Beiträge von Tintenkiller

    Wohin der Grimm der Toten verschwindet

    Eine Geschichte, in die ich genussvoll schaudernd eintauchen konnte. Der eigene Alltag verschwand über weite Strecken beim Lesen. Die vor dem geistigen Auge erzeugten Figuren und Kulissen waren herrlich phantastisch, die philosophisch anmutenden Gedankengänge sehr spannend zu begleiten.

    Trotz düsterer Welten empfand ich die Geschichte nicht als herunterziehend und belastend, sondern fast schon im Gegenteil, vermutlich dank des liebevollen Schreibstils.

    Von derartigen Geschichten und Erzählweisen könnte auch ich durchaus mehr vertragen, nicht nur innerhalb von Zwielicht 15.

    Möglicherweise negativ erscheinende, aber nicht negativ gemeinte Kritikpunkte: Der für mich unaussprechliche Name des ersten Protagonisten störte mich am Anfang, aber ich gewöhnte mich mit der Zeit daran und anstatt ihn nur zu überlesen, assoziierte ich ihn schließlich mit einem Geräusch, welches den Protagonisten charakterisieren könnte.

    Als störend empfand ich zudem, dass iPhones in der Geschichte auftauchten und dadurch eine Zeit festlegten, in der die Handlung passierte. Die Geschehnisse im Kino und die Vorgeschichte/ Rückblende sah ich eher in einer Zeit, Umgebung und Gesellschaft irgendwann zwischen 1950 und 1980. Besonders das Tribunal der Financiers verbinde ich eher mit einer früher üblichen Vorgehensweise und mit Kinohistorie.

    Das Ende der Geschichte bewegte sich für mich an der Grenze zwischen Romantik und Schnulze. Ich fand es schön und passend, aber durchaus happy-end-ig. Woran sie ihn erkannte, wird nicht verraten, aber plötzlich wusste/ fühlte sie, dass er es war. Und er hatte sie ebenfalls wiedererkannt.

    Die Hinweise im Verlauf der Geschichte zeigen, dass diese Begegnung Ziel und Zweck des Ganzen war und er nicht der Erste war, der einen solchen Weg zu gehen hatte.

    Ein bisschen seltsam die Sache mit dem Grimm aufgrund mancher Textpassagen, aber gleichzeitig auch erklärlich durch das eigene Vorwissen als langjähriger Gruselgeschichtenleser, außerdem geht der Autor in einem Nebensatz seines Schlusssatzes selbst auf diese mögliche Merkwürdigkeit ein und entkräftigt bzw. hinterfragt sie.

    Dem Wiki-Eintrag nach scheint Amicus früher sehr produktiv gewesen zu sein. Aus der Filmographie meine ich "Totentanz der Vampire", "Asylum", "Geschichten aus der Gruft" und "Der sechste Kontinent" zu kennen, wenn ich mich nicht täusche.

    Seit 2006/ 2007 machen sie wohl wieder neue Filme. "It's Alive" scheint mir vom Titel her bekannt vorzukommen, aber ich weiß nicht, ob ich ihn gesehen habe.

    Nils Verstehe ich es richtig, dass demnächst ein neuer Amicus-Film namens "In the Grip of Terror" herauskommt?

    Stehen in dem verlinkten, englischsprachigen Artikel nähere Details dazu und wenn ja, was?

    Der Pitch

    Die Geschichte ist humorvoll, aber auch blutig. Sie spiegelt in überspitzter Form die heutige Zeit wider. Schön, dass in ihr eine beruflich erfolgreiche Frau die Hauptrolle spielt, die zumindest theoretisch die Möglichkeit hat, Beruf und Kind miteinander zu vereinbaren, sogar als Alleinerziehende.

    In einer beruflich wichtigen Webcam-Konferenz bzw. Pitch offenbart sich, dass das in der Realität alles andere als leicht ist. Nicht nur, dass niemand anderes da ist, der sich während der Webcam-Präsentation um das Kleinkind kümmern kann, so dass die Frau es allein bzw. parallel zu erledigen hat, das Kleinkind möchte nicht schlafen und kommt zur Mutter an den Computer (allerdings bleibt es ruhig), schlimmer ist in dem Moment vielmehr, dass die Technik, hier: die schlechte Internetverbindung auf dem Land, auf schicksalhafte, dämonische Weise streikt.

    Die Internetverbindung bricht immer wieder nach kurzer Zeit ab, was zu einer beruflichen Katastrophe zu führen scheint, weil die Webcam-Präsentation extrem wichtig für die Firma ist und damit auch für die berufliche Zukunft der Frau. Erst als die Frau durch Zufall (sic!) herausfindet, wie sie die Internetverbindung am Laufen halten kann, bringt sie ihren Part erfolgreich über die Bühne. Der Preis, den sie dafür zahlt, ist hoch (... zu hoch?).

    Mir hat die Geschichte gut gefallen. Die Modifizierung eines bekannten Motivs ist gut gelungen.


    Den unterschiedlichen Anführungszeichen bei den Dialogen nach scheint die Geschichte auf zwei Computern geschrieben bzw. überarbeitet worden zu sein. Der Wechsel bei den Anführungszeichen-Arten fällt zwar auf, aber kommt nur manchmal vor und stört nicht weiter. (Es verwundert nur, da Zwielicht 15 zwei Herausgeber und ein vierköpfiges Lektoren-Team hatte.)


    Die Autoreninfo am Ende von Zwielicht 15 ist unterhaltsam geschrieben. Laut Info handelt es sich bei der Veröffentlichung in Zwielicht 15 um die erste Publikation des Autors, obwohl er davor schon Kurzgeschichten und Novellen geschrieben hat. Die in der Info genannte Internetadresse funktioniert nicht (mehr), aber verrät offenbar den echten Nachnamen des Autors. Via Internetsuche scheint er über diesen echten Namen zu finden zu sein. Zumindest zwei der Treffer passen inhaltlich und vom Schreibstil/ Humor zur Autoreninfo.

    Über seinen Autoren-/ Zwielicht 15-Namen gibt es unter anderem einen Autoren des dtv zu finden, dessen Infos aber nicht mit der Zwielicht 15-Autoreninfo übereinzustimmen scheinen (der dtv-Autor ist aus irgendeinem Grund nur über die Suche zu finden und nicht in der dtv-Autorenliste).

    Seinem (damaligen?) Wohnort (und seinem Fahrradweg) nach könnten der Autor und ich uns theoretisch schon mal im real life über den Weg gelaufen sein, aber sein Foto im Internet und seine Namen kommen mir spotan nicht bekannt vor.

    ...sind wir bei einem klassischen Motiv der Gruselgeschichte: Sei vorsichtig, was du dir wünschst. [skul]

    O.k. Ich dachte, es ginge mehr in Richtung Science Fiction und Katastrophenfilm und weniger in Richtung Dunkle Magie, aber auch interessant.

    Vielleicht interpretieren wir zu viel in die Story hinein. [Skl]

    Das macht für mich gerade den Reiz aus, besonders im Rahmen einer Leserunde. Aber ich muss gestehen, es ist schon ein wenig anstrengend und zeitaufwendig, sich so intensiv mit den Texten auseinanderzusetzen. Allerdings scheinen "Heimatabend", "Der vierte apokalyptische Reiter" und "Rast der Kraniche" durchaus darauf ausgelegt zu sein, dass man versucht, sie zu entschlüsseln, so dass ich sie auch ohne Leserunde vermutlich etwas gründlicher gelesen hätte.


    Das müsste "Das Dunkel ist nicht leer" sein.

    Dankeschön! [Skl]

    DIE RAST DER KRANICHE

    Wie schon an anderer Stelle geschrieben, hatte ich mir nach Erstlektüre direkt die Sammlung von Holger Vos besorgt.

    Ich lese inzwischen "Teufelsauge" von Holger Vos.

    Wie heißt die Sammlung von Holger Vos? (Ich habe nicht gefunden, wo "schon an anderer Stelle geschrieben" ist.)

    Das wird allerdings aufgeklärt

    Eines der faszinierenden Elemente an "Rast der Kraniche" und am Schreibstil des Autors ist, dass alles bewusst und weitsichtig formuliert zu sein scheint und dabei gekonnt mit absichtlich unklaren/ mehrdeutigen Stellen gearbeitet wird.


    Die Interpretation im Spoiler scheint mir nur eine mögliche Interpretation zu sein. Die Worte des Schaffners könnten auch ein ganz gewöhnlicher Spruch eines Unterhaltungs-/ Ausflugsbahnschaffners sein, um für eine Fahrt mit seiner Bahn zu werben. In dem Fall würde "sie" schlicht für die Moorbahn stehen. Wie die Frau diese Worte für sich deutet, steht auf einem anderen Blatt.


    Ich habe mir eben auch noch mal den Anfang des "Traums" angesehen. Vor dem "Traum" entfernt die Frau sich ein Stück von ihrer Familie, schließt die Augen und erinnert sich in einer Rückblende an eine Schlüsselszene, in der ihre damalige Freundin und sie sich auf eine für sie beängstigende Weise über Außerirdische, das Verlassen der Erde, den Kometen und das Auswandern in die USA unterhalten.


    Im Nachtrag ("EDIT") innerhalb meines zweiten Beitrags zu "Rast der Kraniche" habe ich für mich selbst bereits reflektiert, dass ich inzwischen zu drei Interpretationsmöglichkeiten komme. Zum Zeitpunkt meines ersten und zu Beginn meines zweiten Beitrags zu "Rast der Kraniche" war ich erst bei einer Interpretationsmöglichkeit angelangt. Durch das erneute Lesen der Geschichte kamen mir weitere Deutungs-/ Verständnismöglichkeiten in den Sinn und brachten mich zum Nachtrag/ "EDIT".

    Ich persönlich tendiere weiterhin dazu, dass es eine Wahnvorstellung oder ein sehr lebhafter Tagtraum war, allerdings nicht für die Hauptperson: Für sie hat sich alles real angefühlt und sie deutet den Traum auch als echtes Erlebnis mit echter (Geheim-)Botschaft für sie.


    inferninho Nur mal weitergedacht: Wie kam es im Detail zur Apokalypse? Wie ließen sich die Lücken am Anfangs der Apokalypse schließen, wenn das Geschehen kein Traum war, sondern Wirklichkeit. Also, die Frau entfernt sich einige Schritte von ihrer Familie, schließt die Augen - und dann ...?

    Und warum die Geschichte deiner Meinung nach durch ein Erscheinen in Zwielicht entwertet würde, verstehe ich nicht ganz.


    Allerdings verliert sie etwas an Größe durch ihr Erscheinen in einem Horrormagazin. Für das Erscheinen in einem Horrormagazin fehlt ihr ein Beweis, dass das Apokalyptische/ Höllische/ Übernatürliche tatsächlich passiert ist und nicht nur ein Traum/ eine Vision/ eine Wahnvorstellung war.

    Das sollte keine Kritik an ZWIELICHT sein, sondern - durch den zweiten Satz erläutert - eine Kritik an der Geschichte.

    Meines Empfindens nach ist ein Traum/ Alptraum, der nicht mehr ist als nur ein Traum, zu wenig, um das Kriterium einer Grusel-, Horror- oder Phantastik-Geschichte zu erfüllen.

    Hätte die Hauptperson einen Gegenstand aus der Traumwelt mitgebracht oder im Traum eine Verletzung oder so davongetragen, die auch nach dem Aufwachen noch vorhanden ist, oder hätte sich in der realen Welt/ Gegenwart durch den Traum nachweislich (nicht nur als Ahnung) was verändert, oder wäre die Hauptperson mittels eines "Schlüssels" oder einer "Pforte" in die Traumwelt hineingelangt, dann wäre es für mich eine Horrorgeschichte, die in ein Horrormagazin passt.

    Die geisterhaften Nebel-Erscheinungen in "Der vierte apokalyptische Reiter" wären mir auch zu wenig gewesen, aber der dortige Bericht von der Expedition und dann der seltsame Tod haben die Geschichte für mich zu einer Gruselgeschichte gemacht.

    Wenn ich der Herausgeber von ZWIELICHT 15 gewesen wäre, hätte ich "Rast der Kraniche" wahrscheinlich auch mit ins Buch genommen, weil die Geschichte zumindest ungefähr hineinpasst und einfach zu gut ist, um sie abzulehnen.

    Ich bin jedenfalls froh, dass ich die Geschichte habe lesen können.


    EDIT: Ich habe die Geschichte eben noch einmal gelesen. Der Traum verläuft ja so, als wäre er kein Traum, sondern grausame Realität. Der Frau gelingt es dann im Traum oder "Nicht-Traum", mit dem Schaffner und dem Erlöser einen Tauschhandel abzuschließen und erweckt damit die Menschen und Kraniche wieder zum Leben.

    Mir persönlich hätte es - wie schon ursprünglich erwähnt - in einer Storysammlung des Autors vollkommen genügt, dass man nicht genau weiß, ob es Traum oder vorübergehende Wirklichkeit war, aber in einem Horrormagazin wünschte ich mir in der Geschichte einen Beleg dafür, dass es mehr als nur ein Tagtraum war.

    Auch möglich, dass der Traum zwar nur ein Tagtraum war, aber sich in ihm die Gedankenwelt und der Glaube ihrer Ex-Freundin widerspiegeln und sogar manifestieren, so dass die Frau schließlich selbst daran glaubt und einen Ausweg aus ihrem gefühlt trostlosen Leben darin zu sehen meint. Das würde der Geschichte für mich zusätzlich ein Thriller-Element verleihen.

    Da die Hauptperson vor den (gedanklichen) Rückblenden in ihre Jugend und dem unheimlichen Tagtraum aber bereits emotional ausgebrannt und nervlich ziemlich angeschlagen ist und zudem "Stimmen hört" (glaubt, dass ein anderer Spaziergänger sie herablassend ansieht und ihr eine geheimnisvolle Botschaft zuruft), könnte es in der Geschichte auch um eine Frau gehen, die aufgrund ihrer belastenden Lebensgeschichte und -situation und final ausgelöst durch die erhaltene Postkarte ihrer Ex-Freundin psychisch erkrankt ist und zunehmend an Wahnvorstellungen und suizidalen Gedanken leidet. Dann wäre auch die Frage, ob ein Horrormagazin für die Geschichte der passende Veröffentlichungsort war/ ist. (Ich habe spontan keine Antwort darauf.)

    Ich habe mir mal die Leseprobe des ersten Teils heruntergeladen, weil Titel und Idee der Anthologie spannend klingen. Das Vorwort von Teil 1 ist kurz gehalten, so dass ich erst noch im Internet suchen musste, was es mit dem im Vorwort genannten Verein, zu dessen Jubiläum die Antho erschienen ist, auf sich hat. So ganz verstanden habe ich die Selbstbeschreibung des Vereins nicht, aber es scheint sich um ein wissenschaftliches Netzwerk zu handeln.

    Die Kurzgeschichten in Teil 1 scheinen von Wissenschaftler:innen, die Mitglieder im Verein sind, geschrieben worden zu sein.

    Es scheint also tatsächlich Wisserschaftler:innen zu geben, die offen für das Anthologie-Projekt sind und sich bereits daran beteiligt haben. Demnach könnte ich mich in meinem vorherigen Beitrag getäuscht haben, als ich dachte, es müsste sehr schwer sein, geeignete Wissenschaftler:innen für die Anthologie zu gewinnen.

    Bin gespannt, wie viel Wissenschaft sich in Teil 1 befindet (falls die Leseprobe mich anspricht) und welche Wissenschaftsrichtungen sich in Teil 2 befinden werden (in Teil 1 scheint nur eine Wissenschaftsrichtung vertreten zu sein).

    Wenn die Geschichte dann fertig ist, werden Wissenschaftler und Autor als Autorenpaar genannt.

    [...]

    Ich suche 20 Wissenschaftler, die an diesem Projekt mitarbeiten möchten.

    [...]

    Jeder, der sich beteiligt, erhält weder Ruhm noch Reichtum, aber ein Belegexemplar wird es auf jeden Fall geben.


    Für die Höhe des Beratungshonorars lassen sich vermutlich am ehesten YouTube-"Wissenschaftler" finden.

    Die Idee der Anthologie ist klasse, aber klingt leider ein bisschen nach einer "Wetten, dass ..."-Zuschauerwette: Zwanzig Wissenschaftler mit Berufserfahrung und Renommee, die für eine Nennung als Co-Autor und den Erhalt eines Anthologie-Belegexemplares spannende Einblicke in ihre Top Secret-Projekte gewähren.

    Andererseits: Auf dem Weg zur Professur heißt es für Wissenschaftler Publizieren, Publizieren, Publizieren. Wenn die Antho es schafft, den Stellenwert einer angesehenen Fachzeitschrift zu erlangen, wer weiß, was dann alles möglich ist.

    Wie es zu beurteilen wäre, wenn Wissenschafts-Studenten aus dem Nähkästchen plaudern und es somit eher Wissenschaft aus dritter Hand wäre, müsste das fertige Produkt dann zeigen.


    Die Anthologie-Autor:innen scheinen schon festzustehen, oder?


    Wenn es klappt und die Antho nicht teuer ist, werde sie mir wahrscheinlich holen.


    Viel Erfolg!

    ich ändere das nun gemäß Tintenkiller s Vorschlag (-> vier / sechs). Puha, in letzter Minute, Tausend Dank!

    Katla Wie würde es textlich passen, wenn das "dritte Hufpaar" ersetzt würde durch "ein weiteres Hufeklappern"?

    Das wäre neutraler und unauffälliger. An der Stelle geht es ja nur darum zu erzählen, dass noch ein drittes Pferd aufgetaucht ist.

    Jedoch fraglich, ob die Hufe an dem Ort tatsächlich klappern ... Gar nicht so einfach, eine geeignete Formulierung dafür zu finden.