Der Roman "Melmoth" von Sarah Perry wurde ja recht empfohlen (u.a. über den Vincent-Preis-Blog) und dann war ich ganz begeistert, dass es das auch als Hörbuch gibt, habe es mir geholt und war recht schnell durch.
Es ist kein klassischer Horror, ganz im Gegenteil kommt es recht gemächlich daher. Eine Engländerin, die unauffällig in Prag lebt, freundet sich in der Bibliothek mit einem Paar an. Der Mann lernt dort auch einen alten Mann kennen, mit dem er sich in Folge gerne unterhält.
Anfangs lebt das Ganze vor allem von Beschreibungen, nicht zuletzt von der Stadt Prag. Diese wird recht eindringlich, aber ohne touristische Verklärung beschrieben. Außerdem wird die Beziehung unter den Charakteren aufgebaut. Am erstaunlichsten finde ich vor allem, dass besonders die Hauptperson als langweilig in ihrem Tagesablauf beschrieben wird. Normalerweise hat man da mehr so was in Richtung Superheld oder Genie, klug ist sie schon, aber so außergewöhnlich auch nicht, dazu unvorteilhaft gekleidet und eine Spaßbremse.
Der alte Mann hinterlässt seine niedergeschriebenen Kindheitserinnerungen an eine finstere Zeit, in der er Schuld auf sich geladen hat. Dabei taucht Melmoth auf, eine sagenhafte Gestalt, eine Frau, die einst die Auferstehung Jesu gesehen, aber verleugnet hat und fortan ewig über die Erde wandert, um überall Ungerechtigkeit zu bezeugen. Sie bietet dabei ihre Hand als Trost denen an, die sich verlassen fühlen - und wer sie nimmt, ist mit ihr verdammt.
Es ist im Grunde genommen eine Episodengeschichte, die aber sehr eindringlich ist und den roten Faden nicht verliert. Melmoth begegnet nicht nur den Bösewichten, auch den Opfern, aber vor allem wird in der Geschichte sehr eindringlich gezeigt, dass sehr oft schreckliche Taten eben durch Wegschauen und Nicht-Hinterfragen geschehen. Der Mann mit der Axt ist natürlich auch erschreckend, aber sie kommt als verführerische Trösterin und das ist ja der eigentliche Horror.
Es ist auf jeden Fall ein toller Roman und sprachlich auch ganz große Klasse!