Beiträge von Felix

    Wenn ich es richtig sehe, fehlt noch: Nighttrain: Windschatten: Geschichten aus dem Hinterhalt, hrsg. von Tobias Reckermann (Nighttrain 2019)


    Die Geschichten:


    Ina Elbrecht: Nachsehen

    Christian Veit Eschenfelder: Sagittarius

    Erik R. Andara: Das Zittern der Welt

    Alla Leshenko: Ich sehe was, was Du nicht siehst

    Philipp Schaab: Die Stadt der leuchtenden Schmetterlinge

    Sascha Dinse: Mise en abyme

    Michael Perkampus: Die Straße "Malheur"

    Tobias Reckermann: Weg hinauf

    Felix Woitkowski: Membran

    Ich habe das Buch gerade im Zug ausgelesen, stehe noch unter seinem Bann und bin restlos begeistert. Ich weiß nicht, wann ich zuletzt in Werk gelesen habe, das so intensiv Lovecrafts Verständnis vom kosmischen Horror atmet, ihn in eine kalte, dunkle Atmosphäre kleidet und mit so erstaunlicher Präzision auserzählt. Hier ist wirklich keine Seite zu viel oder zu wenig; es passt alles. "Planet des dunklen Horizonts" ist für mich nicht nur das Reihen-Highlight, sondern hat sich auch schlagartig in meine Top 3 deutschsprachiger Lovecraft-Erzählungen – neben Michal Marraks "Imagon" und Andreas Grubers "Der Judasschrein" – katapultiert.


    Eine Frage hätte ich aber noch: Das Buch ist ja eine bearbeite, erweiterte Neuauflage. Ist es dadurch für den Vincent Preis relevant?

    Auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken bin ich in einer Buchhandlung, die ich eher nicht mit Phantastik und Horror in Verbindung bringe, auf ein kleines Büchlein gestoßen und habe es wohl eher wegen des Titels und nicht wegen des Covers in die Hand genommen. Der Klappentext war dann etwas verschroben, aber die Verweise auf Poe und Hoffmann haben mich dennoch überzeugt, das Buch auch mitzunehmen und sofort zu lesen. Es handelt sich um:


    Die Kannibalen

    Álvaro do Carvalhal

    Erstausgabe 1868

    Deutsche Erstausgabe

    Aus dem Portugiesischen ins Deutsche von Claudia Cuadra und Magnus Chrapkowski

    Arco Verlag 2020

    160 Seiten


    Der Klappentext:

    Zitat

    Margarida ist eine femme fatale, die eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausübt: »Der Mann, der sie zu seinem Unglück erblickt, will ihr Romeo sein.« Doch zum Leidwesen des ungestümen Don João gehört ihr Herz nur dem Vicomte von Aveleda, der »perfekten Verwirklichung eines idealen und geheimnisumwobenen Typen, wie Byron sie erschuf …« In Carvalhals Erzählungen verbindet sich das Erbe der phantastischen Romantik von Poe und E. T. A. Hoffmann mit der metaliterarisch-philoso- phischen Erzählkunst in der Nachfolge von Voltaire, Diderot und Jean Paul.

    In Die Kannibalen (1868) montiert Carvahal Motive der kitschigen Feuilletonprosa – tränenreiche Liebschaften, blutige Tragödien und Szenen im Mondschein – auf einen phantastischen Stoff wie in einer surrealistischen Collage: »Meine Erzählung liebt das blaue Blut; sie betet die Aristokratie an. Und der Leser wird mit mir durch die hohe Gesellschaft pilgern; ich werde ihn auf einen oder zwei Balle führen und sein Interesse an Mysterien, Liebeshandeln und Eifersuchtsdramen wecken, wie sie sich in Sensationsromanen ansammeln.« Mit unverwechselbarem ironisch-sarkastischen Stil und komplexen narrativen Strategien geht Carvalhal dabei der hochmodernen Frage nach: Was ist Wahrheit, und was wahre Liebe im Zeitalter des Kapitalismus?

    Alvaro do Carvalhal wurde in der Literaturgeschichte lange als »abstrus« und »krank« marginalisiert. Die Kannibalen wurde erst 1988 durch die gleichnamige Film-Oper Os Canibais des legendären Regisseurs Manoel de Oliveira schlagartig berühmt und leitete Carvalhals Wiederentdeckung ein.


    Die Novelle selbst umfasst nur etwa die Hälfte des kleinen Buches. Sie mag für die portugiesische Phantastik von einiger Bedeutung sein, ansonsten ist sie aber eher eine Randnotiz der europäischen Literatur. Allerdings eine, in der wie auch in vielen Genregrößen das Motiv des künstlichen Menschens verhandelt - in diesem Fall eine belegbte Statue - und in den Zusammenhang mit Liebe und Eifersucht, Begehren und Furcht gestellt wird. Wer dafür ein Faible hat und zum Beispiel auch an Elinor Wylies "Ein Neffe aus venezianischem Glas" (Blitz-Verlag) gefallen gefunden hat, wird durchaus Freude an dem Text haben.


    Die andere Hälfte beinhaltet einen mustergültigen Anhang samt Anmerkungsappaarat, umfangreichem Nachwort, bibliographischen Angaben etc. Insbesondere das Nachwort von Gerhard Wild macht den äußerlich leider nicht ansprechenden Band zu einer wahren Goldgrube. Wild geht nicht nur auf das Leben des Autors ein, sondern sehr umfassend auch auf literarische Strömungen in Portugal, den Einfluss der europäischen und amerikanischen Literatur (Poe) und die vorbehalte gegenüber phantastischen Elementen in der portugiesischen Romantik. Das Nachwort liest sich hochspannend und hat mir einmal mehr vor Augen geführt, wie stark wir verschiedene Nationalliteraturen präferieren, wie wenig wie (ich!) aber von anderen wissen. Wirklich ein Buch für diejenigen Liebhaber klassischer Phantastik, dich sich auch für Fragen interessieren, die über das einzelne Werk hinausgehen.

    Edgar Cantero

    Mörderische Renovierung

    420 Seiten, Hardcover

    Golkonda Verlag


    Zitat

    Mit »Mörderische Renovierung«, einem Spukhaus-Thriller mit ordentlich viel Gruselfaktor, Lovecraft’schen Anspielungen und einer Prise schwarzem Humor, stellen wir den jungen, katalanischen Autor Edgar Cantero vor.Einige Monate nachdem der letzte der Wells Söhne aus seinem Schlafzimmerfenster im Axton House gesprungen ist (leider vergaß er, es vorher zu öffnen), bezieht ein eigenartiges europäisches Pärchen das verlassene Anwesen. A. ist 23 und entpuppt sich als der unvorhergesehene Erbe. Niamh ist eine stumme jugendliche Punkerin, die er selbst als seine Gefährtin oder Beschützerin beschreibt. Dass das Anwesen von Geistern heimgesucht werden soll, macht die beiden nur noch neugieriger auf ihr neues, bequemes – da reiches – Leben. Aber die Geister, die in diesem Haus herumspuken, sind bei weitem nicht das dunkelste Geheimnis von Axton House. Und nicht das mörderischste …In Tagebucheinträgen, Briefen, Überwachungskameraaufnahmen, Tonaufzeichnungen und Monogrammen wird eine außergewöhnliche Geschichte erzählt, die für Gänsehaut sorgt, die Tradition der Geisterhausgeschichten aber auf eine völlig neue Ebene führt.

    Der schon 2018 erschiene Roman (deshalb leider für die Lesechallenge ungeeignet) reizte mich schon lang, da er mir für das Genre eher unkonventonell konzipiert schien. Statt die Handlung gerade heraus aus Sicht einer oder mehrerer Figuren zu erzählen, greift er zumeist auf Natizbucheinträge, verschriftlichte Tonaufnahmen, verschriftlichte Videoaufnahmen usw. zurück, um die Handlung voran zu treiben. Die großen Vobrilde im Bereich des Horrors dafür sind wohl Sokers "Dracula" und Danielewskis "House of Leaves". An beide kommt "Mörderische Renovierung" natürlich nicht heran. Dafür bleibt die Konzeption zu oft ein reines Formenspiel und die Geschichte dahinter zu konventionell. Trotzdem habe ich den Roman gerne und überraschend schnell gelesen. Die Hauptfiguren sind sympathisch, die Ereignisse im Haus lassen wiederholt an klassische Gruselmotive erinnern und zwischenzeitlich fühlt es sich an, Fremden bei einem sehr unterhaltsamen Escape-Room-Zeitvertreib zuzuschauen. Allerdings bleibt vieles etwas zu brav für meinen Geschmack und durch die jeweiligen Form bleibt die Erzählung gerade in den (in der Handlung schon recht grausamen) Schlusskapiteln merklich auf Distanz. Vielleicht ein Buch für jüngere Leserinnen und Leser, die Lust auf Grusel haben, den Jugenbüchern entwachsen sind, sich aber noch nicht an die erwachsenen Werke herantrauen.

    Auf dem Brettspielmarkt ist es seit einiger Zeit nicht anders als bei der Literatur: Lovecraft ist omnipräsent und Lovecraft ist dadurch ganz sicher kein Qualitätsmerkmal. Ein Spiel aber, dass ich neben anderen (vor allem aus der Eldritch/Arkham-Horror-Reihe) empfehlen kann, ist "Mythos Tales".


    Der Verlag schreibt hier zu dem Spiel: https://www.pegasus.de/detaila…hop-exklusiv-bis-3172018/

    Zitat

    Willkommen in der Welt von H. P. Lovecrafts Arkham, Massachusetts, in den 1920ern und 1930ern! In Mythos Tales erbittet Professor Henry Armitage, Direktor der Orne Library an der Miskatonic University die Hilfe von bis zu acht Investigatoren, um einer Reihe von diabolischen Mysterien auf den Grund zu gehen. Bei Ihren Untersuchungen geraten die Spieler in Kontakt mit mancherlei unerklärlichem Grauen. Nur gemeinsam können sie die Schrecken überwinden und die Geheimnisse lüften. Dazu folgen sie Spuren, erkunden sie die Stadt, diskutieren sie und machen sie sich Notizen – solange, bis ihnen die Zeit ausgeht. Dann gilt es, die drängendsten Fragen zu beantworten, um die acht verschiedenen Fälle erfolgreich zu lösen. Mythos Tales ist eine Mischung aus Brettspiel und Abenteuergeschichte, jedoch ganz ohne Würfel oder individuelle Charaktere. Als Gruppe entscheiden die Spieler, wohin sie Reisen, um die acht verschiedenen Fälle zu lösen. Dabei sollten sie stets alle Informationen notieren, die sie erhalten, denn entscheidende Hinweise können sich auch in Details verstecken.


    "Mythos Tales" basiert, so weit ich weiß, auf einem älteren Spiel, das noch ein Sherlock-Holmes-Thema hatte. Übrig geblieben ist davon die Fallstruktur. Bei jeder Spielrunde übernimmt die Spielerrunde einen Fall. Das Spiel ist kooperativ. Das heißt: Alle übernehmen zusammen die Rolle des Ermittlers, diskutieren die nächsten Schritte, entscheiden und rätseln gemeinsam. Desalb lässt sich das Spiel grundsätzlich auch alleine spielen, ich bin mir aber sicher, dass es dann weniger Spaß macht.


    Das Spiel funktioniert im Grunde wie ein sehr aufwändiges Abenteuerspielebuch, bei dem aber nicht am Ende eines Abschnittes steht, was als nächstes aufzuschlagen. Stattdessen gibt es neben dem Buch der Fäll einen Statdplan, ein Telefonbuch und eine Liste mit möglciherweise interessanten Personen. Aufgabe der Spieler ist es nun, zu überlegen, welche Orte man aufsuchen will, welche Personen man treffen will, um weitere Hinweise zu erlangen, mit denen man dann die nächste Entscheidung trifft. Sobald man weiß, wohin es als nächstes gehen soll, schaut im Telefonbuch oder auf dem Stadtplan nach der jeweiligen Kennung und sucht im Buch nach dem entsprechenden Eintrag, liest sich im besten Fall einen der sehr stimmig geschriebenen Einträge vor und überlegt, was daraus relevant sein könnte. Wenn man gar nicht weiter weiß, kann man auch in den beiliegenden Tageszeitungen aus Arkham nachlesen, ob sich vielleicht etwas seltsames ereignet hat.

    Im schlimmsten Fall findet sich im Buch nichts unter einer gewählten Kennung oder aber, man erfährt nichts Neues oder man wird sogar niedergeschlagen, vergfitet oder auf eine andere Weise aufgehalten. In einem der Fälle, die ich kenne, konnten wir sogar in Traumlande reisen. Hier war auch der Lovecraft-Bezug am stärksten ausgeprägt, in anderen fällt zwar mal ein Begriff aus dem Lovecraft-Universum oder man erfährt z.B. in der Zeitung, dass in Innsmouth seltsame Wesen aus dem Meer gekommen sein sollen. Der Lovecraft-Einfluss wird aber meines Erachtens nie zu dominant und das Wissen um sein Werk stellt bisher (Wir haben fünf Fälle gespielt und meine Freundin hat Lovecraft bisher nicht gelesen) kein Vor- oder Nachteil für die Bearbeitung der sehr unterschiedlich angelegten Fälle dar.


    Die Recherche ist stets zeitlich begrenzt, was so viel heißt wie: Man kann nur eine bestimmte Anzahl an Orten aufsuchen. Ist die Zeit abgelaufen, bekommt man Fragen zum Fall gestellt, die man nach bestem Wissen beantwortet. Erst danach erfährt man die Aulösung und kann sich auch die erreichten Punkte ausrechnen. Die Punkte sind aber echt nicht so wichtig, finde ich. Es geht darum, gemeinsam in eine Welt einzutauchen und einen Fall zu lösen. Und das leistet "Mythos Tales" bisher unerwartet gut und stimmungsvoll, dabei ist es im besten Sinne herausfordernd, ohne dabei zeitlich auszuarten oder mit unzähligen Regeln zu überfordern.

    Eine echte Empfehlung für ein ungewöhnliches Brettspiel!

    Alexander Beljajew

    Professor Dowells Kopf

    Ein klassischer Science-Fiction-Roman von 1937

    Die Übersetzung stammt von G.-M. Rose, Illustriert wurde es von Rene Novotny.

    Der Verlag schreibt hier über das Buch: https://tes-erfurt.jimdo.com/a…ew/professor-douels-kopf/


    Zitat

    Professor Douels Kopf wurde ursprünglich 1925 als Erzählung veröffentlicht, bevor 1937 der gleichnamige Roman erschien. Dieses Buch ist neben dem 'Amphibienmensch' das wohl bekannteste Werk des Autors. Beljajew erzählt darin von den Experimenten des Chirurgen Douel.

    Frankreich, Paris. Dr. Kern, Chirurg und Mitarbeiter des verstorbenen Professor Douel, führt Experimente zur Wiederbelebung eines menschlichen Kopfes durch. Maria Laurent, die Assistentin Kerns in seiner Privatklinik, erfährt zufällig, dass der Erfolg der Forschungen nur auf dem Wissen des noch lebenden Kopfes seines ehemaligen Leiters und bekannten Professors, der unter unklaren Umständen starb, beruht. Dr Kern verbirgt die Tatsache der Existenz des wiederbelebten Kopfes und zwingt sie, für ihn zu arbeiten.

    Unter Leitung des Kopfes von Douel führt Dr. Kern eine Reihe erfolgreicher Operationen durch - er belebt Köpfe Verstorbener, gibt einem von ihnen einen neuen Körper. Die frühere Barsängerin Brigitte bekommt den Körper der in einer Eisenbahnkatastrophe umkommenden Künstlerin Angelika, doch sie flieht aus der Klinik, um ein neues Leben zu beginnen. Doch sie weiß nicht, dass die Wiederbelebung nur von kurzer Dauer ist...

    Das Buch habe ich mir auf dem BuchCon besorgt und gerade ausgelesen. Die Aufmachung ist wirklich erstklassig: Schutzumschlag, Halbleinen, Fadenbindung, handgebunden, farbig illustriert. Einzig eine biographische und bibliographische Notiz oder sogar ein Nachwort hätte ich mir noch gewünscht. Aber dessen Fehlen schmälerte nicht die Lektüre. Das Buch ist übrigens etwas umfangreicher geworden, als auf der Verlagsseite und auch leicht teurer. Und auch der Titel hat sich verändert: Douel heißt nun Dowell. Das aber nur zur Vollständigkeit.


    Es handelt sich um eine deutschsprachige Erstausgabe eines russischen Klassikers. Die Übersetzung liest sich gut, die Illustrationen fangen die Stimmung des Textes gut ein.


    Erzählungen um künstliche Menschen, die Verlängerung des Lebens etc. liegen ja klassicherweise auf der Grenze zwischen SF und Horror. In diesem Fall hatte ich anfangs gehofft, etwas mehr Horror zu erhalten, als es der Untertitel verspricht. Das war leider nicht der Fall. Der Geschichte fehlt es trotz aller Dramatik und Sprengkraft (die jede klassische Erzählung wohl mitbringen muss, in der Menschen in einem Labor wiederbelebt werden) ein Stück weit an Atmosphäre. Spannend liest sich der Roman trotzdem. Auch weist "Dowells Kopf" weder die Weltentrückung (Frankenstein, Der Sandmann) oder den Witz (Das hündische Herz) anderer Vertreter dieser Genresparte auf. Stattdessen fasst der Roman genau solche Bilder in Worte, wie sie der phantastische Film bis in die 60er und 70er immer dann prägte, wenn es um entrückte Wissenschaftler, geheime Labore und Experimente geht, welche die Kraft haben, das Menschsein neu zu definieren. Bei mir hat das einen Nerv getroffen, mir sehr vergnügliche Stunden bereitet und ich bin froh, mit diesem Klassiker der zweiten Reihe eine Leselücke geschlossen zu haben, von der ich bis vor kurzem, ehrlich gesagt, noch gar nichts wusste.

    Ich ärgere mich gerade mal wieder über mich selbst. Ich besitze nur einen Band aus der Reihe, der aber ein richtiges Schmuckstück ist. Ich hatte immer vor, die restlichen Bände nachzukaufen, habe aber zu lange gezögert. Als dann die Achilla Presse ihr Tore schloss, habe ich es nochmal versucht, bekam aber keine Antwort und keine Bücher mehr. Vielleicht nehme diesen Thread einfach mal als Anlass, es noch einmal zu versuchen.