Teil 7.
1828 erscheint sein erstes Buch "Der Doppelgänger oder Meine Abende in Kleinrussland", das eng mit der deutschen fantastischen Tradition verbunden war.
Das Buch vereint vier Novellen, die mit dem Rahmensujet verbunden sind. Eine davon ist schon uns bekannte „Die Mohnkuchenfrau von Lafertowo“. Die erste Novelle heißt „Isidor und Anjuta“ mit melodramatischem Inhalt ohne richtige fantastische Elemente, aber mit der Schauerstimmung. Die zweite Novelle„Verderbliche Auswirkungen einer ungezügelten Phantasie“ ist eindeutig eine Anlehnung an „Sandmann“ von E.T.A.Hoffmann. Und die letzte Novelle „Die Reise mit der Postkutsche“ erzählt eine unglaubliche Geschichte einer Beziehung zwischen einem Menschen und Affen.
Zwischen den Novellen führt der Autor Unterhaltungen zu verschiedenen Themen mit seinem Doppelgänger.
Eine deutsche Rezension berichtet: „In seinem 1828 erschienen Roman 'Der Doppelgänger' spinnt Antonij Pogorelskij ein dichtes Geflecht unterschiedlichsten Inhalts, zusammengehalten von dem roten Faden eines lebhaften Dialogs mit seinem Alter Ego, dem 'Doppelgänger'. In den kurzweiligen Geschichten ist Platz für Spuk und Hexerei, Liebeleien und Romanzen, einen Puppenautomaten und die gefährlichen Abenteuer eines von Affen adoptierten Jungen im südasiatischen Urwald. Pogorelskij widmet sich zugleich ernsthafteren Themen, er sinniert über die Grenzen des menschlichen Verstandes oder über das Potenzial des Menschen im Vergleich zu hoch entwickelten Tieren. Letztlich ergibt sich für den Leser ein faszinierendes Bild von den Denkmöglichkeiten zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit zum Teil bis heute aktuellen Bezügen.“
Noch eine Rezension (Internet):
Antonij Pogorelskij: "Der Doppelgänger oder Meine Abende in Kleinrussland"
A Ein Kleinod der russischen Romantik
Aus dem Russischen von Svetlana Schick und Roland Flammiger.
Illustrationen von Olena Fedotowa.
Mitteldeutscher Verlag, 2006. 192 Seiten.
Der Doppelgänger, ein überaus beliebtes Motiv der Romantiker, zu deren russischen Vertretern Antonij Pogorelskij zählt, ein Autor, der im deutschsprachigen Raum bisher weitgehend unbekannt geblieben ist, der aber durchaus wert ist, auch hierzulande von einer größeren Leserschaft entdeckt zu werden.
Gleich auf den ersten Seiten des Buches liefert uns der Autor sein Bekenntnis zur Romantik ab. "Welcher Mensch auf dieser Welt kann sich rühmen, irgendwann und irgendwo einmal ganz und gar glücklich gewesen zu sein?" fragt er, um ein paar Zeilen später hinzuzufügen: "Wenn dir das Glück auch immer hold ist, wird es dich dennoch nicht dahin führen, wohin du strebst." Das Entwurzelte, die Heimatlosigkeit des Romantikers spricht aus diesen Worten, sein ewiges Suchen, das Unerfüllbare seiner Sehnsucht und auch seine Einsamkeit. "Du bist verdammt dazu, allein zu sein", schreibt Antonij Pogorelskij an anderer Stelle. Aber gleichzeitig empfindet der romantische Mensch auch ein Grauen vor dieser Einsamkeit, wie Ricarda Huch in ihrer Studie über den romantischen Charakter treffend bemerkt. Und oft ist eben das Bedürfnis nach Gesellschaft und Bindung, die er in seinem fleischlich-menschlichen Gegenüber nicht finden kann, so stark, dass er sich einen Doppelgänger erschafft. Die Imaginationen der romantischen Fantasie verselbstständigen sich und beginnen, ein Eigenleben zu führen, schließlich kreißt die Einbildungskraft und gebiert den immateriellen Leib des Doppelgängers. Novalis äußerte sich wie folgt zu diesem Themenkomplex: "Niemand kennt sich, insofern er nur selbst und nicht auch zugleich ein anderer ist. Eine nicht synthetische Person ist eine Person, die mehrere Personen zugleich ist, ein Genius. Sie vermag in mehrere Personen geteilt, doch auch eine zu sein. Unser Denken ist also Zwiesprache."
Auch Pogorelskij hält Zwiesprache mit seinem Doppelgänger. Sie parlieren über philosophische Themen oder erzählen sich gegenseitig Geschichten. In sechs Kapitel ist der Roman, der im Grunde gar kein Roman ist, eingeteilt. Jedes dieser Kapitel hat die Gespräche eines Abends zwischen dem Ich-Erzähler und seinem Doppelgänger zum Inhalt. Es sind Geschichten mit typisch romantischen Inhalten wie dem Geheimnisvollen, Rätselhaften, der Liebe, Spuk und übersinnlichen Erscheinungen. In der Tat handelt es sich hier zumeist um Gespenstergeschichten oder diesem Genre verwandte Erzählungen, die meist in knapper, anekdotischer Form gehalten sind. Einige dieser Geschichten sind immerhin so originell, dass es gelohnt hätte, sie literarisch weiter zu verarbeiten, sie etwa in eine größere Form wie in eine Kurzgeschichte oder Novelle münden zu lassen. Stilistisch wie auch inhaltlich lehnen sich die Geschichten Pogorelskijs stark an die Erzählungen E. T. A. Hoffmanns an. Auch unter Hoffmanns Erzählungen findet sich eine mit dem Titel "Der Doppelgänger", und auch sonst spielt das Doppelgängermotiv eine zentrale Rolle in Hoffmanns Werk. Hier, bei Pogorelskij, schlüpft der Doppelgänger in die Rolle des Zweiflers. Ausgerechnet er, die Erscheinung des Doppelgängers, bezweifelt immer wieder die Möglichkeit von Erscheinungen überhaupt. Ein Schuss Ironie also, die ja ebenfalls einen Wesenszug des romantischen Charakters darstellt.
Eine Erzählung, die des dritten Abends, erinnert so stark an Hoffmanns "Sandmann", dass man fast schon von einem Plagiat sprechen kann. Nathanael, Professor Spalanzani und seine Tochter Olimpia, sie sind alle unschwer wieder zu erkennen in Pogorelskijs Figuren, und auch Aufbau und Handlung der Geschichte sind dem "Sandmann" recht ähnlich, den Hoffmann etwa fünfzehn Jahre früher geschrieben hatte. Auch die vermenschlichende Karikatur des Tieres, ganz besonders der Katze, der ja von jeher ein dämonischer Einfluss auf den Menschen zugeschrieben wird, lassen den Leser stark an Hoffmann denken. Von einer Äffin schreibt Pogorelskij beispielsweise in seinem letzten Kapitel: "In meinem ganzen Leben begegneten mir wenige Frauen mit einem solch sanften und guten Charakter und einer derart ungezwungenen Fröhlichkeit."
Ein etwas aus dem Rahmen fallendes Kapitel bei Pogorelskij beinhaltet eine ziemlich obskure, pseudophilosophische Analyse des menschlichen Verstandes und der mit dem Verstand verknüpften Tugenden und Laster, die von Pogorelskij mit Hilfe von Diagrammen in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Als Fazit lässt sich sagen: ein leicht zu lesendes, unterhaltsam-kurzweiliges Buch. Empfehlenswert.