Donald Wandrei: Dead Titans, Waken!
Fedogan & Bremer. Nampa, Idaho 2017
505 Seiten
Friedhöfe gehören nicht in Kinderhände!
Der elfjährige Willy Grant findet beim Spielen auf dem alten Friedhof von Isling – Ort düsterer Legenden – einen merkwürdigen Gegenstand. Er präsentiert das Objekt seiner Mutter, die von Angst ergriffen wird und den Fund konfisziert. Doch zu spät: Nachdem erst ihr Sohn auf grauenvolle Weise stirbt, ereilt kurz darauf auch Mutter und Vater Grant ein unerklärlicher Tod.
Der Archäologe Carter E. Graham erfährt von dieser ländlichen Tragödie. Die Einzelheiten des Falls erinnern ihn an seine eigenen Forschungen, die sich auf sagenhafte und mysteriöse Orte konzentrieren:
Zitat„Atlantis, Lemuria, die Sphinx, Stonehenge, die Osterinsel – diese magischen Namen beschleunigten seinen Herzschlag. Kolossale Monumente, gigantische Statuen! Wo lag ihr Ursprung? Gab es zwischen ihnen und den Ungeheuern der bekannten Märchen eine Verbindung? Und warum waren ihre Erbauer dem Vergessen anheimgefallen, ohne eine Spur zu hinterlassen? Rätsel – allesamt unfassbare Rätsel!“
Graham macht sich auf den Weg nach Isling, begibt sich auf den Friedhof auf und beginnt an einer auffälligen Stelle zu graben. Mit Erfolg: Auf die Ausgrabung einer grünlichen Statuette folgt die Entdeckung einer Steinplatte, verziert mit fremdartigen Symbolen und Schriftzeichen.
Was lange währt, wird endlich gut
Mit dieser verhängnisvollen Ereigniskette beginnt der Roman „Dead Titans, Waken!“, der in einer 1948 veröffentlichen Fassung den Titel „The Web of Easter Island“ trug. Der Autor, Donald Wandrei (1908 – 1987), belieferte zu ihren Hochzeiten den Markt der Pulp-Magazine, darunter Klassiker wie Weird Tales, Astounding oder Black Mask. Wandrei ist uns natürlich als Brieffreund H. P. Lovecrafts bekannt – und vielleicht noch mehr als Mitbegründer des Verlages Arkham House (1939). Hier machte er sich besonders stark für die Veröffentlichung von Lovecrafts Briefwechsel, den „Selected Letters“.
Mit der Gründung von Arkham House scheint Wandreis eigenes Schriftstellertum verebbt zu sein. Zumindest liegt der Schwerpunkt der von ihm publizierten Geschichten Mitte bis Ende der 1930er Jahre. „Dead Titans, Waken!“ ruhte da – geschrieben zwischen 1929 und 1932 – schon lange in der Schublade. Die vorliegende Ausgabe erschien 2011 in limitierter und bibliophiler Aufmachung in der Centipede Press, bevor Fedogan & Bremer 2017 ein Paperback veröffentlichten. „Dead Titans, Waken!“ ist die Vorabversion von „The Web of Easter Island“ und unterscheidet sich an einigen Stellen markant von diesem. Hinweise zu den Editionen, Anmerkungen sowie ein Nachwort von S. T. Joshi runden die aktuelle Fassung ab. Mehr noch: Das Buch bringt zudem die Erstveröffentlichung eines weiteren Romans aus Wandreis Feder: „Invisible Sun“.
Alles, nur nicht langweilig
Joshi schreibt, dass „Dead Titans, Waken!“ der Charakter des Erstlings durchaus anzumerken sei. Eine Eigenschaft des Buches ist jedenfalls eine gewisse Abhängigkeit von Werk und Wesen H. P. Lovecrafts, mit dem Wandrei während des Schreibprozesses korrespondierte. Gerade zu Beginn der Story ist Wandreis Unentschlossenheit nicht zu übersehen. Dies äußert sich in einem episodenhaften Aufbau, der so ein bisschen Fluch und Segen zugleich ist. Mit Lust am Fabulieren erprobt Wandrei verschiedene Erzählperspektiven, wobei er auch auf bereits vorhandenes Material zurückgreift. So gibt es eine Traumsequenz, ein Prosagedicht oder ein Kapitel in Form von Tagebucheinträgen. Ein weiteres Kapitel besteht aus Zeitungsausschnitten, die weltweit von gewaltsamen Übergriffen berichten – „The Call of Cthulhu“ lässt grüßen. Von Langeweile also keine Spur. Wandrei stachelt unsere Fantasie durch schwarze Magie, Mord und Totschlag an … und schreckt auch vor Nekrophilie nicht zurück. Besonders eindrucksvoll erscheint ein unterirdisches Massengrab, das sich als Zeitfalle der gesamten Menschheitsgeschichte entpuppt.
Fazit
Wandrei hat eine Menge Ideen verbraten, die sich vor allem in den diversen Schauplätzen bemerkbar machen. Dadurch entsteht eine phantasievolle Getriebenheit, die das Buch in die Nähe des Abenteuerromans rückt. Gleichwohl scheint es sich dabei eher um Wankelmut denn um sorgsam gehegten Ideenreichtum zu handeln.
Tatsächlich erinnert „Dead Titens, Waken!“ an Frank Belknap Longs etwa zeitgleichen Roman „The Horror from the Hills“ (1931). Beide Bücher versuchen durch den Einsatz entsprechender Elemente den Kult des Meisters aus Providence zu repetieren – erreichen aber nicht dessen Intensität. Die flotte, turbulente Erzählweise, die sowohl Wandrei als auch Long pflegen, steht Lovecrafts entschleunigter Art – zumindest der längeren Erzählungen – kontraproduktiv entgegen. So verdichtet sich „Dead Titens, Waken!“ nur an einigen ausgewählten Stellen zu einem veritablen lovecraftschen Fluidum: vieles bleibt Zitat. Ist das schlecht? Keineswegs! Mich hat dieser Schmöker, der aus einer goldenen Zeit der Horror- und Science-Fiction-Literatur stammt, bestens unterhalten.
Ich vergebe 4 von 5 möglichen Punkten.