Wer hat das Buch schon gelesen?
Auffallend ist die Länge der beiden
ersten Geschichten, die sich danach merklich verkürzen, von ca. 40
bis 30 auf rund 15 bis 10 Seiten. Hier meine obligaten 2 Pfennige:
Der purpurne Saphir (hinterlegt vom
Professor für Mineralogie)
Die typische Geschichte von dem Ding,
das nicht weichen will – und dessen Besitz nicht glücklich macht.
Erinnerungen an: W. W. Jacobs „Die Affenpfote“ oder mehr noch an
F. de la Motte Fouqués „Galgenmännlein“ bzw. R. L. Stevensons
„Flaschenteufel“ (allerdings ohne Wunsch-Motiv). Hier ist es der
besagte Edelstein, der unweigerlich zu seinem Besitzer zurückfindet.
Eine leichte sexuelle Komponente gibt der Story etwas
Hintergründiges.
Aalila (hinterlegt vom Professor für
Psychologie)
Die weitreichenden Möglichkeiten
technischer Erfindungen – das ist das Thema dieser Episode. Eine
Scientific Romance britischer Couleur, mit Betonung des Begriffs
„Romance“, in der (einmal mehr) der Planet Venus als
Projektionsfläche irdischer Leidenschaften dient.
Purpura lapillus (hinterlegt vom
Professor für Geschichte)
Eine kurze Geschichte um einen
fragwürdigen Leckerbissen, in der sich römische Historie und
Londoner Lokalkolorit zu einer vergnüglichen, originellen Mixtur
vereinen. Kann man nicht beschreiben, muss man gelesen haben!
Das stinkende Ding (hinterlegt vom
Professor für Zoologie)
Hier sehe ich den Auftakt zu einer
paranormalen Investigation eines Carnacki (W. H. Hodgson) oder John
Silence (A. Blackwood). Allein, diese Schilderung einer Attacke aus
irgendeiner fremdartigen Daseinssphäre bleibt ungeklärt, mysteriös
und reizvoll.
Die blaue Kakerlake (hinterlegt vom
Professor für angewandte Chemie)
Lebensmittelknappheit, kindliche
Gelüste nach Südfrüchten, eine alte – zu alt gewordene – Liebe
und eine Vision. Ein weiterer Beweis für die Gabe des Autors aus
höchst unterschiedlichen Voraussetzungen etwas Überraschendes zu
zaubern.
Der Dämon (hinterlegt von mir selbst)
Die Lebedame Cynthia Carlyon war einst
der strahlende Stern ihrer Gemeinde. Dann heiratete sie einen Trinker
und wurde von einer zehrenden Krankheit befallen; ein jahrelanger,
verzweifelter Kampf gegen das Leiden beginnt. Eine unendliche
Tragödie, die sich im Stadium wahnsinniger Besessenheit totzulaufen
scheint.
Das Buch (hinterlegt vom Bibliothekar)
Knüpft an „Der Dämon“ an und ist
„eine antiquarische Geistergeschichte in der Tradition von M. R.
James über eine Bibliothek schwarzmagischer Bücher, die sich als
religiöse Schriften tarnen und vom Geist eines Mönchs heimgesucht
werden.“ (Klappentext)
Der kosmische Staub (hinterlegt vom
Professor für Chemie)
Die traurigen Überreste aus dem
„Aalila“-Bericht – ausserirdische Materie in tödlicher Dosis –
Einblicke in die Kinderstube der Erdgeschichte – wissenschaftlich
sensationell … dazu verdammt, in der Schublade zu verschwinden. Ein
Hauch SF à la H. P. Lovecraft schwingt in diesem kosmischen Finale
mit.
Fazit
Eine irritierende und bestrickende
Lektüre. In seiner bunten Vielfalt erinnert die Sammlung an Maurice Renards Einladung an die Furcht. Wie dort bewegen sich die Texte hier
zwischen dem Erbe der Gothic Novel und den Vorahnungen spekulativer
Literatur. Auch ein kräftiger Schuss Humor darf nicht fehlen – der
im vorliegenden Fall natürlich very british ausfällt. Vier von fünf
Daumen.