Vermischtes aus dem Radioprogramm

  • Die Aussage ist korrekt. "Antoine Volodine" ist tatsächlich ein Heteronym (Pseudonym mit fiktionaler oder semifiktionaler Biografie), er schreibt ja auch unter anderen bekannten Identitäten. In Interviews spricht er oft von "wir" (die post-exotischen Autoren, von denen einige aus dem GULAG heraus schreiben, oder auch bereits tot sind - und weiterschreiben) oder interviewt sich selbst. Ja, es gibt Photos und auch Live-Auftritte, aber das klärt ja den Namen nicht. :D Er hat vor 1985 auch reine SF geschrieben, aber niemand weiß, wie der Name da war (vermutlich sein korrekter), daher nicht, welche Werke vom heutigen 'Volodine' sind. Jetzt könnte ich dir ganz brutal Das Science Fiction Jahr 2022 empfehlen, da stelle ich Autor und Werk ausführlich vor ... *flöt* LkL


    Was im Beitrag nicht ganz korrekt ist: Dort wird gesprochen von Post-Exotismus, Volodine hat das Genre aber Post-Exotizismus genannt.

  • Nachhaltigkeit im Buchhandel


    Zitat

    Kleines Buch, großer Impact: Um ein Buch herzustellen, werden jede Menge Ressourcen verbraucht. Der Buchhandel versucht, nachhaltiger zu werden. Wie kann das gelingen?

    https://www.deutschlandfunkkul…keit-buchbranche-100.html



    Verzweifelte Vitalität


    Zitat

    Am 5. März 2022 wäre Pier Paolo Pasolini 100 Jahre alt geworden. Der Autor, Dichter und Filmemacher wurde mit seinen polarisierenden und künstlerisch unvergleichlichen Arbeiten weltberühmt.

    https://www.deutschlandfunkkul…r-schriftsteller-100.html

    "The amount of weird material I have not read is appalling"


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  • Mit Göttinnen auf Monsterjagd


    Zitat

    Zeus, Hermes und Athene – in modernen Jugendbüchern sind die antiken Göttinnen und Götter quicklebendig.

    https://www.swr.de/swr2/litera…ature-2022-12-04-100.html



    Februar '33 - Die deutsche Literaturszene zu Beginn der Nazi-Diktatur


    Zitat

    Wie sich deutsche Schriftsteller unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung positionierten, beleuchtet das Buch des Literaturkritikers Uwe Wittstock. Stefan Nölke hat mit ihm über den "Winter der Literatur" gesprochen.

    https://www.mdr.de/kultur/radi…winter-literatur-100.html



    Helmut Lethen - Der Sommer des Großinquisitors


    Zitat

    Helmut Lethen hat mit 81 zum ersten Mal Dostojewskis Fabel vom "Großinquisitor" gelesen. Und fühlt sich dadurch zu einer Studie über die "Faszination des Bösen" berufen

    https://www.swr.de/swr2/litera…ritik-2023-02-01-100.html

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  • Britisch-verschrullte Fantasy nach Terry Pratchett


    Zitat

    Terry Pratchett ist einer der witzigsten Jugendbuchautoren der letzten Jahrzehnte. Verfilmt wurde er trotzdem kaum, doch das ändert sich jetzt. Mit „Maurice der Kater“ kommt die Verfilmung des Romans ins Kino, der für Pratchett den Durchbruch bedeutete – in einer deutschen Koproduktion.

    https://www.swr.de/swr2/film-u…bastian-pastewka-100.html

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  • "Kein Himmel war uns zu hoch"


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    F. Scott Fitzgerald und Zelda Sayre begegnen sich an einem heißen Sommertag im Juli 1918 im Country Club in Montgomery, Alabama. Er ist auf der Stelle schockverliebt. Zelda Sayre wird sein ganzes Leben bestimmen und seine Arbeit inspirieren.

    Zelda und F. Scott Fitzgerald - "Kein Himmel war uns zu hoch"
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  • Das Grauen der fantastischen Literatur


    Zitat

    Der moderne Horror spielt sich nicht mehr wie noch zu Zeiten von Dracula, Werwolf & Co. in räumlicher Ferne ab – er hockt in den Rissen des Alltags und den Falten der Psyche. Ihm ist nicht zu entkommen.

    Das Grauen der fantastischen Literatur - Lob der Angst
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    Das stille Sterben der Bibliotheken


    Zitat

    Bibliotheken seien mehr als nur Orte der Bücher, sondern wichtige Begegnungsorte, kommentiert Bibliothekar Marius Müller. Er fordert bessere Ausstattung und finanzielle Unterstützung – am besten per Gesetz. Andere EU-Staaten könnten da Vorbild sein.

    Das stille Sterben der Bibliotheken - Mehr Geld für Bücher!
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  • Wie immer schöne Tipps, danke Nils ! :*

    Zitat

    wie noch zu Zeiten von Dracula, Werwolf & Co. in räumlicher Ferne ab

    Steile These, oder?

    Werwolf-Legenden sind doch meist lokal. Frankenstein schafft seine Kreatur dort, wo er wohnt und arbeitet. Le Fanu, Wymark Jacobs, der hauptsächliche Teil von Dracula, unzählige Gothic Spukhaus- und Geistergeschichten haben ihr Setting doch ebenfalls im direkt vertrauten bis sogar familiären, nicht exotischen Umfeld. Bin mal sehr gespannt, wie die das belegen ...


    Ja, der Tod der Bibliotheken - hab ich grad letzte Woche gedacht, als ich zum ersten Mal in unsere "neue" Zentralbibliothek ging. Da gabs alles - sogar zusätzlich zum sehr sinnvollen Fahrstuhl noch Rolltreppen - aber keine Bücher. Der Lesesaal: Studenten, die auf ihr Notebook glotzen. Lesezonen ohne Stühle/Tische: Leute, die auf ihr Notebook glotzen. Dann gibt es noch extra Computerarbeitsplätze. Café: Leute, die auf ihr Smartphone glotzen. Vor der breiten Fensterfront saßen auch drei oder vier Leute - ich untertreibe nicht - mit einem echten Buch in der Hand. Da waren ein paar verstreute Regale bis auf maximal Brusthöhe und die paar Bände standen alle mit dem Cover zum Besucher, also mehr sowas wie eine coffeetable-Präsentation. Fast dachte ich, bei mir zu Hause gibt es mehr Bücher als dort auf den friggin' 17.250 Quadratmetern / drei Stockwerken.

    Die Bibliothek sagt über sich: "Oodi is the flagship library for a nation of booklovers." Irgendwie muss das eine alternative Definition von 'booklover' sein. (Die Homepage sagt, diese Bibliothek habe 100.000 Bücher, die stehen aber jedenfalls sicher nicht im Display.)


    Wesentlich besser ist es da schon, dass im Stadtbibliotheksverband 3,5 Millionen Bücher verfügbar sind - so viel sich das anhört, es wurde in den letzten vier, fünf Jahren massiv ausgedünnt (und die Bände wurden nicht nur aus den Regalen entfernt, sondern auch aus dem Magazin.)


  • Frankenstein schafft seine Kreatur dort, wo er wohnt und arbeitet. Le Fanu, Wymark Jacobs, der hauptsächliche Teil von Dracula, unzählige Gothic Spukhaus- und Geistergeschichten haben ihr Setting doch ebenfalls im direkt vertrauten bis sogar familiären, nicht exotischen Umfeld. Bin mal sehr gespannt, wie die das belegen ...

    Ich vermute eher, dass sie sich darauf beziehen, dass die jeweiligen Autor*innen ihre Erzählungen nicht in der eigenen Heimat ansiedeln. Le Fanus Carmilla spielt nicht in Irland, sondern in der Steiermark; Shelleys Frankenstein nicht in England, sondern auf dem europöischen Kontinent (wie ohnehin viele Gothic Erzählungen von englischen Schriftsteller*innen). Insbesondere Europa wurde gerne exotisiert und romantisiert.

  • Ich muss die Sendung zum Grauen in der Phantastik noch anhören, aber eure Kommentare machen schon mal Lust, der Sendung ein kritisches Ohr zu leihen.


    Irgendwie muss das eine alternative Definition von 'booklover' sein.

    In meiner Stabi ist das Bild oft ähnlich, aber ich denke mal, dass die meisten dort sitzenden Leute mit Handys und Notebooks Studis sind oder Menschen, die aus irgendeinem Grund das W-Lan nutzen wollen/müssen. Die "booklovers", die du meinst, sieht man im Alltag der Bibs ggf. nicht so, weil die Bücher nur leihen. Ich nutze selbst meine Bibliothek z. B. recht regelmäßig, hänge dort aber nie herum.

    "The amount of weird material I have not read is appalling"


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  • Das Grauen der fantastischen Literatur

    Zitat

    Der moderne Horror spielt sich nicht mehr wie noch zu Zeiten von Dracula, Werwolf & Co. in räumlicher Ferne ab – er hockt in den Rissen des Alltags und den Falten der Psyche. Ihm ist nicht zu entkommen.


    Georg Klein: Roman unserer Kindheit

    Stephen King: ES

    H. P. Lovecraft: Schatten über Innsmouth, Der Ruf des Cthulhu

    Alfred Kubin: Die andere Seite

    Franz Kafka: diverse

    Céline: Reise ans Ende der Nacht

    Heiner Müller: Herakles 2 oder die Hydra

    Elfriede Jelinek: Die Kinder der Toten

    George A. Romero: Die Nacht der lebenden Toten

    Paul Auster: Im Land der letzten Dinge

    Strugatzki: Picknick am Wegesrand


    Das sind die Texte bzw. der Film, an denen sich die Sendung orientiert.


    Der Teaser-Text ist irreführend; Fragen der Räumlichkeit oder der Geographie stehen durchaus nicht im Mittelpunkt. Ich hatte auch nicht den Eindruck, als sollten moderne Horror-Konzepte gegen alte gestellt werden – was die Ankündigung ja ebenfalls implizieren könnte. Sondern, das zeigt vielleicht die Stoffauswahl: Ikonische Werke (Lovecraft, King, Romero) werden gemixt mit unerwarteten (Jelinek, Céline, Müller). Was ich jedenfalls erfrischend fand.


    Ein häufig eingeladener Gast zu diesem Thema ist Hans Richard Brittnacher, der auch hier zu Worte kommt. So sehr ich die Diversität der präsentierten Stoffe begrüße (Primärliteratur), so schwer tue ich mich mittlerweile mit den theoretischen Aussagen (Sekundärliteratur).


    Bedenklich finde ich z. Bsp. eine Formulierung wie "Dracula, Werwolf & Co." — Vampir und Werwolf sind erst einmal zwei ungleiche Konzepte; was bitteschön verbirgt sich hinter "Co."? Das liest sich wie eine eilfertige Abhandlung dieser Kreaturen, so als spielten sie in der Moderne keine Rolle mehr. Dass Monster und Dämonen seit jeher psychologische Rollen besetzten, darüber scheint man mit so einem hingeworfenen Satz hinwegzugehen. Haben sich unsere Vorfahren wirklich nur vor zähnefletschenden Schreckensgestalten aus der Klamottenkiste gegruselt? Oder waren sie nicht doch in der Lage, die Symbole zu entschlüsseln und zu sich selbst in Beziehung zu setzen? Gruseln wir uns heute erhabener, – und sind unsere Ängste irgendwie anders als die vorangegangener Generationen?


    Katla  Pinkgogo Ich denke, ihr habt beide recht und es lassen sich genug Texte finden, die sowohl die eine als auch die andere Feststellung rechtfertigen. Es gibt lokal beschränkte und international aufgestellte Schauergeschichten – wenn wir denn beim 18. und 19. Jahrhundert bleiben wollen. Die Italien-Sehnsucht etwa der Deutschen und Engländer war dabei ja nicht nur auf dieses Genre beschränkt, sondern findet sich auch in Gesellschaftsromanen oder Reiseberichten.


    In der Sendung wird sinngemäß gesagt, Dracula (stellvertretend für "den" Vampir) komme aus dem Osten. Mithin breche hier etwas Finsteres in die heile Welt (des Westens) ein und bedrohe sie. Daraus höre ich schon fast einen gewissen Propagandawert, den die Vampirgeschichte einzunehmen hätte: nämlich als politisch gemeinte Warnung. Doch wäre es nicht ebenso denkbar, dass die simple Tatsache ethnologischer Erkenntnisse zur Verbreitung des Vampir-Mythos beitrug? Dieser Mythos ist nun einmal sehr stark im slawischen Raum verwurzelt. Es scheint logisch, dass er in der beginnenden westeuropäischen Rezeption erst einmal dort verortet und belassen wurde. Ebenso logisch, dass mit zunehmender Verarbeitung Emanzipation und Souveränität einsetzten. Jetzt gibt es Vampire überall auf der Welt und in jedem Milieu. Im Übrigen weist ja schon eine Geschichte wie die genannte Carmilla auf die Komplexität des Vampirismus hin; eine Story, die sich nur bedingt in dem politischen Sinn wie Dracula auslegen lässt


    Nachdenklich stimmt mich eine weitere Aussage Brittnachers: Nämlich, dass unruhige und im Umbruch begriffene Zeiten seit jeher die (dunkle) Phantastik begünstigt hätten. Das hieße wohl im Umkehrschluss, das Genre sei in Phasen der Beruhigung in eine Art Dornröschenschlaf verfallen? Doch wann wäre das gewesen? Seit der Ausformung des literarischen Genres findet eine kontinuierliche Weiterentwicklung statt. Und in jedem Jahrhundert, wenn nicht in jeder Dekade, lassen sich Texte finden, die wir heute als Hauptwerke bezeichnen können. Gibt es nicht einfach Moden und Tendenzen, die sich selbst befruchten und so gewisse Themen vorantreiben? Unabhängig von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen? Diktiert vorrangig von den Gesetzen des Buchmarkts, der Vermarktung, der Unterhaltungsindustrie … ?


    Also, geschätzte Mitforis: questions upon questions. Mich würden eure Meinungen sehr interessieren! [Cof]

  • Mist, so ein spannender Kommentar, und ich habe nur Zeit für T ein Zwischen-Tür-und-Angel!! Daher das, was mir am wichtigsten ist:

    Nämlich, dass unruhige und im Umbruch begriffene Zeiten seit jeher die (dunkle) Phantastik begünstigt hätten. Das hieße wohl im Umkehrschluss, das Genre sei in Phasen der Beruhigung in eine Art Dornröschenschlaf verfallen? Doch wann wäre das gewesen?

    Weißt du, ich glaube Brittnacher könnte sogar recht haben. Nur nicht so, wie er selbst denkt. Hier meine zwei Gedanken zu der Aussage:


    1) "Begünstigen" bedeutet nicht, dass unruhige Zeuten eine notwendige Voraussetzung sind. Denn Grusel und Horror macht auch einfach Spaß. Es gibt Horror, der uns überrascht, und Horror, der einfach ganz wohlig in bekannten Bahnen fährt. Auch letzterer hat eine Daseinsberechtigung. Das ist wie die Geisterbahn auf dem Jahrmarkt - die braucht auch keine unruhigen Zeiten.

    Aber viel wichtigerer Punkt:


    2) Wann, bitteschön, hatten wir keine unruhigen Zeiten?! Da wünsche ich mir einen differenzierten Blick auf die Gesellschaft im Ganzen und erst recht auf die globalen Zusammenhänge zwischen Gesellschaften. Wenn man bedenkt, dass Horror auch immer ein Genre der Marginalisierten und der Misfits war (PoC, queere Community, religiöse Minderheiten, Frauen, ...), dann gibt es keine Zeit, in der nicht für ein Umbruch gekämpft wurde.

  • Denn Grusel und Horror macht auch einfach Spaß.

    Stimmt, das darf bei aller Gräulichkeit nicht vergessen werden. Sub-Genres wie die humoristische Geisterstory oder die Horror-Parodie gilt es zudem zu beachten.


    Noch eine Sache: Ich möchte nicht den ewig beleidigten Lovecraft-Fanboy spielen — aber die Aussage von Lovecrafts allgemeinem Hass auf die Welt – wird in der Sendung gefällt – kann ich so nicht unbedingt unterschreiben. Na ja, hierbei stand, es wird auch nicht verheimlicht, Houellebecq Pate. Beispiele für Lovecrafts kauzigen Humor lassen sich ja vor allem in den sog. Kollaborationen finden.


    Da wünsche ich mir einen differenzierten Blick auf die Gesellschaft im Ganzen und erst recht auf die globalen Zusammenhänge zwischen Gesellschaften. Wenn man bedenkt, dass Horror auch immer ein Genre der Marginalisierten und der Misfits war (PoC, queere Community, religiöse Minderheiten, Frauen, ...), dann gibt es keine Zeit, in der nicht für ein Umbruch gekämpft wurde.

    Kann ich gut nachvollziehen. Gewisse Aktivist*innen innerhalb der deutschsprachigen Phantastik sind leider auch sträflich unbekannt. Ich denke z. Bsp. an Toni Schwabe (1877 – 1951) und ihr legendäres Gespensterschiff. Ein Jahrbuch für die unheimliche Geschichte (1920), eine exzellent zusammengestellte Anthologie. Historisch ließe sich wohl noch einiges geraderücken und neu bewerten, würden nicht stets die selben big player im Fokus stehen …


  • Creepy Creatures Review macht Sendepause:

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  • Ich vermute eher, dass sie sich darauf beziehen, dass die jeweiligen Autor*innen ihre Erzählungen nicht in der eigrenen Heimat ansiedeln. Le Fanus Carmilla spielt nicht in Irland, sondern in der Steiermark; Shelleys Frankenstein nicht in England, sondern auf dem europöischen Kontinent (wie ohnehin viele Gothic Erzählungen von englischen Schriftsteller*innen). Insbesondere Europa wurde gerne exotisiert und romantisiert.

    Ja, das kann man vermuten (daran hatte ich auch gedacht), es lässt sich aber ebenso annehmen - und dafür entschied ich mich eben -, dass es darum geht, Protagonisten oder Erzähler aus ihrem gewohnten Umfeld bzw. Kultur zu entfernen und sie 'in der Fremde' ggfs. auch 'exotischen Fremde' ungewohntem Horror auszusetzen. Wie eben der Einstieg zu Dracula z. B. aufgezogen ist oder die erste erhaltene literarische Horrorfiktion überhaupt: Beowulf (hier mit einer Diskrepanz zw. Erstellungsort und Setting wie auch zwischen der Herkunft des Helden und den Hauptschauplätzen). Ich hatte nicht behauptet, Gothic Tales würden grundsätzlich im Heimatland der Autoren spielen, sondern nur argumentiert, dass lokale Legenden / 'paranormal activities' in dem Genre eine unübersehbar massive Rolle spielen - und qua fuzzy logic, also ohne quantitative Studien dazu gelesen zu haben - würde ich sagen, dass dieses auch für den größeren Teil der Geschichten zwischen 1760 und 1940 gilt.


    Ich hab auch ne Menge Anglistikseminare zu Gothic Tales besucht, und ja, es gibt selbstverständlich viele Geschichten / Romane, die - v.a. in der Romantik - oft in Südeuropa, im exotischen Ausland oder eben speziell am Rhein spielen. Allerdings ist dies kein Merkmal von klassischen Geistergeschichten und auch nicht vom Gothic Horror Genre generell. Carmilla mag in der Steiermark spielen, aber Le Fanus Hauptwerk (In a Glass Darkly, die Texte um "Green Tea" herum) wie auch die historischen Werke spielen sämtlich oder nahezu sämtlich in seiner Heimat und im kulturell ähnlichen UK. Bei M. R. James dürfte es genauso aussehen (Lektüre ist länger her). Diese heute berühmten Namen sind ja auch nur die Spitze des Eisberges der Horrorautoren jener Epoche.

    Eben grad bei Spuk bzw. Entitäten, die mit Legenden zusammenhängen, geht es oft ums Regionale oder Lokale. Marie de Frances "Bisclavret" aus dem 12. Jhd. ist sogar in dem Dialekt des Settings geschrieben, in der das Prosagedicht spielt und mündlich überliefert wurde (zwar nicht die Heimatregion der Autorin, aber geografisch gesehen im Heimatland.)


    Long story short: Ausländische oder exotische Settings, die nicht der Herkunft der Verfasser entsprechen, sind kein so dominantes, ausschließendes Merkmal des klassischen Horrors (oder der Gothic Tales), dass man dies in Gegenüberstellung zum Heute als These bringen könnte.

    Der Teaser-Text ist irreführend; Fragen der Räumlichkeit oder der Geographie stehen durchaus nicht im Mittelpunkt. Ich hatte auch nicht den Eindruck, als sollten moderne Horror-Konzepte gegen alte gestellt werden – was die Ankündigung ja ebenfalls implizieren könnte.

    Richtig, die Sendung ist recht allgemein gehalten und es geht nicht um die Themen, die angekündigt wurden.

    Was mich dabei eh ziemlich irritiert: Kann nicht davon ausgegangen werden, dass Leute, die sich die Sendung anhören, zumindest rudimentäres Basiswissen vom Genre haben? Muss man denn wirklich immer wieder bei Null anfangen, als wäre das alles unerhört neu?

    Ein häufig eingeladener Gast zu diesem Thema ist Hans Richard Brittnacher, der auch hier zu Worte kommt. So sehr ich die Diversität der präsentierten Stoffe begrüße (Primärliteratur), so schwer tue ich mich mittlerweile mit den theoretischen Aussagen (Sekundärliteratur).

    Ich muss ehrlich sagen, dass Brittnacher mich total auf die Palme bringt und ich seine Passagen fast vollständig geskippt hab. Keine Ahnung, warum er als Experte fürs Thema gilt, denn alles, was ich bisher von ihm gelesen und gehört hab, war wirklich hahnebüchene Glossenrhetorik und persönlich stark gefärbte Annahmen, die eine ergebnisoffene, komplexe Recherche vermissen lassen. Ich hatte bislang nicht den Eindruck, Brittnacher verstünde irgendetwas davon, worüber er spricht, noch den, er hätte sich wirklich in die Breite und Tiefe der Sekundärliteratur eingelesen.

    Bedenklich finde ich z. Bsp. eine Formulierung wie "Dracula, Werwolf & Co." — Vampir und Werwolf sind erst einmal zwei ungleiche Konzepte; was bitteschön verbirgt sich hinter "Co."? Das liest sich wie eine eilfertige Abhandlung dieser Kreaturen, so als spielten sie in der Moderne keine Rolle mehr. Dass Monster und Dämonen seit jeher psychologische Rollen besetzten, darüber scheint man mit so einem hingeworfenen Satz hinwegzugehen. Haben sich unsere Vorfahren wirklich nur vor zähnefletschenden Schreckensgestalten aus der Klamottenkiste gegruselt? Oder waren sie nicht doch in der Lage, die Symbole zu entschlüsseln und zu sich selbst in Beziehung zu setzen? Gruseln wir uns heute erhabener, – und sind unsere Ängste irgendwie anders als die vorangegangener Generationen?

    Ja auch hierzu: Dass der Titel Konzepte mischt und das eine These unmöglich macht, fiel mir auch auf.

    Ich halte es ebenfalls für einen Fehler, vorangegangene Generationen für naiver, unkritischer und 'hysterischer' zu halten als die aktuelle - hier muss man nur antiwissenschaftliche bzw. religiöse Propaganda oder die Verschwörungsnarrative der letzten 20 Jahre ansehen. Solange ein erheblicher Anteil der erwachsenen Bevölkerung noch an die Existenz eines Gottes glaubt (Gesetze danach macht und ggfs. sogar dafür tötet), kann sowieso gar nicht von unbedingtem Fortschritt gesprochen werden.

    Vermutlich entstand die Idee, dass in früheren Epochen Paranormales als bedrohlicher Fakt gesehen wurde, zum einen durch die entstellende Interpretationen der Missionare bzgl. der konvertierten Regionen wie auch etwas später durch die arrogante Haltung der zweiten 'Welle' ethnografischer / ethnologischer und musik-/kulturwissenschaftlicher Gelehrter nach 1830, die in- und ausländische Folklore / mündliche Traditionen umdeuteten und neu schrieben, weil sie meinten, ihre Quellen wären nicht in der Lage, 'gute' Kultur zu produzieren.


    Und das Ganze hat vielleicht damit zu tun, dass sich - vor allem seit der Aufklärung, aber auch noch mal sehr stark seit der Moderne / Postmoderne - Epochen gegen vorangegangene abgrenzen möchten, sodass Historie als ein ständiger Fortschritt erscheint. (Gleiches kann man übrigens bei den Darstellungen des Neandertalers sehen, der entgegen aller Fakten als nicht-empathisch, stumpf, affenähnlich etc. dargestellt wurde - und dies nur, damit unsere Spezies als kulturschaffendes Novum gesehen werden kann.)


    Und eben: Wann gab es keine Konflikte? Ich hab beide Ideen schon gelesen und halte beide in ihrer Ausschließlichkeit für falsch:

    - Produktion und Konsum von Horror ist eine Reaktion / Aufarbeitung nach einer traumatischen Epoche.

    - Produktion und Konsum von Horror findet eigentlich nur statt, wenn es den Leuten "zu gut" ginge und sie sich von "echter" existenzieller Angst entfremdet hätten.


    Auch noch mal zur Ankündigung: Horror mag die klassische Männerrolle infrage stellen - aber Horror ist generell transgressiv und stellt ebenso die Grenzen von Leben/Tod, Belebtem/Unbelebtem sowie Geschlecht, sexuellem Begehren und andere soziale traditionelle Machtgefüge *) infrage. Transgressiv heißt, der Status quo wird ausgehebelt und am Ende nicht re-intstalliert. Darryl Jones unterscheidet in seinem kleinen Sleeping With the Lights On: The Unsettling Story of Horror zwischen Horror (transgressiv) und Unhorror (konservativ). Mit letzterem bezeichnet er große Teile des Mainstreams, der aufs Wiedereinsetzen des Status quo ausgerichtet ist. Von daher ist es nicht Latte, wer am Ende der Geschichten (in Buch oder Film) 'siegt'.


    Fazit (mit der Einschränkung, von Brittnacher nur einzelne Sätze gehört zu haben): Die Sendung bringt Thesen bzw. Thematiken, die es bereits in den 1980ern zum Thema gab und haben dem nix Neues oder Relevantes hinzuzufügen. Abgesehen davon sitzen sie einigen Klischees auf, die ebenfalls bereits in den 80ern aufgelöst wurden.


    --

    *) Eigenartigerweise läuft auch die gesamte Argumentation 'früher' vs 'heute' darauf hinaus, dass die Christianisierung den Nullpunkt unserer europäischen Kultur darstellt. Das ist selbstverständlich vollkommen hirnrissig. "Das traditionelle Männerbild", von dem gesprochen wird, ist die importierte, abrahamische Zuordnung von männlich vs weiblich. Die Kelten z. B. lebten bisexuell, und die Skandinavier auf Vikingfahrt kannten so geringe Unterschiede zw. den Geschlechtern, dass Körpergröße und Statur extrem ähnlich waren (auch ein Grund, warum bis vor kurzem übersehen wurde, dass in einigen "Heldengräbern" Kriegerinnen lagen). Lässt sich sogar heute noch in Finnland beobachten, das bis in die 1950er ein nahezu reines Agrarland mit wenig Arbeitsteilung war.

    Argumentiert werden müsste daher bei der Diskussion, was überkommen und was modern ist, mit der Christianisierung der jeweiligen Region Europas als Nullpunkt, idealerweise mit einer Idee (soweit man das durch die Archäologie rekonstruieren kann), was es alles vorher gab und wo genau das jeweils war.

  • "Ihre Nachricht ist zu lang" 8o


    Sehr kritisch auch die Aussagen zur "Zone" und den Stalkern: Dass die Zonen des Besuchs kapitalistisch ausgebeutet werden und auch einige Stalker sich damit ihren Lebensunterhalt verdienen, stimmt. Allerdings ist dies ja nicht das Hauptnarrativ - wenn man ans Picknick am Wegesrand denkt, hebt sich Red ja gerade von anderen ab. Er mag zwar trinken (das ist im Buch kein Problem, sondern eigentlich nur in Tarkowskis entstellender Neuinterpretation), aber sein Verhältnis zur Zone ist ein stark emotionales, fast paranormale Verbundenheit. Die Aussagen der Sendung gehen vollständig am Buch wie auch am gesamten Genre der spekulativen Zone vorbei.


    Noch eine Sache: Ich möchte nicht den ewig beleidigten Lovecraft-Fanboy spielen — aber die Aussage von Lovecrafts allgemeinem Hass auf die Welt – wird in der Sendung gefällt – kann ich so nicht unbedingt unterschreiben. Na ja, hierbei stand, es wird auch nicht verheimlicht, Houellebecq Pate.

    Ich stimme dir hier ebenfalls zu. Ohnehin kann ich der oft gelesenen Sicht nicht zustimmen, dass Lovecraft sich als Ideal und seine 'Monster' als eine - am besten noch unbewusst so gestaltete - Bedrohung ansah. Seine Protas sind keine Identifikationsfiguren - sie sind nicht ausreichend aktiv, haben keine beachtenswerte Macht und keinen sozialen Einfluss. Oft sind sie sogar im eigenen Leben verloren. Andererseits sind sie nicht individuell schräg oder diskriminiert genug, um als sympathische Underdogs durchzugehen. Dagegen stehen mit Liebe zum Detail geschaffene 'Monster', die übermächtig sind, unbesiegbar / fast ohne Schwächen, sie haben keinen kleinlichen Antrieb (wie z.B. ein Industrieller, Kirchenmann oder Politiker) und man könnte sie im Hinblick auf Evolution auf einer weitaus höheren Stufe sehen. Der Status quo wird nicht wiederhergestellt und die Protas können von Glück reden, wenn sie mit klarem Geist oder überhaupt überleben. Die Antagonisten sind so konzipiert, dass sie dem Leser Bewunderung abringen - ähnlich wie die 'Dark Ones' in Metro 2033: dort anfangs mit Angst betrachtete Evolution.


    Zudem wird - um an unsere Nihilismus-Diskussion anzuschließen - ein Gegenentwurf zur unbedingten Dominanz des Homo sapiens als eine Verzweiflung des Individuums (hier des Autors) am Leben selbst missverstanden. Lovecraft stellt aber seine fiktiven Entitäten oder Götter über unsere Spezies, oder (wie in "The Outsider") lässt uns alles mit fremden Augen sehen. Ich hab immer noch nicht verstanden, wie die Rhetorik entstehen konnte, Lovecraft stelle den US-amerikanischen Menschenmann über alle anderen realen wie fiktiven Lebensformen - ich meine, das Gegenteil wäre der Fall.