Bora Chung: Der Fluch des Hasen

  • Bora Chung: Der Fluch des Hasen

    Das Buch: Bora Chung: Der Fluch des Hasen. Storys. Aus dem Koreanischen von Ki-Hyang Lee. Hardcover mit Lesebändchen. September 2023. 264 Seiten. 24,00 Euro (D), 24,70 Euro (A). ISBN 978-3-95988-190-6.


    Von der Verlagsseite:

    Das klingt für mich erstmal echt interessant. Kennt das jemand von euch? Ist vermutlich auch für den Vincent Preis relevant, oder?


    Vergessen: Verlagslink: http://www.culturbooks.de/port…hung-der-fluch-des-hasen/

  • Vielen Dank für den Tipp, lieber Felix - das klingt ja echt verrückt und nach einem ziemlich wilden Mix. Train to Busan meets "The Monkey's Paw"...


    Ich hab mal nach der englischen Übersetzung gelinst, und die heißt interessanterweise The Cursed Bunny. Wär mal spannend, welche Variante davon dem Original entspricht, das sind ja quasi zwei sich beinahe gegenseitig ausschließende Haltungen dem spekulativen 'Schuldigen/Täter' gegenüber.


    Die "sometimes extremely gory" (ThisIsHorror.co.uk) Kurzgeschichtensammlung war - im positiven Sinne erstaunlicherweise - auf der nur sechs Werke umfassenden Shortlist des renommierten International Booker Price, hat ihn aber leider nicht gewonnen. Das Buch schaue ich mir auf jeden Fall an, ein echt ein cooler Tipp und mal wieder ein Hoch auf dieses Forum! [Cof]


    Im Deutschen hat es ein tolles Cover, mal völlig weg vom Einheitsbrei.


    EDIT: Ich hab mir das mal als eBook geholt und bin rein von den ersten Zeilen der Titelgeschichte wirklich allerschwerstens begeistert. Keine Rollenprosa, kein Leser-Anbiedern, sondern klare Sprache mit Präzision und poetischer Ästhetik. Erinnert mich sogar an manches von Volodine - der ja mit der Autorin teilt, als Brotjob aus slawischen Sprachen zu übersetzen.


    Hier die erste Passage:


    Grandfather used to say, “When we make our cursed fetishes, it’s important that they’re pretty.”

    And the lamp, shaped like a bunny rabbit sitting beneath a tree, is truly pretty. The tree part looks a bit fake, but the bunny was clearly made with love and care. The tips of the bunny’s ears and tail are black, as are its eyes, and the body a snowy white. Its material is hard, but its body and pink lips are crafted to look soft to the touch. When the lamp is switched on and the light shines upon it, the bunny looks like it’s about to flick its ears or wriggle its nose.

    Every object has a story. This object is no exception, especially as it’s a cursed fetish. Sitting in an armchair next to the bunny lamp, Grandfather tells me the same story he’s already told me time and time again.

    The lamp was made for a friend of his.

    It is forbidden to make a cursed fetish for personal use. Also according to family tradition, it is forbidden to curse any handmade item. These unwritten rules have been passed down for generations in our family’s line of work: the creation of cursed fetishes.

    This bunny, however, is the only exception.

  • Ich habe es mir auch besorgt. Darauf aufmerksam geworden bin ich durch den Newsletter der Büchergilde, die das Buch jetzt auch in einer Reihe auflegen. Mir scheint aber die Austattung dort nicht besser zu sein und das Cluturebooks-Cover fällt einfach wunderbar aus dem Üblichen heraus. Ich bin gespannt!

  • Felix Huch, das gleich noch mal auflegen? Komisch.


    Ich hab beim verspäteten Frühstück jetzt drei Geschichten gelesen und bin wirklich mehr als hingerissen. Bislang ist da kein einziger Satz und kein Detail, die ich nicht absolut genossen hätte.


    Vielleicht bin ich noch nicht bei dem entsprechenden Text angekommen, aber hatte mir unter 'splatter' und 'extreme gory' eine andere Art Erzählen vorgestellt. Also die übliche zynische, empathiegestörte Haltung (ich werfe mit Steinen aus dem Glashaus, so hab ich selbst auch schon gelöst). Aber zumindest die drei Texte haben eine starke - dabei keineswegs spießige - Moral. Und große Empathie, besonders für das Andere. Die Texte laufen alle über poetic justice, was ich eigentlich hasse wie die Pest, aber hier erstaunlicherweise als absolut perfekt und emotional sehr befriedigend empfinde - vielleicht, weil man das trotz allem nicht Happy Ends nennen kann, es wird nicht irgendwie süßlich. Durchaus eine Märchenlogik, nur, dass die Normies die Bösen sind und die 'Monster' die Guten.


    Ich muss jetzt was anderes machen (selbst schreiben *gn*) und kann mich kaum losreißen - was für eine tolle Entdeckung!

    [Cof]

  • Felix Ich schon wieder ... Bin durch. Bis auf zwei Geschichten, die ich richtig schlecht finde und zwei, die ich ganz gut, aber auch zu lang für den Twist fand, gefällt mir alles andere aber ganz außerordentlich gut. Ach ja: "Home Sweet Home" hab ich geskippt, das Milieu und der Slang haben mir nicht gefallen.


    Die beiden imA stilistisch eher minderwertigen Geschichten (schlechtes Pacing, nicht genug Plot für die Länge, ziemlich platt) sind gerade die ersten beiden, die ich aber zum Schluss las, nachdem ich mit dem "Bunny" gestartet und dann chronologisch durch bin. Sehr erstaunlich, dass der Verleger die an den Anfang setzte. Wirken auf mich wie Frühwerke oder Fingerübungen, auch tendenziell uneditiert. Hätten als Flash Fiction sicher grandios funktioniert.


    Splatter hab ich bin Buch keinen gefunden, jedenfalls nix, was über den Wolf bei den Grimms oder Falladas Geschichten aus der Murkelei hinausgeht. Es fließt Blut, es gibt Verstümmelungen, aber alles hat so einen leichtgängigen, surrealen Märchentouch und ist auch nicht so episch ausgewalzt. Will sagen: Ich mag auch Splatter, aber das sehr niedrige Level hier war genau passend zu den Geschichten.

    Auf jeden Fall ist aber alles extrem grausam, vom Konzept / der Stimmung her mehr als von akuten Taten. Aber auch an Empathie seitens der Erzähler (oder der Autorin für ihre Figuren) mangelt es nie.


    Einiges ist eher Fantasy, und zeigt, dass man nicht lange in der Gegend rumschwätzen muss, dass sich alles ohne massiven Weltenbau und Landkarten auch wunderbar knapp und reduziert erzählen lässt, sehr faszinierend, das ist eine ganz andere Art von Fantasy, die eher mit den Mitteln des Weird geschrieben sind.

    Gerade die längere, "Scars", hätte durchaus die Länge einer Novelette vertragen können, einige Drehs und Figuren / Konflikte hätten durchaus mehr Raum haben können.

    Die andere Fantasygeschichte, "The Ruler of the Winds and Sands" ist auch super schön, sehr tolles Setting, so ein Luftschiff mit einem Hauch Steampunk, durchaus teils etwas 'üppig' erzählt. Den Plot und die Entwicklung hab ich null kommen sehen, auch ein tolles Ende dafür.


    Das Märchen "The Snare" hat mich absolut geflasht, das ist wirklich düster, sehr fies konzipiert und aber wunderbar in Ruhe erzählt. Was für eine Fantasie!


    Mein Favorit ist die titelgebende Geschichte "The Cursed Bunny" (er ist wirklich mit einem Fluch belegt, den er weiterträgt, von daher ist der englische Titel doch näher dran). Sie hat schon eine Dickens'che Moral, aber einfach toll und nicht so stocksteif moralinsauer erzählt. Vollkommen verrückte Welt da und alles so ganz selbstverständlich und vor allem eine ganz wunderbare. präzise und klare Sprache.


    "Reunion" ist unerwarteterweise in Polen verortet und verwendet quasi Hauntology auf den Holocaust bezogen; ohne künstliches Drama toll gemacht.


    "Goodbye, My Love" ist SF und wartet ebenfalls mit einem tollen Twist auf, von dem her ein bisschen konzipiert wie "The Ruler of the Winds and Sands", nur mit einer ganz anderen Geschichte / Motiven. Das ist ein echt bitteres Stück Liebesgeschichte mit irreführender Nostalgie und einem erstaunlichen, aber gut funktionierenden Ende (da gibt es eine physische Sache, die vllt. weniger hart hätte sein können, dafür, dass noch so lange erzählt wird, aber gut).


    Angenehm ist die generelle, ich sag mal 'Anti-Kommerz/Anti-Gier/Anti-Ausbeutungs-Thematik, die sich sehr unaufdringlich durchzieht und auch einige Plots bestimmt. Gleichzeitig aber eine starke Betonung der Individualität und der persönlichen Freiheit.


    Es gibt von ihr noch eine SF-Sammlung bei Honford Star, Your Utopia, die sehr schön aufgemacht ist und die dort als Paperback mit kostenlosem zusätzlichen eBook verkauft wird (cool!). Werde ich sofort bestellen, sobald ich am 1. wieder bissl flüssig bin. (€ 17,95 aus UK ggfs. plus Porto & Zoll, oder über einen IOSS-Shop wie Blackwell's zum selben Preis incl. allem, aber offenbar ohne das extra eBook.)

    Honford Star hat noch andere Übersetzungen aus Asien, die ebenfalls einen Blick wert sind.


    Felix Ich bin dir wirklich dankbar für den Tipp, das war eine grandiose Entdeckung und ich werde noch ein paar Tage so vor mich hin enthusiasmieren ... :love: