Wie vermutlich manche aus diesem Forum habe ich vor einiger Zeit bei Startnext das Projekt „Das Elixier des Lebens“ unterstützt. Dabei habe ich mich für die reine Taschenbuchvariante entschieden, nicht für die Sammlerausgabe und nicht für das Hörbuch, über das ich deshalb auch nichts sagen kann. Weil die Sammlerausgabe aus den Taschenbüchern gefertigt wurde, kann das Folgende darauf aber ebenfalls bezogen werden.
Erstmal ein paar Daten:
Das Elixier des Lebens, und andere fast verschollene phantastische Kurzgeschichten
Hrsg. von Florian Jung und Lars Dangel
Taschenbuch, 199 Seiten
2019, Privatdruck
Hier der Link zur Startnext-Kampagne: https://www.startnext.com/daselixier
Ob das Buch noch zu erwerben ist, weiß ich nicht.
Das Buch enthält 11 Kurgeschichten aus den Jahren 1906 bis 1938, die allesamt der Phantastik zugeordnet werden können. Weil ich ein Faible für das Genre und Werke aus der Zeit habe, hatten die Geschichten von vornherein einen guten Stand bei mir, und auch nach der Lektüre bin ich mit jeder Neuveröffentlichung in diesem Band sehr zufrieden. Gerne mehr davon!
Zwei der neun Geschichten sind zuletzt schon in einer Anthologie von Lars Dangel abgedruckt worden. Das finde ich zwar nicht grundsätzlich problematisch, aber etwas ungeschickt. Immerhin dürfte es große Überschneidungen in der vermutlich recht kleinen Leserschaft geben. Bei diesen Geschichten handelt es sich um das sehr stimmungsvolle, titelgebende „Elixier des Lebens“ (Dörmann), aber auch um das etwas banale und alberne „Die Eiweiß-Soldaten“ (Strobl). Damit bilden diese beiden Geschichten für mich auch den stärksten und den schwächsten Teil der Zusammenstellung, die mir insgesamt inhaltlich sehr viel Freude bereitet hat. Zu meinen Favoriten zählen neben dem „Elixier“ auch „Der Mann mit der Puppe“ (Münzer) und „Treibhaus des Grauens“ (am Bruhl), die beide auf ganz unterschiedliche Art von exotischen Kuriositäten in der Atmosphäre stetiger Bedrohung und Gewalt erzählen.
Handwerklich macht das Buch zudem im Großen und Ganzen einen wirklich guten Eindruck. Ich mag das schlichte, aber ausdrucksstarke Cover, die grafischen Titelseiten, die jeder Geschichte vorstehen. Die Schriftart ist gut gewählt, der Druck ist weitestgehend sauber, über Satz- oder Rechtschreibfehler bin ich so gut wie nicht gestolpert. Auch die Ausstattung ist sehr gelungen. Es gibt Danksagungen, ein Vorwort, Nachwort, bibliographische Angaben zu allen Geschichten, Viten zu den Autoren und den Herausgebern. Hier wurde wirklich nichts vergessen.
Trotzdem habe ich auch Kritikpunkte und die spreche im Folgenden an, um im besten Fall (mit dem letzten Punkt) auch einen Beitrag zu einer Diskussion formulieren, die mit dieser Publikation angestoßen werden soll – so vermute ich.
– Es erschließt sich mir nicht, warum nach fast jedem Absatz (es ist nicht ganz einheitlich) eine Leerzeile eingefügt wurde. Bei einem Text, der linear gelesen und nicht kursorisch gescannt werden soll, lenkt der Satz die Augen durch den Text und unterstützt den Leseprozess. Leerzeilen unterbrechen diese Augenführung, was dazu führt, dass ich gerade in den Geschichten mit vielen kürzeren Absätzen merklich konzentrierter und angestrengter lesen musste.
– Das Buch, das äußerlich ein schmaler Band ist, wirkt innerlich in einer Form etwas aufgeblasen, die ich von den bisherigen Anthologien von Lars Dangel nicht kenne. Zieht man Vor- und Nachwort, die Viten und Angaben ab, bleiben von den 199 Seiten nämlich gerade mal 149 Seiten übrig. Wenn man zudem noch die 11 Titelseiten abzieht, auf denen – zwar grafisch schön gerahmt – bloß Titel und Autorenname stehen, bleiben 138 Seiten erzählender Literatur. Abzüglich der leeren Seiten, wenn eine Geschichte auf der rechten Seite endet (die Titelseiten stehen immer rechts), und der doch recht viele Leerzeilen bleibt für 19 Euro leider vergleichsweise wenig Lesestoff übrig. Wenn ich dann noch die zwei Geschichten abziehe, die ich schon aus der letzten Anthologie von Lars Dangel kenne und die ich teuer gekauft habe ... Hier hätte ich mir mehr, ehrlich gesagt, gewünscht, zumal die im Vorwort heraufbeschworene Bibliothek doch noch einiges erhoffen lässt!
– Was ich irritierend finde, ist das fehlende Konzept des Bandes. Dies ist nicht grundsätzlich ein Problem oder Störfaktor, fällt aber mit Blick auf das sehr umfangreiche Nachwort von Lars Dangel auf. In diesem Nachwort vergleicht er die Situation der phantastischen Literatur heute mit der von 1925 und greift dazu auf ein 3,5 Seiten langes Zitat von Ernst E. Stein zurück (aus einem „Nachruf für die die phantastische Literatur“). Dieses Zitat ist durchaus „erhellend“, allerdings muss es größtenteils für sich stehen bleiben, fehlt doch leider eine intensivere, detaillierte Auseinandersetzung damit. Das ist gerade deshalb schade, weil die darin formulierten „Wahrheiten“ auf jeden Fall einer Erläuterung und Kontextualisierung (über erklärende Fußnoten hinaus) wert gewesen wären. Hier wird leider die Möglichkeit verschenkt, einen tieferen Einblick in die Entstehungszeit der im Band versammelten Geschichten zu geben. Und nicht nur hier. Lars Dangel nutzt sein 22seitiges Vorwort leider nicht, um einzeln auf die ausgewählten Geschichten zu blicken, sie literaturwissenschaftlich, biographisch, zeitgeschichtlich oder in anderer Form einzuordnen und ihre Qualitäten herauszustellen. Dasselbe gilt leider auch für Florian Jungs Vorwort.
Stattdessen wendet er sich vermehrt der aktuellen Situation der phantastischen Literatur zu und gibt davon ausgehend kleinere Einblicke darin, warum seiner Ansicht nach die Phantastik der damaligen Zeit irgendwie besser/gehaltvoller/interessanter war. Dabei verweist er z.B. auf de Sade oder Ewers, von denen allerdings keine Geschichte in dem Band vertreten ist, aber beinahe nicht auf die Autoren, deren Geschichten ich vor dem Nachwort gelesen habe. Wenn das Buch doch gerade in der Freude an älterer, phantastischer Literatur seinen Ursprung hat, so wie es im Vorwort anklingt, warum wird diese Freude nicht transportiert? Wenn die Geschichten doch so gut sind, wieder veröffentlicht zu werden, – und ich finde, sie sind gut! –, dann wäre hier doch der richtige Platz dafür, dies auch zu zeigen und den Rahmen aus Vorwort und Geschichten im Nachwort zu schließen. Hier scheinen die Absichten und Ziele der Herausgeber deutlich auseinanderzugehen. Erst dadurch gerät das Fehlen ein gemeinsames Konzept in den Blick und das Buch als Gesamtwerk, das über die Geschichtensammlung hinausgeht, empfand ich im Nachhinein auffallend wenig rund.
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Als ich nochmal durch den Text schaute, fiel mir auf, dass ich bis hier schon stark in eine inhaltliche Auseinandersetzung gerutscht bin. Damit entferne ich mich immer weiter von einer Rezension. Weil ich dadurch mehr auf Punkte eingehe, die ich kritisch sehe, als auf solche, die ich positiv bewerte, könnte dadurch der Eindruck entstehen, ich würde dieses Buch niederschrieben. Das ist aber überhaupt nicht mein Ziel und entspräche auch nicht meinem Lesevergnügen. Insgesamt halte ich „Das Elixier des Lebens“ für ein schönes kleines Buch mit einer guten Auswahl älterer phantastischer Geschichten. Der Preis ist etwas hoch, der Satzspiegel nicht optimal, für einen Privatdruck machen die beiden Herausgeber ansonsten aber so vieles richtig und haben ein so gutes Händchen bei der Auswahl der Geschichten, dass ich mich über weitere Bücher freuen dieses Teams definitiv würde!
Aber zurück zur inhaltlichen Auseinandersetzung ...
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