Beiträge von Nils

    Mich würde der Inhalt des Buchs interessieren; es wird ebenfalls in dem genannten Lexikon erwähnt.

    Es stellt insgesamt eine Exploration des Dämonischen in der Literatur dar. Ich habe den Eindruck, dass diese Kategorie arg veraltet ist. Poritzky meint in seiner Einleitung, Verwirklichung fände das Dämonische in Kreisen der Diaboliker, allerdings scheint sich auch diese Bezeichnung nicht wirklich durchgesetzt zu haben. Poritzky arbeitet sich in der Folge am allem ab, was irgendwie teuflisch oder düster auf ihn wirkt. Expressionisten sind da ebenso dabei wie Dekadente, Schwarze Romantik trifft auf Edgar Allan Poe und deutsche Fantasten des frühen 20. Jahrhunderts. Später dann geht es um skandinavische Autoren und - eben daher postete ich hier ja zuerst - Russen.


    So viel zu ersten Sichtung, tiefer eingestiegen bin ich nicht. Sollte ich das nachholen, werde ich das Buch in einem gesonderten Thread vorstellen.


    Verfasser dekadenter oder phantastischer Geschichten.

    Kennst du Geschichten von ihm? Oder bezog sich das rein auf den Lexikoneintrag?

    Ich hatte mir den Film neulich auch per Aufzeichnung angesehen. Anders als für die meisten hier war es für mich das erste Mal. Hier geäußerte Kritikpunkte kann ich durchaus nachvollziehen, ich sehe mich allerdings aufgrund einer ausgeprägten, romantisch-symbolisch verklärten Venedig-Vorliebe außerstande, hier sezierend zu Werke zu gehen. Für mich war der Film daher - durchaus natürlich im Zusammenspiel mit dem großartigen Score und der suggestiven Machart - schlicht ein visuelles Erlebnis.

    Ich habe kürzlich einen Zufallsfund gemacht, der vielleicht ein wenig zum hiesigen Thema beitragen kann.





    Ich kannte Jakob Elias Poritzky nicht. Das Buch bin ich kursorisch durchgegangen, richtig ergiebig im fantastischen Sinne ist es nicht, auch bleibt der Einblick unsystematisch und subjektiv. Es handelt sich offenbar größtenteils um Überlegungen des Autors, die aus der eigenen Lektüre geboren wurden. Das kann wertvoll sein, im vorliegenden Falle bin ich mir aber nicht sicher.


    Kann jemand mehr zu Poritzky vermelden?

    Timo Feldhaus - Mary Shelleys Zimmer


    Zitat

    Vulkanausbrüche können globale Folgen haben, man erinnere sich an Eyjafjallajökull auf Island. 1815 war es ein Vulkan in Indonesien, der Europa prägen sollte – und uns vermutlich Frankensteins Monster bescherte.

    https://www.deutschlandfunkkul…n-vulkanausbruch-102.html




    Sven Hanuschek über Arno Schmidt


    Zitat

    Kein deutscher Schriftsteller schrieb so wie Arno Schmidt. So originell, radikal, funkelnd, witzig. Und niemand war so kauzig, schräg und hochfahrend wie der Autor aus der Lüneberger Heide. Gut, dass jetzt eine Biografie erschienen ist.

    https://www.deutschlandfunkkul…chmidt-biografie-100.html

    Auch von mir einen herzlichen Dank an dich, Katla , für diese umfassende Kritik. Gerade gestern war ich noch am Überlegen, in den Film zu investieren, habe es dann aber doch erstmal gelassen. Nochmal davongekommen, wie es scheint.


    Auch die Diskussion hier verfolge ich mit Interesse.

    Bis vor Kurzem wusste ich von diesem sehr verstörenden und surrealen Film überhaupt nichts. Dabei verehre ich Isabelle Adjani sehr und mag auch mehrere Filme von Regisseur Andrej Zulawski - manchmal entgehen einem die Perlen dann aber einfach doch. Umso schöner, sich noch überraschen lassen zu können.





    Als ich hörte, es handele sich bei Possession um einen im geteilten Berlin spielenden, mit kafkaesken Momenten und sexueller Entgrenzung aufgeladenen Monsterfilm, konnte ich mir das zunächst gar nicht recht denken. Ich wurde eines Besseren belehrt. Die Prämisse ist dabei schnell erzählt: Der junge Mark (gespielt von Sam Neill) arbeitet offenbar für eine staatliche Institution, vermutlich für irgendeinen Geheimdienst. Er lebt mit seiner Frau Anna (Isabelle Adjani) und dem kleinen Sohn Bob in einer West-Berliner Wohnung. Doch die Ehe läuft nicht gut, da Mark wenig zuhause ist und Anna sich in der Situation sichtlich unwohl fühlt. Als Mark erfährt, dass Anna eine Affäre unterhält, setzen sich die Ereignisse in Gang.





    Zwar gibt ein grobes Gerüst die narrative Marschrichtung vor, aber einen wirklichen Plot treibt Zulawski hier nicht voran. In dem über zwei Stunden langen Film zählt eher das ästhetische und emotionale Erlebnis, und beides brachte mich beim Schauen doch sehr an meine Grenzen.


    Steadycam-artig folgt Kameramann Bruno Nuytten den Protagonisten durchs geteilte Berlin. Die Stadt selbst ist ein eigener ästhetischer Faktor, viele Szenen spielen in Kreuzberger Straßen, in Altbauwohnungen und Altbau-Treppenhäusern, oder gleich direkt an der Mauer. Die Stimmung, die durch den spezifischen Look in Verbindung mit typischer, durch minimale Kniffe evozierte Cold-War-Paranoia entsteht, ist einmalig.





    Der Film öffnet von Szene zu Szene neue Assoziationsräume und lässt viel Platz für eigene Sinndeutungen. Die Diskontinuitäten des Gezeigten und die geringe Flächenhaftung der Handlung - bei der nie konkrete Informationen über Umstände o. ä. gegeben werden - laden dazu ein, den Film schlicht wirken zu lassen. Die Darsteller*innen sind ein Faktor, der sich in diese Deutung einreiht: Isabelle Adjani und Sam Neill spielen ihre Rollen derart borderlinig und erwartungsbrüchig, dass ich oft starke Nerven brauchte, um die intensiven Szenen durchzustehen. Auch der restliche Cast, der sehr überwiegend aus Deutschen besteht (die sehr bekannten Schauspieler Carl Duering und Heinz Bennent sind dabei), ist durchgehend überzeugend. Kunsttheoretisch könnte man sagen, dass sich Surrealismus und Expressionismus in den Darstellungen die Klinke in die Hand geben und dabei ziemlich brachial zu Werke gehen. Zackige Schnitte und Überblendungen verhindert oftmals die Orientierung, sodass man letztlich nicht genau weiß, ob Vorgänge nun wirklich geschehen sind oder der Einbildung der Charaktere entsprangen.





    Der Film zieht die Gewaltschraube teils sehr an, ist auch oft eklig und abstoßend, gibt tiefe Blicke in psychische Zustände und ist immer wieder wirklich anstrengend. Dabei wird er aber nie billig oder exploitativ, entwickelt sogar eigene Formen der Sinnlichkeit. Durchzogen bleibt er dabei von einem nihilistischen Grundton, entfremdeter Anonymität und graublasser Tristesse, was gemeinsam umschlägt in eine reizvolle Mixtur, die ich so noch nirgends gesehen hatte. Ein dumpfer Synthie-Score, sparsam eingesetzt, tut sein Übriges. Das übernatürlich-monströse Element wird homogen eingewoben (Stichwort: Hentai-Ästhetik), am Ende schließt Zulawski gar wieder an klassische Genre-Motive an. Ein echter Trip abwärts.



    Karl May - Der umstrittene Abenteuer-Schriftsteller aus Ernstthal


    Zitat

    An Rekorden mangelt es Karl May nicht: erfolgreichster Schriftsteller deutscher Sprache und Auflagenhöhen, die nur noch durch den Koran oder die Bibel getoppt werden. Dennoch sind die Werke Mays, der im sächsischen Ernstthal geboren wurde, umstritten. Das war zu Lebzeiten so und hat sich seither wenig geändert. Vor 110 Jahren, am 30. März 1912, starb der "Winnetou"-Erfinder in Radebeul. Die Todesursache wurde erst vor wenigen Jahren bekannt.

    https://www.mdr.de/kultur/lite…odestag-radebeul-100.html

    Da Klein hier gerade vermehrt diskutiert wird, möchte ich noch auf einen schönen Band mit Artikeln, Kritiken und Aufsätzen aus seiner Feder hinweisen.




    Die im Buch enthaltenen Texte sind thematisch angenehm breit aufgestellt. Klein schreibt über Mark Twain und Arthur Machen ebenso wie über Charles Manson und Christoph Ransmayr. Ramsey Campbell würdigt er, wie er seine alma mater - die Brown University in Providence - kritisiert. Er rügt Tierquälerei im Film, gibt einen Überblick über die Geschichte der Ghost Story, führt in die phantastische Schriftstellerei ein und denkt über Poesie nach.


    Viele der Texte entstammen journalistischen Tätigkeiten Kleins, der u. a. für das Twilight Zone Magazine schrieb (bzw. es auch eine Zeit lang herausgab) und Beiträge in der New York Times veröffentlichte. Oftmals handelt es sich aber auch um Vor- oder Nachworte (z. B. für Arkham House). Die Kritiken erschienen größtenteils in Sci-Fi-Entertainment, aber auch in der Washington Post. Wie es der Buchtitel und das literarische Ahnenerbe gebieten, befasst sich ein großer Abschnitt des Buches mit H. P. Lovecraft. Eine schöne Sammlung mit vielen interessanten Stücken, die vielleicht auch Auskunft darüber geben kann, warum Klein - der ja wohl vorrangig als Schriftsteller wahrgenommen wird - "nur" ein relativ schmales Werk veröffentlicht hat. Als Kritiker, Journalist und Autor sekundärer Annäherungen hatte er in den vergangenen Jahrzehnten offenbar nicht eben wenig zu tun.


    Ich gebe zu, mir das Buch seinerzeit vorrangig wegen eines enthaltenen Beitrags zu Robert Aickman gekauft zu haben. Der kurze Erlebnisbericht mit dem sprechenden Titel "An Afternoon with Aickman" hielt, was er versprach. Besonders berührt hat mich auch Kleins Bericht über den letzten Besuch bei einem bereits geistig wirren Donald Wandrei. Dieser trägt die klirrende Überschrift: "A Haunted House".

    Ich bin an Setz schon häufiger vorbei, er ist im Literaturbetrieb ja doch sehr präsent, Interesse kam bislang aber nicht auf. Deine Besprechung ändert das durchaus.

    Zitat von Cheddar Goblin

    Bin mir aber nicht mehr ganz sicher auf welches Werk sich dein oben eingefügtes Zitat bezieht - "Der Mönch" oder "Melmoth der Wanderer"?

    Das sind Zitate von drei ganz verschiedenen Stellen, die ich hier zusammengewürfelt habe. 1. Ann Radcliff, 2. Horace Walpole, 3. Bram Stoker

    Nachdem Cheddar Goblin mich neugierig gemacht hatte...


    Zitat von CheddarGoblin

    "Die Ereignisse auf der Poroth- Farm" von T.E.D. Klein ... Mit seiner "Farm"-Novelle erfindet er das Rad sicher nicht neu (ein bisschen "Die Farbe aus dem All", ein bisschen "Friedhof der Kuscheltiere" ...), aber als Weird-Fiction- Fan kann man mit dem Buch nicht viel falsch machen. Besonders da der Protagonist im Verlauf der Handlung unzählige Bücher dieses Genre liest/rezensiert und die Novelle daher noch quasi eine kleine Abhandlung über die wichtigsten Werke der Horrorliteratur enthält.


    ... habe ich die Geschichte heute gelesen. Ich wurde nicht enttäuscht. Klein beherrscht die Kurzform ganz offenbar, weiß sein Tempo zu wählen, Stimmung mit geschickten Handgriffen aufzubauen und - was hier natürlich im Vordergrund steht - literarische Spuren ebenso zu streuen wie falsche Fährten. Joshi nennt Die Ereignisse auf der Poroth-Farm im Nachwort zurecht Metaliteratur. In Aufnahme von Tendenzen der Moderne und der Weird Fiction eigenen Erzähltechniken erweist sich Klein an der Schwelle zur literarischen Postmoderne als eigenständiger Autor innerhalb eines schwierig zu meisternden Feldes.


    Stimmungsmäßig bedient sich Klein sehr schön am Folk-Horror-Szenario des vergessenen Ortes. Der erschrockene Erzähler Jeremy (der übrigens Kanadier zu sein scheint, wie man einem kleinen Detail entnehmen kann) zieht sich zurück ins Hinterland von Jersey, um auf einer Farm in Ruhr zur Lektüre zu kommen (wer könnte es ihm verdenken?), erinnert uns aber gleichzeitig daran, dass die Urbanität nur wenige Meilen entfernt wartet. Die Zivilisation ist nie so weit gekommen, wie man annimmt, wenn man in ihrer Mitte haust. Konterkariert wird dies - Meta zu sein muss man durchhalten - durch den Verweis auf die (vermeintlichen) Fehldarstellungen entsprechender Literatur (ein Schuss gegen Stoker und Lovecraft, wenn ich nicht irre).


    Das Wechselspiel zwischen Jeremys Lektüre und den Entwicklungen auf der Farm und den umliegenden Wäldern ist zentral für die Erzählung. Joshi stellt das in seinem Nachwort gut dar, verweist auch auf die angenehm polemischen Einschätzungen des Erzählers in Bezug auf die klassische Schauerliteratur. Dass ich persönlich diese teile, spielt für die Bewertung natürlich gar keine Rolle.


    Zitat von T. E. D. Klein

    Habe versucht, mich in die Geistesverfassung eines Lesers von 1794 hineinzuversetzen, der genug Zeit zur Verfügung hatte. [...] Der Roman mag der Beginn der englischen Schauerliteratur sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn jemals irgendwer aus Vergnügen gelesen hat [...] die fade viktorianische Sentimentalität ärgerte mich bald


    Es wäre gewiss interessant, die Bezüge Kleins hier ganz genau herauszuarbeiten, mir schwirrten während der Lektüre doch diverse Parallelen zu einer Vielzahl phantastischer Geschichten im Kopf herum. Andererseits kann man das "Zeitalter der Analyse" (Joshi) auch mal temporär verabschieden und sich die Mixtur durch den Kopf gehen lassen.


    Kleins fiktionales Werk hatte mich bislang nicht interessiert, aber ich bin froh, hier eine kleine Lücke geschlossen zu haben. Allerdings habe ich nun erst Notiz vom Zusammenhang mit MorgenGrauen genommen - der Bastei-Band steht bei mir schon lange im Regal - davon werde ich aber Abstand nehmen. Kleins Geschichte ist in ihrer Prägnanz und in ihrem Fokus auf den Effekt genau richtig, einen 500-Seiten-Roman daraus zu machen, erscheint mir absurd.


    Besten Dank an Wandler23 für diese verdienstvolle Neuausgabe, die es durch einen zugänglichen Anmerkungsapparat erleichtert, dem Erwähnten nachzuspüren.

    Rache tut not! - Wilhelm Buschs Klassiker Max und Moritz


    Zitat

    Wilhelm Busch ist der „große deutsche Humorist“. Seine Bildergeschichten sind zum Hausschatz der Deutschen geworden – trotz des unübersehbaren Horrors in ihnen. Eine Exkursion in einen Dschungel infernalischer Grausamkeiten in sieben Streichen.

    https://www.deutschlandfunkkul…max-moritz-comic-100.html




    Genialer Wortschöpfer und Sonderling


    Zitat

    Wie kaum ein Zweiter hat Wilhelm Busch die deutsche Sprache geprägt. Der Autor von „Max und Moritz“ hinterließ aber nicht nur als Schriftsteller und Alltagsphilosoph seine Spuren. Auch als Zeichner setzte er dem Spießertum der Gründerzeit ein Denkmal.

    https://www.deutschlandfunkkul…er-wortschoepfer-100.html

    Auch von mir ein Dank für die ausführliche Vorstellung - gleichwohl ich gestehen muss, dass mich der Film so erstmal nicht recht reizt.


    A. Conan Doyle, Bram Stoker und H. G. Wells schmeiße ich immer wieder durcheinander …

    Na ja, da die sich ja untereinander alle kannten, hat die Literaturgeschichte dich schon vorab hälftig rehabilitiert. Stoker und ACD waren sogar gut befreundet und werden sich gewiss über ihre Ideen ausgetauscht haben.