Tobias Reckermann (Hrsg.) - DROMMETENROT

    • Offizieller Beitrag


    Tobias Reckermann (Hrsg.)

    DROMMETENROT

    Band 27, Unheimliche Erzählungen

    Exklusive Sammler-Ausgabe


    Seiten: 200 Taschenbuch


    VÖ: November 2022


    Künstler: MtP-Art (Mario Heyer)

    Künstler (Innenteil): MtP-Art (Mario Heyer)



    Drommetenrot, das zweite Projekt des Teams „Feuerernte“, ist eine Hommage an Leo Perutz' Roman Der Meister des Jüngsten Tages. Drei Novellen und eine Kurzgeschichte greifen den von Perutz geschaffenen Mythos um die Farbe der Sonne am Tag des Jüngsten Gerichts auf. Zwischen Drogenkult und Vorahnungen der Apokalypse entspinnen sich Erzählungen von Wahnwitz, Kunst und hanebüchener Lüge – doch mit schonungslosem Bezug zur Wirklichkeit.




    Quelle: https://www.blitz-verlag.de/index.php?action=buch&id=2979

  • Auf das Projekt bin ich schon extrem gespannt.

    Ich muss gestehen, dass ich "Der Meister des Jüngsten Tages" nie gelesen habe, aber ich werde diese Bildungslücke vor der Veröffentlichung von "Drommetenrot" definitiv noch schließen. Das Buch liegt (zusammen mit Perutz "Nachts unter der steinernen Brücke") momentan ganz oben auf meinem SuB.

  • Auf jeden Fall Perutz lesen, der ist meines erachtens nach essentiell. Leider wird er sogar bei uns, also in seinem Heimatland, vor allem als Krimiautor hofiert. Dabei war gerade sein Phantastisches Werk relevant.

  • Leider wird er sogar bei uns, also in seinem Heimatland, vor allem als Krimiautor hofiert.

    Als solchen hatte ich ihn auch immer verortet... und ihm damit scheinbar Unrecht getan.

    "Der Meister des Jüngsten Tages" hört sich aber wirklich interessant an. Ich werde berichten.

  • "Wir alle sind Gebilde, die dem großen Willen des Schöpfers mißlungen sind. Wie tragen einen furchtbaren Feind in uns und ahnen es nicht. Er regt sich nicht, er schläft, er liegt wie tot. Wehe, wenn er zum Leben erwacht! Möge niemals wieder ein menschliches Auge die Farbe Drommetenrot erblicken, die ich gesehen habe, ja Gott helfe mir, ich habe sie gesehen."


    Inzwischen die ersten 100 Seiten gelesen und sehr begeistert. Auf der Rückseite wird "Der Meister des Jüngsten Tages" als eine Mischung aus Franz Kafka und Agatha Christie bezeichnet und das passt mMn ganz gut. Hier geht es jedenfalls nicht um einen banalen Mordfall, sondern gleich um eine Reihe mysteriöser Selbstmorde, die wie eine Art Virus um sich greifen. Und dazwischen gab es noch einen interessanten Abschnitt, der wie ein wirrer Fiebertraum wirkte. Perutz schreibt dabei äußerst pointiert (die sehr kurzen Kapitel enden meist mit einem Cliffhanger) und hält konstante die Spannung oben. Jetzt muss nur noch die Auflösung passen...


    EDIT: Vor ein paar Tagen beendet. Ein nettes Vexierspiel, am Ende aber doch mehr Christie/Doyle als Kafka. Die surrealen Episoden halten sich zumindest sehr zurück und die Auflösung ist dann auch rein irdischen Ursprungs (oder doch nicht?). Generell klingt das Mysterium um die Farbe Drommetenrot und den alten Foliant phantastischer als es eigentlich ist - Was aber gar nichts über die Qualität des Romans aussagt. Das hier ist definitiv weit mehr als ein simpler Kriminalfall und bietet enorm viel Raum für Interpretationen. Gerade durch das fiktive Nachwort des Herausgebers kommt auf den letzten Seiten nochmal eine ganz neue Bedeutungsebene hinzu. Hat mich durchgängig enorm gut unterhalten.


    Bin mal gespannt was die Whitetrain-Gang mit der Materie anstellen wird.

  • Cheddar Goblin die auflösung gibt natürlich eine klare lesart vor, aber für mich war nach der lektüre und auch heute über 15 jahre später immer eingeschrieben, dass dadurch dei fantastische lesart nie verschwindet, weil die einfach diese unglaubliche stärke besitzt. das ist für mich ein geniestück :) die Drommetenrot-Antho baut dann ziemlich stark auf diese lesart, ist klar fantastisch !

  • Gestern beendet. Meine Meinung zu den enthaltenen Novellen und der Kurzgeschichte:


    "Die Serenade in schillerndem Rot (oder: Wohin der Weg führt)" von Christan Veit Eschenfelder

    Eschenfelder erzeugt hier von Anfang an eine traumähnliche und extrem surreal und weirde Stimmung. Der Erzähler scheint dabei auch nicht wirklich Herr seiner Sinne zu sein bzw. ein paar kleinere Gedächtnislücken aufzuweisen: "Vielleicht trügt mich lediglich meine Erinnerung." / "[Ich antwortete], bin mir im nächsten Augenblick jedoch schon nicht mehr sicher, ob ich die Wahrheit gesagt habe."

    Bei Perutz waren die Wahnzustände ja wohl dosiert und haben dadurch umso nachdrücklicher gewirkt – Eschenfelder geht diesbezüglich all-in und präsentiert uns hier den permanenten Rausch. Das zeigt irgendwann aber doch leichte Abnutzungserscheinungen.

    Generell steht hier auch eher die Stimmung und weniger die eigentliche Handlung im Vordergrund, denn auf der Storyebene passiert nicht wirklich viel. Dadurch fand ich den Text stellenweise leider auch etwas zäh. Definitiv nicht schlecht, aber mMn deutlich zu lang. Da hatte mir "Sagittarius" von Eschenfelder deutlich besser gefallen.


    "K und eine Fotographie in Schwarz-Weiß" von Felix Woitkowski

    Der Student Peter Weißbecker arbeitet für die Zeitung "K". Als er die GaLerie des Künstlers Richard Lösch aufsucht, landet er zunächst in labyrinthischen Gängen, die in diesem unwirklichen Gebäude eigentlich keinen Platz haben sollten und schließlich vor einem bizarres Gemälde, das Weißbecker sofort in seinen Bann zieht und ihn nach einer Weile förmlich einzusaugen droht.

    Eine ungemein atmosphärische und unglaublich gut recherchierte Geschichte, die (ähnlich wie die Beleuchtung in Löschs GaLerie) definitiv auch eine leicht hypnotische Wirkung hat. Für mich war sie jedenfalls das absolute Highlight dieser Anthologie und gehört zum Besten was ich bisher von Felix gelesen habe.

    Was für ein Trip! Und was für ein großartiges Finale! Der Mann muss eindeutig mehr schreiben...


    "Der Meister der letzten Tage" von Tobias Reckermann

    Gregor ist auf Pilgereise. Ein Unwetter zwingt ihn zu einer Unterbrechung in einer Herberge. Dort findet er das Buch "Der Meister der letzten Tage". Auf der Suche nach dem Verfasser/ dem Meister landet er irgendwann in einer Kommune voller Hipster, Hippies, Künstlern und jeder Menge Drogen.

    Wie schon in seiner genialen "Gotheim"-Trilogie oder bei "Lieber Herr Mordio" bleibt Reckermann auch hier der politischen Weird-Fiction treu: Kriege, Klimawandel, rechter Terrorismus/ NSU... Dass er seine literarischen Fieberträume immer wieder mit dem realen, und häufig auch sehr deutschen Schrecken kombiniert, macht seine Geschichten mMn hierzulande ziemlich einzigartig und kann nicht oft genug gelobt werden.

    Und auch der Wechsel zwischen den zwei Zeitebenen (Kommune in der Wüste/ Vergangenheit in Berlin) hat mir richtig gut gefallen. Ich muss aber gestehen, dass ich den Sinn hinter der "Abspaltung" von Gregor und Egregor nicht so ganz geschnallt habe. Trauma? Rausch? Oder mehr?

    Dennoch: Großartig!


    "Drommetenrot" von Erik R. Andara

    Nach dem Tod ihres Bruders ist Tatjana auf dem Weg zu einem Pfandleihhaus, um dort ein Gemälde abzuholen, das ihre Mutter kurz vor ihrem Selbstmord gezeichnet hatte. Ich denke es muss nicht erwähnt werden, es sich nicht um ein gewöhnliches Gemälde handelt...

    Nach Eriks Hommagen an Kubin ("Hinaus durch die zweite Tür") und Chambers ("Nachtzug nach Carcosa"), ist nun also Perutz an der Reihe. Dabei liefert er den kürzesten und sicher auch den zugänglichsten Beitrag in dieser Anthologie ab. Wenn ich es richtig verstanden habe, war der Text ursprünglich eigentlich auch als Novelle geplant, hatte im Gegensatz zum Autor aber andere Vorstellungen was seine finale Form angeht. Das ändert jedoch nichts an der Qualität. Wie fast alles von Erik ist auch "Drommetenrot" extrem lesenswert ausgefallen - Und auch recht bedrückend. Denn ähnlich wie bei Reckermann macht das Grauen auch hier nicht vor realen Ereignissen halt:

    "Was sollte sie noch aufhalten, in dieser Welt, die eindeutig verrückt geworden war? Pandemien, Kriege, der drohende Klimakollaps. Wer sollte das auf Dauer ertragen? Das waren keine Abenteuer mehr, das war purer Irrsinn. Die Welt war kaputt, ging nach und nach vor die Hunde."


    Kurzes Fazit + Einordnung:

    Wie erwartet, eine großartige Anthologie, die es dieses Jahr definitiv in meine Top10-Liste schaffen wird. Perutz' "Der Meister des Jüngsten Tages" muss man zum Verständnis übrigens nicht gelesen haben. Die Autoren beziehen sich hier nämlich primär nur auf den Drogen-/Farb-Aspekt des Romans (der dort nur einen kleinen Teil ausmachte) und belassen es ansonsten bei ein paar Anspielungen.

  • Sehr fein, dass Du es mochtest, Cheddar Goblin .

    Als Pastiches im Angebot habe ich noch:

    E.A. Poe, Ligeia -- In ihrer Finsternis ruhen

    Raymond Chandler, Der grosse Schlaf -- Der tiefe Schlaf, Notruf aus dem Scherbenviertel (werden beide in meiner nächsten Sammlung enthalten sein)


    Und fix geplant habeich Variationen auf:

    Franz Kafka

    Salman Rushdie

    Alfred Jarry

    Arthur Machen

  • Als Pastiches im Angebot habe ich noch:

    E.A. Poe, Ligeia -- In ihrer Finsternis ruhen

    Raymond Chandler, Der grosse Schlaf -- Der tiefe Schlaf, Notruf aus dem Scherbenviertel

    Stimmt. "In ihrer Finsternis ruhen" und "Notruf aus dem Scherbenviertel" habe ich sogar gelesen und sehr gemocht.

    Und fix geplant habeich Variationen auf:

    Franz Kafka

    Salman Rushdie

    Alfred Jarry

    Arthur Machen

    Klingt interessant. Ich bin gespannt...