Dublin Murders
RTÉ / BBC 2019 –
In Deutschland über StarzPlay / AmazonPrime (Premiere war Herbst 2019)
1. Staffel mit 8 Episoden á 57 Min.
Idee, Drehbuch & Produktion: Sarah Phlebs nach zwei mystischen Thrillern von Tana French: In the Woods / Grabesgrün und The Likeness / Totengleich
Hauptrollen: Killian Scott (Love|Hate, Ripper Street) und Sarah Greene (Penny Dreadful, Vikings); Nebenrollen: Tom Vaughan-Lawlor (Avengers: Infinity War), und sehr wandelbar in einer wunderbar ambivalenten Rolle, Conleth Hill (GoT).
Läuft gerade im finnischen TV und ich bin ganz hingerissen: angekündigt als Thriller bzw. police procedural stellt sich die Serie als waschechter spekulativer Realismus heraus: verwunschene Wälder, mystische Wildtiere, ein Schuss Folk-Horror und vor allem – reale wie spekulative – Varianten des Doppelgängermotivs, sei es ein ‚evil twin‘, Wechselbälger, ein Alias zur Verschleierung einer tragischen (möglicherweise schuldbelasteten) Vergangenheit sowie verselbstständigte Undercover-Identitäten oder eine zum Leben erwachte eingebildete Freundin aus Zeiten eines Kindheitstraumas. Die irrealen Elemente werden ganz selbstverständlich in den Plot integriert, die meisten davon bleiben vollkommen unerklärt, ihre Symbolik / Funktion erschließt sich eher intuitiv.
Der Hauptplot dreht sich um den Mord an einem Mädchen, die auf einem vorzeitlichen Opferstein in einem mystischen, verfluchten Wald gefunden wird. In diesem waren bereits 20 Jahre zuvor aus einer Dreiergruppe Freunde zwei Kinder spurlos verschwunden, das dritte war – unverletzt, aber mit zerfetztem Shirt und blutgetränkten Schuhen – schwer traumatisiert geborgen worden. Der Fall sieht nach einem Ritualmord aus, jedoch tritt diese These immer stärker in den Hintergrund, nachdem im Umfeld der Opferfamilie wie auch Verdächtigen immer eigenartigere mögliche Motive auftauchen. Die Ermittler geraten bald selbst in einen dunklen Sog aus Wahnsinn und Grausamkeit.
Die Serie hat einen starken True Detective-Vibe und erinnert mich durch die Verwendung von regionalen - hier keltischen - Legenden auch an die schwedische mystisch-spekulative Thrillerserie Jordskott; die enge Beziehung der beiden Ermittler hat Ähnlichkeit mit der von Scully & Mulder in (ohne Aufteilung in Skeptizismus vs Mystizismus).
Dublin Murders hat ungewöhnlich viele (und ungewöhnlich komplexe) Subplots und Nebencharaktere, wobei sich nur langsam die Verbindungen offenbaren. Auch hier gibt es absichtlich anerzählte Stränge, die mehr zur Charakterisierung denn zum Hauptplot beitragen und teils unbeendet gelassen werden. Ich schätze Sarah Plebs ganz außerordentlich, vor allem mit ihren drei Agatha Christie-Verfilmungen bewies sie schon Mut zur Innovation und ein Talent für komplex verschachtelte Erzählungen. Die Serie funktioniert über seine Figuren – vor allem die grandiosen, ambivalenten Ermittler, die beide dunkle Geheimnisse mit sich herumtragen – sowie Kamera und Schnitt. Besonders die ersten drei Episoden sind echt ein (düsterer) Augenschmaus.
Trailer Engl.
Starz-Homepage mit Episodenguide (Engl)
FAZ-Artikel mit dt.Trailer
Kurze Featurette / Interviews (Engl)
In Punkten: 9 von 10
Einzige Kritik: Die Serie hat nur eine Headwriterin (Phlebs), aber für eine so kurze Strecke wie 8 Folgen eine (zu) große Cast: 11 Produzenten, 4 Kameramänner und 5 Editors. Dabei weicht die Bildsprache (Stichwort: 'Setting/Landschaft als Protagonist') und der Rhythmus der ersten drei Episoden von den späteren teils stark ab, was leider – vor allem wegen des komplexen Plots – den eleganten Erzählfluss etwas in Stocken bringt, bzw. ab & zu auch zu sehr zwischen düsterem Kunstkino und krimiorientiertem Kommerz schwankt.