Und warum die Geschichte deiner Meinung nach durch ein Erscheinen in Zwielicht entwertet würde, verstehe ich nicht ganz.
Allerdings verliert sie etwas an Größe durch ihr Erscheinen in einem Horrormagazin. Für das Erscheinen in einem Horrormagazin fehlt ihr ein Beweis, dass das Apokalyptische/ Höllische/ Übernatürliche tatsächlich passiert ist und nicht nur ein Traum/ eine Vision/ eine Wahnvorstellung war.
Das sollte keine Kritik an ZWIELICHT sein, sondern - durch den zweiten Satz erläutert - eine Kritik an der Geschichte.
Meines Empfindens nach ist ein Traum/ Alptraum, der nicht mehr ist als nur ein Traum, zu wenig, um das Kriterium einer Grusel-, Horror- oder Phantastik-Geschichte zu erfüllen.
Hätte die Hauptperson einen Gegenstand aus der Traumwelt mitgebracht oder im Traum eine Verletzung oder so davongetragen, die auch nach dem Aufwachen noch vorhanden ist, oder hätte sich in der realen Welt/ Gegenwart durch den Traum nachweislich (nicht nur als Ahnung) was verändert, oder wäre die Hauptperson mittels eines "Schlüssels" oder einer "Pforte" in die Traumwelt hineingelangt, dann wäre es für mich eine Horrorgeschichte, die in ein Horrormagazin passt.
Die geisterhaften Nebel-Erscheinungen in "Der vierte apokalyptische Reiter" wären mir auch zu wenig gewesen, aber der dortige Bericht von der Expedition und dann der seltsame Tod haben die Geschichte für mich zu einer Gruselgeschichte gemacht.
Wenn ich der Herausgeber von ZWIELICHT 15 gewesen wäre, hätte ich "Rast der Kraniche" wahrscheinlich auch mit ins Buch genommen, weil die Geschichte zumindest ungefähr hineinpasst und einfach zu gut ist, um sie abzulehnen.
Ich bin jedenfalls froh, dass ich die Geschichte habe lesen können.
EDIT: Ich habe die Geschichte eben noch einmal gelesen. Der Traum verläuft ja so, als wäre er kein Traum, sondern grausame Realität. Der Frau gelingt es dann im Traum oder "Nicht-Traum", mit dem Schaffner und dem Erlöser einen Tauschhandel abzuschließen und erweckt damit die Menschen und Kraniche wieder zum Leben.
Mir persönlich hätte es - wie schon ursprünglich erwähnt - in einer Storysammlung des Autors vollkommen genügt, dass man nicht genau weiß, ob es Traum oder vorübergehende Wirklichkeit war, aber in einem Horrormagazin wünschte ich mir in der Geschichte einen Beleg dafür, dass es mehr als nur ein Tagtraum war.
Auch möglich, dass der Traum zwar nur ein Tagtraum war, aber sich in ihm die Gedankenwelt und der Glaube ihrer Ex-Freundin widerspiegeln und sogar manifestieren, so dass die Frau schließlich selbst daran glaubt und einen Ausweg aus ihrem gefühlt trostlosen Leben darin zu sehen meint. Das würde der Geschichte für mich zusätzlich ein Thriller-Element verleihen.
Da die Hauptperson vor den (gedanklichen) Rückblenden in ihre Jugend und dem unheimlichen Tagtraum aber bereits emotional ausgebrannt und nervlich ziemlich angeschlagen ist und zudem "Stimmen hört" (glaubt, dass ein anderer Spaziergänger sie herablassend ansieht und ihr eine geheimnisvolle Botschaft zuruft), könnte es in der Geschichte auch um eine Frau gehen, die aufgrund ihrer belastenden Lebensgeschichte und -situation und final ausgelöst durch die erhaltene Postkarte ihrer Ex-Freundin psychisch erkrankt ist und zunehmend an Wahnvorstellungen und suizidalen Gedanken leidet. Dann wäre auch die Frage, ob ein Horrormagazin für die Geschichte der passende Veröffentlichungsort war/ ist. (Ich habe spontan keine Antwort darauf.)