Beiträge von Perkampus

    Gerade wollte ich hier unter "Magazinen" daran erinnern, dass das Phantastikon gegenwärtig unter Volllast fährt und sich nach einigen Exzessen wieder auf seinen ursprünglichen Kurs zubewegt, da lese ich, dass auch dieses Forum hier in der Krise zu stecken scheint (wie viele andere Präsenzen derzeit). An dieser Stelle könnte ich anbieten, zumindest einen Banner ins Magazin zu basteln. Das scheint nun mit dem Thema nichts zu tun zu haben, und falls das ein lächerliches Angebot im Angesicht der Situation zu sein scheint, dann nehmt mir das bitte nicht übel. Aber vielleicht wäre es auf diesem Wege möglich, etwas zusammenzustehen.

    Es gibt in unserer heutigen Zeit viele, die glauben, sie verstünden sich auf den echten "Horror", aber ob sie unter dieser Flagge schreiben oder lesen: sie täuschen sich. Täuschen sich dann, wenn sie Ligotti entweder gar nicht kennen, oder keinen Zugang zu ihm finden. In der von "Handlung" ausgehenden Welt der modernen Veröffentlichungsfabriken hat Spannung den Schrecken als primäre Komponente des modernen Horrors abgelöst. Poe und Lovecraft zeigen in ihren besten Arbeiten, was Schrecken, was wirklicher Horror bedeutet. Thomas Ligotti und sein "pure horror" ist der dritte im Bunde, der einzige Autor, der neben den beiden anderen Giganten Platz nehmen darf. In "Grimscribe - Sein Leben und Werk" dürfen wir den Nervenkitzel des reinen, unverdünnten Schreckens noch einmal erleben. Allerdings ist es oft die literarische und philosophische Unkenntnis einiger Rezensenten, die Ligotti nach wie vor mit dem Lovecraft-Kosmos verbinden. Ligottis stilistische Bandbreite ist bemerkenswert und übertrifft bei weitem den limitierten Klang Lovecrafts (ohne dessen Einfluss schmälern zu wollen, der gerade in Ligottis Anfängen exorbitant vorhanden war). Was beide Autoren tatsächlich miteinander verbindet, sind die Weltanschauungen. Dazu gehört die Überzeugung vom Untergang der abendländischen Kultur (und in dieser Phase befinden wir uns gegenwärtig, wie leicht zu erkennen ist). Lovecraft als auch Ligotti sehen die Menschheit in einem sinnlosen Universum treiben, manipuliert von Mächten, die weder zu begreifen noch in irgendeiner Form zu nutzen sind. Wo Lovecraft jedoch trivial wird, unterstreicht Ligotti seinen intellektuellen Rang, was nicht zuletzt seiner gewaltigen philosophischen und literarischen Bildung zu verdanken ist (man denke nur, dass etwa "Cioran" zu seinen gedanklichen Haupteinflüssen zählt).


    Robert M. Price (u.a. Herausgeber von "The New Lovecraft Circle") nennt Ligotti gar einen Gnostiker, was die intellektuell-philosophische Linie sogar noch unterstreicht.


    Wieder einmal ist es Frank Festa zu verdanken, dass wir eines der wichtigsten Werke der modernen Horror-Literatur nun auch in deutscher Sprache vorliegen haben. All jene, die des Englischen nicht mächtig sind, sollten ihm auf Knien danken.

    "Grimscribe" ist der Name, den Ligotti seiner Stimme gibt, die Quelle seiner wunderbaren Prosa. Es handelt sich dabei nicht notwendigerweise um eine einzelne Person, sondern um eine bestimmte Art des Sehens, um eine Verbindung zwischen den dunklen, süßen Orten der Seele und der gedruckten Seite.


    "Ich erkenne seine Stimme, wenn ich sie höre, denn stets spricht sie von schrecklichen Geheimnissen. Sie spricht von den bizarrsten Mysterien und Erlebnissen, manchmal mit Verzweiflung, manchmal mit Freude, und manchmal mit einer Laune, die sich jeder Beschreibung entzieht",

    erklärt er uns in der Einleitung; und zum Schluss: "Unser Name lautet GRIMSCRIBE. Das ist unsere Stimme."

    Das macht Grimscribe mehr zu einer Reihe von unheimlichen Chören als zu einer Sammlung miteinander verbundener Geschichten.


    Es sind dies subtile Variationen über Finsternis, Verfall, Tod, und den Schrecken des Unbekannten.

    Anders als die meisten der heutigen Horror-Autoren, die einen anatomischen Ansatz verwenden, hebt Ligotti seine Vorstellungen über Tod und Verfall auf die Ebene des Abstrakten, Akademischen und hüllt sie in eine delikate, elegante Sprache. Im Einklang mit dem hohen literarischen Ton seiner Prosa führt er die Grundideen der Stories in Richtung des leicht Anekdotischen, aber Ligottis Talent für den Wechsel des Ausdrucks sorgt dafür, dass diese Wechsel ebenso fesselnd wie elegisch sind.


    In "Nethescurial" erhält der Erzähler einen Brief von einem Freund, der auf ein beunruhigendes Manuskript gestoßen ist.

    "Stellen Sie sich die gesamte Schöpfung als eine bloße Maske für das größtmögliche Böse vor, ein absolut Böses, dessen Realität allein durch unsere Blindheit ihm gegenüber gemildert wird, ein Übel im Herzen der Dinge ... natürlich ... wir müssen Distanz wahren zu solchen Gespenstern wie Nethesurical, aber das ist in der Regel durch das Medium der Worte schon gewährleistet ... und doch scheint das Manuskript in dieser Hinsicht nur eine schwache Barriere zu bilden."

    Der Erzähler träumt sich in einen kafkaesken Bibliotheks-Alptraum, in dem er zu folgender Erkenntnis gelangt:

    "Ich konnte auch sehen, was sich unter jeder Oberfläche windet, mein Blick durchdringt die übliche Rüstung der Objekte und erkennt in ihnen allen das gleiche heraussprudelnde Zeug, wo immer ich auch hinsehe ..."

    Ligotti erreicht seine Größe als Horror-Schriftsteller nicht zuletzt dadurch, wie er mit Bedacht auswählt, was er dem Leser zeigen möchte. Seine Prosa erreicht nahezu Perfektion und stärkste emotionale Kraft, wenn er ein Bild des Schreckens zeichnet, den Leser darauf hindeutet, dass es da etwas gibt, das er vielleicht nicht vollständig wahrgenommen hat.

    Zu Grimscribe sagte der Meister selbst folgendes:


    "Ich muss anmerken, dass ich mit Grimscribe begann, mich weiter und tiefer in symbolische Erzählungen und Landschaften zu wagen, während ich mich trotzdem an die für einen Horrorgeschichte typische "Realität" halte. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich Das letzte Fest des Harlekin und Träumen in Nortown bereits geschrieben hatte, bevor meine erste Sammlung erschien."

    Das war 2011, als Grimscribe bei Subterranean Press erneut erschien, überarbeitet und mit Variationen versehen im Gegensatz zur 1991 bei Carroll & Graf erschienenen Urform.


    Trotz der kultischen Verehrung, die Ligotti genießt, wird es noch dreißig oder vierzig Jahre dauern, bis man vollumfänglich zu schätzen weiß, wie Ligotti die Horrorliteratur um eine neuartige Dimension bereichert hat.

    Ich wurde bei Faber & Faber vorstellig, um nach den Rechten zu fragen, stattdessen wollten sie mich einspannen, einen Verlag zu finden, der dann wiederum einen Übersetzer benennt. Das war alles noch im Zuge der Miskatonic Avenue. Ich hatte ja vor, dieses Projekt mit einigen unveröffentlichten Sammlungen weiterzuführen.

    Cheddar Goblin : Wenn Interesse besteht, bringe ich gern ein paar alte Sachen auf der Veranda. Tatsächlich miste ich den ganzen Stall gerade aus und versuche, die wirklich interessanten Artikel noch einmal überarbeitet anzubieten. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich die Kolumne "Was ist Horror" noch einmal anbiete. Kommt Zeit, kommt Text, auch wenn ich manchmal glaube, es herrscht zu viel Durcheinander auf diesem Weblog; aber es ist eben kein Magazin mehr, sondern meine Arbeitswiese. Und ein paar Leser sind ja tatsächlich mitgewandert.


    Ich glaube, dass die VanderMeers da wirklich einen Rundumschlag gschafft haben, mir selbst sind einige Geschichten dann aber doch zu quirky. Man müsste da gar keine 1 : 1 - Herausgabe anstreben, sondern nur das Modell nehmen. So wie du sagst.


    Katla : Das sind wirklich Mondpreise. Schaut man sich aber mal an, was zB. vergleichsweise mit den Ligotti-Büchern passiert, dann klettern die Preise da ebenfalls jährlich, auch wenn sie beileibe nicht dieses Niveau erreichen. Da sind Buchspekulanten am Werk, die natürlich von limitierten Auflagen profitieren und wohl gar nicht mal gelesen haben. Bei Basso verstehe ich allerdings nicht ganz, warum das Büchlein seit 1977 keine Neuauflage mehr erfuhr. Bei Ligotti sind es zumindest die schwachen Verkaufszahlen, die einen Wirtschaftsverlag natürlich von vornherein schrecken.

    Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die ursprüngliche Besprechung aus dem ehemaligen Phantastikon hier anzubieten.


    Im White Train-Verlag liegt jetzt Erik R. Andaras erster Erzählband mit drei Geschichten vor. Eigentlich hatten wir uns alle schon auf sein Romandebüt Nachtspiel & Morgengrauen vorbereitet, aber es kam - wie so oft - anders. Wer Erik kennt, der weiß, dass ihn das nicht aufhalten wird, wie der vorliegende Band zeigt, an dem vor allem eines abzulesen ist: der unbändige Drang zum Fabulieren.


    Seine drei Geschichten stammen aus unterschiedlichen Schaffensphasen. Raumflucht ist die erste und kürzeste, und hier weht uns ein Hauch des Lovecraftschen Horrors an. Allerdings wird hier nichts nachgeahmt, weder Atmosphäre noch Sprache übernommen, wie es andere in Ermangelung eigener Kreativität oft versuchen - und reihenweise scheitern; Erik R. Andara hingegen bleibt sich treu, indem er den Horror auf eine melancholische Art bearbeitet. Was damit gemeint ist, wird schnell ersichtlich, wenn man die unterschiedlichen Typen betrachtet: da gibt es jene, die sich mit Blut schmücken und denen es nicht brutal genug zugehen kann. Eigentlich beinharte Realisten, deren Vorstellungsvermögen den eigenen Körper kaum verlässt. Wir kennen auch die Nachahmer, die ihr ganzes Autorenleben lang ihrer Stimme hinterherrennen, sie aber nie einholen werden. Und dann sind da die Beobachter, die ihren Blick nach innen wie nach außen richten, die wissen, dass von einer einzelnen Geschichte die Existenz des ganzen Universums abhängen kann.


    "Es wundert mich nicht, dass seine Stimme das nächste Mal just in jenem Moment erklingt, in dem ich kurz davor bin, mich wieder auszustrecken, um mich der Finsternis zu ergeben."

    Drei Ebenen fließen bei diesem ersten Stück ineinander, besser gesagt: flankieren sich. Auf der einen Seite haben wir Decker, den Erzähler selbst, auf der anderen seinen Nachbarn, einen alten Freund seines verstorbenen Vaters, der diesem vor seinem Tod versprochen hatte, sich um seinen Sohn zu kümmern. Dieser Nachbar führt, so hat es bald den Anschein, nichts Gutes im Schilde, als er vor Deckers Tür auftaucht. Das die beiden Protagonisten verbindende Glied ist ein Brief des Vaters, der den unmöglichen Umgang des Nachbarn mit Decker ins rechte Licht rückt. Was hier noch wie eine kleine aber keineswegs uninteressante Fingerübung erscheint, ist bereits auf engstem Raum durchkomponiert und ein guter Vorlauf zur titelgebenden Geistergeschichte Am Fuß des Leuchtturms ist es dunkel.


    Richard hat sich nach einem Unfall, über den wir erst später etwas erfahren, von der Welt zurückgezogen. Er haust in einem Zimmer im 8. Stock und pflegt noch nicht einmal persönlichen Kontakt mit seinen Eltern, lässt sich Essen und saubere Wäsche vor die Tür stellen. Seine einzige Verbindung zur Außenwelt ist sein Computer, seine 1900 virtuellen Freunde sind alles, was er benötigt - weil er diese Welt in seiner selbstgewählten Isolation kontrollieren kann.


    "Selbst das Krokodil geht bei Regen ins Wasser",

    tippt Richard eines Tages in seinen Facebook-Statusbericht und löst damit etwas aus, das er ganz sicher nicht erwartet hat, denn ein geheimisvolles Mädchen dringt in seine sicher geglaubte Umgebung ein, zunächst ebenfalls virtuell, indem sie auf seinen Eintrag antwortet. Als sie allerdings im Regen vor seinem Fenster schwebt und auch noch Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Schwester hat, beginnt die Sache schnell aus dem Ruder zu laufen und Richard kämpft um sein nacktes Überleben. Oder geht es um etwas Anderes?


    Eine Geistergeschichte lebt von ihren psychologischen Momenten, von dem, was im Unterbewusstsein seiner Protagonisten schlummert, und genau das haben wir hier vor uns. Es ist stets ein Leichtes, Selbstzweck zu üben, aber das geschieht hier nicht. Schuld, Angst, Zweifel, Tod ... all das ist der Stoff, aus dem eine gute Geistergeschichte gemacht wird. Und dass es Andara gelingt, seine Erscheinung mit einem Smartphone auszurüsten, ohne albern zu wirken, sollte hier unbedingt ebenfalls erwähnt werden.


    Nachtzug nach Carcosa, so lautet der verheißungsvolle dritte Akt, der eine ziemlich überraschende Botschaft in sich trägt:


    "Der König ist ein sehr fürsorglicher Mann [...] wer würde ihn wohl noch ernst nehmen, wenn seine liebevolle Seite allgemein bekannt wäre?"

    Schwer vorstellbar, dass es ich hier nicht um eine Persiflage handelt. Carcosa und der König in Gelb sind seit der erfolgreichen ersten Staffel aus dem Hause HBO, True Detective, immer mal wieder der Mittelpunkt der schreibenden Zunft. Weniger ausgelutscht wie manche Lovecraft-Themen wirkt Carcosa, wenn auch älter als der Cthulhu-Mythos, frischer und unverbrauchter. Es geht um die Kraft, mit der ein Mythos gezeichnet wird: Geschichten, die ein literarisches Universum miteinander teilen, definiert von der unerklärlichen Furcht vor äußeren, unbekannten Kräften des unauslotbaren Raums. Dieser Satz, der selbst von Lovecraft stammt, zeigt auch die Freiheit auf, mit der man sich als Autor einen bestehenden Mythos einverleiben kann, um dann etwas eigenes daraus zu machen. Erik R. Andara zeigt auch in diesem surrealen Stück, wie das geschehen kann, indem er mit Erwartungen spielt und diese dann in eine ganz andere Richtung führt.


    Wie in allen drei Erzählungen lebt auch der Nachtzug von einem Kontrapunkt. Jakob ist Angestellter in einem Copy Shop und hat Ärger mit seiner Freundin, denn er hatte eine heiße Nacht mit deren bester Freundin verbracht. Er weiß, dass ihm nach Feierabend noch eine lange Nacht bevorstehen wird und wartet nur darauf, dass die "Verrückte", die noch ein paar Blätter kopiert, das Geschäft endlich verlässt, damit er zuschließen und sich mit seiner Partnerin aussprechen kann. Auch hier arbeitet Andara geschickt mit den neuen Medien. SMS und Whats App erscheinen mir persönlich, der ich das gewöhnlich zutiefst in einer Geschichte missbillige, völlig natürlich. Diese Einbindung funktioniert reibungslos und ist nicht etwa nur aufgesetzt, sondern gehört zur Erzähltechnik des Autors, der die dadurch entstehende Dimension der Kommunikation geschickt für seine Zwecke nutzt. Gesehen habe ich das zum ersten Mal bei "Sherlock" - natürlich anders als hier. Aber auch da wollte ich die Flimmerkiste ärgerlich ausschalten, bis ich bemerkte, dass es vorzüglich funktioniert.


    Auf ihrem Kopierer vergisst die letzte Kundin ein merkwürdiges Schreiben, das sich bald als Kettenbrief entpuppt und mit dem eine Warnung einhergeht. Der Inhalt betrifft die ewige Stadt Carcosa und den Gelben König. Aber bereits hier stutzt der aufmerksame Leser, denn darin wird verlautet, dass sich der König auf die Jagd nach aufrichtiger Liebe begeben hat. 13 mal 13 andere Menschen sollen davon unterrichtet werden. Das sei die einzige Möglichkeit, dem Gelben König zu entkommen.


    Jakob, endlich auf dem Weg nach Hause, steigt in die U-Bahn hinab und in den "falschen" Zug, nämlich in den besagten Nachtzug nach Carcosa. Eigentümliches begegnet ihm während dieser Fahrt, während er sich per Smartphone weiter mit seiner Freundin unterhält, die aber plötzlich ebenfalls von einigen Seltsamkeiten zu berichten hat, die Jakob für einen Drogenrausch hält. In Carcosa angekommen verbinden sich alle ausgestreuten Fäden zu einem kleinen burlesken Tanz und als Leser ist man entweder entzückt oder man schüttet den Kopf. Was er gerade hinter sich hat ist eine unterhaltsame Reise durch die Nachtseite der Fantasie.


    Erik R. Andara, das habe ich immer wieder betont, wird in Zukunft von sich reden machen. Seine Fabulierlust und sein Sinn, sich einerseits an den genrespezifischen Weisungen gütlich zu tun, dann aber gänzlich eigene Wege einzuschlagen, wird noch auf fruchtbaren Boden fallen. An seinem Beispiel ist abzulesen, wie schlafmützig hiesige Verlage eigentlich sind. Wohl dem, der sich diesen Autor angelt und Lust hat, mit ihm zu arbeiten.

    Das Vorwort von Jeff, sozusagen die Einführung, was es mit dem "Weird" auf sich hat, hatte ich damals für das Phantastikon übersetzt (neben weiteren Artikel von VanderMeer). Gegenwärtig übersetze ich Eric Bassos "Beak Doctor", wo und inwiefern das dann erscheinen wird, ist überhaupt noch nicht geklärt. Ich erwähne das, weil ich schon seit Drucklegung selbst mit dem Gedanken gespielt habe - damals im Zuge der "Miskatonic Avenue"-Anthologie, etwas Vergleichbares in deutscher Sprache herauszugeben. Das Problem sind wie immer die Rechte. Während es bei Non-Bestsellern kaum Probleme gibt, wird die Sache bei Bradbury und King schon etwas schwieriger. Bei der Nachlassverwaltung von Aickman hatte ich vor Jahren schon einige negative Erfahrungen gemacht.
    Hinzu kommen dann die Querelen um die Übersetzungen aus nicht-anglophonen Ländern.

    Was aber möglich sein sollte, ist ein Kompendium ganz ähnlicher Art, das allerdings nicht in einem einzigen Ziegel vorgestellt wird. Vielleicht sind ja hinter den Kulissen auch schon Verlage dran. Ich hatte Ann (VanderMeer) mal danach gefragt, aber sie sagte, da sei nichts geplant. Das war jedoch vor drei Jahren.

    Wie gesagt, habe ich einen Fokus auf Basso und Michael Cisco, und wenn mir niemand mit einer Veröffentlichung zuvor kommt, mache ich das vielleicht sogar alleine, sollte sich kein adäquater Verlag für die Herausgabe finden (was sehr wahrscheinlich ist, besieht man sich die Landschaft etwas näher).


    Was den Begriff "Weird" betrifft, gibt es keine Möglichkeit der Verdeutschung. "Dunkle Phantastik", was hier schon gefallen ist, halte ich für nicht zielführend, weil der Phantastikbegriff literaturwissenschaftlich in jede denkbare Sackgasse führt (gerade im deutschsprachigen Raum ist da eine entsetzliche Quacksalberei im Gange). Natürlich geht es nicht primär um eine andere Begrifflichkeit, "Weird Fiction" ist vollumfänglich legitim, und für die, die es angeht, auch der richtige Anreiz.

    Hallo, liebe Freunde der Phantastik,


    es ist tatsächlich so, dass ich nach langem hin und her beschlossen habe, die Seite einzustellen. Ich will aber all die Interessierten davon unterrichten, was diese Entscheidung für mich notwendig machte, weil ich an anderer Stelle bereits hörte, dass es an meinem fehlenden langen Atem lag.


    Im Dezember 2014 übersetzte ich ein Interview mit Thomas Ligotti für mein persönliches Weblog "Die Veranda", das ich seit 2007 betreibe und das in völlig anderen Kreisen als "Litblog" gelistet war. Der Grund meiner Übersetzertätigkeit war der, dass ich mich psychisch dermaßen ausgelaugt fühlte und nicht mehr an meinen eigenen Texten arbeiten konnte (ich kam erst frisch aus der Schweiz zurück und hatte mein Leben in ein Trümmermeer verwandelt). Die Beschäftigung mit meiner alten Liebe, der Phantastik und die damit einhergehenden Übersetzungen stabilisierten mich zu einer Zeit, da ich das Haus nicht verlassen konnte. Als weitere Artikel folgten, sprangen die Zugriffe der Veranda in die Höhe, was im Januar 2015 dazu führte, eine eigene Plattform für Phantastik zu gründen, weil meiner Meinung nach die "Veranda" zu diesem Zeitpunkt nicht dazu geeignet war. Es mag sein, dass man das auch heute so sieht, aber das spielt für mich heute keine Rolle mehr.


    Zu Beginn war es klar, dass das Phantastikon kein ein-Mann-Projekt werden kann. es gab viel positive Reaktionen und in Kürze hatten wir ein erstes Team zusammen, das sich aber nicht lange hielt. Etwas später gab es ein zweites Redaktionsteam, und auch das fiel auseinander. In den vergangenen 5 Jahren war ich ständig auf der Suche für die unterschiedlichsten Rubriken, aber das Endergebnis war, dass ich im Grunde jede Sektion alleine betreuen musste. Karin Reddemann war die Ausnahme, und ich bin ihr sehr dankbar für ihre immerwährende verlässliche Arbeit. Ihre Serien-Killer-Kolumne gehörte zu den erfolgreichsten des Phantastikon und war wohl neben "Was ist Horror?" das Herzstück der Seite.


    Da ich aber für alle Sektionen schrieb, ständig Übersetzungen lieferte und nebenher auch noch fast alle Rezensionen verfassen musste, war bald ein gewisses Unwohlsein vorhanden, auch, weil ich selbst Autor bin (wenn auch ein etwas seltsamer). Sicher liegt das Problem an der Vielseitigkeit, aber ich musste jedem Gastartikel förmlich hinterher rennen, selbst Zusagen wurden kaum eingehalten. Das frustrierte mich über alle Maßen. Mit Tobias Reckermann hatte ich ja einige öffentliche Gespräche über den Zustand der Phantastik in Deutschland, teilweise im Phantastikon und auf der Plattform "Nighttrain" nachzulesen. Reaktionen blieben aus, eine weiterführende Diskussion kam nie zustande.


    Natürlich mag das für manche so aussehen, als läge alles an meiner Ungeduld, ich hätte ja leicht die Schlagzahl verringern können. Man darf aber nicht vergessen, dass ich zu Beginn durchaus darauf spekulierte, dass das Phantastikon - seinem Namen nach - relativ alles vereinen könnte, was sich in diesem Sektor tut, das war alleine leider nicht zu schaffen. Selbst die Zusammenarbeit mit Verlagen erwies sich als äußerst schwierig, es klemmte also an allen Ecken und Enden.


    Wer sich erinnern mag: vor zwei Jahren wollte ich die Leitung des Phantastikon schon einmal aus diesen Gründen abgeben, um selbst eventuell nur noch Artikel zu liefern, aber mich um den Rest nicht mehr kümmern zu müssen. Das bedeutet: wenn ich mich zurückziehe, wollte ich sicher sein, dass das Phantastikon trotzdem weiterläuft und nicht von meiner Schlagzahl abhängig ist. Das Ergebnis war ebenfalls ernüchternd.


    Ich weiss, dass einige von euch das Besondere an diesem Magazin zu schätzen wussten und will nicht von einem grundsätzlichen Desinteresse sprechen, am Ende aber kam ich nicht mehr weiter. was gegenwärtig geschieht, ist im Grunde nichts anderes, als bereits 2014: Ich arbeite in meinem persönlichen Blog. Der Unterschied liegt nur darin, dass ich damals einen derart extremen Themen-Mix nicht wollte. wer darüber hinwegsehen kann, wird also auf der Veranda das gleiche Vorfinden wie im Phantastikon, mit Abstrichen, versteht sich, denn im Phantastikon konnte ich auch Beiträge anbieten, hinter denen ich nicht unbedingt stehen musste. Wir hatten insgesamt über 130 Autoren (natürlich inklusive meiner Übersetzungen). Aber es gibt dort eben auch die andere Seite: Werktagebuch, Fotographie, Lyrik etc. Alles ist viel persönlicher gehalten. Außerdem arbeitet auch die Malerin und Dichterin Albera Anders dort, die ja auch schon ab und zu im Phantastikon schrieb. Karin selbst hat im FantasyGuide sicher einen guten Hafen gefunden. es ist also nicht alles aus der Welt, es hat sich nur verändert und aufgefächert.

    Danke für das jünger machen. Kommt nicht mehr wirklich oft vor. ^^


    King war 86 definitiv Mainstream. Das war quasi seine Hochphase und jeder redete von dem Gruselmeister. Die Bücher gingen in der Schule rum und ich erinnere mich sogar an einen Film-Foto-Roman zu Stand by me in der Bravo. [Ber]

    Dennoch: mit negativer Grundeinstellung kann man keinen Film genießen. Ich zumindest halte die beiden Teile von ES für ziemlich gelungen. Und das Ende war halt genauso wie die vielen Enden seiner Romane. Sowas kann er einfach nicht gut.

    Gern geschehen :)

    Klar war King in den 80ern in aller Munde und hat das Genre dominiert, oder besser gesagt: neu erfunden. Mainstream und Erfolg halte ich aber nicht für Synonyme. Heute sind die das natürlich meist. Aber es gab seinerzeit ja keine eigentliche Bewegung neben King. Mir gefiel dieser besoffene, ausufernde Stil seiner Anfangszeit sehr gut, weil vieles davon eine rigorose Offenlegung aller möglichen Symptome war. Seit den 90ern ist der Herr ja kaum noch zu ertragen und er scheint seine Bücher den Filmen bereits vorauseilend anzugleichen.

    Naja, was hast du erwartet? King ist Mainstream, sowohl im Film als auch im Buch. Wenn du schon so schlechte Erwartungen hattest: warum hast du dir den Film dann angesehen? Um deine schon vorab feststehende Meinung zu bestätigen? Dafür wäre mir die Zeit dann definitiv zu schade.


    Warum?


    Weil es meine Aufgabe ist, und weil ich mich seit Jahrzehnten mit dem Phänomen King beschäftige.


    King war 1986 alles andere als Mainstream. Die Meinung, die ihr Jüngeren heute von King habt (ich gehe aufgrund deiner Argumentation mal davon aus, dass du ein jüngeres Semester bist), wird natürlich verzerrt durch ganz andere mediale Einflüsse. ES ist eine der besten Comin-Of-Age-Geschichten der modernen Literatur. Im Grunde dürfte sich es so verhalten, wie ich in diesem Essay geschrieben habe. Und s e l b s t v e r s t ä n d l i c h sehe ich mir an, wie sich das Medium Film dahingehend mitentwickelt.

    Teil 2 ist genauso schlecht wie ich erwartet hatte. Nun, "schlecht" ist hier relativ; die Kasse klingelt, und um etwas andere geht es bei diesem Popcorn-Kino ja nicht. Man will die Massen erreichen, und das hat man mit dieser Adaption geschafft. Ich selbst erwarte von King-Verfilmungen im Grunde nichts, beobachte aber halb amüsiert, was sich im Horror-Mainstream-Kino so tut, nur um Gewissheit zu haben.

    Wenn man bedenkt, dass "trivial" etwas Ideenloses und Alltägliches bezeichnet, wird doch schnell klar, dass es sich dabei eigentlich nicht um das handeln kann, was wir uns alle angewöhnt haben "Trivialliteratur" zu nennen. Wir folgen da wie selbstverständlich einer Denkstruktur, die eigentlich fatal ist. Vor allem stand das sogenannte Triviale schon im 18. und 19. Jahrhundert gegen die Ergüsse Goethes und seines Hofstaates. Ludwig Tieck, dem wir die ersten ästhetischen Horrorerzählungen überhaupt zu verdanken haben, war sicher einer der größten Autoren seiner Zeit, hat aber quasi das mit erfunden, was wir heute als "Schreibfabrik" bezeichnen würden. Andere Beispiele gibt es in anderen Ländern: Alexander Dumas zum Beispiel galt damals als trivial. Man lege aber seinen Graf von Monte Christo mal spaßeshalber neben einen John Sinclair. Dagegen ist Dumas Hochliteratur (was er nie war und auch nach heutigen Maßstäben nicht ist). Was ich damit sagen will: Ein Text ist in erster Linie ein Text, darüber hinaus ist er erstmal nichts. Ich hatte in meiner Schulzeit einen Freund, der John Sinclair sammelte und durch ihn auf die Mystische Kabbala und die Hexenverfolgung im Mittelalter kam. Nun kann man also kaum davon reden, dass John Sinclair in diesem Fall ideenlos und alltäglich ist. Zumindest mir ist auf der Straße noch kein Scotland Yard-Beamter mit einem Kreuz um den Hals und einem Chinesen im Schlepptau begegnet. Genres allein sind schon eine Krux, aber tatsächlich las ich schon Heftromane, die wesentlich besser geschrieben waren als vieles, was heute irgendwelche Mainstream-Buchpreise abräumt. Der Sinn hinter all diesen künstlichen Hierarchien ist reine Politik und Kastendenken.


    Trotzdem darf man natürlich sagen, dass JS wohl aus literarischen und ästhetischen Gesichtspunkten nicht besonders interessant und auch limitiert ist. Das hat aber andere Gründe, die hier nicht zur Debatte stehen. Werfen wir einen Blick auf die Comics, die ja aus einer ähnlichen "Schmuddel"-Ecke kommen, dann werden wir Zeuge einer wesentlichen Emanzipation. Viele Werke der neunten Kunst gehören mittlerweile zur Weltliteratur, vor 50 Jahren waren sie hauptsächlich Dreck. (Das waren sie nie, aber sie wurden als solches bezeichnet).


    Was wirklich trivial ist, ist mein Einkaufszettel - wobei nicht mal das stimmt, weil ich dort oft Wortspiele betreibe und schon mal "Nutteln" oder "Nabanen" darauf stehen habe, also mich der Lyrik nähere :)

    Das ist natürlich das Kardinalproblem: Das "gewöhnliche" Lesepublikum hat da wahrscheinlich eher keinen Vergleich oder befasst sich kaum mit dem Originaltext. Und nur, weil einem ein übersetztes Buch gefällt, sagt das noch nichts über die Übersetzung aus. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie man das bewerkstelligen sollte.


    Für mich selbst ist eine Übersetzung immer dann gut, wenn sie einerseits nah am Text bleibt, aber "Unüberstzbarkeiten" sinngemäß und durchdacht zu übertragen weiß. Das Problem kenne ich ja selbst zur Genüge. Manchmal möchte man als Übersetzer den Ursprungstext "verbessern". Das kann gut gehen oder auch nicht. Es ist wirklich schwer zu beurteilen,