Jean Ray – Die Gasse der Finsternis

  • Ich meine allerdings, gerade James ist auch so ein Meister des Rätselhaften. Zum Beispiel habe ich noch keine schlüssige Erklärung für die Phänomene in "Oh, whistle, and I'll come to you, my lad" oder "The Ash-Tree" gefunden. Auch Stories wie "Number 13" oder "The Stalls of Barchester Cathedral" lassen zumindest mehrere Interpretationen zu.


    Das bringt uns aber zu der interessanten Frage, ob sich diese Art von Phantastik überhaupt "erklären" lässt. Für das phantastische Element an sich verlangen wohl die wenigsten von uns eine Erklärung. Doch die der Fiktion innewohnende Logik und Kongruenz sind mir schon wichtig. Die billige ich Ray in "Die Gasse der Finsternins" auf jeden Fall zu.

  • Stimmt schon, M. R. James konstruiert gerne eine rätselhafte Atmosphäre und verweigert die komplette Auflösung seiner Erscheinungen (was auch überhaupt nicht notwendig ist bzw. kontraproduktiv sein kann). Trotzdem stellt er seine Leser nicht vor große Herausforderungen. In „Oh, whistle…“ erfährt man, dass irgendein gefährliches Wesen an die Pfeife gebunden ist und heraufbeschworen wird, wenn man sie bläst. Ursache und Wirkung dieser gespenstischen Manifestation sind klar. Das Warum ist dabei gar nicht so wichtig.


    So leicht macht es einen Jean Ray nicht. Der spreizt mehrere seiner Geschichten über verschiedenen Zeit- und Raumebenen, die einen fasziniert, aber ratlos zurücklassen.

  • Ich rede nur von "Die Gasse der Finsternis": Da lässt sich eigentlich klar ein Prinzip von Ursache – Wirkung zurückverfolgen. Der Französischlehrer entwendet den kostbaren Teller aus der fremden Dimension. Das ist der Ausgangspunkt für alles nachfolgende Übel.


    Aber was James betrifft:

    Trotzdem stellt er seine Leser nicht vor große Herausforderungen.


    Na, ich habe doch bei einigen der erwähnten Geschichten gedacht: Wie ist das nun motiviert, – oder wie ist das zu verstehen? Bei „Oh, whistle…“ etwa, was es mit diesem Bettzeug auf sich hat.


    Aber das ist ein allgemeiner Eindruck der Lektüre, den ich bei Ray ähnlich vorgefunden habe (sicherlich sind auch andere Referenzen denkbar).


    Und was die verschiedenen Zeit- und Raumebenen betrifft: In dem Punkt habe ich speziell an Lovecraft gedacht.

  • Ich bin ein großer Verehrer von Ray. Bizarre dolchscharfe Sprache, verrückte Traumbilder haben mich für immer eingenommen. Horror vom Feinsten. Grade habe ich seine Zusammenstellung "Les Cercles de l'épouvante" hinter mir.Zu meinem Glück gibt es einen kleinen russischen Verlag "Prestisch Buk" mit sehr ehrgeizigen Plänen. Unter ihnen sind 30 !-bändiges Werk von Ray. 12 Büchen sind schon erschienen. Hier ist das Juwel: enthält 3 Zusammestellungen von Erzählungen:Les Cercles de l'épouvante,Les Derniers contes de Canterbury,La Ruelle ténébreuse (daraus stammt die besprochene Geschichte).

    Ich wollte die Titelseite hier einfügen. Es ist nicht möglich, weil ich irgendwelche BBC Code nicht benutzen kann. Da habe ich nicht kapiert.

  • Les Cercles de l'épouvante,Les Derniers contes de Canterbury,La Ruelle ténébreuse (daraus stammt die besprochene Geschichte).

    Aus diesen stammen viele der Stories in den deutschen Bänden. Eine weitere Erzählung – „Das Sauerkraut“ („La choucroute“) – findet sich im Suhrkamp-Band „Das unsichtbare Auge“. Dazu wird als Quellenangabe vermerkt die Sammlung „Le livre des fantômes“.


    Eine 30-bändige Ausgabe sehe ich in Deutschland nicht auf uns zukommen … Im englischsprachigen Raum sieht es gerade besser aus. Dort ist es die Wakefield Press (Cambridge/MA, USA), die Jean Ray eine Renaissance beschert. Beziehungsweise es sieht so aus, als werde er dort überhaupt erst entdeckt. Erschienen sind bis jetzt bzw. geplant:


    • Whiskey Tales
    • Cruise of Shadows
    • The grand Nocturnal (Mai 2020)
    • Circles of Dread (Okober 2020)
  • Ja, ich wollte eigentlich einen Begleittext hinzufügen. Aber bin ich offensichtlich für PC-Gelegenheiten zu blöd.


    Das ist Band 2 aus der Reihe. Hardcover mit Lesezeichen, 448 Seiten und knapp 60 Erzählungen.


    Die Bibliographie von Rey befindet sich ja in ewiger Arbeit und das Licht am Ende des Tunnels ist kaum zu sehen.


    Auf der Fantastik-Plattform (Russland) "Fantalb" https://fantlab.ru/autor1479  ist eine z.Z. im Internet vollständigste Bibliografie (in Französisch)ausgelegt. Die Übersetzungen ins Russische stehen natülich auch auf russisch.

  • Je nach dem Währungskurs Euro/Rubel kostet ein Band ca. 18-20 Euro. Ray-Bücher sind auch keine Raubkopien. Die Autorenrechte wurden gekauft. Der Inspirator der Ray-Reihe war ein ganz interessanter Mann mit dem enormen Wissen. Er hatte deutsche Wurzeln und war zweisprachig aufgewachsen. Der Mann hieß Jewgeniy Witkowski und leider starb vor kanpp einem Monat mit ca.70 Jahren. Er wollte bald mit Bodo Wildberg anfangen. Ich habe ihm sogar einige Bücher für die Übersetzung abgelichtet.

    Heute ruht Herr Witkowski auf dem deutschen Friedhof in Moskau wie einige seiner Generationen.