Michael Knoke & Jörg Kleudgen - DER RISS IN DER WIRKLICHKEIT

    • Offizieller Beitrag


    DER RISS IN DER WIRKLICHKEIT


    Michael Knoke & Jörg Kleudgen


    „Komm endlich und tu, was ich dir sage, dreckige Hure!“, schrie der Firmenchef aufgebracht, dann tat er einen völlig unerwarteten Satz in ihre Richtung und stieß der Sekretärin wutentbrannt den aufgeschraubten Füllfederhalter in die Kehle. Die Frau griff sich röchelnd an den Hals. Blut schoss zwischen den schlanken, weißen Fingern hindurch. Alle Anwesenden erstarrten augenblicklich. Ein kleiner, glatzköpfiger Mann mit lustiger Brille schlug entsetzt die Hand vor den Mund. Aber selbst der Firmenchef war fassungslos: „Mein Gott, was habe ich getan? Das wollte ich nicht! Es ist plötzlich über mich gekommen. Sie hat mich provoziert.“ Sein Blick traf mich. „Sie können das doch bestätigen, oder? Es war … ein Unfall. Jawohl, ich könnte doch niemandem etwas zuleide tun. Ich ein guter Mensch!“

    [Drogenkonsum, Nacktheit, Schimpfwörter, Gewalt ...]

    Es ist eine schlimme Geschichte, und es bedurfte schlimmer Worte, um sie zu erzählen: Michael Knokes „Der Riss“, in der sein Protagonist alles verliert, was sein Leben lebenswert macht. Auf Einladung eines mysteriösen Fremden landet er im „Block“, einem abstrakten Gebäude vor den Toren der Stadt, wo er als anonyme Nummer unter vielen auf ein ungewisses Schicksal vorbereitet wird …
    Die posthum ergänzte Erzählung ist eine schmerzhafte Leseerfahrung abseits dessen, was der Mainstream bietet. Als zeitgeschichtliches Dokument der gegenwärtigen Krise wird sie auf Recyclingpapier gedruckt.
    Nachwort und Lektorat von Uwe Voehl

    Für 12,00 € plus 1,60 € Versandkosten erhältlich bei: Goblin-Press, Jörg Kleudgen, joerg ÄT the-house-of-usher.de. Bitte auf jeden Fall die aktuelle Lieferadresse mit angeben!



    Quelle: https://www.facebook.com/jorg.kleudgen/posts/pfbid0EQVqdgPTgVoS4iaNZj4kKrM2k9q3Lzd8pzg83e35mMpFpQhEgCBhWcvs7oA5qqjTl?notif_id=1665674915933547&WCF_AMPERSAND¬if_t=close_friend_activity&ref=notif


  • Hab mein Exemplar auch schon bestellt und bin gespannt.

    Der Inhalt klingt interessant, die kurze Leseprobe eher weniger. Ich muss gestehen, dass ich auch nicht unbedingt der größte Knoke-Fan bin. Auch wenn ich "Vom Flüstern der Mollusken" von ihm großartig fand. Also mal abwarten...

    Dass Jörg immer noch regelmäßig Texte von Michael Knoke veröffentlicht und dafür sorgt, dass sein Name nicht in Vergessenheit gerät, verdient aber definitiv größten Respekt!

  • Limitierung steht jetzt nichts dabei, ich werd mir den titel mal auf die liste setzen und wohl bei meiner nächsten goblin press bestellung mitbestellen.


    kenne von michael knoke sonst nur vom flüstern der mollusken, das hab ich positiv im kopf. Lucifana müsste noch auf dem sub liegen.

  • Weiß jemand, ob Jörg nach Dreieich kommt und evtl. einige Exemplare dabei hat?

    Lieber Elmar,


    da ich im anderen Fenster grad mit Jörg schrieb, hab ich gefragt. Er sagte: "Leider nicht, da ich Besuch von unserem Gitarristen bekomme und mit ihm das ganze Wochenende am neuen Album arbeite."

    [Cof]

  • Inzwischen gelesen.

    First of all: Die Triggerwarnung wäre mMn nicht nötig gewesen. Die Veröffentlichungen der Goblin Press sind bisher ja eher weniger durch expliziten Splatter- und Gore aufgefallen und auch "Der Riss in der Wirklichkeit" stellt da keine Ausnahme dar. Der Textauszug, den man in Shadowmans Eingangspost findet, zeigt schon recht deutlich was man hier in Sachen Gewalt und Sprache erwarten darf - Schlimmer wird es eigentlich nicht. Ein Mann wird später noch totgeprügelt, einem anderen fällt der Penis ab und kriecht davon ("Beyond Re-Animator" lässt grüßen) - Das war es dann aber auch schon... Wer sich davon verstört fühlt, muss schon sehr zart besaitet sein oder an wirklich starker Kastrationsangst leiden. Zudem beschränken sich diese Szenen auch nur auf das Finale bzw. die letzten Seiten der Geschichte. Bis dahin geht es in der Novelle doch wesentlich subtiler zu.

    Aber lohnt sie sich auch?

    "Der Riss in der Wirklichkeit" beginnt zumindest schon mal mit einem äußerst stimmungsvollen Prolog, der den Leser sofort gefangen nimmt: "Ein dunkler Schatten hatte sich über mein Leben gelegt, eine Verzerrung der Realität, die mich von Korridor zu Korridor tiefer und tiefer in die unbewussten Abgründe meines eigenen Ichs hinabführten..."

    Der namenlose Erzähler hätte dabei sicher auch aus einem Siefener-Roman stammen können: Er ist unattraktiv, pleite, depressiv und ein absoluter Außenseiter. Dann verlässt ihn auch noch seine Freundin, sein Mieter schmeißt ihn raus und er verliert seinen Job. Er wird allerdings nicht einfach nur gefeuert, er wird gleich völlig gelöscht, zur nicht mehr existierenden Person erklärt. Und schon bald fangen die Menschen in seiner Umgebung an ihn zu ignorieren bzw. nicht mehr wahrzunehmen.

    Das erinnert alles extrem stark an Fritz Leibers "Die Sündhaften" (und ich bin mir ziemlich sicher, dass Knoke den Roman gekannt hat), aber natürlich auch an Kafka und Philip K. Dick. Der Einstieg der Novelle ist jedenfalls ziemlich grandios. Danach machen sich jedoch erst Schwächen bemerkbar:

    Die (Ex-)Freundin des Erzählers ist z.B. eine dermaßen überzeichnete Figur, dass sie einfach nur lächerlich wirkt. Generell sind die Figuren und die Dialoge größtenteils ziemlich flach und klischeehaft. Zudem wendet Knoke zu viel Zeit dafür auf, um uns den Alltag und das persönliche Versagen des Protagonisten näherzubringen. Dabei kommt es auch zu einigen störenden Wiederholungen. Allein das Wort "Discounter" taucht am Anfang gefühlt in jedem zweiten Satz auf.

    Deutlich interessanter und wesentlich stärker wird es dann wieder, als die Handlung die Realität hinter sich lässt und in den gläsernen Block verlegt wird - Ein unwirklicher und labyrinthischer Gebäudekomplex, der voller Gefahren steckt und in dem alle Bewohner Glatze, Overalls und Nummern statt Namen tragen. Knoke erzeugt hier eine wirklich bedrückende und surreale Stimmung. Was den Ort zudem noch mysteriöser macht, ist die Tatsache, dass bis zum Schluss nicht geklärt wird, was es mit ihm auf sich hat (Himmel? Hölle? Wahnvorstellung?). Die fehlende Auflösung könnte einige Leser sicher stören, mMn passt sie perfekt zu dieser kafkaesken Geschichte.

    An diesem Punkt übernimmt dann Jörg Kleudgen das Ruder, da es Knoke nicht mehr gelungen war, die Novelle vor seinem Tod zu Ende zu bringen. Darüber wie er dieses geplant hatte, lässt sich natürlich nur spekulieren, die Richtung in die Kleudgen die Geschichte entwickelt hat mir allerdings nicht wirklich zugesagt. Und das lag definitiv nicht an der ganzen Gewalt, auf die ich ja bereits eingegangen bin, sondern daran dass das Ganze plötzlich zum ziemlich banalen Racheplot wird und sich größtenteils wie die alberne Allmachtsphantasie eines trotzigen Manbabys liest (inklusive plumper und plakativer Sozialkritik). Dass Kleudgen die faszinierende Welt des Blocks hinter sich lässt und gleich wieder in die Realität (und damit auch zu den anfänglichen Schwächen) zurückkehrt, ist wirklich bedauerlich.

    Fazit: "Der Riss in der Wirklichkeit" ist eine einzige Berg- und Talfahrt. Trotz der vielen Mängel (schwieriges Frauenbild, viele Klischees und Wiederholungen, lahmes Finale) hat mich die Novelle aber gut unterhalten. Die eigentliche Prämisse ist interessant und die (alp)traumähnliche Atmosphäre gelingt Knoke und Kleudgen absolut perfekt. Die Geschichte bleibt dennoch deutlich hinter ihrem Potential zurück. Mit einem bessern Ende hätte das hier richtig groß werden können.