Beiträge von Arkham Insider Axel

    Dieses "Veste" wurde dann aber auch mal zur "Beste"

    Das ist das, was ich anprangere: Die Texte werden durch eine OCR-Software gejagt, dann wirds für eine Veröffentlichung vorbereitet, dank der modernen Zeit kann jede/jeder flugs so ein "Buch" digital oder gedruckt herausbringen – fertig ist die Laube.


    Es gibt mittlerweile recht viele dergestalt aufbereitete historische Texte. Ich selbst habe einmal eine Kurzgeschichte digitalisiert, auch mit OCR. Das war aber nur der erste Schritt. Dann habe ich den – zweifelsohne mühsamen – Abgleich mit dem Original vorgenommen. Eric Hantsch/Edition CL hat "Das Gespensterhaus in Hildesheim" vollständig von der Fraktur in ein modernes Schriftbild übertragen und ein schönes, gut ediertes Buch daraus gemacht. Das ist Liebe zum Text und Liebe zum Buch.


    Um auf deine Frage zurückzukommen: Nein, als antikes Digitalisat möchte ich das Buch natürlich nicht lesen. Aber ich bin mir auch nicht sicher, ob ich es auf die oben dargestellte Art lesen möchte. Eine gedruckte Fassung (BoD) ist u. a. beim großen A erhältlich, herausgegeben und bearbeitet von einem gewissen Matthias Wagner. Da wurde freilich die altertümliche Sprache unserer heutigen Rechtschreibung angepasst, es fehlt die Vorrede, von einer editorischen Notiz habe ich auch nichts gesehen … so kann ich mich für die Version auch nicht richtig erwärmen.

    sowie Herman Scheffauer: „The Floating Forest“ (1909).

    Das freut mich, dass ich diesen Autor – und diese Story – hier erwähnt finde. Ich habe den Band "Das Champagnerschiff" (Ullstein, 1925), und die darin enthaltene Geschichte "Der schwimmende Wald" dürfte wohl mit jener identisch sein. Es wäre interessant zu wissen, ob Scheffauer auf Deutsch und Amerikanisch geschrieben hat, oder ob noch ein externer Übersetzer mit im Spiel war. In dem Ullstein-Buch ist nichts darüber herauszufinden. Wenn die Story tatsächlich von 1909 (bzw. erstmals 1909 erschienen) ist, dann kam die deutsche Fassung ja deutlich später.


    Die Geschichte selbst ist große Klasse! Wurde in meine private Sammlung der Totenschiffe mit aufgenommen. Auch das Thema der Ladung, die zum Verhängnis wird, finde ich spannend.

    Habe mir gerade 3 Stories aus der Kollektion angehört:

    • The Mezzotint
    • Casting the Runes
    • The Stalls of Barchester Cathedral


    Die dramaturgische Bearbeitung verändert die Sachen schon arg. Wer meint, James habe einige Längen drin, wird diese Adaptionen, die sehr auf den Punkt sind, sicher schätzen. Wer sich aber gerade für James' Altertümlichkeit begeistert, seine Auszüge aus Handschriften und Kirchenchroniken etwa, und wie er unterschiedliche Quellen zusammenfügt, bleibt auf der Strecke.

    Insbesondere die Stalls of Barchester sind zu einer reinen Nacherzählung geworden. Casting the Runes ist aufgrund der Gedrängtheit seines Thrills beraubt (in Wahrheit handelt es sich um eine, für James-Verhältnisse, recht lange Story). The Mezzotint wiederum finde ich gut – gerade weil am Anfang eine Szene zum Leben erweckt wird, die in der originalen Story quasi nur aus dem off heraus erzählt wird.

    Ich bleibe natürlich dran, Spaß machen die Geschichten allemal, die Sprecherinnen und Sprecher machen einen Top-Job!

    Wahrscheinlich lässt sich die angepeilte Diskussion in diesem Forum nicht einfach führen. Zumindest mir sind hier keine aktiven Mitglieder bekannt, die sich so eindeutig positionieren: die "gute" Phantastik von früher gegen die "schlechte" Phantastik von heute. – Wenn ich das so vereinfachend formulieren darf.


    Nichtsdestotrotz würde ich mich an so einer Auseinandersetzung beteiligen. Und zwar als ein Leser, der fast nur Antiquitäten aus dem erwähnten Zeitraum liest (spätes 19. bis mittleres 20. Jahrhundert). Meine Gründe sind aber nostalgischer Natur und stellen kein literarisches Werturteil dar.


    Zwei Aussagen könnte ich indes sofort vom Stapel lassen:


    1. Eine Ideenarmut kann ich der heutigen Phantastik nicht bescheinigen. Aus dem Grund, den ich genannt habe. Ich sitze da viel zu wenig im Sattel, um das zu beurteilen. Das sollte jemand machen, der einen versierten Blick auf Autorenschaft, Verlagswelt und andere Branchen hat. Nicht nur innerhalb unserer kleinen Szene, sondern auch, was die Mainstream-Literatur betrifft, die regelmäßig von phantastischen Elementen durchzogen wird (zu verweisen ist beispielsweise auf den magischen Realismus der jüngeren lateinamerikanischen Literatur).
    2. So wie es gute und hervorragende Erzählungen und Romane aus dem erwähnten Zeitraum gibt – so gibt es ebenso mittelmäßige bis schlechte. Hanns Heinz Ewers ist ein anschauliches Beispiel dafür: ein Vielschreiber, der neben manchem Erhaltenswerten auch viele Banalitäten zu Papier brachte. Weiteres Beispiel: H. P. Lovecraft, der im Zeitraum zwischen 1917 und 1923 einen besonders großen Output hatte. Von rund 40 Geschichten und Prosagedichten aus dieser Zeit werden heute nur etwa 10 zu seinen Klassikern gerechnet. Dann die phantastischen Strömungen der deutschen Heimatliteratur der 1910er -bis 40er-Jahre: Leute wie Hans Friedrich Blunck oder Hans Watzlik drohen regelmäßig im Schlamm ihrer erdverhafteten Schreiberei steckenzubleiben. Ihre nationalistischen und antimodernen Unter-und Obertöne kann man heute nur schwer goutieren. Abgesehen davon, dass ihre Phantastik auf hinlänglich bekannten Sagenmotiven- und Gestalten beruht (Werwölfe, Wiedergänger, Kobolde usw.)

    Ich lasse es bei diesen drei so unterschiedlichen Beispielen, die aber bewusst groß gewählt wurden. Um wie viele obskure und wohl nicht zu Unrecht vergessene und unbekannte Namen ließe sich diese Liste erweitern …


    Es kann eben immer nur die Aufgabe solcher Anthologien sein, das Beste zutage zu fördern. Aber anhand einer Auswahl – die ja naturgemäß nicht stellvertretend für das Ganze stehen kann – ein epochales Qualitätsurteil abzugeben (gerade auch für diejenige Epoche, die sie gar nicht repräsentiert, nämlich die gegenwärtige), erscheint mir fraglich.

    Ganz interssant finde ich, dass heute alles als "kontrovers" bezeichnet wird, was in den 80ern einfach ganz anarchistisch als künstlerisches Experiment gelebt wurde. 'Kontrovers' führt meiner bescheidenen Meinung nach auch nie zu einem sinnvollen Diskurs, es würgt jede individuelle Interpretation ab.

    Wohl wahr. Je politischer der Diskurs allgemein wird, desto schärfer werden die gegnerischen Meinungen herausgearbeitet, angeklagt und verdammt. Irgendwann stehen sich Rechthaberei und Bevormundung unversöhnlich gegenüber. Gerade leben wir wieder in so einer Zeit.


    Das aber nur am Rande. Auch wenn ich mich in dem musikalischen Teil des Gesprächs zurückgehalten habe, habe ich natürlich auch eine (kurze) Black-Metal-Vergangenheit. Die fing mit Venom und Bathory und Hellhammer an.


    Für mich lag der Reiz im Kunstprodukt (wobei Venom, rückblickend, zu theatralisch und schlussendlich marketingmäßig waren). Von den Gewalttaten der norwegischen Szene fühlte ich mich abgestoßen. Generell packe ich true-crime-Sachen mit der Kneifzange an, riskiere mal einen Blick, aber es vermittelt mir kein gutes Gefühl. Viele zornige, frustrierte, junge Männer … Als BM dann trendy wurde und in so Sachen wie Cradle of Filth und Satyricon ausartete, war ich, nach einem Punk- Hardcore-Intermezzo, gerade dabei, Johnny Cash (The Man in Black!) für mich zu entdecken. Da war der BM-Zug abgefahren.


    Wie auch immer: Vielen Dank Katla für deine ausführliche Rückmeldung, die sicher auch Mirko zu schätzen weiß. Ich bin jedenfalls gerne bereit, (vorsichtig) einen Blick auf deine Links und Empfehlungen zu riskieren. :huh:

    Eine Sichtweise, der ich absolut zustimme. Gerade die angesprochene Unperfektheit trägt sogar noch zum Reiz des Ganzen bei.


    Lovecraft schwingt zwar am offensichtlichsten mit, spielt trotzdem aber nur eine angenehm randseitige Rolle



    Dass dem Autor ein Lovecraft-Pastiche fernlag, liegt vielleicht daran, dass Daniel (so weit ich sehe) nicht unbedingt dem typischen Phantastik-Fandom angehört. Dafür betreibt er seit Urzeiten das Blog "Kotzendes Einhorn".

    Im Weihnachts-Podcast 2019 haben sich die Arkham Insiders übrigens mit ihm über "Dør" (u. a.) unterhalten:

    Arkham Insiders Folge 136 – Merry Christmas Mr. Lovecraft. Weihnachtsfolge 2019/2