Belyy tigr / White Tiger - Surrealistischer Kriegsfilm


  • Belyy tigr / White Tiger

    Russland, 2012. Länge: 108 min.

    Regie: Karen Shakhnazarov, nach Aleksandr Borodyanskys Kurzgeschichte „Tankist, or the White Tiger“. Der Autor war auch am Drehbuch beteiligt.


    Die Rote Armee rückt nach Berlin vor, wird aber von einem geheimnisvollen deutschen Panzer aufgehalten, der übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen scheint. Der ‚Weiße Tiger‘ hat eine unfehlbare Treffsicherheit, erscheint wie aus dem Nichts und kann dabei eigentlich unzugängliches Terrain – Wald und Sümpfe – durchqueren.

    Nachdem dieser ‚Geisterpanzer‘ ein ganzes Bataillon zerschossen hat, wird ein Maschinist mit 90% Verbrennungen ins Lazarett eingeliefert. Er überlebt nicht nur, sondern ist nach einigen Tagen geheilt. Ivan Naydenov hat keine Erinnerung an sein früheres Leben, weiß nur noch, von dem Weißen Tiger unter Beschuss genommen worden zu sein. Sein Überleben ist nicht das einzig Seltsame: er behauptet, zerstörte Panzer könnten ihm von ihrem Ende erzählen; und der 'Gott der Panzer' – zu dem er auch betet – würde ihn beschützen.

    Ein Major bittet ihn, den Tiger zu beschreiben, und Naydenov sagt: „He’s dead. Well, yes, he’s bigger than other tanks, but well … this one is dead.“

    Nun bauen die Sowjets einen eigenen, überlegenen Prototypen, und Naydenov beginnt mit ihm die Jagd auf den Weißen Tiger.


    In einer Kritik hieß es, der Film wirke, als ob Tarkowski ein surrealistisches Panzerduell gedreht hätte, und genau die Assoziation hatte ich auch. White Tiger kommt ohne hektische Action, Pathos und patriotische Slogans aus. Das Tempo, der Schnitt und die Dialoge lassen den Schauspielern Zeit, Szenen richtig auszuspielen, ohne dass der Film langweilig würde. Die Protagonisten – sogar die (von deutschen Schauspielern verkörperten) Faschisten – sind runde Charaktere, intelligent und individuell menschlich. Die Schlachten sind alle oder größtenteils live action mit practical effects (und echten Panzern), und extrem realistisch. Obwohl der Film als Kriegsfilm/Thriller/Fantasy bezeichnet wird, hat der Showdown mit dem White Tiger tatsächlich etwas sehr Gruseliges.


    Die Jagd auf diesen mystischen Panzer ist offensichtlich an Moby Dick angelehnt; und wie bei Melville behandelt White Tiger das vage übernatürliche Element als etwas Selbstverständliches, das keiner Erklärung oder Auflösung bedarf. Die Symbolik findet sich eher auf einer Meta-Ebene: So wie Rot für den Sozialismus/Kommunismus steht, steht Weiß für die Faschisten, und es ist fraglich, ob der White Tiger jemals wirklich besiegt werden kann ...

    Ich würde das Genre am ehesten als Osteuropäischen Magischen Realismus bezeichnen (Damit ist White Tiger auch Tarkowskis Der Spiegel und Stalker ähnlicher, als seinem Antikriegsfilm Ivans Kindheit; zum Glück fehlt ihm aber Tarkowskis religiöser Pathos). Ein anderer Film, an ich mich erinnert fühlte, war der grausam-brillante Komm und sieh von Elem Klimov.


    Karen Shakhnazarov, der Direktor von Mosfilm und ein Putinunterstützer mit zweifelhaften Positionen zur momentanen Russischen Politik, schafft es erstaunlicherweise, einen Kriegsfilm ohne Schwarz-Weißmalerei und ohne propagandistische Botschaft zu drehen, und beendet ihn mit einem pessimistischen Blick auf das Fortbestehen des (Neo)Faschismus in unserer Zeit.


    Unbedingte Empfehlung, wenn man hollywoodmüde ist und Lust auf einen anderen Blick hat!


    Der Film steht auf Russisch mit Englischen Untertiteln auf YT. (Der weiße Tiger (mit Untertiteln) Kanal Киноконцерн "Мосфильм“ (Mosfilm Offiziell)

    (Der deutsche Trailer ist vollkommen idiotisch synchronisiert und irreführend zusammengeschnitten. Auch sind die Farben bunter als in der Originalversion, insgesamt absolut entstellend; das gleiche wird sicher auch für die gesamte deutsche Version gelten.)

    Trailer Russ mit Engl UT:

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