Beiträge von Arkham Insider Axel

    Ich habe es gerne gelesen und fand es auch ganz spannend.

    Ja, und auch bedrückend. Der angenehme Grusel tritt jedenfalls (nach meiner Lektüreerfahrung) zurück hinter den Fragestellungen, die du benennst.


    Empfehlenswert ist übrigens das von Torsten Michaelis eindringlich gelesene Hörbuch, da haben Stimme und Buch wirklich zueinander gefunden.

    Heute würde das unter Sammlerausgaben laufen und ohne ISBN mit Aufpreis nur Abonnenten zugänglich gemacht werden

    Das zeigt, wie sich das gedruckte Buch wandelt: Vom Alltagsgegenstand zum Prestigeobjekt.


    Ansonsten volle Zustimmung. Typografie, Illustration und Buchkunst überhaupt genossen in der DDR hohes Ansehen, mit einer Stadt wie Leipzig war man ja auch einer Tradition verpflichtet.

    Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen … Glückwunsch zu den beiden Ausgaben. Die Nummer 12 enthält ja die schöne Round-Robin-Story von Sembten, Voehl, Gruber, Kleudgen, Siefener: "Es werde Nacht". Ist die eigentlich noch woanders erschienen?

    Les Cercles de l'épouvante,Les Derniers contes de Canterbury,La Ruelle ténébreuse (daraus stammt die besprochene Geschichte).

    Aus diesen stammen viele der Stories in den deutschen Bänden. Eine weitere Erzählung – „Das Sauerkraut“ („La choucroute“) – findet sich im Suhrkamp-Band „Das unsichtbare Auge“. Dazu wird als Quellenangabe vermerkt die Sammlung „Le livre des fantômes“.


    Eine 30-bändige Ausgabe sehe ich in Deutschland nicht auf uns zukommen … Im englischsprachigen Raum sieht es gerade besser aus. Dort ist es die Wakefield Press (Cambridge/MA, USA), die Jean Ray eine Renaissance beschert. Beziehungsweise es sieht so aus, als werde er dort überhaupt erst entdeckt. Erschienen sind bis jetzt bzw. geplant:


    • Whiskey Tales
    • Cruise of Shadows
    • The grand Nocturnal (Mai 2020)
    • Circles of Dread (Okober 2020)

    Hilft die isfdb? Kann man dort auch chronologisch aufrufen.

    Wow, das ist ja sehr auführlich, besten Dank für den Hinweis! Diese Datenbank hat mir schon manchmal gute Dienste geliefert, aber in diesem Fall war ich noch nicht auf die Idee gekommen.


    Ist auf jeden Fall hilfreich. In "Ein böse kleine Nachtmusik" sind die französischsprachigen Titel vermerkt, so dass man schon erste Jahresangaben aufspüren kann. Wie gesagt, sind die Flanders-Sachen aber (oft) auf Niederländisch verfasst. In dieser Besprechung sind daher (so vorhanden) die niederländischen Namen angegeben:


    Visions nocturnes


    Und wenn du dir die englischsprachige Ausgaben orderst, haben wir ja auch bald die englischen Titel. :)


    John Flanders: Eine kleine böse Nachtmusik

    Broschur, 139 Seiten. Fantasy Productions. Düsseldorf 1988


    Das verwirrende Spiel mit den Pseudonymen

    Dieses Buch sorgt für Verwirrung. Zumindest dann, wenn es unvorbereitet auf die Jean-Ray-Fangmeinde trifft. John Flanders und Jean Ray sind bekanntlich beides Pseudonyme des flämischen Schriftstellers Raymundus Joannes de Kremer (1887 – 1964). Von ihm sind – als Jean Ray – zwei Erzählbände und der Roman „Malpertius“ in Suhrkamps Phantastischer Bibliothek erschienen.


    Vielleicht um Jean Rays guten Ruf zu festigen, brachte der Düsseldorfer Verlag Fantasy Productions 1988 das schmale Bändchen mit 16 Stories desselben Autors heraus. Aber eben unter dessen Nom de plume John Flanders. Im französischen Original war der Titel 1984 als „Visiones nocturnes“ erschienen, herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Albert van Hageland. Diese Vorwort (das ich nicht kenne) fehlt leider in der vorliegenden Ausgabe. Doch der deutschen Ausgabe hätten zumindest einige Erläuterungen gut getan, inwiefern sich John Flanders und Jean Ray unterscheiden.


    Für die Jugend?

    John Flanders wurde als Jugendbuchautor bekannt, der vornehmlich auf Niederländisch schrieb. Als Jean Ray erwarb sich der Autor seinen Ruf mit phantastischen Erzählungen auf Französisch. So ist es in der Sekundärliteratur zu lesen. Man müsste zurückverfolgen, in welchen Zusammenhängen die Geschichten in „Eine böse kleine Nachtmusik“ ursprünglich erschienen sind. Doch auch so lässt sich sagen, dass das (einschränkend klingende) Prädikat „Jugenderzählung“ hier insgesamt wenig hilfreich ist. Es handelt sich um äußerst kurze Texte, selten über 5 Druckseiten hinausgehend. Unübersehbar sind die abenteuerlichen und kriminalistischen Elemente – beliebte Ingredienzen des klassischen Jugendbuchs. Doch treffen diese Charakteristika auch auf Jean Ray zu. Was ist seine bekannte Story „Der Mainzer Psalter“ anderes als eine Abenteuererzählung? Und knapp gehaltene Episoden finden wir bei ihm ebenso. Die punktgenaue (und schwarzhumorige) Schreibe ist typisch für Ray als auch für Flanders; Figuren und Szenen sind mit ein paar kurzen aber prägnanten Strichen hingeworfen. Das änderst nichts daran, dass sie im besten Fall faszinierend rätselhaft und abgründig sind.


    Hölle, Hölle, Hölle

    Wer die beiden Suhrkamp-Bände („Die Gasse der Finsternis“ und „Das Storchenhaus“) kennt, der wird in „Eine böse kleine Nachtmusik“ auf vertraute Themen und Motive stoßen. Zum auf Beispiel auf unmenschliche, fürchterliche grüne Augen („Wegen der Augen von Mathilda Smith“) oder auf höllische Reichtümer, die sich im Hier und Jetzt auszahlen („Sneaky, Knuckle und Peg Blow“). Ich will nicht leugnen, dass manche der Sachen in Richtung Banalität tendieren. Indes verfügen selbst die schwächeren Beispiele immer noch über ein, zwei Tugenden. Etwa „Der Sessel“: Jemand wünscht sich, den Teufel zu sehen. Dieser erscheint und nimmt im Sessel des Betreffenden Platz. Weniger diese Erscheinung ist bemerkenswert als vielmehr das Möbelstück. Denn wer immer sich anschließend darin niederlässt, wird von einem Gefühl der Angst, Traurigkeit und Resignation überfallen. Dieses psychologische Moment bewahrt die Story davor, in eine gefällige Art von grotesker Phantastik abzugleiten.


    Fazit

    John Flanders ist nicht Jean Ray. Mit diesem Bewusstsein sollte man sich an die Lektüre von „Eine kleine Nachtmusik“ begeben. Vielleicht hatte der Autor als Jean Ray sein bestes Pulver bereits verschossen. Was nicht heißt, dass manche der hier dargebotenen Ideen nicht zünden. Wer sich auf die Intertextualität dieser beiden literarischen Persönlichkeiten einlässt, wird seine Freude an den vielfältigen Variationen, Rückgriffen und Anspielungen haben. Ich vergebe 4 von 5 möglichen Daumen.


    :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

    Wrong Vielen Dank für diese ausführliche Vorstellung. Ich bin gespannt, was noch kommt!


    Leider liegt meine eigene Dostojewskij-Lektüre zu lange zurück, um stichhaltig mitreden zu können. „Der Idiot“ habe ich vor fast 25 Jahren gelesen – und gerne gelesen. Was mir, aufgrund mehrfacher Lektüre (als Hörbuch) ganz gut in Erinnerung ist, ist „Der Spieler“. Dann: „Das Krokodil“, was vor nicht allzu langer Zeit in einer schicken Neuausgabe herauskam. Allerdings bin ich für Satiren oder Grotesken nicht allzu sehr zu haben.


    Bereuen tue ich es bis heute, dass ich vor Urzeiten eine Single (7 inch) verschenkt habe: Klaus Kinski liest aus „Schuld und Sühne“ (Der Traum des Raskolnikoff) – sehr beeindruckend.

    Ich rede nur von "Die Gasse der Finsternis": Da lässt sich eigentlich klar ein Prinzip von Ursache – Wirkung zurückverfolgen. Der Französischlehrer entwendet den kostbaren Teller aus der fremden Dimension. Das ist der Ausgangspunkt für alles nachfolgende Übel.


    Aber was James betrifft:

    Trotzdem stellt er seine Leser nicht vor große Herausforderungen.


    Na, ich habe doch bei einigen der erwähnten Geschichten gedacht: Wie ist das nun motiviert, – oder wie ist das zu verstehen? Bei „Oh, whistle…“ etwa, was es mit diesem Bettzeug auf sich hat.


    Aber das ist ein allgemeiner Eindruck der Lektüre, den ich bei Ray ähnlich vorgefunden habe (sicherlich sind auch andere Referenzen denkbar).


    Und was die verschiedenen Zeit- und Raumebenen betrifft: In dem Punkt habe ich speziell an Lovecraft gedacht.

    Ich meine allerdings, gerade James ist auch so ein Meister des Rätselhaften. Zum Beispiel habe ich noch keine schlüssige Erklärung für die Phänomene in "Oh, whistle, and I'll come to you, my lad" oder "The Ash-Tree" gefunden. Auch Stories wie "Number 13" oder "The Stalls of Barchester Cathedral" lassen zumindest mehrere Interpretationen zu.


    Das bringt uns aber zu der interessanten Frage, ob sich diese Art von Phantastik überhaupt "erklären" lässt. Für das phantastische Element an sich verlangen wohl die wenigsten von uns eine Erklärung. Doch die der Fiktion innewohnende Logik und Kongruenz sind mir schon wichtig. Die billige ich Ray in "Die Gasse der Finsternins" auf jeden Fall zu.