Jean Ray – Malpertuis

  • Wie es aussieht, ist der Film aktuell auf youtube:


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    "The amount of weird material I have not read is appalling"


    HPL to CAS, 1925

  • Hallo Nils Mensch, grandios - der hat ja keinen Länderblocker! Und dann noch Original mit UT (ich hab englische genommen). Vielen lieben Dank, der Film hat bei mir echt einen Nerv getroffen, lange nicht mehr so etwas wunderbar Schräges gesehen, und es gab viel zum Rätseln und Puzzeln und einfach auch so verrückte Details.


    Als ich das Buch angefangen hatte, war ich irgendwie befremdet und konnte damit nicht viel anfangen - hatte es dann sehr schnell zur Seite gelegt, um es mir nicht zu 'verbrennen' und es besser später noch mal zu probieren. Jetzt mit dem Film im Hintergrund (du hattest aber erzählt, dass Buch und Film ziemlich divergieren, oder irre ich mich?) hab ichs erneut zur Hand genommen und bin von den ersten Seiten wirklich begeistert. Eine der ganz fantastischen Dinge an Literatur - dass der gleiche Text einem vollkommen anders vorkommt.


    p.s. Ach ja, vergessen: Solche Männerfiguren sieht man auch nicht mehr oft. Frei ambivalent, nicht irgendwo im Spektrum verortet ambivalent. Echt extrem spannend. So hatte ich den Schauspieler nie wahrgenommen, klasse. Hatte da so einen kleinen Knick in der Optik und fand das einen astreinen Bastard aus Björn Andrésen in Tod in Venedig, David Bowie in der The Man Who Fell on Earth-Phase und ... Jamie Campbell Bower? Hatte noch jemand anderes im Kopf.

    Ich steh an sich nicht auf naiv, aber bei der Figur hier hat das grandios funktioniert, finde ich.


    Grandios, vielen Dank fürs Posten!

    [Cof]

  • Freut mich, dass der dir Film so gut gefallen hat! :)


    Ich war nach Erstsichtung auch hin und weg. Richtig toll ist übrigens auch Blut an den Lippen vom selben Regisseur, der ist auch immer mal wieder auf arte.


    Das Buch von Jean Ray ist schon insgesamt sehr anders als der Film, es hat mehr mythologische Substanz und ist, in meiner Erinnerung, weniger derb als der Film. Andererseits schafft der Film es so unglaublich gut, ästhetische Essenzen und Stimmungen des Romans zu kondensieren und auf cineastische Art zu transportieren, dass die Differenzen eigentlich kaum ins Gewicht fallen. Ich sehe beide Erzeugnisse mittlerweile als interdependentes Gesamtkunstwerk.


    Ich hoffe, du kannst dich fürs Buch doch noch mal erwärmen. Ich bin gespannt!

    "The amount of weird material I have not read is appalling"


    HPL to CAS, 1925

  • Ich war nach Erstsichtung auch hin und weg. Richtig toll ist übrigens auch Blut an den Lippen vom selben Regisseur, der ist auch immer mal wieder auf arte.

    Oh ja, danke, den kenne ich - ist aber wirklich ewig her. Ein sehr schräger Film, sehr artifiziell (also im Positiven), sehr Guido Crepax, da werd ich mal die Augen aufhalten, ich kann mich nur noch an Eindrücke erinnern.

    Ich hoffe, du kannst dich fürs Buch doch noch mal erwärmen.

    Absolut! Ich bin echt hingerissen. Nancy ist so fies im Buch, krass, hahaha.


    Ja, das hast du wunderbar beschrieben, zu dem Ergebnis werde ich vermutlich auch kommen. Mir gefällt am Buch, dass es etwas schneller zum Punkt kommt; andererseits ist das Intro im Film auch sehr schön schräg (und auf andere Art als das Buch eine typische Jean Ray Geschichte-in-der-Geschichte). Ausnahmsweise passte für mich grad die Reihenfolge Film -> Roman super gut.

    Keinen Plan, warum mir das damals nicht gefiel und ich bin heilfroh, dass ich das sofort weggelegt hatte. Jetzt kann ich das eben wirklich neu entdecken.


    Liebe Grüße,

    Katla [Cof]

  • Lieber Nils , ich bin durch und es ist ein ganz wunderbares Buch. Wie schön, dass du den Film gepostet hattest!


    Immer noch stimme ich dir zu: Beides steht auch für sich selbst und das ist gut so. Beides erzählt dennoch die gleiche Geschichte, anders als bei vielen anderen Verfilmungen, die sich vllt. sogar näher an Originalplots halten.


    Obwohl Ray sicher ein Meister im Verschachteln ist (allem voran eben der "Mainzer Psalter"), liegt bei diesem Roman meine einzige Kritik in der extrem starken Zerfaserung der Perspektiven, Figuren, Settings und teils noch Motiven achteraus.


    Diese Sache mit dem bösen Abt spielt bei der Suche nach den Göttern sicher eine Rolle (auch sehr schön, diese gruseligen Priester kann Ray ja enorm gut zeichnen), und diese Werwolf-Sache war auch toll / frisch erzählt und schön in sich, aber ich hab wirklich den Faden verloren, wer dann wann auf welcher Ebene erzählt und ob das näher oder weiter weg (ggfs. ganz unabhängig) von der Geschichte um Malpertuis ist.


    Eisengott eine Stimme zu geben, hat mich enorm gefreut - eine spannende Figur, ein grandioser Name. Aber den 'showdown' zwischen den Frauen so durch die Augen eines mir im Grunde unbekannten, nebensächlichen Menschen und so stark aus der Distanz in Zusammenfassung geschildert ist fast ein Verbrechen. Denn die Bilder sind ja irre stark und J.J. wird so derart prominent behandelt und erfährt dann keine entsprechende Auflösung (character death schön & gut, aber das Ganze soll ja Tragik / Drama / Action haben und dafür glitt es doch zu eilig vorbei).


    Okay, dies ist mehr nerdiges Genöle, weil ich das Buch so geliebt hab. Besonders gefallen haben mir die oft ungewöhnlichen, dramatischen Beschreibungen, ohne viel Gerede, einfach selbstverständlich solche Bilder (Sturm, Nacht, die Gorgonen-Augen, etc. p. p.) in ganz kurzen, klaren, poetischen Sätzen.


    Schönes Buch! Ich bin immer noch extrem angefressen, dass mir Nicolays Übersetzungen so quer reinlaufen, dass ich von den englischen Büchern jenseits von Ghouls in My Grave nix habe.

  • Von diesem thread habe ich wirklich Lust bekommen, mir Malpertius noch einmal vorzunehmen. Ich glaube, ich war entweder zu jung dafür oder bin zu schnell durchgerast oder beides, als der Band bei festa herauskam.

  • Von diesem thread habe ich wirklich Lust bekommen, mir Malpertius noch einmal vorzunehmen.

    Das wär doch klasse. Bei mir hats ja dann mit dem gleichen Buch geklappt (und nach kürzerer Weglegzeit), aber vielleicht nimmst du zur Abwechslung den Suhrkamp Band? Nicht, dass eine Übersetzung besser oder schlechter sein muss, sondern nur, wegen einem etwas anderen Stil? Vermute ich mal.


    Die Suhrkamp-Ausgabe ist 1. Aufl. von 1988 und der Übersetzer Rein A. Zondergeld (das ist ja total cool, sehe ich jetzt erst).


    [Cof]

  • Ich schau mir jetzt den Film an.

    Heute das Buch zum dritten Mal gelesen, was für ein grandioser surrealer mystischer Alptraum,

    zwar hatte ich den Twist noch im Kopf, aber dennoch klasse Sogwirkung!

    Das Buch Ende der 90ziger zuerst in der Suhrkamp Ausgabe gelesen, nachdem ich durch Zufall

    den Erzählband "Das Storchenhaus" gefunden hatte, und begeistert gelesen habe!

    So um 2004 die Insel HC Ausgabe besorgt, und auch wenig später dann gelesen.

    Für mich ist und bleibt der Roman, einer der Besten des 20 Jahrhunderts!

    Mal sehn jetzt, wie der Film ist, dessen Hauptdarsteller als Jan fand ich schon immer faszinierend!

  • Ich hab den Film jetzt gesehn.

    Der Kern der Romanhandlung wird in etwa umgesetzt, das ist ok!

    Aber das Buch gefiel mir viel besser, zwar konnte ich auch ohne Untertitel

    ziemlich viel verstehn, aber grad die Sprache war nicht meine Sache,

    mit dem Spiel der Akteure wirkte dies auf mich unfreiwillig komisch,

    oder war dies gewollt? Ein typischer Kunstfilm der 70ziger Jahre,

    er geht Ok, aber wirklich unheimlich war er nicht! Zudem wird auch

    ein fiktiver Autor, das soll wohl Jean Ray sein, am Schluss eingefügt.

  • Ich bin nun auch mit dem Film durch – er stand schon etwas länger auf meiner Wunschliste, – und finde ihn fabelhaft!


    Den nahliegenden Vergleich mit der literarischen Vorlage versuche ich zu vermeiden. Immerhin liegen rund 30 Jahre zwischen Buch und Film. Letzteren sehe ich verortet in einer sehr zeittypischen cineastischen Ästhetik namentlich des europäischen Kinos. Bevor ich also Vergleiche mit dem Roman anstelle, fallen mir eher Filmtitel ein wie:

    • Traumstadt von Johannes Schaaf (1973, nach Roman von Alfred Kubin)
    • Das Sanatorium zur Todesanzeige von Wojciech Has (1973, nach Erzählung von Bruno Schulz)
    • Robin Hardys The Wicker Man (1973)
    • Nosferatu von Werner Herzog (1979)

    etc. pp. ein. Und selbst einen späteren Film wie Momo (1986) sehe ich noch in dieser barock-surrealistischen Kostümfilmtradition.


    Die Filme unterliegen natürlich einem stärkeren Alterungsprozeß als die literarischen Vorlagen. Ich erinnere mich, dass ich mich (aufgewachsen als Kind der 1980er Jahre) für die alten Stumm- und Schwarzweiß-Filme erst einmal erwärmen musste. Auch heute noch verlangen mir diese Streifen Eingewöhnung und Mitarbeit ab und sind kaum etwas für den schnellen, "geistlosen" Konsum. – Und das trifft wohl auch auf die Malpertuis-Verfilmung zu (das sind aber nur die Gedanken eines aus der Generation X, also bitte nicht auf die Goldwaage zu legen).


    Einige meiner Highlights:

    • die verlassenen Straßenzüge in Gent und Brüssel
    • der Farbenladen mit dem schönen Jugendstilglas-Fenster
    • die Trinität von Alice/Euryale/Nancy
    • die Dornschwanzagame im Park von Villers-la-Ville
    • der krasse Szenenwechsel am Ende mit der Concorde (bzw. überhaupt diese eigenständige Schluss-Idee)