Andrew F. Sullivan_ The Marigold

  • Andrew F. Sullivan: The Marigold

    ECW Press, Kanada 2023

    352 Seiten

    Buchvorstellung Verlag (mit Pressestimmen)

    Homepage Sullivan (mit einer Reihe kostenfreier Kurzgeschichten)


    Zum Inhalt: Siehe unter dem Bild.


    Vom Locus Magazine fälschlich als Debütroman gelistet (das war Waste von 2016), aber extrem spannend beschrieben und mit einem tollen Themenmix zwischen CliFi und paranormalem Hochhaus-Horror. Da schon mal einer der drei extrem beeindruckenden Türme - ich vermute Cromwell Tower - des Londonder Barbican Estates auf dem Covers ist, ich das Gebäude kenne und das auch ein Setting in einer meiner neueren KGs war, musste ich da einfach zugreifen. (eBook)


    Ich war auf den ersten 20 oder 30 Seiten überzeugt, hier einen würdigen Nachfolger für Harlan Ellison gefunden zu haben (auch das 'unhinged' der Pressestimmen hätte man noch zu Recht erwarten können), und stürzte mich in die Geschichte, vollkommen begeistert von einer Sprache, die kein überflüssiges Wort, keine Beschreibung / Erklärung zu viel hat und trotz eines schrägen Weltenbaus völlig auf Infodump verzichtet. Das Ganze spielt in einem Toronto der nahen Zukunft, aber es gibt - nicht nur durch das Coverbild - Verweise auf London: Ich nehme an, der nach seinem Erbauer benannte Marigold Tower spielt mal wieder auf Goldfinger an, den Architekten der Towers Balfron und Trellick.


    Nach und nach setzte allerdings die Ernüchterung ein: Obwohl in 3. Person mit auktorialen Anteilen erzählt, ist der PoV doch eher personal bei den jeweiligen Figuren, und davon gibt es einfach unübersehbar viele: Protagonisten wie Nebenfiguren, ich hab nicht gezählt, aber es werden bis über 20 verschiedene Blickwechsel sein - und zwar von Figuren, die teils nicht aufeinandertreffen. Es gibt sogar Backstories von denen, die innerhalb desselben Kapitels nach der Erstvorstellung sterben (und tot bleiben, also nicht mehr agierend auftauchen).

    Beim fünften Komplettwechsel (an dem Punkt überschneiden sich die Linien noch nicht) hat sich doch langsam die Neugier verabschiedet, zumal es sehr schräg, unheimlich und extrem geheimnisvoll beginnt, dann aber immer stärker in Alltagsprobleme wie 'kann jemand die Rechnungen zahlen' ausartet - das kenne ich selbst, davon muss ich jetzt nicht in Phantastik lesen.


    Nach und nach entpuppt sich das Ganze als eine Mischung aus Ballards High Rise und Adam Nevills Last Days (auf den bedrohlichen, schattenhaften 'Befall' bezogen), mit sowas wie der Umbrella Corporation im Hintergrund. Mal wieder sind Betongebäude in schlechter Qualität gebaut (was auf das Titelbild wie auch auf Goldfinger bezogen wie Rufmord erscheint), bieten derangierten - wenn auch teils reichen - Kriminellen ein Zuhause und erwachsen quasi-organisch aus etwas 'Bösem'. Das alles ist zwar paranormal und mit durchaus echten Horrorelementen, aber nicht so innovativ urban-mystisch wie man aus dem Intro annehmen könnte, sondern kocht sich auf die immer gleichen Verschwörungen, Kulte und Opferrituale runter. Wenn auch mit etwas mehr Phantasie hergeleitet und ausgeschmückt.

    Könnte mir gut vorstellen, dass China Miéville dieses Buch gern geschrieben hätte.


    Ich muss gestehen, dass ich nur drei der Stränge (nämlich die ersten Haupt-Protagonisten Cathy & Jasmine und dann "Soda" & Dale (sein Vater) sowie einen etwas später eingeführten Antagonisten Hans wort-für-wort las, die anderen ab Seite 100 nur im Quickread. Die konventionelle Gut/Böse-Aufteilung am Ende bzw. Showdown hätte ich nach dem stark innovativen Anfang absolut nicht vermutet und das hat mich mit einem ziemlich faden Nachgeschmack aus dem Roman entlassen.


    Nichtsdestotrotz: Sullivan ist eine - vor allem vom Sprachstil her - extrem interessante, (relativ) neue Stimme, den ich sicher noch weiter lesen werde. Z.B. Eine neuere KG gefällt mir ganz extrem gut, vielleicht ließe sich da eine Erlaubnis zum Übersetzen bekommen.




    In a near-future Toronto buffeted by environmental chaos and unfettered development, an unsettling new lifeform begins to grow beneath the surface, feeding off the past. *)

    The Marigold, a gleaming condo tower, sits a half-empty promise: a stack of scuffed rental suites and undelivered amenities that crumbles around its residents as a mysterious sludge spreads slowly through it. Public health inspector Cathy Jin investigates this toxic mold as it infests the city’s infrastructure, rotting it from within, while Sam “Soda” Dalipagic stumbles onto a dangerous cache of data while cruising the streets in his Camry, waiting for his next rideshare alert. On the outskirts of downtown, 13-year-old Henrietta Brakes chases a friend deep underground after he’s snatched into a sinkhole by a creature from below.


    All the while, construction of the city’s newest luxury tower, Marigold II, has stalled. Stanley Marigold, the struggling son of the legendary developer behind this project, decides he must tap into a hidden reserve of old power to make his dream a reality — one with a human cost.

    Weaving together disparate storylines and tapping into the realms of body horror, urban dystopia, and ecofiction, The Marigold explores the precarity of community and the fragile designs that bind us together.


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    *) Das 'feeding off the past' klingt super geheimnisvoll und vielversprechend, ist aber letztlich etwas extrem Banales.