Beiträge von hardt

    Band 3

    23000


    Berlin Verlag 2010, Orig. 2005


    Nun habe ich mich nach langer Zeit dem Abschlussband der Eis-Trilogie gewidmet. Nach dem ständigen Aufklopfen von Herzen in den ersten beiden Bänden brauchte ich wohl eine Pause. Worum geht es? Jahrzehnte nach dem Auffinden des Tunguska-Meteoriten ist die Sekte um sein Eis fast am Ziel. Nur noch wenige Hundert Erweckter fehlen bis zur magischen Zahl 23000. Und dann stößt die Sekte auf einen Jungen, dessen Herz stark genug ist, alle Auserwählten gleichzeitig zu sehen. Auf der anderen Seite klumpt das verachtete Fleisch. Insbesondere die überlebenden Opfer der Hammerattacken kommen den Brüdern des Lichtes gefährlich nahe.


    Ich fand diesen Band eher schwach. Man hat jetzt mit Olga und Björn zwei Protagonisten, mit denen man sich gefahrlos identifizieren kann, aber dies wirkt im Vergleich zu den beiden anderen Bänden eher feige. Zudem nervt es, wenn die Handlung mehrmals ins absolut Absurde abdriftet, um sich dann als Traum herauszustellen. Die letzten drei Schläfer sind schon extrem seltsame, wirklich anstrengend seltsame Vögel.


    Trotzdem ist die lebensfeindliche Sekte mit den erbarmungslosen Methoden wie immer faszinierend, ihr Ekel vor den Fleischmaschinen nachvollziehbar, wobei sie sich ja in der blindwütigen Konsequenz, mit der sie den Fehler des Ewigen Lichtes korrigieren wollen, nicht im Geringsten von den Menschen unterscheiden.


    Ich kann nur wiederholen, was ich weiter oben schon geschrieben habe: Den Stoff auf eine Trilogie auszuwalzen, ist ihm nicht bekommen. Ljod, der Mittelteil, der ja als zuerst erschien, hätte völlig gereicht. Es war alles gesagt. Weder die Vorgeschichte um Bro noch diesen Abschluss der ganzen Sache hätte es gebraucht.

    Ich habe das Buch kürzlich auch gelesen und meine Eindrücke kurz hier beschrieben.


    Durchschnittlich fand ich das Buch jetzt nicht. Es stimmt, der erste Teil kam mir häufig gewollt obszön vor. Hier wollte Sorokin wahrscheinlich sehr drastisch vorführen, dass der Ekel der Sekte vor der fleischlichen Welt berechtigt und nachvollziehbar ist. Auch den Hinweis auf die ständigen Wiederholungen kann ich nachvollziehen, das fand ich in Bro sogar noch schlimmer.


    Aber trotzdem hat mich das Buch begeistert.

    Ich habe inzwischen das Abenteuerliche Herz gelesen. Ein verwirrendes Buch. Das fängt schon damit an, dass es zwei Fassungen gibt, die nur wenig Überschneidungen haben, sodass es sich durchaus lohnt, beide zu lesen. Die erste Fassung von 1929 mit dem Untertitel Aufzeichnungen bei Tag und Nacht ist etwas zugänglicher, aber sie bietet dem Jünger-Hasser auch genügend Ansatzpunkte, sich in seiner Abneigung gegen den Kriegsautor bestätigt zu sehen. Die zweite Fassung von 1938 mit dem Untertitel Figuren und Capriccios ist deutlich anders angelegt. Bei dem Ich-Erzähler der Texte handelt es sich jetzt ganz eindeutig nicht um Jünger, alle biographischen Bezüge sind getilgt, dafür finden sich phantastische Gestalten wie der Oberförster oder der Lehrmeister Nigromontanus. Diese Texte haben, wie gesagt, eine verwirrende Wirkung, man liest sie mit dem Gefühl, in tiefere Geheimnisse eingeweiht zu werden, ohne dass diese Geheimnisse wirklich fassbar sind. Es ist, zumindest mir, unmöglich anzugeben, was der Dichter damit sagen will. Und doch werde ich dem Verlangen nicht widerstehen können, mir das Buch, das ich mir für die Lektüre geliehen habe, nun zu kaufen, damit sich meine Verwirrung vielleicht beim wiederholten Lesen verringert. Sie wird sich vermutlich eher verstärken, was aber auch nicht schlimm ist.

    Ich habe fertig:


    1 - Ein im Original weder deutsch- noch englischsprachiges Buch


    Vladimir Sorokin - Der Schneesturm


    2 - Ein Buch aus dem Genre Science-Fiction


    Adrian Tchaikovsky - Im Krieg


    3 - Ein Buch aus dem Genre Horror


    Rebecca Levene - Anno Mortis


    4 - Ein Werk mit Ersterscheinung 2021


    Carlton Mellick III - Quicksand House


    5 - Ein Werk der phantastischen Literatur aus dem Zeitraum vor 1946


    T. S. Eliot - The Waste Land


    6 - Ein Werk der phantastischen Literatur aus dem Zeitraum 1946 – 2019


    Michael K. Iwoleit - Der Moloch


    7 - Ein Buch aus dem Genre Fantasy / Steampunk


    J. Selma Spieweg - Boris und Olga 1: Tod dem Zaren

    Zecke und Polly haben ihre Eltern noch nie gesehen. Sie leben im selben Haus wie sie, sie träumen jede Nacht von ihnen. Aus irgendeinem Grund haben ihre Eltern seit ihrer Geburt nie die Zeit gefunden, sie auch nur einmal zu besuchen. Die Kinder leben verbarrikadiert im Kinderzimmer des riesigen, verfallenen Anwesens ihrer Eltern und sehnen sich nach dem Tag, an dem sie endlich zum ersten Mal in die liebenden Arme ihrer Mutter genommen werden... Doch dieser Tag scheint nie zu kommen. Sie machen sich Sorgen, dass ihre Eltern sie schon längst vergessen haben.


    Als die Maschinen, die sie mit Nahrung und Wasser versorgen, nicht mehr funktionieren, sind die Kinder gezwungen, das Kinderzimmer zu verlassen und ihre Eltern auf eigene Faust zu suchen. Aber der Rest des Hauses ist viel größer und seltsamer, als sie es sich je hätten vorstellen können. Die labyrinthartigen Gänge sind dunkel und scheinen endlos zu sein, beängstigende Kreaturen lauern in jedem Schatten, und die Leichen längst verstorbener Kinder liegen in verlassenen Lagerräumen herum. Jede Minute außerhalb des Kinderzimmers ist ein ständiger Kampf ums Überleben. Und je tiefer sie in das Haus vordringen, desto mehr müssen sie die Geheimnisse um ihre Vergangenheit und die Welt, in der sie aufgewachsen sind, enträtseln, wenn sie jemals ihre Eltern treffen wollen …


    Das Buch ist dieses Jahr im Festa Verlag erschienen, darum habe ich es für diese Kategorie gelesen, allerdings im englischen Original. Es hat sich wie immer gelohnt. Bei Mellick muss man auf alles gefasst sein, sogar auf eine halbwegs plausible Erklärung für dieses ganze surreale Szenario. Unbedingte Leseempfehlung.

    Das abenteuerliche Herz und die Marmorklippen werde ich mir auf jeden Fall mal ansehen.


    Ich habe bisher von Jünger nur Der Kampf als inneres Erlebnis gelesen und fand die eindringliche und Grauen erregende Schilderung des Kriegsalltags wirklich beeindruckend. Es ist interessant, dass jemand wie Jünger, der diese Erfahrung ja bejahte, gerade dadurch eine wahrhaft beklemmende Wirkung erzeugen kann.

    Band 2

    Ljod. Das Eis


    Berlin Verlag 2003, Orig. Ljod 2002


    Nun habe ich mir den zweiten Teil der Trilogie vorgenommen. Wie man an den Veröffentlichungsdaten sieht, wurde dieser Teil zuerst geschrieben, und tatsächlich kann dieser Teil vollkommen allein für sich stehen, auf die nähere Beschreibung der Gründung der Sekte in Bro und die Erfüllung der Prophezeiung, die ja wahrscheinlich im abschließenden Band geschildert wird, im Grunde verzichten.


    Das Buch ist in vier doch sehr unterschiedliche Teile gegliedert. Im ersten erleben wir, wie im gegenwärtigen Moskau drei potenzielle Mitglieder der blonden, blauäugigen Sekte der Auserwählten mit dem Eishammer aufgeklopft werden: Ein Student mit doch sehr zweifelhaftem Umgang, eine Prostituierte und ein dubioser Geschäftsmann. Alles sehr schmutzig, alles sehr widerlich, und doch kann man einfach nicht aufhören zu lesen. Im zweiten Teil erzählt Chram ihre Geschichte, die in einem von Deutschen besetzten Dorf beginnt, über die Erweckung durch eine SS-Einheit und den brutalen Terror der Stalin-Zeit bis hin zu Perestroika und Glasnost und dann dem heutigen Russland führt. Was in den beiden abschließenden Teilen beschrieben wird, muss der geneigte Leser selbst herausfinden.


    Was für eine Geschichte! Ein absoluter (Eis-)Hammer. Wahrscheinlich nicht jedermanns Sache, aber trotzdem ganz große Literatur.

    So, inwischen habe ich den Moloch gelesen. Die Reise in die Megapolis Rhein-Ruhr hat sich auf jeden Fall gelohnt. Sehr viele hervorragende Ideen, die Subvilles, Nanogoo, die Toten Zonen, Exoskelette, die Nexus, die Franchise-Städte, …, das Ganze mit viel Lokalkolorit angerichtet. Der Chaos Computer Club in der verseuchten Sperrzone. Die Zukunft der Wuppertaler Schwebebahn. Sehr schön. Das Weiterdenken von aktuellen Entwicklungen in düstere, dystopische Szenarien klingt häufig erschreckend plausibel. Die Idee hinter der zentralen Verschwörung des Buches, besonders die Symbolik dahinter, finde ich gelungen. Mit einer Hauptfigur, Sina, wurde ich nicht so recht warm. Kiran ist als Identifikationsfigur deutlich besser.


    Die Sprache des Buches finde ich sehr anstrengend. Technische Fachausdrücke, ewig lange Sätze, und insbesondere Sina neigt dazu, in jede Beobachtung und jeden anderen Menschen ihren Weltekel hineinzuinterpretieren. Man ist versucht, solche selbstgefälligen Stellen mit der Weltsicht des Autors gleichzusetzen. Das Buch hatte zudem oft deutliche Längen und das Ende fand ich doch etwas schwach.


    Trotzdem kann ich das Buch bedenkenlos empfehlen. Es ist aber bekanntlich aktuell nicht mehr erhältlich.

    Das Buch liegt dir mal wirklich am Herzen.


    Ich habe mir jetzt das letzte Exemplar bestellt, das es noch direkt bei Mr. Bezos gab. Dann hoffe ich mal, dass es so gut ist, wie du sagst. Ich hoffe, du kannst mit dieser Verantwortung umgehen ...

    Ich habe von Iwoleit nur mal versucht, "Psyhack" zu lesen, und bin nicht weit gekommen.


    Darum geht es aber gar nicht. Nur weil du der Meinung bist, dass "Moloch" um Längen besser sei als alles andere, was für einen Preis in Betracht gezogen wurde, heißt das nicht: "Das spricht aber nicht für die mehrere Leute."