Auf die Übersetzung dieses Romans habe ich einige Zeit gewartet, denn was ich über das Original hörte, hat mich ziemlich angefixt. Natürlich ist die Idee nicht neu, literarische Figuren verschiedener Werke in einem neuen Werk zusammenzuführen und natürlich stehen dabei mal wieder Figuren englischsprachiger Autor:innen im Zentrum, als gäbe es sonst nichts auf der Welt. Aber gut, das schmälerte meine Vorfreude nicht.
Der Roman beginnt dann auch furios. Das erste Kapitel gehört zu dem besten, was ich in den letzten Jahren gelesen habe. Der Clou dabei ist, dass die Figuren selbst das Geschehen und die Art des Erzählens in Rückschau kommentieren. Das führt zu Beginn dazu, dass die Erzählerin immer wieder neu Ansetzen muss. Eine simple Idee, aber wirklich wunderbar umgesetzt.
Leider verflacht der Roman danach zunehmend. Es gibt zwar einen Kriminalfall, der geklärt werden muss, aber die eigentliche Handlung tritt eigentlich immer weiter in den Hintergrund und schafft nur den handlungsbezogenen Anlass für eine Revue zahlreicher bekannter literarischer Figuren bzw. deren Töchter. Dass mit letzteren vor allem Frauenfiguren im Zentrum stehen, die natürlich mit den eindimensionalen weiblichen Geschlechterbild des viktorianischen Englands zu kämpfen haben, zählt dabei zu den Stärken dieser Revue und wird auch mit jeder Menge Witz erzählt. Dass die Figuren alleridngs fast ausschließlich aus schaurigen, düsteren Werken entnommen sind, ist bei ihrem Aufeianandertreffen nicht mehr zu spüren. Das ist wirklich schade, wird somit sowohl in Hinblick auf die Handlung als auch auf die Atmopshäre sehr viel Potenzial verschenkt. Zudem wird für mein Gefühl durch den anfänglich wunderbaren Kunstkniff des Kommentierens der Handlung – neben vielen Witzigen Momenten – leider auch zu häufig der Ausgang einzelner Szenen oder des Romans gespoilert, als müsste ich vor Dramaturgie und Spannung beschützt werden. Das und mehre Redundanzen, die das Lektorat hätte tilgen können, hat mir leider den Lesespaß zunehmend so sehr verleidet, dass ich die letzten Seiten nur noch quergelesen habe. Schade. Im Nachwort ist dann auch zu lesen, dass die Autorin mehreren Personen dafür dankt, dass sie intensiv mit ihr das erste Kapitel überarbeitet haben. Es ist wirklich schade, dass diese so produktive Zusammenarbeit nicht auf den ganzen Roman ausgedehnt worden ist. Wie großartig hätte dieser Text werden können!
So bietet der Roman ein Wiedersehen mit vielen alten Bekannten, ist mir persönlich abgesehen vom großartigen Beginn aber einfach zu lang und zu seicht/unglücklich komponiert, als dass er mich damit bei der Stange halten konnte. Schade.