What We Become / Sorgenfri (Zombiehorror meets Arthouse)

  • What We Become / Sorgenfri

    Dänemark 2015

    Drehbuch & Regie: Bo Mikkelsen

    Mit: Mille Dinesen (Borgen / Gefährliche Seilschaften), Troels Lyby (Forbrydelsen / The Killing), Benjamin Engell, Marie Hammer Boda, Ella Solgaard

    Kamera: Adam Philp

    Produzentin: Meta Louise Foldager (Meta Film, unterstützt vom Danish Film Institute)

    Länge: 90'


    Nach dem Tipp von Elmar (-> hier), ziehe den Film mal in einen eigenen Faden.

    Hab mir den grad angesehen (im Original ohne Untertitel, aber Dänisch ist ja nicht aus der Welt, wenn man schon ne Menge Krimis mit UT gesehen, in einigen Häfen dort gelegen und zwei Notaufnahmen besucht hat [skul] ).

    Und der hat mir wirklich ganz enorm gut gefallen. Einer der besten Horrorfilme, die ich seit langem gesehen hab. Im besten Sinne 'Back to the Roots': zu den ersten Romeros und der Zeit, bevor das eigentlich stupide Ballergames wurden. Ich hab auch nix gegen cool gemachte Zombie-Action, aber ziehe meine Grenze vor Walking Dead. Da hab ich eh den Eindruck, man nähme da nur Zombies, um mit Menschen Dinge machen zu können, die für ein Mainstream-TV-Publikum zu hart und überhaupt zu inhuman wären.


    Zum einen haben die hier bei aufwendigen Locations und Props gespart, dafür aber eine sehr gute Cast. Dann rennt keiner augenrollend herum und kreischt, kein Overacting wie in gefühlt 90% der neueren Filme. Es sind (fast?) alle Szenen SFX, keine CGI, was für mich ein Muss ist, vor allem, wenn da Grusel aufkommen soll. Die Settings sind wirklich genial genutzt: alles ist eingeschränkt, beengt durch diese omnipräsenten schwarzen Plastikplanen und die Betonabsperrungen. Die Kamera wird perfekt passend dazu genutzt, man sieht immer alles so aus der Halbdistanz und doch nie genug, um einen Überblick zu haben, was da um die Ecke oder im anderen Zimmer vorgeht. Der Trailer ist imA extrem irreführend, auf das Zombie-Mainstreampublikum zugeschnitten und suggeriert ständige bzw. dumpfe Action und Jumpscares, wo der Film eigentlich nichts davon hat. Auch wird Musik überhaupt extrem sparsam eingesetzt, ich erinnere mich nicht mal daran, außer bei den Credits.


    Sehr, sehr gute Maske - auch das kommt im Trailer nicht so richtig raus - und auch für die Zombies absolut glaubhafte Darsteller, die auch subtile Untertöne ausdrücken können. Die Zombies sehen wirklich aus wie Leichen, nach totem Fleisch/Haut, nicht übertrieben und das allein war schon gruselig. Ist nicht wie so ein Hollywood-Zombie, der einfach sehr filmisch aussieht. Sondern genau so wie hier gezeigt könnte das - wäre es möglich - auch aussehen. Die Verwandlungen kommen meist langsam, d.h. es kommt etwas ganz Wichtiges ins Spiel, was ich bei nahezu jedem einzelnen Zombiefilm bislang vermisste: Trauer.

    Denn er stirbt ja eine Person, die man kennt, und diese emotionale Verknüpfung kann nach einem 'Auferstehen' unmöglich abreißen als wär nie was gewesen. (In Night of the Living Dead und dem ersten Resident Evil (Alice / Rain) ist das auch Thema, aber eher kurz angedeutet). Ich kann mir vorstellen, dass das eben eine schwierige Gratwanderung ist - in mitten von Grusel und/oder Action plötzlich 'echte' Gefühle und Schmerz, das wirkt sicher auch schnell kitschig und verhaut vllt. das Pacing oder den Ton. Dadurch dass What We Become sich aber durchgehend Zeit für seine Figuren nimmt (und zwar vollkommen ohne diese bekloppten Backstories aus Kindheit / Vergangenheit und hastenichjesehen), passt es hier perfekt rein und hält auch diese Balance sehr gut. Wirklich schon mal ne Menge Extrapunkte allein dafür.


    Die Filmemacher halten sich auch bei Momenten zurück, wo es einem sicher in den Fingern jucken mag, hier mal für einen schnellen Schnitt kurz draufzuhalten - und dann läuft eben das Kino im Kopf, was viel eindrücklicher ist. Hier vor allem - aber nicht nur - die ruhige Szene, in dem Vater und Sohn ein totes Baby in einer fremden Wohnung entdecken. Man sieht und hört nur die Dutzenden Fliegen im Schleier über dem Bettchen, sieht einen kleinen vagen Schatten, mehr nicht. Der Moment wird genau richtig gehalten und dann aufgelöst. Durchaus old school - man muss nicht alles zeigen, was man zeigen kann.


    Der Film lebt auch von kleinen, coolen Details, z.B. diese Halbstarre der Zombies bei Licht, was denen auch einen melancholischen, nostalgisch-traurigen Moment verleiht - ohne, dass es explizit gesagt wird, stelle ich mir vor, dass die sich vielleicht an ihr Leben und ihre Menschlichkeit erinnern. (Aber eben vollkommen ohne Kitsch.) Es gibt eine Menge Genrezitate - vernagelte Fenster, Hände durch die Latten / Türspalt etc. -, aber es ist selbstbewusst eingesetzt, nicht anstelle eigener Ideen.


    Neben dem implizierten Baby waren meine Favs: Alle Szenen mit der Mutter des Nachbarhaus-Mädchens (richtig gut gespielt, absolut nachvollziehbar, fiese Optik aber auch), dass der Prota im Grunde unschuldig Schuld ist, dass da alles aus dem Ruder läuft, die langsame / nachvollziehbare Entwicklung bis nach der Hälfte des Films, als es noch um die Gesamtsituation geht. (Gruselig, wie im TV angewiesen wird, dass bzw. wie man sich die Hände waschen soll, um Infektionen zu vermeiden *gn*). Die Zombies der Nachbarschaft - sozusagen - sind ein schönes Romero-Zitat, ohne Szenen nachzustellen, und auch die langsam/schnell-Bewegungen waren gut gemacht, damit war nicht alles so vorhersehbar wie bei Gleichförmigkeit. Überzeugend auch das Chaos in der Umgebung, die offenen Autos, der Müll ... Niedlich fand ich noch diesen kleinen Romeo & Julia-Aspekt durch die beiden Teens, die gegenüber voneinander wohnen.

    Bo Mikkelsen hat wohl vorher nur Kurzfilme gedreht, darunter auch Dokumentationen.


    Würde ich gern mal mit Untertiteln sehen (im Trailer sind ein paar schöne Sätze wie der mit der toten Sonne).

    Fazit:

    Ich sag mal locker 10/10. Ein Film zwischen Arthouse und Indepedent, alles zur Verfügung Stehende wurde optimal genutzt, richtige Länge mit dem richtigen Pacing.


    Sehr coole Artworks auch: