Ich wollte Aickman schon länger einen eigenen Thread widmen. Nicht nur, weil einer der wichtigsten phantastischen Autoren des letzten Jahrhunderts ist - er zählt auch unangefochten zu meinen eigenen Favoriten aus der Weird Fiction im weitesten Sinne. Darüber hinaus würde er auch in einer allgemeinen Bestenliste bei mir einen hohen Platz belegen.
Biographie
Aickman (1914 - 1981) widmete sich erst relativ dem spät dem Verfassen seiner phantastischen Kurzgeschichten, die er selbst stets als strange stories verstanden wissen wollte. Ursprünglich sollte der Sohn eines Architekten der Profession des Vaters folgen, nach dem Krieg verschrieb sich der politisch konservative Aickman jedoch dem Erhalt des wirtschaftlich belangloser werdenden britischen Kanalsystem, den "Inland Waterways". Er war Mitbegründer und maßgeblicher Mitarbeiter der "Inland Waterways Association".
Zur Mitte der 50er Jahre schrieb er drei Geschichten, die gemeinsam mit Beiträgen von Elizabeth Jane Howard in der Sammlung We Are for the Dark erschienen. In der Folge konnte er einzelne Stories in Magazinen unterbringen. In den 60ern veröffentlichte er seinen ersten Roman The Late Breakfasters und die erste komplett eigene Sammlung Dark Entries. Seine Expertise wurde gewürdigt, als man ihm die Herausgabe der Reihe Fontana Book of Great Ghost Stories übertrug, was der Möglichkeit zur Schaffung eines Kanons gleichkam. Die erste Anthologie enthält u. a. Geschichten von L. P. Hartley, Joseph Sheridan Le Fanu, Algernon Blackwood und William Hope Hodgson. Er widmete das Buch Lady Cynthia Asquith.
Aickman war weithin als klassisch gebildeter Kenner von Literatur, Musik und Theater anerkannt. Er veröffentlichte weitere Storysammlungen, schrieb Theaterkritiken und zwei autobiographische Bücher. Er wurde u. a. mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet, den er aber nicht persönlich entgegen nehmen konnte. 1981 starb Aickman an einer unbehandelten Krebserkrankung - er hatte auf eine medizinische Therapie zugunsten einer homöopathischen Mitteleinnahme verzichtet.
Aickmans Literatur ist kaum durch herkömmliche Genrekategorien zu erfassen und nimmt innerhalb der Weird Fiction gewiss eine Sonderstellung ein. Ein geschliffener Stil, der zwischen reichhaltigem Realismus und poetischer Verdichtung pendelt, paart sich mit einer ausgefeilten Psychologie und dem gekonnten Einsatz des universellen Instrumentariums der Ghost Story, wobei die Elemente in ihrer Intensität wechseln und immer wieder erkennbar unterschiedlich arrangiert werden. Durch eine enorme Bandbreite an ProtagonistInnen, Handlungsorten und Themen bleibt Aickman durchgängig interessant. Er spielt immer wieder mit surrealistischen und symbolistisch-dekadenten Aspekten. Er wird häufig mit M. R. James und Walter de la Mare verglichen, was nicht falsch, aber auch nicht wirklich zutreffend ist.
Weiteres
Sehr lesenswert: Der ausführliche Artikel der englischen Wikipedia.
Als maßgeblicher Aickman-Verlag muss die Tartarus Press genannt werden; hier ist bspw. gerade frisch ein zuvor noch nie veröffentlichter Roman Aickmans erschienen.
Günstig zu haben sind mehrere Sammlungen Aickmans bei Faber & Faber.
Einen deutschen Text über Aickman, der auch bisherige Übersetzungen nennt (nur noch antiquarisch), fand ich im Phantastikon.
Eine sehenswerte Dokumentation über Aickman findet sich auf youtube: Robert Aickman - Author of Strange Tales
Es gäbe noch mehr zu sagen. Interessante Berichte über und Texte zu Aickman (Person und Werk) kenne ich u. a. von Joel Lane, Peter Straub und T.E.D. Klein. Ich werde nach und nach alle Bücher, die ich von Aickman besitze und schätze, hier besprechen. Bisher habe ich Aickman ausschließlich im Original gelesen.