Kafka, the Musical (Mortimer & Gold, BBC 3)

  • Kafka, the Musical

    BBC, UK 2011

    Buch & Regie: Jeremy Mortimer

    Musik: Murray Gold

    Dauer: 85'

    Mit: David Tennant (Kafka), David Fleeshman (Father), Emerald O'Hanrahan (Dora), Joanna Monro (Mother), Naomi Frederick (Milena) u.a.

    Das Hörspiel hier auf BBC 3.


    Plot: Murray Gold's new play starts from the suitably Kafkaesque premise that Franz Kafka finds he has to play himself in a musical about his own life. The play - or is it the musical? - introduces Kafka and the audience to some of the key characters in his life.


    Das preisgekrönte Hörspiel klingt eigentlich nach etwas, das mit aller Gewalt zwei Gegensätze vereinen wollte und nicht funktionieren kann. Damals hat Tennant aber bei einer Reihe extrem spannender, innovativer Projekte mitgewirkt, und so hatte ich mir auch dieses Stück angehört. Inzwischen über die Jahre hinweg mehrmals und ich bin immer noch absolut begeistert, obwohl ich mit Kafkas Erzählungen nie warm wurde und Musicals hasse.


    Das Hörspiel ist enorm düster und klaustrophobisch, aber voller Empathie. Die Atmosphäre vermittelt Entmutigung, Menschenscheu, Selbstzweifel, Fremdbestimmung, aber auch den starken Wunsch nach Anerkennung und die Suche nach Entsprechung. Hier mag Kafka außerordentlich scheu sein und sich selbst im Weg stehen, aber er ist nicht das Seltsame, das bedrohliche Andere. Grotesk und horror-artig ist nur seine augenscheinlich 'normale' Umgebung. Ungewollt brutal in ihrem Unverständnis und ihrer Oberflächlichkeit, verlangen Kafkas Eltern sowie die Kulturproduzenten ein Einfügen des Einzelnen in ihre bürokratische Maschinerie, worin Kunst, Individualität oder Authentizität wie unter einer Walze zerquetscht werden. Unterstützung findet er nur durch zugewandte Frauenfiguren, die ihn so annehmen, wie er sich selbst empfindet.


    Ich fand es wirklich sehr rührend, wie Kafka zaghaft versucht dabei mitzutun, um vielleicht dort einen Platz in der Gemeinschaft zu finden; aber auch diese 'Normalität' mit seinen empfindsamen Augen zu sehen - als das Absurde, was sie ist. Insofern ist dieses Stück nicht nur für Kafka-Interessierte spannend.


    Kafka ist hier kein aktiver Protagonist, der sein Schicksal (oder den Plot) bestimmte, er wird von einem Strom fortgerissen und muss letztlich darin untergehen. Die Gesangseinlagen sind dabei kein comic relief, sondern verstärken nur noch den Eindruck des Absurden und Bedrohlichen. Erinnert mich sehr stark an den Film Brazil, an Antoine Volodine oder auch Kharms / Vvedensky.


    Fun fact: David Tennant (10th Doctor) und Murray Gold (Score) waren zur gleichen Zeit bei BBCs Doctor Who engagiert und prägten die Serie ganz maßgeblich.



    Rein für die sog. 'illustrativen Zwecke': Zwei Gemälde, die imA die Atmosphäre des Hörspiels perfekt widerspiegeln.

    Andrew Cranston ist ein zeitgenössischer schottischer Künstler, der auch ein sehr anrührendes Kafka/Käfer-Bild malte [Illustration for a Franz Kafka Story (2nd Version)]. Diese beiden Bilder sind von Stil - aber nicht vom Sujet - her Stephen Conroys Bildern der 1980er/90er extrem ähnlich, vieles ist aber auch subtiler, klassischer Surrealismus mit einem Hauch Leonora Carrington, anderes erinnert an David Hockney oder sogar Klimt, wobei die Gemälde fast immer ambivalente, beunruhigende Stimmungen suggerieren oder horror-artige Details offenbaren. Interview (Engl.) hier.