100 Jahre WEIRD TALES - Die Jubiläumsedition

  • Das Jahr 1923, wenigstens was Festas Weird Tales-Ausgabe angeht, endet mit diesen beiden Geschichten:


    Ob, wie das Internet behauptet, P. D. Gog ein Pseudonym des Autors Charles Edward Lauterbach (1884 – 1962) war, vermag ich nicht zu bestätigen. Was seinen super kurzen Beitrag DER TOD DES LUKAPEHU (THE DEAD-NAMING OF LUKAPEHU) vom September 1923 angeht, teile ich die Enttäuschung von openupandbleed . Es handelt sich im Grunde genommen um eine hawaiianische Zaubersage, der eine überflüssige Einleitung vorangesetzt wurde (wohl, um glaubhaft zu wirken).


    Ebenfalls aus der September-Ausgabe 1923 stammt Otis Adelbert Klines (1891 – 1946) EIN BECHER VOLL BLUT (THE CUP OF BLOOD). Keine großen Worte zu diesem Autor, den das SF-Lexikon einen „Fisch in allen Wassern“ nennt und der als einzig ernstzunehmender Konkurrent von Edgar Rice Burroughs galt. Hier tischt er uns das abscheuliche Verbrechen eines schottischen Burgherren auf, dessen Vermächtnis zwei amerikanischen Touristen das Gruseln lehrt. Vor allem die von Todesangst durchschauerte Nacht in der alten Burg ist gut geschildert. Abermals ist es interessant zu lesen, dass es sich bei den Amerikanern um Teilnehmer des 1. WK handelt – womit man also eine gewisse Abgebrühtheit erwarten durfte. Gewisse Übereinstimmungen in der Anlage wie in den Details mit H. P. Lovecrafts DIE RATTEN IM GEMÄUER (THE RATS IN THE WALLS) sind zudem frappierend.

  • Ebenfalls aus der September-Ausgabe 1923 stammt Otis Adelbert Klines (1891 – 1946) EIN BECHER VOLL BLUT (THE CUP OF BLOOD). Keine großen Worte zu diesem Autor, den das SF-Lexikon einen „Fisch in allen Wassern“ nennt und der als einzig ernstzunehmender Konkurrent von Edgar Rice Burroughs galt. Hier tischt er uns das abscheuliche Verbrechen eines schottischen Burgherren auf, dessen Vermächtnis zwei amerikanischen Touristen das Gruseln lehrt. Vor allem die von Todesangst durchschauerte Nacht in der alten Burg ist gut geschildert. Abermals ist es interessant zu lesen, dass es sich bei den Amerikanern um Teilnehmer des 1. WK handelt – womit man also eine gewisse Abgebrühtheit erwarten durfte. Gewisse Übereinstimmungen in der Anlage wie in den Details mit H. P. Lovecrafts DIE RATTEN IM GEMÄUER (THE RATS IN THE WALLS) sind zudem frappierend.

    Das ist erst die dritte Übersetzung des Autors ins Deutsche:

    Bibliographie deutschsprachiger SF-Stories und Bücher: Otis Adelbert Kline - Stories (chpr.at)


    Kein Wunder, dass der mir unbekannt ist.

  • Das ist erst die dritte Übersetzung des Autors ins Deutsche

    Und die vierte folgt sogleich – nämlich in Band 5 der hier besprochenen Ausgabe, Band Zusatzmaterial. Dort ist Klines Aufsatz enthalten: WARUM WEIRD TALES? (WHY WEIRD TALES?). Wenigstens beanspruchte er die Urheberschaft für sich, nachdem der Aufsatz 1924 ohne Verfasserangabe erschienen war …


    Im Übrigen kann man nie ausschließen, dass nicht doch noch eine frühere Übersetzung auftaucht, die den Bibliographen durch die Lappen gegangen ist.

  • Und die vierte folgt sogleich – nämlich in Band 5 der hier besprochenen Ausgabe, Band Zusatzmaterial. Dort ist Klines Aufsatz enthalten: WARUM WEIRD TALES? (WHY WEIRD TALES?). Wenigstens beanspruchte er die Urheberschaft für sich, nachdem der Aufsatz 1924 ohne Verfasserangabe erschienen war …


    Im Übrigen kann man nie ausschließen, dass nicht doch noch eine frühere Übersetzung auftaucht, die den Bibliographen durch die Lappen gegangen ist.

    Ah, danke für den Hinweis. Und den letzten Satz unterschreibe ich natürlich voll. Ich habe bisher auch noch keine ausschöpfende Quelle gefunden, oft genug gibt es mehr als es den Anschein hat.

  • Der Schuber ist heute gut verpackt angekommen! Natürlich ist wieder eine Seite der Schuber-Pappe verformt, aber das lässt sich angesichts des besonderen Inhalts wohl verschmerzen.

    Besten Dank schon mal für die ganzen Reviews zu den Geschichten!

  • Angeregt durch das schon angesprochene Thema Zweitverwertung, habe ich – nur für Band 1 – geschaut, welche Weird Tales sich auf Deutsch aus früheren Veröffentlichungen belegen lassen. Mein vorläufiges Ergebnis:



    1. M. L. Humphreys: DAS OBERE STOCKWERK (THE FLOOR ABOVE)
    2. H. P. Lovecraft & C. M. Eddy: DIE GELIEBTEN TOTEN (THE LOVED DEAD)
    3. H. Warner Munn: DER WERWOLF VON PONKERT (THE WEREWOLF OF PONKERT)
    4. H. G. Wells: DER GESTOHLENE KÖRPER (THE STOLEN BODY)
    5. Henry Ferris Arnold: TELEGRAMM IN DER NACHT (THE NIGHT WIRE)
    6. Arthur J. Burks: DIE GLOCKEN DES OZEANS (BELLS OF OCEANA)
    7. Everil Worrell: DER KANAL (THE CANAL)
    8. Bram Stoker: DRACULAS GAST (DRACULA’S GUEST)
    9. H. P. Lovecraft: DER RUF DES CTHULHU (THE CALL OF CTHULHU)
    10. Frank Belknap Long: DIE WELTRAUMFRESSER
    11. Robert E. Howard: SCHÄDEL INMITTEN DER STERNE (SKULLS IN THE STARS)
    12. Frank Belknap Long: DIE HUNDE DES TINDALOS (THE HOUNDS OF TINDALOS)
    13. Henry S. Whitehead: DIE LIPPEN (THE LIPS)
    14. H. P. Lovecraft & Zealia Bishop: DER FLUCH DES YIG (THE CURSE OF YIG)


    Lovecraft und sein Kreis

    Die Lovecraft-Texte und Kollaborationen mit Eddy und Bishop sind natürlich schon sämtlich auf Deutsch erschienen. Zum einen verteilt über diverse Suhrkamp/Insel-Bücher, zum anderen im Festa Verlag selbst. Auch zu Leuten wie Frank Belknap Long und Robert E. Howard ist Festa einer der ersten Ansprechpartner,


    DIE WELTRAUMFRESSER und DIE HUNDE DES TINDALOS sind enthalten in dem schönen Band Das Grauen aus den Bergen. Frank Belknap Long & H. P. Lovecraft (2013) – als Printversion längst vergriffen. Ebenfalls out of print: Das Festa HC-Buch Das rote Zimmer. Lovecrafts dunkle Idole, Bd. 2 (2010). Hier finden sich die Geschichten von M. L. Humphreys, Henry Ferris Arnold und Arthur J. Burks. Luckily existiert ein Paperback, das Lovecrafts dunkle Idole 1 + 2 vereint.


    Weird Tales im Vintage Paperback made in Germany

    Bei Howards SCHÄDEL INMITTEN DER STERNE (ein Solomon Kane-Abenteuer) ist’s etwas kniffliger. Die Reihe Terra Fantasy des Pabel Verlags versammelt die Kane-Stories in zwei Bänden. Enthalten ist das Corpus Delicti in dem ersten Band Degen der Gerechtigkeit (1975), freilich ganz anders geartet als DER MOORGEIST – und ohne Angabe des Originaltitels. Klarheit schaffte der Herausgeber dann im zweiten Band Rächer der Verdammten (1976), in welchem die Originaltitel der Geschichten aus Band 1 nachgeliefert wurden.


    Bleiben wir beim Pabel Verlag. Neben Terra Fantasy boten auch die Vampir Horrorstories den Weird Tales eine Plattform. H. Warner Munns DER WERWOLF VON PONKERT lässt sich nachweisen in Eiskalt ist die Totenhand von 1974. Und Whiteheads DIE LIPPEN in Lautlos schleicht das Grauen (1975), daselbst unter dem aufgemotzten Titel DAS FLÜSTERN BLUTIGER LIPPEN.


    DER KANAL von Everil Worrell stöbern wir im Heyne Verlag auf. Genauer in der Anthologie 14 Horror-Stories von James Dickie (1973). Doch halt! Da wurde die Story nicht als DER KANAL übersetzt, sondern als DAS MÄDCHEN VOM HAUSBOOT


    Das 19. Jahrhundert lässt grüßen

    Weird Tales brachte immer wieder klassischen Stoff, namentlich aus dem 19. Jahrhundert. Dazu zählte im November 1925 H. G. Wells DER GESTOHLENE KÖRPER, ursprünglich im Strand Magazine November 1898 veröffentlicht. Die dt. Erstveröffentlichung findet sich in dem Band Der gestohlene Bazillus und andere Geschichten (J. Hoffmann, 1910). Mir ist sie zugänglich in der Auswahl Das Kristallei, seinerzeit in der DDR erschienen (Reclam, 1979)


    Bram Stokers DRACULAS GAST ist ein empfehlenswertes Seitenstück zu Stokers Dracula-Roman. Was aus heutiger Sicht altbekannt erscheint, war in der WT Dezember-Ausgabe 1927 noch relativ frisch und erstmals 1914 posthum erschienen. Auf Deutsch liegt mir die Story in dem Band Von denen Vampiren oder Menschensaugern (Bibliotheca Dracula/Hanser, 1968) vor.


    Fazit

    Von den insgesamt 27 Weird Tales-Geschichten im 1. Band lassen sich hierzulande zumindest 14 in älteren Publikationen nachweisen. Klar, dass rund um H. P. Lovecraft die Verlage Festa und Suhrkamp/Insel Hauptrollen einnehmen. Doch auch Heyne und der Pabel Verlag brachten schon vor rund 50 Jahren Weird Tales auf den deutschen Taschenbuchmarkt. Und wenn ich mich wiederhole: Es ist das große Plus dieser 5-bändigen Jubiläumsedition, die publizistischen Zusammenhänge und Bedingungen möglichst originalgetreu zu identifizieren und somit nachvollziehbar zu machen.

  • Ehrich Weiss, besser bekannt unter dem Künstlernamen Harry Houdini (1874 – 1926) war nicht nur berühmter Entfesselungskünstler, sondern auch engagierter Kämpfer gegen den Aberglauben. So ist sein Text vom April 1924 DIE TÄUSCHUNGEN DES GESPENSTISCHEN LIEBHABERS (THE HOAX OF THE SPIRIT LOVER) zu verstehen.


    Zitat

    Scharlatanerie bringt mehr Geld ein, als mit dem ehrlichen Handwerk der Zauberkunst aufzutreten.


    Eine kurze, investigative Story, die definitiv nicht unheimlich ist. Der Name Houdini ist untrennbar mit WT verbunden, denken wir an seine (indes von Lovecraft geschriebene) Geschichte IMPRISONED WITH THE PHARAOHS aus der Mai/Juni/Juli-Ausgabe desselben Jahres.


  • Bot der 1. Band bisher einiges an mildem Grusel, kommen wir nun zu zwei wirklich abgefeimten Horrorgeschichten. Zu H. P. Lovecrafts und C. M. Eddys DIE GELIEBTEN TOTEN (THE LOVED DEAD) aus der legendären Mai/Juni/Juli-Ausgabe 1924 gibt es einen Arkham Insiders Podcast mit Inhaltsangabe und ausführlicher Besprechung. Lovecraft und Eddy entwickeln hier aus einer geschundenen Kindheit eine abartige körperliche Neigung und betten diese in die Schrecken des 1. Weltkriegs ein. So extrem sich das anhört, so extrem reagierte damals auch die „Öffentlichkeit“.


    Sehr brisant fällt auch Frank Belknap Longs TÖDLICHES GEWÄSSER (DEATH-WATERS) aus der Dezember-Nummer desselben Jahres aus: eine jener zeitgenössischen Geschichten, deren krasser Rassismus einem die Sprache verschlägt. Um aber doch etwas zu sagen: Aus einem verdorbenen See in der honduranischen Wildnis beschwört ein Schwarzer ein todbringendes Verderben herauf (das sich an Land fortsetzt). Dies weist eine überraschende Ähnlichkeit mit Irvin S. Cobbs FISHHEAD auf. Bei aller kritischen Lesart, die hier angebracht ist: Die Story ist spannend erzählt, wirkungsvoll und ein Paradebeispiel tropischen Horrors.

  • Gerade wird in der Bucht ein Schuber mit Startpreis 1€ versteigert, evtl. hat man als Nachzügler hier Glück.


    Ich bin auch schon fleißig am Schmökern und bisher voll des Lobes für diese Edition.

  • Zum Thema Sekundärliteratur kann ich noch die Werke von Stephen Jones ergänzen:


    3. The Art of Pulp Horror: An Illustrated History. (2020)

        

    4. The Art of Horror Movies: An Illustrated History. (2017)


    Jones hat eine hochkarätig besetzte Truppe von Horrorautoren und Historikern für die verschiedenen Kapitel der Bücher zusammengetrommelt: David. J. Skal, Gregory William Mank, Kim Newman, Lisa Morton, Bob Eggleton, Robert Weinberg und HP Lovecraft-Experte ST Joshi.

    Mit einem Vorwort von Nail Gaiman.

  • FUSSGÄNGER DER LUFT (MEN WHO WALK UPON THE AIR) von Frank Belknap Long bietet eine schaurige Episode aus dem Leben des François Villon. Dieser hat zum Zeitpunkt der Erzählung seine besten Tage bereits hinter sich – und so ist auch die Landschaft, durch die er zieht, von Tod und Verzweiflung geprägt. Da macht er die Bekanntschaft einer hübschen Bäuerin und lässt sich mit ihr auf ein verhängnisvolles Geschäft ein. – Auch hier hinterlässt Long, der bei der Veröffentlichung gerade einmal 24 Jahre alt war, einen guten Eindruck. Erschienen ist die Story in der Mai-Ausgabe 1925.