Across the River (ITA, 2013)



  • Bei Across the River handelt es sich nicht um den "italienischen Evil Dead" (lange nicht mehr so eine schwachsinnige Klappentext-Aussage gelesen...), sondern um einen äußerst subtilen, behutsam Stimmung konstruierenden Genre-Beitrag, der sich in keinem Moment Richtung Splatter o. ä. bewegt.


    Im ruralen Italien nahe der slowenischen Grenze ist ein Wissenschaftler unterwegs, um Wildbestände zu dokumentieren, die entsprechenden Kameras zu checken und eine Dokumentation anzufertigen. Der Mann fährt allein mit einem Wohnmobil und dringt immer weiter in die Wildnis vor, als ihm nach und nach Unregelmäßigkeiten in der Umgebung auffalen. Seltsame Fundstücke und Spuren geben ihm Rätsel auf. Schließlich stößt er tief in den Wäldern auf ein scheinbar verlassenes Bergdorf...


    Regisseur Lorenzo Bianchini mixt in seinem wohl ersten international bekannt gewordenen Film diverse Einflüsse: Gothic Horror und Haunted House, Found Footage und Folk Horror, aber auch Backwood-Vibes sind vorhanden. Einen einschlägigen Film, der den genannten Bereichen eindeutig zuzuordnen wäre, darf man aber nicht erwarten. Across the River nimmt sich viel Zeit, um die Atmosphäre der Landschaft wirken zu lassen und das Publikum auf seine historisch begründete Spur zu führen. Dräuende Musik und ein spartanisch-akzentuiertes Sounddesign tun ein Übriges. Dies und auch sein rauer Amateur-Look ist dem Film bisweilen negativ angerechnet worden, für mich hat es aber den Reiz ausgemacht. Bianchini ist ein Filmemacher der Stimmung, das wusste ich von dem großartigen Angel in the Wall (2021). Man muss sich auf die gedrosselte Geschwindigkeit einlassen und die unterschwelligen Effekte genießen. Wenn man einen rasanten, blutigen Schocker erwartet, wird man in jedem Fall enttäuscht. Zwar wird hier das Rad nicht neu erfunden, aber die ungewohnte Umgebung und die damit einhergehende, reizvolle geschichtliche Herleitung des Grauens sowie das handwerkliche Können des Regisseurs sind Grund genug, einen Blick zu riskieren. Leider ist die deutsche Synchro misslungen, aber da nur wenig gesprochen wird, fällt dies kaum ins Gewicht.



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  • Uuuuh, fuck, war das unheimlich! [Gho]

    Hab den auf *nuschel* Dailymotion in OV mit Engl. Subs gefunden und ehrlich gesagt streckenweise den Ton abgeschaltet - ich hab immer Kopfhörer auf, das fühlt sich so richtig nah dran an ... da sind dann Untertitel sehr praktisch, somit verpasst man keinen Inhalt.


    100 Punkte schon mal für den Protagonisten: Ein Biologe, der weiß, sich dort in der Wildnis zu bewegen und die Sichtungen einzuschätzen. Mal nicht irgendwelche hirnlosen, kreischenden Party-Teenies oder konfliktgeplagte Familien, die sofort da lost sind. Auch ein wirklich sehr guter Schauspieler, dem viel Zeit gelassen wird, alles mit der nötigen Aufmerksamkeit / Differenziertheit auszuspielen.


    Ja, Nils , der Vergleich mit Evil Dead ist extrem verquer, man muss fast annehmen, dass der Marketing-Mensch nur die ersten 3 Minuten gesehen hat, denn okay, das ist sehr ähnlich, auch von den Perspektiven und Farben her. Aber nu ...


    Weitere 100 Punkte für den Schauplatz, das wird ja wohl eines der Tausenden tatsächlich verlassenen Dörfer in Italien sein, so viele Details lassen sich ja gar nicht bauen. Meine Lieblings-Sequenzen waren die beiden gespiegelten Szenen am Anfang und Ende mit den im Fluss mitgerissenen, treibenden Hemden, die ich im ersten Moment auch für Fleischstücke hielt. Das hat sowas Gruseliges, besonders am Ende, wo es aussieht, als streckten sie die 'Arme' nach dem Zweig aus. Auch sehr cool, da die Kamera ne ganze Weile ruhig draufzuhalten. Von der Logik her bin ich nicht sicher, ob sich dieses tolle Bild gut einfügt: Das geht ja immer nur flussabwärts und dem wäre (Mündung) eine natürliche Grenze gesetzt ... ausgenommen dann die physische, zweibeinige Erscheinungsform, aber imA waren die nicht ganz identisch.


    Apropos 'Hemden': Klingt vielleicht lächerlich, aber die waren für mich die eigentlichen spekulativen Protagonisten. Dank dieser wunderbaren Kamera fand ich die wesentlich gruseliger als die Mädels selbst. Wie gesagt, in schwimmender Form, aber auch im Haus, dort auf die Harken gespießt, mit dem abgerissenen Glöckchen von der Falle. Auf diese eher subtile Art (der Stoff selbst bewegt sich ja nicht eigenständig) hätten sich imA die Filmemacher durchaus mehr verlassen bzw. dort mehr der Phantasie des Zuschauers überlassen können.


    Was für mich nicht ganz so perfekt hingehauen ist, ist die Laufzeit. Bis ziemlich genau zur Hälfte war ich außerordentlich gespannt. Was dort spukt ist ja zu keinem Punkt ein Geheimnis - siehe allein das Cover / Plakat - und es wird im Grunde vor der ersten richtigen Sichtung durch alte Photos und Flashbacks bzw. zudem noch die beiden Alten erklärt. So richtig geht es dann imA ab der Hälfte mit dem Plot nicht mehr weiter.


    Kann auch an mir liegen, aber ich hab die spekulative Logik nicht ganz greifen können (oder sie war konfus):

    Aber was genau ist hier die Geisterlogik, was ist ihr Problem?

    Da du Folk Horror ansprichst, Nils: Okay, es heißt, die Mädchen seien böse, und im Volksglauben kann der Teufel kein fließendes Gewässer überqueren --- aber dann geht das ja 'in Hemdform' doch, zumindest mit dem Strom.


    Aber alles in allem in toller Film mit sehr, sehr schöner Musik und guter Kamera / Schnitt, alles sehr harmonisch, selbstsicher und ohne billige Jumpscares. Die beiden Geister sind imA der Schwachpunkt des Films, mit einer wesentlich abstrakteren Bedrohung - von mir aus sogar unerklärt - hätte es für mich besser funktioniert. Die Mädels können die Spannung nicht einlösen, das ist alles schon so oft ähnlich gesehen, die haben auch einfach keine Persönlichkeit.


    Extrem interessant fand ich noch, dass hier das Motiv des 'Spuk-Triggerns' verwendet wird. 70 Jahre und der Biologe kennt die Gegend, dort sind Kameras. Die Geister waren demnach bislang 'dormant', also was wie eine spekulative Quieszenz. Wie die Stolperstricke des Biologen sieht es aus, als würde sein unschuldiges bzw. unverschuldetes Eindringen in den nahen Wald und dann das Dorf die Geister erneut wecken. Dann erst liegen erst kleine, dann größere Knochen dort, werden Tiere gerissen. (Hätten die Mädels das in dem Tempo 70 Jahre lang gemacht, wäre den Biologen sicher einiges aufgefallen, Stichwort Knochenfunde. Zu dem Thema hatte ich grad was nebenbei im Internet gelesen, das ist eine spannende Sache und hat mir hier auch gut gefallen.


    Fazit: Wirklich enorm gut gemachter, sehr gut gespielter Film mit toller Location, der vielleicht etwas mehr Planung auf seine spekulativen Protagonistinnen hätte verwenden können und dann wäre eine Länge von 70 Min. ggfs. angemessener gewesen. Keinesfalls von der Langsamkeit der Szenen her (das war richtig toll), sondern von dem, was der Plot hergibt.


    Wenn man den Film mit etwas vergleichen möchte, böte sich hier am deutlichsten Cold Prey (Norwegen 2006) an, einer meiner all time favs, den ich zuerst im Kino und dann ein halbes Dutzend Mal auf DVD schaute. Sogar die Sequels sind erträglich (wenn auch völlig unnötig.) Oder sonst noch Arctic Void (USA 2022), der auch in einer abandoned Siedlung spielt und Geister teasert - was sich als billige Finte rausstellt (der Film ist insgesamt meh).


    Liebsten Dank, Nils, immer super, auch Filme aus mal anderen europäischen Filmländern zu sehen. Vielleicht erlebt Italien ja auch so ein Revival des Horrorfilms wie Frankreich.

  • Freut mich, dass meine Empfehlung bei dir sofort Früchte tragen konnte. :)


    Du hast dir definitiv mehr analytische Gedanken gemacht als ich. Mal schauen...


    Danke für deine Empfehlungen, auf Cold Prey werde ich doch mal einen Blick werfen.

  • Wenn man sich mal so umschaut in der Bewertung des Films, dann fällt mir auf, dass für ein solches Konzept des Genre-Films kaum noch Platz ist im Publikum. Oftmals wird "öder Grusel" oder "lahmes Schauerfilmchen" attestiert. Nun ja.

    Ja, das hab ich auch gelesen und da bricht mir immer das Herz. Der Film ist mit viel Liebe und auch Intelligenz gemacht und die Leute wollen geistlos runtergerissene Formeln, bloß keine langsame Entwicklung, dafür lieber pausenloses Rumgequatsche der Protas. Die Dialoglosigkeit (muss man fast sagen) des Film sehe ich als ein enormes Plus.


    Ja, in Italien sind so viele kleine Dörfer verlassen - wie du sagst wegen Stadtflucht, auch Demografie - und dort siedeln sich in den letzten Jahren paperless migrants ein, was nicht ganz unproblematisch ist (einige Dörfer sind noch von einer Handvoll alter Menschen bewohnt und leider ist das kein harmonisches Nebeneinander, Stichwort Kriminalität aus Not).


    Vielen Dank für deine Gedanken:


    Das ist imA wesentlich besser durchdacht bei Belyy tigr / White Tiger, der auch spekulativ-symbolisch ist und das Abstrakte (der immer wiederkehrende Faschismus) mit dem eindeutig Geisterhaften (der weiße VK 45 Prototyp, der Panzergott, das Lazarus-Motiv etc.) verbindet, aber hier fügen sich die Ebenen perfekt zusammen. [Ja, im Rückblick bez. auf die Ukraine kann man den Film als Kriegs-, nicht Antikriegsfilm, sehen, aber Karen Shakhnazarov hat 2022 als erster und bis heute fast einziger der Putin-Freunde dann explizit den Krieg scharf verurteilt, daher erlaube ich mir, den weiterhin grandios gut zu finden. Letztlich kann man den Film ebenso als Negativmetapher auf Russland bezogen schauen, ohne aktiv umdeuten zu müssen.]


    Ich versuche jetzt auch nicht krampfhaft, beim Schauen eine Geisterlogik auszuhebeln, meine Fragen ergeben sich einfach automatisch, wenn ich versuche mit dem Plot zu gehen. Vielen lieben Dank für deine Gedanken, sehr spannend.

    Angel in the Wall sieht auch sehr gut aus, den hab ich bislang *flöt* online noch nicht gefunden.


    Ja, Cold Prey ist eine fette Empfehlung - auf jeden Fall teils sehr blutig, das Label 'Slasher' ist nicht unangebracht, aber es sind runde, nachvollziehbare Figuren und der Grusel entsteht imA keinesfalls durch die kurzen Gewalt-Einbrüche allein, sondern die Location, die Atmosphäre und die Nachvollziehbarkeit der Angst. Die Erklärung für alles ... joar. Kann man machen, passt, vielleicht aber nicht allzu viel erwarten.

  • Arkham Insider Axel Oh ja, sehr, sehr lesenswert, danke, lieber Axel. [Cof]


    Und das ist Pierre Richard?! Wie krass. Ja, das wäre sicher was für mich, der Trailer sieht hervorragend aus.

    Leider hab ich keinen integrierten DVD-Player mehr und externe DVD/BluRay sind echt teuer, zudem das ganze Plastik und mein Regalplatz ... Ich hab immer noch keinen VoD-Stream gefunden, den ich von meinem Land aus nutzen kann, obwohl Big Bad A hier ständig mit einer .fi Filmsite wirbt. Auch die bezahlten Vimeo-Filme kann ich nur in den seltensten Fällen nutzen.

  • ACROSS THE RIVER habe ich seinerzeit auch gesehen und für sehr gut befunden.

    Across the River
    Originaltitel: Oltre il guado Collective Pictures, Italien, 2013 Marctropolis, Braunschweig im Vertrieb von Alive! Vertrieb und Marketing AG, 18. Juli 2014 1…
    phantastischewelt.wordpress.com


    Der DVD-Vorfilm FOXES stammt vom Regisseur, der später VIVARIUM gedreht hat - wenn ich mich jetzt nicht täusche.