Tobias Könemann: Das Schwarze Holz. Erzählungen
Pandämonium Verlag, Norderstedt 2017
Mit s/w Illustrationen des Autors, 114 S.
Die Sammlung wird beworben als „der verkohlte Scheiterhaufen des Fortschrittsoptimismus“ – was mich zum Kauf veranlasste. Um es vorab zu sagen: das klingt zwar super, aber ganz so harsch, heftig, nihilistisch ist das Buch nicht. Zweifelsohne sind es aber düster-pessimistische Geschichten mit einem angenehm altmodischen Stil: einem Hauch Expressionismus und typischen Settings der 1890er-1930er, vom Tonfall und den Figuren irgendwo zwischen Kubin und Mark Samuels. Die Texte hätten teils ein, zwei Editingschritte mehr vertragen können, auch wird oft eine Erwartung geweckt, die dann – zumindest wenn man schon einiges im Horror gelesen hat – untererfüllt wird.
Der kleine Band ist sehr schön aufgemacht, die Illustrationen haben mir wirklich ganz außerordentlich gut gefallen (auch wenn sie an zwei Stellen sehr ungünstig platziert sind und die Pointen der Geschichten spoilern!). Könemann scheint – wenn ich von seiner Webpräsenz ausgehe – auch in erster Linie Maler zu sein. Zwischen den Kurzgeschichten sind kleine Gedichte abgedruckt, was ich – selbst als Nicht-Lyrikfan – eine tolle Idee finde, weil die einzelnen Texte so besser wirken können.
Schwerpunkt bilden düster-unheimliche Geschichten und Legenden bzw. eine Mischung aus Body- und Folk-Horror, wobei Könemann sich nicht an Bestehendes anlehnt (z.B. „Eine zweite Haut“ und „Ewige Landschaften“), dabei durchaus gruselig sind.
Im Einzelnen:
„Anastasia“: Hat sehr schöne Bilder (Stichwort: malerischer Verfall / Ekel), aber den schwächsten Plot. Folgt man der Geschichte assoziativ, ohne Erwartungen, funktioniert sie etwas besser, als Einstieg vllt. etwas ungünstig.
„Im Schatten des Sturms“: Schönes Intro, aber eine sehr schwache Story, die mehr über die Erwartung als die 'delivery' läuft. Bzw. wird mit der wilden Sturmszene, sich eigenartig verhaltenden Personen / dräuendem Grusel eine hohe Erwartung geweckt (Sleepy Hollow meets Rosemary‘s Baby), die dann eine a) schwache und b) fast alberne (Nicht)Auflösung erfährt. Schwächste Story insgesamt.
„Die drei Boten“: Eine moralische Parabel, die ein bisschen Druiden-/ Green Man-Feeling hat, und im Grunde ein Statement gegen Intoleranz und evt. religiöse/monotheistische Gewalt ist. Nehme ich nicht so richtig als Kurzgeschichte wahr. Hat mir aber dennoch gut gefallen.
„Der Studiosus“: Hier kommt mehr Stimmung auf, das sind interessante Charaktere (erinnerte mich anfangs an Schuld & Sühne) mit spannenden Konflikten. Vom Ende hätte ich mir mehr erwartet, aber die Entwicklung dahin gefiel mir gut.
„Nebukadnezar“: Eine Pointengeschichte, die psychologisch interessant aufgezogen ist und zwei extrem unterschiedliche Settings kontrastiert. Für mich aber erst durch die Endszene interessant, davor zu märchenhaft (ich musste ein bisschen an Lovecrafts „The White Ship“ denken, bei dem das Märchenhaft-Verträumte ebenfalls abrupt harsch gebrochen wird).
„Eine zweite Haut“: Gefällt mir ausgesprochen gut, kommt als eine (originale / nicht übernommene) Legende bzw. Folk-Horror daher und entwickelt sich stringent und spannend – aber nicht vorhersehbar – in Richtung Verfall / Ekel / Body-Horror. Toll gemacht, sehr geheimnisvoll.
„Ewige Landschaften“. Auch diese Geschichte habe ich wirklich gern gelesen. Ein Wandern zwischen den Spiegeln, Nahtoderlebnis, Halluzination oder wirklich eine mystische parallele Dimension, die mit Themen um Isolation / Verlassensein, einer extrem negativen Interpretation des „Lebens als Kreislauf“ oder der Idee einer nicht-chronologische Zeit spielt. Machte auf mich – im positiven Sinne – einen klassisch surrealistischen Eindruck, auch wenn der Stil dafür vllt. zu altmodisch ist.
Fazit: Irgendwo zw. 5 und 7 Punkten. (8-9 für die letzten beiden und durchweg 9 für die düster-schönen „Ekel“-Szenen querbeet durchs Buch.)
Auch wenn ich viel zu nölen habe, kann ich den schmalen Band dennoch empfehlen, weil er eine eigenständige Stimme / Bilderwelt hat, und mit seinem traditionellen Stil niemanden bewusst imitiert - alles klingt ganz natürlich, individuell und unforciert.
p.s. Cheddar Goblin
Ich muss dir mit Samuels Recht geben: die private, politische Haltung liest man nicht heraus, und ich habe Written in Darkness wirklich mit Interesse und in einer tollen Stimmung gelesen. Er schreibt so original 1920-50er, dass ich jedes Mal zusammengezuckt bin, wenn LED und google erwähnt wird. Das war ein guter Tipp, Danke!