Schemm - Heimatabend
    Silke Brandt - Der vierte apokalyptische Reiter
    Tobias Lagemann - Nachtschalter
    Holger Vos - Rast der Kraniche
    Christophe Nicolas - Der Pitch
    Dirk Ryll - Wohin der Grimm der Toten verschwindet
    Karin Reddemann - Ansichtssache
    Vincent Voss - Das Ordnungsamt und das Hexenhaus
    Martin Mächler - Verschränktes Schicksal
    Arthur J. Burks – Stalagmiten (1935)
    Ralph Williams: Kleines Missverständnis (1957)
    Algernon Blackwood - H.S.H. (1917)


    Übersetzungen von Matthias Kaether und Achim Hildebrand.


    Artikel:
    Karin Reddemann - Teuflische Flüche, eine bitterböse Witwe und ein grausig ungesunder Schönheitssegen
    Silke Brandt - Unter dem Zeichen der Sanduhr: Betagte Protagonisten in der Dunklen Phantastik
    Niels-Gerrit Horz - Cultes des Ghoules and Others


    Die Seite zum Buch:

    Zwielicht 15
    Zwielicht - das deutsche Horrormagazin Dämmriges Licht, verschwommene Konturen. Die Realität hat einen Riss. Aus ihr heraus treten die unter...
    defms.blogspot.com


    Eine Leseprobe zur Geschichte Heimatabend findet sich hier:

    Unheimliche Short Story von Martin Schemm: Heimatabend

  • Die Leseprobe zur Geschichte von Silke Brandt findet sich hier:

    Silke Brandt – Der vierte apokalyptische Reiter (Zwielicht 15)
    Zwielicht 15 ist im Dezember  erschienen und steht zur Wahl beim   Vincent Preis 2020 .  Die Liste der Kurzgeschichten   ist lang und gerad...
    defms.blogspot.com


    Das Interview mit Katla kann hier nachgelesen werden:

    Silke Brandt (Interview)
    Foto von Nalle Elmgren Michael Schmidt: Silke, stell dich doch mal vor! Silke Brandt: Erstmal einen ganz herzlichen Dank für dieses Interv...
    defms.blogspot.com

  • Mammut Uuuuuuh, danke sehr - ich bin ganz schön gespannt. :*[Cof]


    (Dabei fällt mir auf, dass ich die beiden Texte, die ich da als "schreibe ich als näxtes" aufgeführt hatte, nie geschrieben hab. Bei dem längeren ist es eher eine Zeitfrage, bei dem kurzen stellt mir meine schlechte Physiknote ein Bein. Bzw. geht das Ende nicht so, wie ich mir das dachte ... und das war eben der Twist. [LiZ] )

  • Ich habe ZWIELICHT 15 jetzt durch und lasse einen weiteren Teaser da, der auch mit Katla zu tun hat. Der Artikel über betagte Protagonisten in der Fantastik macht einige sehr interessante Fragen auf. Z.B. ob es tatsächlich tragischer ist, wenn ein junger Mensch/Kind stirbt, als eine Person, deren "Zeit gekommen" ist.

    Hat mir sehr gut gefallen.

  • Uuuuuh *schwitz* *keuch*, lieber Elmar , ich freue mich wirklich ausgesprochen, dass es deinen kritischen Augen standhielt! [Gh2]

    War gar nicht so einfach, weil ich erst mal schauen musste (in der Primärliteratur), ob sich da überhaupt Gemeinsamkeiten rauskristallisieren, aus denen man dann Kapitel/Themensegmente machen kann.

    Ich plane schon seit dem Text ein "ZwillingsEssay", worin ich die gleiche Fragestellung in Bezug auf ein anderes umfassendes Thema nehmen will. Vorarbeiten sind fertig, komme wohl aber erst näxtes Jahr dazu.

  • Gut, ich fange einfach mal an und beginne das vorne im Buch.


    Martin Schemm - Heimatabend

    Historischer Horror, der sehr generisch beginnt und dann sehr viel Zeit, um in Gegend, Ort, Figuren, deren Club usw. einzuführen. Gespickt der Beitrag mit zahlreichem Zeitkolorit, der sicherlich gut recherchiert ist, aber nicht recht im Dienst der Geschichte stehen will. Atmosphärisch wird alles durch die Wettberschreibungen, der eigentliche Plot ist für meinen Geschmack aber zu wenig ausgearbeitet und passt für mich nicht zu dem so umfänglich angelegten Beginn. Insgesamt (nur) ein solider Einstig in das Buch.

  • Martin Schemm - Heimatabend

    Ich habe bei der Geschichte ein wenig Zeit gebraucht, um mich mit ihr anzufreunden. Erst als ich aufhörte, eine spannende Gruselgeschichte zu erwarten, fand ich zunehmend Gefallen am gemächlichen, geradezu entschleunigten, ungruseligen, unspannenden Erzählstil und an den zahlreichen historisch wirkenden Details. Manche Momente in der Geschichte waren durchaus unheimlich aufgrund der Geschehnisse, aber wurden erzählerisch nicht zusätzlich ausgeschmückt und angeheizt. Die Figuren blieben eher schemenhaft, trotzdem wuchsen sie mir allmählich ans Herz. Rückblickend hatte die Geschichte etwas Herzerwärmendes an sich und ein rührendes, humorvolles Ende.

    Das eher harmlose Gruselereignis in der Geschichte bietet nicht allzu viel Gesprächsstoff, aber es ließe sich darüber rätseln, welchem Zweck das Zitat am Anfang der Geschichte dienen mag (steht es für die Charaktereigenschaft des Fürsten oder ist es nur ein passendes historisch wirkendes Bestandteil???) und ob die in der Geschichte erwähnte Bibel eine tiefere Bedeutung haben könnte (oder dient ihre Erwähnung nur dem Weitererzählen einer historischen Neuigkeit???).

    Auch ließe sich überlegen, wie die Geschichte als Grusel-Comic oder Graphic Novel wirken würde. Einige Szenen und Motive könnten dank des Erzählstils gute Vorlagen zum Zeichnen sein.

    Da der Autor der Geschichte unter anderem auch Historische Romane schreibt und zudem studierter Historiker ist, wenn auch nicht von Beruf, passt die Geschichte vermutlich gut zu ihm und seinem Repertoire.

  • HEIMATABEND könnte tatsächlich eine echte klassische Spukgeschichte sein, sie hat alle Elemente dafür. Es geht um ein Versprechen, das auch nach dem Ableben noch eingehalten wird. Man ahnt schon früh die Auflösung und "echter", bedrohlicher Grusel stellt sich nicht ein. Nichtsdestoweniger hat mir die Geschichte aufgrund der plastisch vermittelten Atmosphäre gut gefallen. Nur als Opener hätte ich die nicht ausgesucht.

  • HEIMATABEND könnte tatsächlich eine echte klassische Spukgeschichte sein, sie hat alle Elemente dafür. Es geht um ein Versprechen, das auch nach dem Ableben noch eingehalten wird.

    Ich hoffe, ich verstehe es richtig, dass es hier in der Leserunde zu einem Gespräch kommen soll, deshalb gehe ich jetzt mal auf Elmars Beitrag ein, hoffentlich ist es auch erwünscht ...

    1.)

    Da ich schon eine ganze Reihe klassischer Spukgeschichten gelesen habe, kann ich nicht bestätigen, dass die Geschichte den Eindruck erweckt, eine "echte klassische Spukgeschichte" zu sein. Sie wirkt wie ein Historischer Roman, für den viel recherchiert wurde und bei dem möglichst viele der recherchierten historischen Details eingebaut wurden. Allerdings scheint der Autor darauf geachtet zu haben, die Geschichte nicht mit seinen Recherche-Ergebnissen zu überfrachten. Trotz einer Menge historischer/ historisch wirkender Details in der Geschichte, die für den Plot nicht relevant sind, kann man dem Geschehen und den Figuren noch gut folgen. Die historischen Inhalte halfen, dass aus einem eher kurzen Grund-Plot eine längere Geschichte entstehen konnte.

    Zustimmen kann ich Elmar in der Hinsicht, dass der Autor durchaus begriffen hat, wie eine "echte klassische Spukgeschichte" aufgebaut ist. Die Einleitung, die Figuren, das Setting und der Plot erinnern an eine "echte klassische Spukgeschichte".

    2.)

    Leider muss ich Elmar auch widersprechen bei seiner kurzen Inhaltsangabe: "Es geht um ein Versprechen, das auch nach dem Ableben noch eingehalten wird."

    In der Geschichte kann ich kein gehaltenes Versprechen entdecken. Ein gehaltenes Versprechen passt nicht zum beschriebenen Charakter des Hein Braake/ "Fürsten".

    Der Geschichte nach scheint dieser eine andere Motivation gehabt zu haben.

    Seinen Clubmitglieder scheint er sich auch nicht freundschaftlich verbunden gefühlt zu haben, seinem Verhalten in der Geschichte nach zu urteilen.

  • Ich hoffe, ich verstehe es richtig, dass es hier in der Leserunde zu einem Gespräch kommen soll, deshalb gehe ich jetzt mal auf Elmars Beitrag ein, hoffentlich ist es auch erwünscht ...

    Das ist ganz sicher erwünscht. Es gibt meines Wissens aber auch keine festen Regeln. Deshalb schreib und diskutier gerne mit, so viel du möchtest. So werde ich es auch halten.


    Auf Heimatabend folgt Silke Brandts Der vierte Apokalyptische Reiter. Erneut handelt es sich um historischen Horror und auch der Einsteig ist ganz ähnlich generisch formuliert. Silke/Katla hat offenbar umfassend für die Geschichte recherchiert, was sich besonders in dem umfangreichen Anhang zur Geschichte zeigt. So ein Anhang ist sicherlich ungewöhnlich, gefällt mir aber sehr gut. Noch besser gefällt mir aber, dass sich die Ergebnisse dieser Recherche viel besser in die Geschichte einfügen als bei bei Heimatabend. Sind sie bei Heimatabend die historischen Details eher stimmunsgvolles Dekor, bilden sie in Der vierte Apokalyptische Reiter den Kern der Handlung und tragen die ganze Geschichte. Auch die reduziertere Figurenzahl und das Timming gefallen mir bei dieser ebenfalls sehr stimmigen Geschichte nicht nur besser, sondern richtig gut. So kann es gerne weitergehen!

  • Der vierte apokalyptische Reiter

    Die Sprache und Wortwahl in der Geschichte wirkten insgesamt historisch und charakterlich passend und übten einen angenehmen Reiz aus. Lange Sätze im historischen Stil und mit historischem Inhalt musste ich stellenweise allerdings zwei- oder dreimal lesen, um sie ganz zu erfassen, besonders wenn sie in einem Abschnitt gehäuft auftraten.

    Die Beschreibung des Kutschers gefiel mir gut. Auch der Background von Augustinas Tereškinas war interessant ausgewählt und gestaltet. Seine vergangene Expedition, von der er berichtete, machte ebenso einen spannenden Eindruck. Den Dialogen nach schien Augustinas Tereškinas ein kluger Mensch mit ausgezeichnetem Gedächtnis für lange Buchtitel zu sein (wenn der Ich-Erzähler bei der Wahrheit geblieben ist).

    Vom Butler Teitkins hätte ich gerne mehr erfahren, war mir zu wenig.

    Professor Islington, der Ich-Erzähler, geleitete mich nur mühsam durch die Geschichte. Trotz guter Elemente, die mir allein betrachtet an der Geschichte gut gefallen haben, hat sich die Geschichte für mich zunächst sehr gezogen und gerade als es spannend zu werden schien, passierte plötzlich alles ganz schnell und die Geschichte war vorbei.

    Zur intellektuell anspruchsvollen Erzählweise und Wiedergabe der Ereignisse scheint es nicht zu passen, dass Professor Islington erzählt, dass er während der Kutschfahrt plötzlich ein drittes Hufpaar hört. Die Kutsche wird von zwei Pferden gezogen, und auf einmal taucht ein drittes Pferd auf. Ein Paar sind für mich zwei Stück, so dass ein einzelnes Pferd schon zwei Hufpaare hat (= vier Beine). Für mich lässt sich auch bei einem galoppierenden Pferd hören, dass es vier Hufe hat. Vielleicht weist seine Formulierung auf eine beginnende oder zunehmende kognitive Einschränkung hin, was dann wiederum zur Geschichte passen würde (falls die späteren Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen). Die schwierigen Dialoge zwischen ihm und Augustinas Tereškinas hätte er sich möglicherweise aufgrund seiner fundierten Vorkenntnisse leicht behalten oder rekonstruieren können. Okay, viel Spinnerei meinerseits! Wahrscheinlich hat es mit den drei Hufpaaren keine tiefere Bedeutung.

    Wenn ich mich nicht täusche, sind die Gruselelemente der Geschichte ein todbringender, verfluchter Gegenstand und ein bisschen so etwas wie selbsterfüllende Prophezeiung. Man erfährt am Anfang, wovor der Professor sich scheinbar grundlos ängstigt, doch durch die Ereignisse der Geschichte entwickelt es sich dann zu einem anscheinend berechtigten Grund, sich zu fürchten.