Beiträge von Katla

    Felix Sehr gern geschehen - 'viel Spaß' kann ich da natürlich nicht wünschen, aber eine widerständig-bereichernde Leseerfahrung ist es auf jeden Fall. Jetzt nach ein paar Jahren erwäge ich sogar, es ein zweites Mal zu lesen, obwohl ich das Buch direkt nach dem Lesen fast ins Antiquariat gegeben hätte, so unangenehm ist die Atmosphäre darin. Wirklich genial gemacht.


    Andrei Platonov

    Die Baugrube. Berlin 1971 und neu übersetzt 2016/2019, alle Suhrkamp TB, 238 S. Leseprobe und Hintergrundinfos auf der Suhrkamp-Homepage.

    The Foundation Pit. NY 2009. New York Review Book Classics, 208 S. Reviews und Infos auf der Verlagsseite.


    Ich habe die englische Ausgabe gelesen, die – obwohl sie sinngemäß das Gleiche ausdrückt – mir wesentlich besser gefällt: sie wirkt stark reduziert, harsch, während das Deutsche zumindest in der Neuübersetzung adjektivlastiger und teils unangemessen niedlich klingt. Beide sind erstaunlich ähnlich aufgemacht und zu einem günstigen Neupreis zu haben.


    Aufmerksam geworden war ich vor Jahren durch eines der exzellenten, sehr spannenden Onlineinterviews mit Dmitri Gluchowski, in dem er angab, dass er Metro 2033 unter dem Einfluss v.a. dieser pessimistischen Dystopie geschrieben habe.

    Platonov (1899-1951) verfasste das Werk bereits 1930, es konnte wegen der Zensur aber erst 1987 (!) im Original veröffentlicht werden.


    Plot: Irgendwo im russischen Niemandsland wird eine Baugrube ausgehoben, um ein bisher unübertroffen großes Wohnhaus für ‚die neuen Menschen‘ – die erste Generation Sowjetbürger – zu errichten. Es fehlt an Koordination, Material und Arbeitskräften, die Arbeiter selbst sind der unmöglichen Aufgabe nicht gewachsen: es ist eine Gruppe u.a. Versehrter, Altersschwacher und Alkoholkranker, die jede Perspektive verloren haben, teils auch die Möglichkeit zur Interaktion, Kommunikation, und die durch die Lebensumstände verroht sind. Ganz gleich, wie sehr sie schuften, kommen sie dem Ziel kein Stück näher. In diese von Gewalt gezeichnete Welt kommt ein Kind (wie es erst aussieht, eine Waise) und die Arbeiter nehmen sich ihrer an. Dabei finden sie einen Teil ihrer Empathie, ihres Verantwortungs-, und auch Selbstwertgefühls wieder. Das kleine Mädchen ist jedoch alles andere als niedlich, es urteilt gefühlskalt und brutal gemäß der erlernten Sowjetparolen und vermittelt den Arbeitern, dass sie ohne eine fehlerlos gelebte kommunistische Ideologie wertlos sind. Ebenso zeigt sie eine unkindliche Hassliebe zu ihrer tatsächlich noch lebenden bourgeoisen Mutter, die später zu der Gruppe stoßen wird. Es ist klar, dass die Baugrube ebenso wenig fertiggestellt werden wie die Menschen umerzogen werden können, und die Erzählung endet in einer Tragödie.


    Wenn ich Eva Hornungs exzellenten Dog Boy ausnehme, ist dies der mit sehr weitem Abstand düsterste und deprimierendste Roman, den ich je gelesen habe, ein echter wrist-slitter. Durch die absurde Ausgangslage und die expressionistisch, teils surrealistisch anmutende Erzählweise liest sich diese ultra-pessimistische Dystopie wie reine Phantastik. Dabei hat Die Baugrube aber genau wie die Troika der Brüder Strugatzki einen doppelten Boden: während die Strugatzkis in ihrer absurden SciFi-Novelle eigentlich von stalinistischen Schauprozessen erzählen, behandelt Platonov die seit dem 19. Jahrhundert existierenden Straflager, die später unter Stalin als GULAG berüchtigt wurden, und in denen geschätzte 30 Millionen Menschen Strafarbeit verrichteten – Stalins Version des „Tod durch Arbeit“. Nach aller-konservativsten Schätzungen starben in den als Umerziehungsstätten kaschierten Lagern zw. 1930-1953 knapp 2 Millionen Menschen, kritische russische Historiker gehen von mind. 10% aller Häftlinge aus.


    Die Baugrube nimmt damit auf absolut exakte und äußerst gruselige Weise Stalins absurde Konstruktionen wie v.a. die Salekhard-Igarka-Eisenbahnlinie (Die „Straße des Todes“) und den Weißmeer-Osteseekanal vorweg. Die kurz „Weißer Kanal“ genannte Schifffahrtstraße heißt so, weil sie wie die Schienen wortwörtlich auf Knochen gebaut wurde: an Erschöpfung gestorbene Arbeiter schaufelte man einfach in die ausgehobenen Fundamente. Der Kanal erwies sich direkt nach dem Bau als zu flach und wurde nie wie geplant genutzt; die Eisenbahnlinie führte über sumpfiges Terrain tatsächlich ins Nichts (phantastisch auch der heutige Zustand, Zugmaschinen und Waggons mitten im Wald – online zu finden unter „Stalin’s Railway / Stalin’s Trains“ und sehr zu empfehlen für Liebhaber des Abandoned …).


    Auch die Figur des Mädchens nimmt spätere Entwicklungen vorweg, als Kinder – vor allem von Bauern und vormaligen Gutsbesitzern – in den Schulen indoktriniert wurden, ihre eigenen Eltern auszuspionieren und nötigenfalls zu verraten. Dies führte tatsächlich zu unzähligen Inhaftierungen und Hinrichtungen.


    Platonovs Roman ist damit eine wahrgewordene Dystopie, die noch viel zu unbekannt ist und der ein absolut gleichberechtigter Platz neben 1984, Animal Farm und Brave New World gebührt.


    Kann man den irgendwo streamen?

    Im Original auf YT: "The Ninth Configuration (1980, William Peter Blatty)"


    Die Ratio sieht etwas seltsam aus (hä, das Kursive lässt sich nicht ausschalten, hat also keinen Grund, sorry :D)


    Zu dem Roman hab ich sehr gute Rezensionen gelesen, es sieht aber so aus, als sei ein ein reiner psychologischer Thriller mit einigen metaphysischen oder religiösen Themen, kein Horror.

    Mammut Klasse Interview, Michael, Zuch hört sich ja äußerst sympathisch an.


    Ich habe das Buch im zweiten Anlauf durchgelesen (einmal vor einigen Wochen auf der Mitte abgebrochen und gestern Nacht nahezu von vorn begonnen dann ausgelesen).


    Das Buch ist wirklich schön aufgemacht, hat ein absolut fantastisch tolles Cover, einige Illustrationen (von denen ich gern eine ganze Graphic Novel lesen würde), Lovecraft-Portraits bei den Kapitelüberschriften, angenehmen Font und schönes Papier. Also etwas, das man echt gern im Bücherschrank hat.


    Ganz so enthusiastisch wie meine Vorredner bin ich allerdings nicht, obwohl ich den Kurzroman dringend gern gemocht hätte und mit einem 'offenen Herzen' und aller Sympathie rangegangen bin.


    Das liegt an ein paar ganz speziellen Punkten, über die es mir nicht möglich war, hinwegzusehen:


    1) Exzessives Foreshadowing.

    Es wird so oft und so viel gedräut, gewarnt und foregeshadowed, dass das, was dann - irgendwann! - tatsächlich erzählt wird, der aufgebauten Erwartung nicht standhalten kann. Also dachte ich bei Dingen, die mich eventuell volkommen überzeugt hätten, wären sie unangekündigt gekommen: 'Wie, das war's jetzt?'

    Ja, es ist ein typischer Lovecrafteinsteiger, anzudeuten, dass der Erzähler Dinge gesehen hat, von denen er sich nicht erholen wird, dass er darüber den Verstand verliert etc., aber das fungiert bei ihm als Intro und wird nicht immer dann, wenn sich tatsächlich etwas Schräges / Bedrohliches anbahnt, wiederholt.


    2) Plot.

    Denkt man Lovecraftian + Plutomission kommt ganz genau das bei raus, was in dem Roman auch vorkommt, nicht mehr, nicht weniger. Der Plot bewegt sich straight von A nach B, es kommt was kommen musste und dann ist Schluß.

    Was sich mir nicht erschließt:

    3) Es scheint.

    Es heißt ja immer so frech 'nur die Sonne scheint'. So hart sehe ich das nicht, denn aus einem 'scheinen' können sich später konträre Analysen / Beobachtungen entwickeln, wobei man als Leser aufs Glatteis geführt und überrascht wurde. Manchmal 'scheint' auch etwas zu sein, von dem man weiß, dass es eigentlich unmöglich sein sollte. 'Scheinen' hat mAn also in der Phantastik durchaus eine Berechtigung. Zuch verwendet das Wort aber derart inflationär (bis zu einem halben Dutzend Mal auf nur einer Seite oder auch zwei Mal in einem Satz), dass es echt ein Trigger für mich wurde, über den ich nicht hinweglesen konnte; und dann verwendet er es tatsächlich inkorrekt: was bei ihm meistens scheint, wird im selben Satz so beschrieben, dass es auch objektiv, nachprüfbar so ist. Was soll das dann? Nach Lovecraft klingen? Ich kenne das so nur aus Anfängertexten online und mich hat das stark verwundert, weil das Gesamtwerk nicht den Eindruck macht, noch auf einem solchen Level zu sein. Ich meine fast, es gäbe keine Seite im Buch (Plutosequenzen), die ohne mindestens ein 'scheinen' auskommt.


    4) ... entgegen allen bekannten Naturgesetzen ...

    Dann folgt die Beschreibung z.B. eines Kubus, eines Gebäudes ohne rechte Winkel etc. Welchen Naturgesetzen widerspricht das denn? Keinen, die mir einfallen würden, das Beschriebene ist einfach nur ungewöhnlich. Wie mit dem 'scheinen' gibt es auch hierfür eine Berechtigung, aber dann sollten die Objekte nicht im Detail beschrieben, sondern nur angedeutet werden (wie Lovecraft selbst es u.a. macht), sodass man sich das 'außerhalb der Naturgesetze' selbst vorstellen muss - Zuchs Erzählerin widerlegt sich aber stets selbst, und das lässt diese Phrase eben doppelt leer wirken.


    Die Zusatzgeschichte "Der Besucher" hat mich dagegen nicht so gestört, wie einige andere hier. Allerdings nimmt sie arg viel vorweg, und ich meine, sie hätte als Extro, nicht Intro, wesentlich mehr Kraft entfalten können.


    Ingesamt sehe ich bei Zuch immer dann Stärken, wenn er sich vom lovecraft'schen Sprachduktus befreit und assoziativer, SoC-mässiger und elliptischer schreibt. Dies v.a. gegen Ende, bei der Action in dem Gebäude da selbst. Dann wird die Erzählung dynamisch, weckt Bilder, ist spannend, und wirkte auf mich haptisch/organisch, weniger konzipiert. So hätte ich mir das gesamte Buch gewünscht.


    Ansonsten haben mir die Beschreibungen der Plutomonde gefallen, die einen schon magischen Eindruck machten und sehr atmosphärisch wirkten; und die Bauten / Skulptur, die mich an eine Mischung aus Simmons göttergleichen 'Shrike' und den Monstern aus Splinter denken liess. Damit hätte Zuch für meinen Geschmack auch gerne noch mehr Zeit verbringen können.

    Das mit der 'gestrahlten Botschaft' hat mir - v.a. als Bogenschlag - auch irre gut gefallen.


    Interessant fand ich, dass Zuch als Autor eine Erzählerin wählt, sich dann aber um einen typisch lovecraft'schen Tonfall und Sichtweise bemüht (mit der Ausnahme einiger feministisch angehauchter Bemerkungen zu Frauendiskriminierung in der Raumfahrt). Dabei hatte ich beim Lesen fast die ganze Zeit einen Mann vor Augen. In diesem Wechsel durchaus eine - wenn auch nicht intendierte - spannende Perspektive.


    Wie schon nach Abbrechen vor ein paar Wochen merke ich aber, dass der Nachklang sehr viel wirkungsvoller ist, als das Lesen selbst; und würde das Buch auch keinesfalls wieder hergeben wollen. Auch würde ich auf jeden Fall wieder was Neueres von Zuch lesen wollen (mich interessiert da v.a. das im Interview angesprochene Kali-Buch).


    In Punkten ausgedrückt:

    Beim Lesen 3/10, Nachhall 8/10.

    col.race Jugendbuch mag als Argument durchgehen, stimmt, aber interessanterweise wurde es Anfang der 90er in einem ganz anderen Kontext rezipiert, eben als feministisches Werk für ein erwachsenes Publikum. Nicht nur Clive Barker (mit Thief of Always), Tanith Lee, Michael Ende etc. zeigten, dass Jugendbücher auch diffrenzierter sein können.


    Hast Recht, die Verdrehung von traditionellen Geschlechterrollen war ein beliebtes Thema damals, und Ende der 80er noch erfrischend anders.

    Aber ich habe an sich eher den Eindruck, dass man durch entsprechende Kameraarbeit und eine engere Orientierung an technischer Körperlichkeit bei Kampfszenen den Eindruck zu wecken versucht, dass das, was geschieht, wirklich so geschehen könnte.

    Hm, vielleicht sehe ich das auch sehr streng, aber ich meine sowas wie hier bei aller-allerspätestens 5:00'. Im Vergleich zu sowas (ab ca. 2:18'), das sind halt practical effects und teils bei gleicher Geschwindigkeit wie der Zug in Skyfall. Mir ist klar, dass bei einem 300 Millionen Dollar Film kein Geld reinkommt, wenn man Editing und Stunts aus 60ern - 80ern verwendet. Aber für mich verliert ein Film nicht nur die "Seele", sondern auch die Glaubwürdigkeit, wenn es immer nur um höher, weiter, schneller geht. Ich hab zu CGI-Stunts in non-speculative Action Filmen einen tollen Artikel gelesen, der gut dalegte, dass Figuren durch solche CGI-lastigen Stunts auch auf Emotionsebene unnachvollziehbar werden, wenn ich den wiederfinde, schicke ich dir den gern.

    Gerade nach STIRB AN EINEM ANDEREN TAG lernte man offenbar zwei ganz wichtige Lektionen: in die Post 9/11-Welt passt der "klassische" Bond einfach nicht mehr rein, was zwangsläufig zu Craigs düsterer Darstellung führt

    Sehr interessanter Punkt. Actionfilme haben sich seit 9/11 eh massiv verändert (auch durch die Überbetonung von ungebrochenem Patriotismus), das war genau die Zeit, in der ich aufgehört hab, die zu schauen. Die hatten bis dahin gut ein Drittel meiner Kinobesuche ausgemacht.


    Ich stimme zu, dass der Brosnan-Bond überholt war (eigentlich seit seinem Film #1, hrhr), aber so eine Anpassung traditioneller Figuren an postmoderne Szenarien ist gut möglich, ohne dass die Vorlage dabei komplett umdefiniert wird. Siehe eine ganze Reihe Shakespeare-Verfilmungen, die Diktaturen des 20. und 21. Jahrhunterts als Setting nehmen (Coriolanus, Richard III, Titus, die beiden ersten haben großangelegte Actionszenen) oder der neue BBC Sherlock. Das müsste auch mit Bond funktionieren, gerade über einen Retro-Effekt.

    Er konzipierte Bond als pessimistischen Anti-Helden, als Killer; sein Bond war auch stets bis zu einem gewissen Grad eine (vom Krieg) gezeichnete, gebrochene Person.

    Ich hab nur drei Bücher gelesen, und war da auch (sehr positiv) erstaunt, wie 'kalt' und rau die sind. Eine Verfilmung in kleinerem Rahmen würde ich enorm spannend finden, sowas wie Alfredsons Tinker, Tailor, Soldier, Spy (2011). Auch wenn natürlich le Carré und Fleming nicht über einen Kamm geschert werden können.


    Mein Wunschbond wäre ja Mikael Persbrandt, auch wenn er erst in einem Alter harsch genug aussah, in dem extreme Stunts nicht mehr sinnvoll wären. Er hat aber genau die perfekte Mischung aus Durchsetzungskraft, Intelligenz, Grausamkeit, Unberechenbarkeit und eben - wie du sagst - dem Gebrochenen, die ich auch beim Fleming-Bond sehe.

    Im Original übrigens JAWS getauft, eine klarer Wink gen Spielberg respektive dem Weißen Hai.

    Haha, wie geil, das wußte ich gar nicht. Bis Brosnan hatte ich alle Bonds synchronisiert gesehen.


    Nach euren Eindrücken gucke ich mit etwas mehr Zeit Casino Royale nochmal neu, und gebe mal Spectre eine Chance. Bei Casino gab es ja Eva Green (hallo!!!), Mats Mikkelsen und ein paar tolle Classic Yachten, es wird schon nicht so wehtun.

    Eigentlich erfüllt dieses Buch alle Voraussetzungen dafür, dass ich es richtig gut finden muss. (...)

    bleibt es doch leider weit hinter den Erwartungen zurück und verschenkt VIEL Potential, wird so für mich zu einer reinen Aneinanderreihung surrealer Panoptika, die mitunter mehr als willkürlich wirkt

    Das habe ich echt bei jedem seiner Bücher gesagt, mit Ausnahme des Kraken (das las ich zweimal direkt hintereinander, aber mehr wie 10th Doctor Fanfiction) und einigen Geschichten aus seiner Horrorstory-Sammlung Looking for Jake and Other Stories.


    Tolle Prämissen, Settings, Ausgangslagen und Ideen, die sich absolut grandios & innovatv anhören, und dann zerfasert sich alles, die Ideen werden nicht ausgespielt, die Settings / Konflikte willkürlich bzw. teils nicht sauber gelöst, und dann endet alles nicht mit einem bang, sondern einem whimper.


    Auch wenn ich seinen unhinterfragten Marxismus ablehne, ist mir der Autor absolut zutiefst sympathisch und ich will ihn dringend mögen, aber nach einigen durchgelesenen (The City & The City, Railsea, Embassytown) und einigen abgebrochenen Büchern (Iron Council, Perdido Street Station, King Rat) sehe ich da langsam keine Chance mehr.


    The Infernal Desire Machines ... würde ich ebenfalls empfehlen, auch wenn ich dort - ähnlich wie bei Miéville - einige Erwartungen hatte, die nicht erfüllt wurden. Allerdings in sehr viel geringerem Maße, und dort lag es eben daran, dass die Autorin nicht das schreiben wollte, was ich gern gelesen hätte, nicht daran, dass sie an ihrem Vorhaben gescheitert wäre. Angela Carter schrieb auch tolle, phantastisch-feministisch-erotisch nacherzählte Märchen, und ist überhaupt für mich die bessere Margaret Atwood.


    Eine dystopisch-anarchistische Punkversion dieser Konzepte wäre wohl Kathy Ackers Empire of the Senseless, das lange Jahre zu meinen Lieblingsbüchern gehörte, und das ich vor 25+ Jahren zur gleichen Zeit las wie Carter, Le Guin und Clive Barker. Vielleicht das einzige als Roman und nicht assoziative Collage konzipierte Buch der Autorin.

    Erik R. Andara - Tausend Dank, super, das hilft mir, dann habe ich das korekt in Erinnerung und kann das guten Gewissens so sagen.


    Ja, ich habe gelesen, dass sie dort in erster Linie daoistische Weltanschauungen verarbeitet hat, dass die sogar quasi das Rückgrat der Reihe waren. Mein chinesisch-amerikanischer Ex hatte sich u.a. im Daoismus verortet, das klang - so man diese esoterischen Konzepte überhaupt mag - sehr freigeistig und naturnah. Passt damit auch zu eurem Gesamteindruck der Werke.

    Das neue Cover sieht ja wunderschön aus.


    Ich traue mich kaum, das bei all dem Enthusiasmus hier zu sagen, aber: Ich hatte das vor dreißig Jahren gelesen, als ich ziemlich politisch engagiert war, und sehr viel Fantasy auch von feministischen Autorinnen las (u.a. Tanith Lee, C. J. Cherryh, Marockh Lautenschlag und sogar die Amazonenanthologien von Zimmer-Bradley).


    Und über EarthSea habe mich so aufgeregt, dass ich es nach zwei Dritteln abbrechen musste. Auch wenn ich absolut nichts gegen das Weltverständnis an sich habe, fühlte ich mich derart penetrant gedrängt, pazifistische, sozialkompetente und einfach nur 'gute' Charaktere zu bevorzugen, dass ich mich überhaupt nicht mehr auf anderes konzentrieren konnte. Ich habe eine absolute Allergie dagegen, wenn Fiktion gutgemeintes Lehrstück / Moralparabel ist, egal, ob mir die politische Richtung eigentlich gefällt oder nicht. Von dem Buch (ich kann leider nicht mehr sagen, welches der Reihe es war) hatte ich mich einfach total manipuliert gefühlt. Dadurch, dass das so lange her ist, kann ich leider keine Beispiele anführen oder argumentieren, außer eben mein Leseerlebnis zu schildern, sorry.


    Jetzt habe ich aber eine Frage in die Runde, weil ich das Buch nebenbei in einem Essay erwähnen möchte:

    Würdet ihr zustimmen, dass EarthSea eine - durchaus mit komplexen Konflikten ausgestattete - moralische / sozialpolitische Parabel oder vllt. sogar eine Utopie ist? Utopie in dem Sinne, dass ein bestimmtes Verhalten von Figuren als der einzig gangbare Weg für eine bessere Zukunft gezeigt wird? Oder wie würdet ihr das in ein, zwei Sätzen beschreiben?


    (Nebenbei: in dem Essay werde ich das Buch nicht kritisieren, allein schon, weil das in anderer Form als einem persönlich Komm unseriös wäre. Ich komme aber grad weder an eine Ausgabe heran, noch habe ich neben den anderen zu zitierenden Werken Zeit, es nochmal zu lesen. Ich wäre euch wirklich dankbar, wenn ihr mir aushelfen könntet. (Hier oder per PM. Danke! :*)

    Sehr geerdet, großartige Action

    Genau, und eben das fehlt mir bei den neueren (also post-90ern) Filmen total.

    Interessant, dass Craig hier relativ schlecht davon kommt. Hätte ich gar nicht gedacht.

    Ich war von mir selbst überrascht, weil ich bei der Ankündigung sicher war, das würde der perfekte Bond. Ich hab fast den Eindruck, dass Craig sich die Figur nicht genug zu eigen gemacht hat, entgegen seinem sonstigen Schauspielern (auch bei Action, in Lara Croft klappte das perfekt, das war eigentlich schon ein Indy-Bond-Bastard).

    Das gleiche Problem habe ich beim 12th Doctor, Peter Capaldi. Ich mag den Schauspieler total gern, und hoffte auf ein Revival des harschen, sarkastischen 1st Doctor / Harnell, v.a. durch Capaldis Auftritte als Malcolm Tucker (In the Thick of It). Aber dann ist er die Rolle zu vorsichtig, respektvoll angegangen, und wurde - ebenso wie Craig - auch durch schwache Drehbücher / Konzeption behindert.

    Ich meine ja, auf Craig als Aushängeschild lande auch ungerecht viel Kritik, die eigentlich in Richtung Konzeption, Drehbuch / Plot, CGI-Overkill etc. gehen sollte.

    Das Drehbuch stammt übrigens von Roald Dahl, der aufgrund einer Karriere bei der Royal Air Force später selbst ein wenig Erfahrung als Upper-Class-Spion sammelte und Ian Fleming persönlich gut kannte.

    Wow, das wußte ich nicht, sehr cool!

    Hm, meinst du, der Film nimmt 70er-Ästhetik vorweg? Gedreht wurde er ja 1961.

    Ja, war mir klar, so meinte ich das tatsächlich. Das ist so eine Boney M-Cover Ästhetik, diese Mischung aus Exploitation und bunter Popkultur, die ich noch nicht so typisch für dier 60er sehe.

    Aber irgendwie macht es Bond auch banaler, wenn er verstärkt Sachen verwendet, die praktisch jeder zu Hause hat. Mag sein, dass das manche im Hinblick auf Realismus gut finden, aber für mich machten die zahlreichen Gadgets einen Teil des Reizes aus.

    Ich könnte auch deinen gesamten Post zitieren. Gute Analyse, ich stimme absolut zu.

    Ich sehe diesen Trend übrigens auch in sonstigen Aspekten fortgesetzt, bspw. der krasseren Agilität Bonds bei Verfolgungsjagden und den härteren Kampfszenen. Hier orientiert man sich fraglos an Filmen wie der "Bourne"-Reihe, die davon leben, eine Nähe zur realen Machbarkeit zu suggerieren.

    Absolut. Wobei ich wie gesagt sogar denke, die Actionszenen und Stunts werden - auch bei Bourne - immer weiter von real Machbarem bzw. menschlich Möglichem wegbewegt und einnern sehr viel mehr an Verfilmungen von Graphic Novels oder SF wie Terminator.

    Wie wahrscheinlich viele Leute meines Alters, bin ich mit Bond-Filmen großgeworden, da sie in den 90er Jahren regelmäßig Samstags um 20.15 Uhr gesendet wurden

    Da dachte ich schon: Ja, aber wir sind doch gar nicht im gleichen Alter. ^^ Ich bin auch damit aufgewachsen, weil das größte (und schönste) Kino meiner Heimatstadt immer samstags eine Matinee brachte, und zwar die vollständige Reihe, deren Abschluß dann Der Spion, der mich liebte bildete, der da neu rausgekommen war. Der Beißer war einer meiner Lieblingsbösewichte, auch wenn ich dann Moonraker etwas over the top fand.

    Roger Moore ist also auch mein Bond, gefolgt von Connery, den ich im Vergleich immer zu grob / nicht so sophisticated fand. Eigentlich hätte Craig mein Favourite werden müssen, weil er wieder mehr Harsches und Abenteuerliches hätte herinbringen müssen, aber diese Gesichts-OP hat mir das völlig verleidet, außrdem wirkt er erstaunlich unscheinbar in der Rolle, die eigentlich so ein Alphamännchen braucht. Zudem sind mir die neueren Filme viel zu unrealistisch (die 'Stunts'), zu hektisch geschnitten und zu wenig Plot-orientiert.


    Meine drei Favourites:


    1. For Your Eyes Only / In tödlicher Mission

    Schickes Setting, tolle 'nachvollziehbare' Stunts, und Bouquet fand ich da auch von der Chemie her passend. Den Flm fand ich ungewöhnlich abwechslungsreich, und er hatte - wenn ich mich richtig erinneren - auch ziemlich smarte Dialoge.


    2. The Spy Who Loved Me / Der Spion, der mich liebte

    Auch hier fand ich Settig & Stunts toll, dann natürlich den Beißer und das Amphibienauto. Und mit U-Booten kann man eh nix falsch machen.


    3. You Only Live Twice / Man lebt nur zweimal

    Die Story hat mich nicht so vom Hocker gehauen, aber dieses wunderschöne futuristische Gebäude mit all den Falltüren und dann ein Haibecken. Das rothaarige Mädel ist süß und mir gefällt dieses Trashig-Exotische bzw. B-Movie-Ähnliche sehr gut.


    Dr. No hat mir auch gut gefallen, sehr 70es, sehr dirty.


    Die drei Abschlußlichter:


    1. Die Another Day / Stirb an einem anderen Tag

    Die Story fand ich gar nicht mal so schlecht, recht klassisch, soweit ich mich erinnere. Ich finde Brosnan per se unerträglich und war nur wegen Lawrence Makoare (Dead Lands, u.a. Lurtz & Witchking in LotR) im Kino, der teils recht spektakulär aussieht, aber leider eine so unglaublich tumbe Rolle hat. Brosnan ist mir viel zu geleckt, den kann ich nicht als Bond rnst nehmen. Das Mädel hat mich genervt; und ihr Nachahmen von Ursula Andress' ikonischer Szene fand ich einfach nur peinlich.


    2. Skyfall

    Ich dachte ja, ich würde mich mit Craig wieder in Bond einsteigen können, aber das Intro war so superheldig-unrealistisch, hatte so eine verrückte Kameraführung und Stakkatoschnitt, dass ich nach dem Intro emotional vollkommen ausgestiegen bin. Schade, ohne diese larger-than-live Stunts und die Hektik hätte der mir wohl sehr gut gefallen.


    3. A Quantum of Solace / Ein Quantum Trost

    Eine Rasberry bitte für den dümmsten Titel der Filmgeschichte ... Den hatte ich nur wegen Craig und in erster Linie Olga Kurylenko gesehen, die mir in Centurion so irre gut gefallen hatte, und die kluge Sachen in Interviews sagt. Dann kriegt sie eine solche Dummchen-/Naivchenrolle, herrje. Für die Stunts & Kamera/Schnitt gilt dassebe wie bei Skyfall. Natürlich ist Bond grundsätzlich over the top, aber wenn ich das so extrem sehen will, schaue ich mir X-Men oder sowas an.



    Es gibt übrigens ein wirklich tolles Audioplay von On Her Majesty's Secret Service, in dem David Tennant (Doctor Who) Bond verkörpert. Sehr empfehlenswert!

    Nils Ja, Requiem ist ein echter wrist-slitter, aber - das mag sich jetzt nach einem totalen Widerspruch zum Eingangsposting anhören - Patrick Melrose ist im Grunde eine grausame Tragödie, aber beim Anschauen in erster Linie witzig. Richtig schwarzer, abgrundtief böser Humor, teils auch albern und sehr grotesk. Man lacht und denkt, das man darüber eigentlich nicht lachen sollte. Dabei ist es oft Selbstironie des Erzählers / Protas. Und ansonsten eine Stärke des Films, dass nie nach unten getreten wird.


    Der Humor lässt die Grausamkeit und Ausweglosigkeit mehr hervortreten als dass er sie entschärft. Es ist echt eine Gratwanderung, die selten aufgeht, aber hier wirklich toll funktioniert. Das mag daran liegen, dass die Vorlage eine verfremdete Biographie ist, keine Fiktion.


    Eines muss ich allerdings korrigieren: on screen Gewalt gibt es kaum - obwohl ich Melrose gerade vor zwei Wochen sah, haben sich zwei markante Szenen aus Exit in mein Gedächtnis geschlichen. Die beiden exzellenten Serien spielen in einem ähnlichen Milieu, haben ähnliche Figurenzeichnungen und sogar ähnliche Settings, Farben und Kameraführung. Gäbe es noch die Korrekturfunktion, hätte ich das verbessert.