Nachdem William Hope Hodgson mit seinen ersten drei Romanen eher mäßig erfolgreich war, erfand er mit Carnacki einen Weird Detective (ähnlich wie Algernon Blackwoods John Silence) und versuchte es damit in der Welt der Magazine. Und auch wenn die Abenteuer des „Sherlock Holmes des Okkulten“ heute allgemein eher zu seinen schwächeren Arbeiten gezählt werden, kamen sie damals richtig gut an.
Zu seinen Lebzeiten wurden zwischen 1910 und 1912 sechs Carnacki-Stories im britischen Magazin The Idler veröffentlicht, welche 1913 nochmals in einem Sammelband zusammengefasst wurden. Lange nach seinem Tod hat dann ein gewisser Herr August Derleth noch drei bisher unveröffentlichte Erzählungen publiziert, die dankenswerterweise ebenfalls im hier vorgestellten Festa-Band enthalten sind.
Die Rahmenhandlung ist dabei immer gleich: Carnacki lädt seine Freunde zum Essen ein, anschließend nimmt man gemeinsam am Kamin platz, entzündet seine Pfeife und der Gastgeber berichtet von seinem neusten Fall. The Godfather of Ghost Stories M. R. James lässt grüßen.
Der unsichtbare Wächter:
Carnacki wird zum Landsitz von Sir Alfred Jarnocks gerufen, denn in der Kapelle des Schlosses wurde der Butler von einem schwebenden Dolch angegriffen. Bereits in der ersten Geschichte wird deutlich, dass der Geisterdetektiv, anders als von Lovecraft behauptet (vgl. „Supernatural Horror in Literature“) bei weitem keine unfehlbare Person ist - Er gerät regelmäßig in Panik, benimmt sich alles andere als heldenhaft und baut auch mal richtig Mist. „Der unsichtbare Wächter“ ist ein ganz unterhaltsamer Einstieg, auch wenn Hodgson etwas zu viel Zeit für die finale Auflösung aufwendet. Ein Problem, das leider viele seiner Carnacki-Stories haben. (3/5)
Die Tür nach Drüben:
Im Grauen Zimmer eines Herrenhauses, in dem vor 150 Jahren drei Menschen erdrosselt wurden, spukt es. Hier taucht zum ersten Mal Carnackis berühmtes elektrisches Pentagramm auf, mit dem er sich vor diversen Geistern und Dämonen schützt. Hielt sich Hodgson in der ersten Geschichte noch spürbar zurück, gibt er hier Vollgas. Besonders das Finale weiß zu gefallen. Man sollte allerdings kein Problem mit toten Katzen haben.
Generell wird in den hier versammelten Geschichten nicht gerade zimperlich mit Tieren umgegangen (siehe auch „Das Haus...“). Wenn man dann noch an die ganzen Schweine-, Fisch- und Vogel-Menschen denkt, die Hodgsons Horrorromane bevölkern, könnte man ihm glatt eine Aversion oder Zoophobie andichten. (4/5)
Das Haus im Lorbeerdickicht:
Diesmal verschlägt er Carnacki nach Irland - Und zwar in das Haus seines guten Freundes Wentworth. Dieser hat das Anwesen kürzlich geerbt, jedoch nicht damit gerechnet, dass es dort Blut von der Decke regnet. Carnacki betreibt hier einen enormen Aufwand, um der Sache auf den Grund zu gehen. Seine ausführlichen Vorbereitungen sind für den Leser jedoch leider nicht unbedingt spannend. Zumal der Payoff am Ende, das enorme Brimborium mMn nicht wirklich rechtfertigt. (2,5/5)
Das pfeifende Zimmer:
Im Schloss Iastrae erklingt Nachts ein seltsames Pfeifen, dass jeden in den Wahnsinn treibt. Nachdem die gesamte Dienerschaft den Ort fluchtartig verlassen hat, holt der Besitzer Carnacki zur Hilfe. Eine der bekanntesten Fälle des Geisterdetektivs, der zuvor u.a. schon im Suhrkamp-Band „Das Haus an der Grenze“ abgedruckt wurde. „Das pfeifende Zimmer“ gehört auch zweifelsfrei zu den stärksten Stories in diesem Buch. Hier stimmt alles: Atmosphäre, Länge, Finale und Erklärung. (4,5/5)
Unerwünschter Besuch:
Der junge und unerfahrene Carnacki bewohnt mit seiner Mutter ein kleines Häuschen in Appeldorn. Doch dort wandern nach Einbruch der Dunkelheit die Geister einer Frau und eines Kindes über die Flure und stören die Nachtruhe. Hier erfahren wir erstmals Carnackis Vornamen - Thomas. Ansonsten ist „Unerwünschter Besuch“ eine ganz nette und atmosphärische Spukgeschichte, die aber etwas an ihrer hanebüchenen und unbefriedigenden Auflösung krankt.
Ursprünglich sollte der Festa-Band übrigens mal den Titel dieser Erzählung tragen, doch nachdem es zu Problemen kam und sich die Veröffentlichung verzögerte, hat man schließlich auch gleich noch den Namen geändert. (3/5)
Das Geisterpferd:
Im Zentrum dieser Erzählung steht ein bizarrer Familienfluch: Immer wenn eine der Töchter aus dem Hause Hisgins heiraten will, taucht ein mysteriöses Geisterpferd auf und versucht sie zu ermorden. Hodgson braucht hier mal wieder deutlich zu lange um auf den Punkt zu kommen. Ein paar weniger Angriffe des Geisterpferdes hätten es definitiv auch getan. Und nach einer recht langatmigen und actionreichen Jagd folgt dann leider auch erneut eine äußerst enttäuschende Erklärung für den ganzen Spuk. Überraschenderweise wurde aber gerade diese recht mittelmäßige Geschichte für das britische Fernsehen adaptiert („The Rivals of Sherlock Holmes“). Die Folge findet man komplett auf youtube. Ich hab bisher nur kurz reingeschaut, aber es lohnt sich schon allein wegen des bescheuerten Pferdekostüms. (2,5/5)
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In den nächsten Tagen werde ich hier dann noch kurz die drei Carnacki-Stories vorstellen, die nach Hodgsons Tod veröffentlicht wurden und anschließend ein kleines Resümee ziehen.