Mark Jenkin: Enys Men / Stone Island



  • Enys Men (Engl: Stone Island)

    UK 2022

    Drehbuch & Regie: Mark Jenkin

    Mit: Mary Woodvine, Edward Rowe, Flo Crowe

    Länge: 92'

    16 mm, handentwickelt

    Vertrieb: British Film Institute

    Produktion: Film4, Denzil Monk - BOSENA (Cornwall)

    Laut Filmstarts.de noch kein deutscher Termin (vllt. bei Festivals)


    Trailer

    Teaser

    Feature & Talk (Artikel und Video) auf Den of Geek


    Der ambitionierte Film wird als surrealistischer Cornish Folk Horror gehandelt, spielt 1973 und sieht durch das 16 mm Format tatsächlich auch aus, als wäre er zu der Zeit gedreht (die Kamera da links unten im Bild). Der Regisseur beschreibt ihn auf criticalpopcorn als "ecosophical horror", unsere finnische Ankündigung schreibt 'metaphysische Horror-Reise durch einen Albtraum',


    Plot: Eine namenlose Praktikantin lebt einige Winter- und Frühjahrsmonate allein auf einer unbewohnten Insel in Cornwall, um dort seltene Pflanzen zu dokumentieren. Diese wachsen nahe einer alten Zinn-Mine in verseuchtem Gebiet. Die Praktikantin hat eine stark ritualisierte Routine, wirft u.a. jeden Tag einen Stein in den Minenschacht. Auch stehen nahe ihres Hauses bronzezeitliche Menhire, von denen einer immer etwas näher an die Hütte zu rücken scheint. In ihrem einzigen, sporadischem Kontakt - dem Fischer und Lieferanten ihres Petroleums - meint sie plötzlich, eine verflossene Liebe wiederzuerkennen. Durch die achronologische Erzählweise ist aber unklar, ob dies Erinnerungen, Halluzinationen oder zukünftiges Geschehen ist. Sie hat zudem eine skurrile Art von Beziehung zu dem seltsamen Menhir, und Szenen mit bzw. Erinnerungen an ihren Vater und ihre Tochter (was auch sie selbst als Kind sein mag) werden wie Realität gezeigt.


    Mark Jenkin setzt nicht nur die Landschaft Cornwalls als Protagonisten ein, sondern bemüht sich um niedrigen carbon footprint - die Produktion hatte nur einen Ausstoß von 4,55 t CO2, verglichen mit rund 3.000-10.000 t bei Hollywoodfilmen. Enys Men wurde während des 2021-Lockdowns innerhalb von 3 Wochen gedreht. Jenkin gewann 2021 mit Bait einen BAFTA; Enys Men hatte Premiere in Cannes.


    Ich würde den Film super gern sehen, aber wegen einer Verabredung vorher schaffe ich es evt. nicht. Grad gestern hatte ich einen kleinen Nostalgieanfall, was den Britischen Indie-Film der 80er anging, und dieser wäre wirklich ein super revival.


  • Ui, den Film würde ich richtig gern sehen.

    Hatte auch bissl an dich und Axel gedacht. [Gh2] Ich hoffe, du hast Glück mit einem Festival, Programmkino, Kino ... Das Fantasy Film Festival wird wohl dieser Tage das Programm freischalten, wenn die schlau sind, haben sie sich den gesichert (ich meine: Cannes!).

  • Ich hoffe, du hast Glück mit einem Festival, Programmkino, Kino

    Daran zweifle ich leider. Es gibt bei mir zwar einige Programmkinos, aber ich nehme den Trend wahr, dass dort eher die Mainstreamware des Arthaus-Kinos rauf und runter läuft und echte Nischenproduktionen keine Chance bekommen. Mal sehen, im Zweifel kommt er hoffentlich irgendwann auf DVD.

  • J.J.Sch. Auch von mir lieben Dank! Ich hätte gestern nach der Verabredung sogar noch Zeit gehabt, war durch meine Frühschicht aber nicht mehr aufnahmebereit und bin ins Bett. Irgendwann schaffe ich mir ja vielleicht noch mal einen BluRay-Player an.


  • Ich konnte mir den Film heute endlich anschauen. Er hat mir gut gefallen, eine detaillierte Bewertung fällt mir aber schwer. Die Einordnung als "surrealistischer Folk Horror" passt gut; viele Elemente, die wir heute mit Folk Horror verbinden, sind vorhanden, und es ist schon gewagt, überhaupt von einer Realitätsgrenze zu sprechen, denn das, was an vermeintlich sicherer Realität gezeigt wird, steht von Beginn an in Frage. Man müsste noch das Label "Experimentalfilm" hinzufügen, da der Film nicht handlungsgetrieben ist, er mäandert eher in Bildern umher und verlässt sich ganz auf den Schauplatz und die Hauptdarstellerin, um Anziehung zu schaffen.


    Sicherlich kann man im Laufe des Film über verschiedene Elemente darauf schließen, was da wohl geschehen sein mag, aber die Deutungsangebote sind derart zahlreich, dass man sich lieber auf das Gesamtkunstwerk konzetrieren sollte. Hier, vermute ich, könnten sich die Geister scheiden. Enys Men ist eine Wunderkammer aus Symbolen und Stimmungen, poetisch und lakonisch bisweilen, manchmal subtil schaurig und verunsichernd. Langsame Betrachtungen der Natur wechseln sich mit Passagen ab, die mit schnellen Schnitten und unangenehmer Audiospur die Sinne angreifen. Was geschieht der Frau auf der Insel, die einsam den Stand der Flora protokolliert und abends A Blueprint to Survival studiert? Sind es Halluzinationen? Böse Erinnerungen? Spukerscheinungen? Vergangenheit, die nicht vergeht scheint ein Thema zu sein, Wunden, die nicht heilen. Auch der Umgang des Menschen mit der Natur und untereinander, harte Schicksale, Ausbeutungen, lokale Geschichte. Das Andere gesellt sich über die kornische Sprache in diese phantasmagorische Konstruktion, die eine Art nicht-urbane Psychogeographie entwirft. Das alles hat mir, wenngleich sicherlich im Konzept nicht neu, in seiner spezifischen Transgressivität gut gefallen. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass manches Publikum es nicht verzeiht, mit Rätseln und Zeichen gelockt zu werden, die sich letztlich einer konkreten Auflösung und Ausdeutung entziehen. Der Film spielt vieles nur an, geht kurz in die eine Richtung, um dann wieder anders abzubiegen, öffnet jede Menge Resonanzräume, mit denen man dann selbst als Kenner des Genres und Liebhaber der soziohistorischen Folie umzugehen hat.


    Ich habe den Kauf jedenfalls nicht bereut. Enys Men (Steininsel) ist ein ruhiges Experiment, für das man sich Zeit nehmen und Offenheit mitbringen muss. Wer an Autoren wie Robert Aickman geschult ist, weiß, was gemeint ist. Vielleicht hat Mark Jenkin hier Aickmans "The View" auf Halluzinogenen vorgelegt. Unpolititsch ist das alles dabei keineswegs, was weitere Interpretationsmöglichkeiten aufmacht. Ein guter Tipp war das, Katla

  • Nils Eine sehr, sehr coole Rezension! Ich freue mich echt, dass es dir gefiel. Und es klingt wirklich so, wie ich es mir im Idealfall vorgestellt habe - wohl tatsächlich ein schönes 80es BritFilm-Revival.


    Vielen Dank auch für den Link zum Buch, ganz laienhaft ist das letztlich auch der Schluss, zu dem ich irgendwann kam. Wiki schreibt: A Blueprint for Survival was an influential environmentalist text that drew attention to the urgency and magnitude of environmental problems.

    Not influential enough, I'd say. :( (Das Buch kam 1972 raus - fast zeitgleich mit dem Bericht des Club of Rome).


    Und noch eine schöne Tasse - auch sehr photogen! :love: <3