Beiträge von Arkham Insider Axel

    Da jetzt eh schon alle Fakten auf dem Tisch sind …


    In „Die Hinrichtung des Damiens“ beschreibt der Autor eine Frau, die von ihrer Umgebung als sehr fromm wahrgenommen wird. Sie ist denn auch häufig in sich selbst versunken – aber vor allem im Zusammenhang mit der Schilderung der grässlichen Hinrichtung. Dazu stellt sie sich an ein Fenster, um den Eindruck, sie sei live dabei und überblicke die Massen der Schaulustigen, noch zu erhöhen. In diesen Augenblicken gibt sie sich den Annäherungen ihres jungen Verehrers hin (mehr als ein bisschen Schmusen scheint’s ja nicht zu sein, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, Ewers zielt auf was anderes ab …).


    Sie ist perfekt auf die letztendliche Pointe hin zugeschnitten, da passt alles zusammen.

    Das stimmt natürlich und würde ich der Story auch zugute halten.

    Ein weiteres Beispiel wäre Strobl. Wobei ich den insgesamt doch für den fähigeren Schriftsteller halte.

    Der wird sicherlich auch noch irgendwann Gegenstand in diesem Forum sein.

    Ich werde dennoch alle Geschichten lesen, der Autor schreibt ja sehr speziell, sowas kenne ich nur aus den ganz frühen Britischen Gothic Tales 1780-1820 rum.

    Die eine oder andere Perle findet sich auf jeden Fall darunter. Wobei noch interessanter ist die Biografie von Ewers, ein unverbesserlicher Freigeist … trotz seines anfänglichen Engagements für die Nazis. Hier gibt es einen ordentlichen Überblick aus der Feder von Josef Niesen:


    Hanns Heinz Ewers Schriftsteller, Drehbuchautor und Kabarettist (1871–1943)

    Die zweite Geschichte mit dem "Fall Petersen" hat mir die Freude dann schnell vergällt

    Es ist aber auch wirklich die schlechteste Geschichte …



    denn an manche Inhaltsbeschreibung erinnere ich mich, und an manche gar nicht.

    Genau so ging es mir auch, daher habe ich das Buch jetzt noch einmal gelesen und mir Notizen gemacht. Im Zuge dessen entstehen dann solche Beiträge.


    Die Damiens-Story finde ich ebenfalls lesenswert, zumindest was die historische Tatsache betrifft. Das ändert nichts daran, dass sie doch auch irgendwie Ewers-like "cheesy" ist.

    Für Kalkas Themen muss man einen Sinn haben. Dann aber findet sich in seinen Büchern manches, was lesenswert ist. Ein Beispiel dafür bietet auch der Essay-Band Die Katze, der Regen, das Totenreich, wo der Autor zwangsläufig auf das Thema der Gespenster zu sprechen kommt.


    Hanns Heinz Ewers: Nachtmahr. Seltsame Geschichten

    Georg Müller. München 1922

    363 Seiten


    Alles, nur nicht 08/15

    „Seltsame Geschichten“ oder „Sonderbare Geschichten“ – das war vor rund 100 Jahren eine gängige Charakterisierung von Werken fernab der deutbaren Erfahrungswelt. Diese Beschreibung wurde nicht nur auf die phantastische Literatur angewendet. Sie betraf beispielsweise auch die Darstellung religiösen Wahns, komplizierter Seelenzustände oder abartiger Neigungen.

    Vereint finden wir all diese Phänomene in den Geschichten und Romanen Hanns Heinz Ewers’. Namentlich in dem 1922 erschienene Erzählband „Nachtmahr“, der sich eben mit dem Untertitel „Seltsame Geschichten“ schmückt. Dies sind im Einzelnen:


    „Die Hinrichtung des Damiens“

    Ein 18-Jähriger verliebt sich Hals über Kopf in die Frau seines Gastgebers, eines englischen Landedelmanns. In der Sache an sich recht tolerant, warnt der Engländer den Jüngling vor der Gattin, die ein Geheimnis umgibt. Tatsächlich erhört die Herzensdame schließlich den jungen Mann, kann jedoch nur durch ein bizarres Stimulans in amouröse Stimmung versetzt werden.

    — Eine übergeordnete Handlung, in der einige grausige Beispiele aus dem Tierreich (Stichwort „Gattenmord“) präsentiert werden, rahmt die Story ein, die sich ihr unappetitliches Geheimnis erfolgreich bis zum Schluss bewahrt.


    „Der Fall Petersen“

    Vor einem New Yorker Gericht wird ein Prozess gegen den aus Dänemark eingewanderten Lars Petersen geführt. Letzterer hatte sich als Musiklehrer verdingt und ein 12-jähriges Mädchen umgarnt, wobei „zwischen ihnen ein intimer Umgang stattgefunden“ hat. Richter Henry Taft McGuff ist ohnehin gegen Ausländer eingestellt und nutzt die Verhandlung, um ein rigides Einwanderungs-Gesetz voranzutreiben.

    — Langatmige, anti-amerikanische Erzählung, die aufgrund der deutlichen Parteinahme für Petersen irritierend wirkt.


    „Der schlimmste Verrat“

    Eine kleine Landgemeinde in Illinois. Der Totengräber Stephe, der es im Leben nicht wagt, eine Frau anzusprechen, kümmert sich herzallerliebst um die ihm anvertrauten Toten. Bis er sich dann schließlich doch einmal in eine Lebende verliebt. Als das Mädchen von der Spanischen Grippe dahingerafft wird, frohlockt Stephe – denn so kann er der Dame schließlich doch noch habhaft werden. Denkt er zumindest …

    — Wenn gar nichts mehr geht, Nekrophilie geht immer!


    „Höchste Liebe“

    Obwohl der Geiger Hagen Dierks erfolgreich konzertiert, fehlt ihm etwas Entscheidendes, das seiner Kunst den letzten, großartigen Schliff gibt. Verschiedene Glücksbringer, die er ausprobiert, bleiben ohne Wirkung. Da schmuggelt ihm ein (sogenannter) Freund einen morbiden Fetisch unter, der den Musiker zur Höchstleistung anspornen soll. Der Trick funktioniert. Als Dierks den Grund für seinen Erfolg erfährt, ist er tief bestürzt … und weiß doch nicht, dass der angebliche Glücksbringer gar so machtvoll ist, wie er annimmt.

    — Ein Lehrstück über die trügerische Macht des Aberglaubens.


    „Die Typhusmarie“

    Marie Stuyvesant ist nach Brioni gereist, wo sie sich unvermittelt mit einem Tribunal konfrontiert sieht. Ihre selbsternannten Richter sind 7 Herren, die ihr vorwerfen, „ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft!“ zu sein. Nach Anhörung der ihr vorgeworfenen Vergehen, schwingt sich Marie zu einer glänzenden Verteidigungsrede auf. Der Scheinheiligkeit überführt, ziehen die Herren der Schöpfung schließlich kleinlaut den Schwanz ein. Übrig bleibt nur ein Unbelehrbarer, der sich anschickt, das nächste Opfer der „Typhusmarie“ zu werden.

    — Ein Lieblingsthema von Ewers: Was ist Moral und wer darf sich ihrer bedienen?


    „Die Juden von Jêb“

    Um 400 v. Christus. Der greise Jedonja ist das Oberhaupt der jüdischen Gemeinde auf der im Nil gelegenen Elefanteninsel. Die jüdischen Krieger der Festung Jêb stehen im Dienst der Perser, die Ägypten beherrschen. Sehnsüchtig wartet Jedonia auf einen Boten aus Jerusalem, der ihm die Erlaubnis bringen soll, den vor einigen Jahren zerstörten Jahwe-Tempel wiederaufzubauen. Eine Prophezeiung will es nämlich, dass man erst dann erfolgreich der ägyptischen Befreiungsbewegung die Stirn bieten kann, sobald nur der Grundstein für den Tempelbau gelegt wurde. Der Bote kommt endlich und bringt Neuigkeiten aus Jerusalem … wo mittlerweile ein anderer religiöser Geist herrscht als auf der Insel im Nil.

    — Eine der gelungensten Erzählungen des Buchs, die wohltuend auf vordergründige Effekte und ostentative Absonderlichkeiten verzichtet.


    „Meine Mutter, die Hex“

    Dr. Kaspar Krazykat schreibt an seinen Bruder. Er bittet ihn inständig, die kurz bevorstehende Hochzeit unbedingt platzen zu lassen. Der Grund: Ihre Mutter sei eine Hexe – und Kaspar befürchtet, dass sich das Hexenwesen in den zu erwartenden Kindern des Bruders und der Schwägerin in spe fortsetzen könne. Ein Antwortschreiben der letzteren lässt nicht lange auf sich warten, – fällt allerdings anders aus, als erhofft.

    — Wenn Ewers hier auch auf manche Zauberdinge zu sprechen kommt, erscheint die amüsante Geschichte doch mehr grotesk denn phantastisch.


    Fazit

    Hanns Heinz Ewers’ interessanter Lebenslauf ist hinlänglich bekannt, eine Beschäftigung mit seinen Aktivitäten und Initiativen nach wie vor lohnenswert. Das Sensationelle, das seinen Geschichten zu Lebzeiten anhaftete, kann uns heute allerdings nur noch schwer aus der Reserve locken: Die erzählerischen Mittel in „Nachtmahr“ sind begrenzt, die Themenauswahl ist auch nicht viel breiter gefächert. Allein die historische Erzählung „Die Juden von Jêb“ und „Meine Mutter, die Hex“ (mit autobiografischen Anspielungen!) werfen ein gutes Licht auf Ewers’ Einfallsreichtum. Bei ihm muss man immer sagen: Er konnte, – wenn er wollte! Leider hat er manch launischen Einfall über Gebühr strapaziert. Auch dafür gibt der vorliegende Band ein beredtes Beispiel ab.

    Wir haben ja hier verschiedene Schwerpunkte: einmal die Internationalität, dann die verschiedenen Epochen … schlussendlich alles unter dem (wohl) literaturwissenschaftlichen Oberbegriff "Weird" zusammengefasst. Jedes einzelne dieser Stichworte aber würde schon ein eigenständiges Projekt erfordern.


    Wie so oft, kann man sich der Sache über Ausschusskriterien annähern: Fantasy ist anscheinend nicht enthalten, Science Fiction aber schon, oder?


    Ich frage deshalb, weil ich überlege, wie zum Teufel man ein solches Werk im Deutschen anpreisen sollte … Der von mir gern gemochte Begriff Unheimliche Phantastik trifft es jedenfalls nicht unbedingt. Gerade Leute wie Franz Kafka, Bruno Schulz oder Julio Cortazar (ich liebe seine Axolotl!) machen es einem in der Hinsicht nicht leicht.


    Na ja, aber ich bin in der Hinsicht eben "typisch deutsch": das Kind muss immer einen Namen haben. [Wrt]

    Perkampus Wenn ich offen sein darf: Was mich am Phantastikon irgendwann abschreckte, war der häufig zu beobachtende Wechsel des Layouts. Im Zuge dessen gesellte sich eine generelle Unübersichtlichkeit hinzu. Einen anderen Punkt, den Du beschrieben hast, habe ich auch so wahrgenommen: die verlockende Themenvielfalt bei gleichzeitig beschränktem AutorInnen-Stamm. Und sonst … ich glaube, ich war auch mal einer der Kandidaten, die vorsichtig Mitarbeit zugesagt haben – dann aber im Nichtstun steckengeblieben sind. So gesehen trage ich eine "Mitschuld" an den Vorgängen.


    Meine persönliche Zukunft im Netz sehe ich, wenn überhaupt, nur noch in einem Forum wie diesem hier. Es vereint fast alle Forderungen, die an ein Blog gestellt werden, namentlich die des Austauschs und der Informations-Vermittlung. Durch die verschiedenen Threads – die teils organisch von den Nutzenden erstellt werden – ist eine große Vielfalt gegeben: so können alle die Suppe kochen, die ihnen am besten schmeckt. Aber auch ganz unverbindlich in fremde Töpfe hineinschnuppern. Der Drang, sich gelegentlich im Forum mitteilen zu wollen, erscheint mir auch natürlicher als die verbindliche Zusage, bei einem Projekt mitwirken zu wollen – das dann aber doch nicht das eigene ist. Die Grenzen zwischen Produzent und Konsument verfließen in einem Forum. Das gefällt mir.


    Wie auch immer: Ich hoffe, dass es den Podcast "Tausend Fiktionen" weitergeben wird. Das ist sicherlich ein Medium, für das die Sterne günstig stehen – und das Du, Michael, prima bedienst!

    Engagement in Schwarz

    Zwischen 1979 und 1983 erschien bei dtv die Reihe „dtv phantastica“ in insgesamt 36 Bänden. Als die „wohl am wenigsten engagierte Buchreihe phantastischer Literatur“ wird das Programm im Gruselroman-Forum bezeichnet. Vor allem die – freilich für dtv typische – „Zweitverwertung“ (Lizenzausgaben) sowie die Berücksichtigung reinrassiger Science Fiction wird hier angekreidet. So stehen Stephen King, Stanisław Lem, Bram Stoker oder Peter Handke (als Herausgeber) in mehr oder minder friedlicher Eintracht nebeneinander. Dazwischen tummeln sich einige Geheimtipps wie Guy Endore („Der Werwolf von Paris“) oder John Franklin Bardins düstere Krimis aus den 1940er Jahren.


    Zu intellektuell

    Die erwähnte Eintracht besteht namentlich in der Aufmachung der Bücher, die denn auch das Alleinstellungsmerkmal darstellt. Typografie sowie die Illustrationen stammen von Celestino Piatti (1922 – 2007), der dem dtv-Verlagsprogramm lange Zeit sein charakteristisches Aussehen gab. Insbesondere die weißen Umschläge mit der sachlichen, verlässlich platzieren Akzidenz-Grotesk waren unverwechselbar: rechts oben Autor/Autorin und Titel, rechts unten die dtv-Wortmarke und Reihentitel. Die Idee, die „dtv phantastica“-Titel mit schwarzen Umschlägen (und weißem Schriftbild) zu versehen, war ebenso naheliegend wie einfallsreich. Warum die Ära Piatti 1996 schließlich endete, erklärte der ehemalige Herstellungsleiter Fritz Peter Steinle 2008 in einem Interview:


    Zitat

    „Das Problem war, dass die Optik der Bücher, die sehr nüchtern und sehr, sehr intellektuell war, im Massenmarkt bei den Kaufhausanbietern und den großen Buchkaufhäusern nicht mehr erfolgreich war. Die Bücher wirkten einfach zu distanziert. Sie konnten selbst einen Krimi auf diese Art und Weise nicht mehr attraktiv machen.“

    (Zitat: Ein Gespräch mit Fritz Peter Steinle. Von Jens Müller. Aus: Müller, Jens (Hrsg.): A5/03. Celestino Piatti +dtv. Düsseldorf 2009)

    Immer neue Neuausgaben

    Klassiker der phantastischen Literatur (Meyrink, Perutz, Stoker) werden bei dtv bis heute immer wieder neu aufgelegt. Das Fehlen einer konstanten gestalterischen Richtlinie à la Celestino Piatti macht sich allerdings fast schon schmerzhaft bemerkbar. Es wechselt nicht nur regelmäßig die Einbandgestaltung, sondern bisweilen auch die Edition. So gibt es Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ als Neuausgabe von 2012 (Erstveröffentlichung 1981, Übers. Siegfried Schmitz), gefolgt von einer Neuausgabe 2014 (Übers. Lutz W. Wolff).


    Unter den diversen Neuausgaben finden wir einige schöne Reminiszenzen an die „dtv phantastica“-Reihe. Damit meine ich die von Lisa Helm gestalteten Bände aus dem Jahr 2012. Sie kennzeichnen sich aus durch schwarze Umschläge, graues Schriftbild, blutrot-geprägten Titel sowie einer Silhouette als illustratives Element. Erhältlich sind (so weit ich weiß, bitte ggf. um Ergänzung):


    1. Das große Gänsehaut-Lesebuch (14070)
    2. Bram Stoker: Dracula (14071)
    3. Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray (14072)
    4. H. G. Wells: Die Insel des Dr. Moreau (14073)
    5. Gustav Meyrink: Der Golem (14074)
    6. Leo Perutz: Nachts unter der steinernen Brücke (14075)


    Donald Wandrei: Dead Titans, Waken!

    Fedogan & Bremer. Nampa, Idaho 2017
    505 Seiten


    Friedhöfe gehören nicht in Kinderhände!

    Der elfjährige Willy Grant findet beim Spielen auf dem alten Friedhof von Isling – Ort düsterer Legenden – einen merkwürdigen Gegenstand. Er präsentiert das Objekt seiner Mutter, die von Angst ergriffen wird und den Fund konfisziert. Doch zu spät: Nachdem erst ihr Sohn auf grauenvolle Weise stirbt, ereilt kurz darauf auch Mutter und Vater Grant ein unerklärlicher Tod.

    Der Archäologe Carter E. Graham erfährt von dieser ländlichen Tragödie. Die Einzelheiten des Falls erinnern ihn an seine eigenen Forschungen, die sich auf sagenhafte und mysteriöse Orte konzentrieren:

    Zitat

    „Atlantis, Lemuria, die Sphinx, Stonehenge, die Osterinsel – diese magischen Namen beschleunigten seinen Herzschlag. Kolossale Monumente, gigantische Statuen! Wo lag ihr Ursprung? Gab es zwischen ihnen und den Ungeheuern der bekannten Märchen eine Verbindung? Und warum waren ihre Erbauer dem Vergessen anheimgefallen, ohne eine Spur zu hinterlassen? Rätsel – allesamt unfassbare Rätsel!“

    Graham macht sich auf den Weg nach Isling, begibt sich auf den Friedhof auf und beginnt an einer auffälligen Stelle zu graben. Mit Erfolg: Auf die Ausgrabung einer grünlichen Statuette folgt die Entdeckung einer Steinplatte, verziert mit fremdartigen Symbolen und Schriftzeichen.


    Was lange währt, wird endlich gut

    Mit dieser verhängnisvollen Ereigniskette beginnt der Roman „Dead Titans, Waken!“, der in einer 1948 veröffentlichen Fassung den Titel „The Web of Easter Island“ trug. Der Autor, Donald Wandrei (1908 – 1987), belieferte zu ihren Hochzeiten den Markt der Pulp-Magazine, darunter Klassiker wie Weird Tales, Astounding oder Black Mask. Wandrei ist uns natürlich als Brieffreund H. P. Lovecrafts bekannt – und vielleicht noch mehr als Mitbegründer des Verlages Arkham House (1939). Hier machte er sich besonders stark für die Veröffentlichung von Lovecrafts Briefwechsel, den „Selected Letters“.

    Mit der Gründung von Arkham House scheint Wandreis eigenes Schriftstellertum verebbt zu sein. Zumindest liegt der Schwerpunkt der von ihm publizierten Geschichten Mitte bis Ende der 1930er Jahre. „Dead Titans, Waken!“ ruhte da – geschrieben zwischen 1929 und 1932 – schon lange in der Schublade. Die vorliegende Ausgabe erschien 2011 in limitierter und bibliophiler Aufmachung in der Centipede Press, bevor Fedogan & Bremer 2017 ein Paperback veröffentlichten. „Dead Titans, Waken!“ ist die Vorabversion von „The Web of Easter Island“ und unterscheidet sich an einigen Stellen markant von diesem. Hinweise zu den Editionen, Anmerkungen sowie ein Nachwort von S. T. Joshi runden die aktuelle Fassung ab. Mehr noch: Das Buch bringt zudem die Erstveröffentlichung eines weiteren Romans aus Wandreis Feder: „Invisible Sun“.


    Alles, nur nicht langweilig

    Joshi schreibt, dass „Dead Titans, Waken!“ der Charakter des Erstlings durchaus anzumerken sei. Eine Eigenschaft des Buches ist jedenfalls eine gewisse Abhängigkeit von Werk und Wesen H. P. Lovecrafts, mit dem Wandrei während des Schreibprozesses korrespondierte. Gerade zu Beginn der Story ist Wandreis Unentschlossenheit nicht zu übersehen. Dies äußert sich in einem episodenhaften Aufbau, der so ein bisschen Fluch und Segen zugleich ist. Mit Lust am Fabulieren erprobt Wandrei verschiedene Erzählperspektiven, wobei er auch auf bereits vorhandenes Material zurückgreift. So gibt es eine Traumsequenz, ein Prosagedicht oder ein Kapitel in Form von Tagebucheinträgen. Ein weiteres Kapitel besteht aus Zeitungsausschnitten, die weltweit von gewaltsamen Übergriffen berichten – „The Call of Cthulhu“ lässt grüßen. Von Langeweile also keine Spur. Wandrei stachelt unsere Fantasie durch schwarze Magie, Mord und Totschlag an … und schreckt auch vor Nekrophilie nicht zurück. Besonders eindrucksvoll erscheint ein unterirdisches Massengrab, das sich als Zeitfalle der gesamten Menschheitsgeschichte entpuppt.


    Fazit

    Wandrei hat eine Menge Ideen verbraten, die sich vor allem in den diversen Schauplätzen bemerkbar machen. Dadurch entsteht eine phantasievolle Getriebenheit, die das Buch in die Nähe des Abenteuerromans rückt. Gleichwohl scheint es sich dabei eher um Wankelmut denn um sorgsam gehegten Ideenreichtum zu handeln.

    Tatsächlich erinnert „Dead Titens, Waken!“ an Frank Belknap Longs etwa zeitgleichen Roman „The Horror from the Hills“ (1931). Beide Bücher versuchen durch den Einsatz entsprechender Elemente den Kult des Meisters aus Providence zu repetieren – erreichen aber nicht dessen Intensität. Die flotte, turbulente Erzählweise, die sowohl Wandrei als auch Long pflegen, steht Lovecrafts entschleunigter Art – zumindest der längeren Erzählungen – kontraproduktiv entgegen. So verdichtet sich „Dead Titens, Waken!“ nur an einigen ausgewählten Stellen zu einem veritablen lovecraftschen Fluidum: vieles bleibt Zitat. Ist das schlecht? Keineswegs! Mich hat dieser Schmöker, der aus einer goldenen Zeit der Horror- und Science-Fiction-Literatur stammt, bestens unterhalten.


    Ich vergebe 4 von 5 möglichen Punkten. :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

    Ja, ich bleibe dran – obwohl ich kurzerhand ein anderes (englisches) Buch eingeschoben habe –, aber über die Feiertage werde ich den Eldric wohl ausgelesen haben, bin im letzten Drittel.


    Was soll ich sagen? In meinen Augen ein Abenteuerroman im besten Sinne! Wie ich schon schrieb, finde ich besonders die Verschiebung – weg von den "Chefs" Franklin und Crozier, hin zu den untergeordneten Offizieren – interessant. Die typische Heldenfigur fehlt also, wobei ein Schwerpunkt schon auf dem Offizier Fitzjames liegt.


    Das gemächliche Erzähltempo passt hervorragend zum Stoff. Faszinierend sind die Beschreibungen der verschiedenen, unwägbaren Eisgebilde. Aber auch die dramatischen, unheilverkündenden Episoden hinterlassen ihren Eindruck:

    • das Standgericht, das über den bissigen Hund abgehalten wird (gleich zu Beginn)
    • die Entdeckung, dass konservierte Lebensmittel verdorben bzw. mit minderwertigen Zutaten gestreckt sind
    • die Beschießung einer Schule von Belugawalen durch die Seeleute
    • das geräuschvolle Eis, das sich aus der Ferne wie Stimmengewirr anhört usw.

    Diese Dinge werden ja recht unaufgeregt und unparteiisch vorgetragen, das ist dem Buch ebenfalls anzurechnen. Man hat nie den Eindruck, Edric buhle um die Aufmerksamkeit der Leserschaft oder versuche dieselbe durch besonders grelle Effekte auf sich zu ziehen. Nein, nein – alles geht ganz langsam und unaufhörlich … dem Ende entgegen.

    Ich habe einmal die Ausgabe 2 besessen, – und mich wieder von ihr getrennt. Was aber weder grundsätzliche inhaltliche noch formale Gründe hatte: Die Artikel waren gut recherchiert, interessant zu lesen und das Layout schön anzusehen und – was bei einem solchen Projekt ja wichtig ist – sehr bilderlastig.


    Mein Kritikpunkt war dann eher, dass das Heft mit seinem diversen Ansatz zwischen allen Stühlen sitzt. Wer sich für Illustration interessiert, muss sich noch lange nicht für Comics begeistern (und anders herum). Die Themen "Pulp" und "Trivialliteratur" sind wieder andere Baustellen. Unterm Strich war in der Ausgabe kein Thema enthalten, für das ich wirklich gebrannt habe …

    Kurzfassung

    Ja, lohnen sich. Beide Texte basieren auf einer möglichst breit angelegten Textgrundlage der Primärliteratur. Hinzu kommt ein umfangreicher Korpus an Sekundärliteratur, der in den Fußnoten ersichtlich wird.


    Blackwood

    Die Biografie von Mike Ashley war noch nicht erschienen, aber Koseler hat ihn im Blick. Für eine Biografie Blackwoods wird auf Kirdes Text in dem entsprechenden Suhrkamp-Band verwiesen (Der Griff aus dem Dunkel). Im vorliegenden Text werden die wesentlichen Eigenschaften von Blackwoods Phantastik vorgestellt. Und zwar nicht nur anhand der Erzählungen, sondern es geht auch um die Romane. Dem "Centaur" wird eine herausragende Stellung zugeordnet. Koseler kritisiert freilich recht stark Blackwoods Hang zur Erklärung und sieht darin einen Hemmschuh in der Lektüre. Wenn es nicht um die Romane geht, stehen vor allem die zu dem Zeitpunkt in den Suhrkamp-Bänden verfügbaren Geschichten im Mittelpunkt von Koselers Ausführungen.


    M. R. James

    Der Autor setzt sich ein bescheidenes Ziel. Er hat keine neuen Erkenntnisse und verweist auf einen relativ guten Forschungsstand im Englischen. Neben einer biografischen Skizze untersucht Koseler, was und wie James typischerweise erzählt. Da zu dem Zeitpunkt (1987) etwas Derartiges vielleicht noch nicht vorhanden war im Deutschen, ein akzeptabler Ansatz. Und ein guter Überblick, um sich noch einmal mit James' Personal, Schauplätzen und Motiven vertraut zu machen.