Danke für den Scan! Da werde ich mal einen Kauf riskieren.
Gern geschehen - berichte doch mal, was du davon hälst, dann.
Ich bin mit meinen beiden Ausgaben durch, wobei mir eine wesentlich besser als die andere gefallen hat (eine habe ich nach der Hälfte im Quickread gelesen). An sich ist das Magazin aber genau mein Ding - nicht nur wegen der Ausrichtung der Phantastik, den nicht ganz gewöhnlichen Themen, sondern auch wegen dem Mix zw. Non-Fiction und Fiction (wobei auch ein wenig Lyrik enthalten ist) und, weil spannende Kunst zwischen den Kapiteln zu finden ist. Ich hab mir also noch drei ältere e-Ausgaben bestellt.
Vol. 2, Issue 3, 2019
Highlights:
Matt Thompson: "Ascending Phases of First Contact"
Echt schräge Geschichte, die auf mehreren Ebenen läuft, irgendwie ist alles unheimlich, ohne wirklich unheimlich zu sein. Super gemacht, sehr schräg, genau, was ich haben wollte. Keine Ahnung, ob ich die Story wirklich kapiert habe, das macht aber nix. Von dem Autor würde ich gern mehr lesen, so viel scheint der aber nicht veröffentlicht zu haben.
Dan Stintzi: "The Flooded Cellar"
Beginnt als BSDM/Puff-SF mit potentiellem Peinlichkeitsfaktor und entwickelt sich bald zu einem unerwartet fiesen und spannenden Mind-fuck-Bodyhorror [no pun intended!]. Viel wird angedeutet und über Erwartungen erzählt. Netter Bissen.
Farah Rose Smith: "Over the Black Bridge - Expansion, Psychogeography, and the Living City in Andrey Belil's Petersburg"
(Mein Screenshot im Post oben)
Extrem cool, ich bin eh ein Fan von symbolischem Setting-als-Protagonist, ud das Essay ist einfach auch spannend aufgezogen und vermittelt - obwohl non-fiction - eine beklemmende, unheimliche Stimmung. Für mich auch einfach doppelt spannend, weil ich über ein ähnliches Thema (Landschaft & Stadt als Antagonisten in finnischen Drama-Filmen) mal in einem umfangreichen Artikel für das Mitgliedermagazin der finnischen Film- und Medienarbeitergewerkschaft geschrieben hatte. Nur dass ich entlang Schnitt und Kameraperspektive argumentierte, Smith sehr viel mehr Philosophie/LitWiss-betont schreibt. Tolles Essay.
Dejan Ognjanovich: Interview mit T. E. D. Klein
Tolles Interview, unglaublich unsympathsicher Gesprächspartner. Aber eben ein gutes, sehr interessantes Gespräch, bei dem sich Klein auch ein paar Mal echt aus der Reserve locken lässt.
Lowlights:
Wie gesagt das Essay zu Gigers und Lovecrafts "Musen". Keine klare Linie, keine ästhetische Sprache, und dann klingt doch alles sehr nach Klatsch & Tratsch, was sich dadurch bestätigt, dass fast alle (oder alle?) Quellen Internet-Links sind. Verarschen kann ich mich allein bzw. googeln kann ich selbst. Künstlich aufgeblasener, alberner Stil ("... the Swiss actress commands our attention ..."). Unangenehm auch, dass er die Personen oft beim Vornamen nennt, als sein das seine besten Kumpels gewesen.
Matthew B. Hare: "Every Nowhere"
Eine echt tolle Idee ein hätte ein schöner Anschluß an das "Petersburg"-Essay sein können. Leider hat der Autor eine gute Idee gehabt, und ist damit nirgendwohin gekommen. Stattdessen pseudo-philosophische innere Monologe. Bissl albern, schade drum.
Der Rest ist irgendwo dazwischen, das letzte Viertel schwächelt im Vergleich zum starken Anfang, was aber bei 205 (pdf)Seiten immer noch mehr besseren Lesestoff ergibt, als so manche Anthologie in Buchform.
Vol. 2, Issue 1. 2019
Highlights:
- Gemma Files KG "Venio"
Ein bisschen Mary-Sue mit viel Selbstironie, eine tolle Idee und etwas, das Nevills The Last Days in Ultrakurzform hätte werden können: Eine Gruppe junger Hobbyschreiber finden sich zur Bekämpfung ihrer Schreibblockaden zusammen, die Übung ist, eine Tür auf ein leeres Blatt zu zeichnen und sich dann vorzustellen, was dahinter ist. Alle haben identische Ideen ... Der Titel, Latein für "Ich komme", nimmt leider den Plot vorweg.
Files mag ich einfach, sie schreibt meist intensiv, sehr individuell und alles klingt leicht und unverstellt. Hier ist der Anfang sehr intensiv, dann liest es sich allerdings wie eilig runtergebrochen. Einige Bilder waren auch echt mehr (unfreiwillig) komisch, und zum Gruseln reichte es nicht, aber wie gesagt, sie hat eine echt eigene, gut lesbare Stimme.
- David Peak: "Horror Religious: The Dark Passions of Mark Samuels"
Samuels sagte mir nichts, und das Thema 'Religion' vermeide ich eigentlich, aber Peak wird langsam mein Favourite in der Weird Non-Fiction, der Artikel ist extrem spannend und einfach klar, intelligent und angenehm geschrieben. Peak hat wirklich eigene Ideen, Sichtweisen und frische Thesen, da ist nichts Wiedergekäutes oder reine Zusammenfassung von ähnlich gelagerten Büchern. Das allein war für mich die € 5,- Wert.
Vom Rest hat mir nichts richtig gut gefallen, ein, zwei Texte lese ich aber nochmal mit mehr Ruhe. Das Essay zu Perkins Gilman war noch gut lesbar und hatte gute Punkte, auch wenn das Thema nicht neu war. Von den Kurzgeschichten war mir vieles zu verkrampft mystisch/religiös/spirituell, und sehr vieles einfach belanglos, stilistisch & qualitativ auch eher etwas, das ich in Hobbyschreiber-Onlineforen erwarten würde: Jemand hat eine Idee für eine kleine Szene und baut irgendwas drumrum und dann hört es irgendwie auf. Mag auch an mir liegen, Horrorgeschichten, die z.B. in irgendwelchen Büros stattfinden mit irgendwelchem Büroalltag, sind echt nix für mich; und v.a. nichts, das ich in diesem Magazin erwartet hätte.
Trotz Kritik mausert sich das gerade zu meinem Lieblingslesestoff. Auf jeden Fall eine echt große Bandbreite an Weird-Themen, sowohl klassischen als auch aktuellen.