Beiträge von Cheddar Goblin

    Wenn ich ganz ehrlich bin, hab ich noch nix von Lindqvist gelesen, das mir gefiel, aber er ist mir ganz ungeheuer sympathisch.

    Lindqvist zählt jetzt auch nicht unbedingt zu meinen Lieblingsautoren, aber ich mag ihn und habe fast alles von ihm gelesen. Ich finde dass seine Bücher mit den Jahren auch irgendwie immer besser wurden. „Himmelstrand“ und „Die Bewegung“ (Teile einer Trilogie, deren Finale noch auf eine deutsche Veröffentlichung wartet) habe ich zum Beispiel sehr gemocht.

    Von Let The Right One In war ich wirklich absolut hingerissen, das sehe ich in allen Aspekten incl. der Botschaft und dem Ende als perfekten Film. Ich hatte Lindqvists Roman danach gelesen, fand ihn irgendwie belang- und richtungslos, stilistisch total simpel...

    Den Film mochte ich ebenfalls, das Buch habe ich jedoch noch nicht gelesen.

    War ja sein Debüt als Schriftsteller und da er sich mMn bei jedem seiner Werken gesteigert hat (s.o.), sind meine Erwartungen diesbezüglich auch nicht allzu hoch. Lesen werde ich es aber definitiv irgendwann mal.

    Für Border freut mich daher, wenn es Rezipienten wie Anderswelten gibt.

    Sehe ich auch so. Wenn das so rüber gekommen sein sollte: Mein Unverständnis bezüglich der Kritik von Anderwelt war in keinster Weise despektierlich gemeint.

    Auch Jordskott (in der brillanten Serie hat Eva Melander / Tina eine kleine Nebenrolle) und Thale behandeln genau dieses Thema, allerdings ganz wesentlich innovativer und schräger.

    Mit "Jordskott" habe ich nach deiner Lobpreisung übrigens gestern mal angefangen. Hab bisher aber erst eine Folge gesehen und kann noch nicht wirklich etwas dazu sagen.

    Im Sinne der Folklore sollten Tina & Vore schon aus dem Grunde den Menschen überlegen sein, weil das Paranormale im Volksglauben tendenziell auf alte regionale Gottheiten zurückzuführen ist. Diese Verbindung zieht Abbasi nicht (...) Wenn Abbasi nichts von dem Hintergrund des Volksglaubens einfließen lassen will (weil ihn das nicht interessiert, fair enough), ist dieses Thema redundant. Es weckt Erwartungshaltungen, ganz vor allem in seinem Produktionsland, die die Filmemacher gar nicht erfüllen wollen. Das halte ich marketingmäßig für – sorry – komplett idiotisch.

    Ist in der Vorlage jedoch tatsächlich nicht anders.

    Die Tatsache dass Tina und Vore Trolle sind, spielt dort nur insofern eine Rolle, dass Lindqvist dieses Motiv nutzt, um über Ausgrenzung, Unterdrückung, Diskriminierung etc. zu schreiben.

    „Grenze“ ist jedoch auch nur eine Kurzgeschichte und geht daher natürlich in vielen Bereichen nicht allzu sehr in die Tiefe. Mich hat das jedenfalls weniger gestört als dich. Hängt aber wohl eher mit persönlichen Erwartungen zusammen. Beim Sehen des Films wusste ich vorher beispielsweise gar nichts von der Troll-Thematik und habe ihn daher mit ganz anderen Augen gesehen. Zumal ich mit der nordischen Mythologie auch wahrscheinlich nicht so viel verbinde, wie du, die in Helsinki lebt.

    Roland (...) diese semi-sexuelle Partnerschaft (...) harsches Verhalten ihren Hunden gegenüber und das ganze set up suggerieren illegale Zucht, Tierquälerei und Hundekampf.

    Spielt in der Kurzgeschichte eine sehr marginale Rolle. Rolands „Annäherungsversuch“ und Alkoholismus sind sogar ein reine Produkte des Films.

    Das auf der einen Seite, auf der anderen Vores Pädophilie; Gewalt und Kriminalität … und alles in Schweden auf dem platten Land, das fand ich eine total absurde und absolut konterproduktive Kombination, ganz vor allem, wenn es eigentlich um „Außenseiter“ gehen soll.

    Ebenfalls ein reines Produkt des Films. Empfand ich aber ganz genau so.

    Wie schon geschrieben, gibt es den Pädophilen-Plot bei Lindqvist überhaupt nicht. (Sowieso ist Roland dort eine wesentlich positivere Figur. Auch wenn er tut, was Trolle eben so tun - Stichwort: Kindesentführung). Dementsprechend ist auch das Ende völlig anders und geht eher in Richtung Happy End.

    Tina und Rolands Beziehung hat mich sofort an die des Täters in True Detective erinnert; und die Hütte an diese Tankstellen irgendwo zwischen Death Valley / Las Vegas und LA, wo man sich drei Mal überlegt, ob man dringend genug pinkeln muss, um dort auszusteigen und dann doch lieber weiterfährt. Genau diese sozialen Verhältnisse, aus denen Filme wie Wrong Turn, TCM, The Devil’s Rejectsoder The Hills Have Eyes entstanden.

    Interessanter Aspekt. Habe ich beim sehen jedoch gar nicht so empfunden.

    (Finde die Erwähnung von "True Detective" aber interessant. Nachdem in der Serie ständig über "Carcosa" gesprochen und es unzählige Anspielungen auf Chambers "Der König in Gelb" gab, war ich ziemlich enttäuscht/geschockt, dass sich dahinter am Ende nur ein inzestuöses Hinterwälderpaar verborgen hat. Das ist aber ein ganz anderes Thema...)

    Das Thema führt wohl am weitesten vom Film weg. Border macht aus seinen Trollen optisch Neandertaler. Auch ihr Verhalten und Bewegungen, das Schnuppern und ihre Laute sind das, was man von Vorformen des homo sapiens klischeehaft in Dokumentationen sehen kann. Den Eindruck hatte ich sofort, und konnte mich nicht mehr davon lösen (...) Die Abgrenzung der heutigen Menschen zu ihren Vorgängern spiegelt sich hier visuell in der Abgrenzung der Trolle i.e. Andersbefähigten zu uns ‚zivilisierten‘ Menschen wider, und genau solche Abgrenzungen finde ich eben gerade ärgerlich, wenn es um das Thema der Diskriminierung und Ausgrenzung geht.

    Interessanter Exkurs zum Thema Neandertaler, dem ich kaum gerecht werden kann. Deine Kritik teile ich in dem Punkt aber absolut.

    Der Film macht aus Tina und Vore auch eher "primitive Tiere". In der Kurzgeschichte ist dies nicht der Fall.

    Das Aussehen:

    Der Neandertaler-Look ist eine reine Erfindung von Abbasi. Bei Lindqvist wird Tina in ihrer Jugend zwar mal von einem Mitschüler als hässlich beschrieben, ihre Entstellung rührt aber von der Tatsache, dass sie als Kind mal vom Blitz getroffen wurde und daher starke Verbrennungen (besonders im Gesicht) hat und ihr die meisten Menschen daher aus dem Weg gehen.

    Zu Vore besteht (im Gegensatz zum Film) auch keine optische Ähnlichkeit/Verbindung. Bezüglich seines Äußeren wird dort nur mal gesagt, dass er „buschige Augenbrauen“ hat und in einem Bond-Film wohl eher den Bösewicht spielen würde.

    Die Fähigkeiten:

    Das Schnuppern, welches die Zwei (neben ihres Aussehens) sehr animalisch wirken lässt, gibt es bei Lindqvist ebenfalls nicht. In der Geschichte kann Tina die Gefühle/Ängste der Menschen intuitiv wahrnehmen und muss sie nicht erriechen.

    Hatte beim Film auch dass Gefühl dass man dem Publikum nicht zugetraut hat, zu differenzieren und durch die Optik gleich klar machen wollte „das sind keine von uns“ und zudem schon mal andeuten wollte, dass er hier eventuell später ein kleines bisschen in Richtung „Fantasy“ geht (Foreshadowing).

    Eine Tradition so zu verarbeiten, dass man den Hintergrund / Inhalt dieses Volksglaubens ignoriert und ihn dafür mit einer Handvoll von thematisch unzusammenhängenden Reizthemen kombiniert, um eigentlich zu erzählen, dass die Kultur, von der man selbst nur Klischees im Kopf hat, zur Ausgrenzung von Migranten führt, deren Geschichte/Identität aber eine vollkommen andere als die der Hauptpersonen ist. Oh, und dafür bedient man sich einer phantastischen Geschichte, aus der man dann aber sozialen Realismus macht. Wie ich es drehe und wende, die Gleichung geht für mich einfach überhaupt nicht auf.

    Den Punkt hatten wir oben ja schon mal.

    Diesbezüglich ist die Intention von Lindqvist und Abassi deckungsgleich – Soll heißen: Nur Mittel zum Zweck.

    Habe das Gefühl dass dich die Kurzgeschichte daher ebenfalls enttäuschen wird, wenn du von ihr eine Vertiefung des Volksglauben und der Mythologie erwartest. Mich selbst hat sie ja selbst nicht wirklich überzeugt/umgehauen. Aber wie schon geschrieben: Besser als der Film ist sie auf jeden Fall.

    Sorry, für die späte Antwort, Felix. Hatte deinen Post irgendwie übersehen, finde deine Überlegungen aber ziemlich interessant.

    Das kann ich gar nicht so genau greifen. Ich glaube, es lag an der Art, wie eine "höchst originelle[] Geschichte" versprochen wurde. Was für nicht Genre-Autoren und -Verlagen als höchst "originell" wahrgenommen wird, ist in der Genre-Literatur selbst oft schon ein alter Hut. Zumindest war das zuletzt mein Eindruck.

    Den Eindruck kann ich bestätigen.

    Ist mir kürzlich u.a. erst wieder bei "Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten" von Emma Braslavsky aufgefallen. Das Feuilleton ist ausgerastet, dabei verarbeitet die Autorin dort überwiegend Ideen über die bspw. Asimov schon vor 70 Jahren geschrieben hat.

    Interessant fand ich auch, wie krampfhaft die Kritiker bei ihren Besprechungen das Wort "Science Fiction" vermieden haben - Weil das ist ja "pfui". Ich habe da oft das Gefühl dass sie Genre generell nur gut finden (dürfen), wenn es ihnen als "trojanisches Pferd" untergeschoben wird - Ob es dann auch noch innovativ ist, spielt schon keine große Rolle mehr.


    Auf "Frankissstein" trifft dein Eindruck mMn jedoch in keinster Weise zu. Dazu greift der Roman zu viele aktuelle Themen und Entwicklungen auf und spielt zudem noch mit ein paar (zwar nicht ganz neuen) metatextuellen Ideen, die aber gerade im Zusammenhang mit der Frankenstein-Geschichte, tatsächlich wieder originell und clever waren.

    Aber wie gesagt, ich bin auch großer Mary Shelley-Fan.

    Hi Katla,


    1) Mal wieder ein äußerst informativer und lesenswerter Beitrag.

    2) Den Kritiker-Rant von Anderwelten konnte ich ebenfalls nicht ganz nachvollziehen. Der Film spielt ja ganz offensichtlich mit diversen folkloristischen Elementen (Spoiler: Trolle, Wechselbalg, die Erwähnung von Elfen etc.) - Auch in der deutschen Übersetzung.

    3) Ich fand "Border" zwar nur ganz okay (obwohl ich ihn so gerne gemocht hätte), dennoch würde mich echt interessieren, was bei dir den enormen "körperlichen Widerwillen" hervorgerufen hat. Generell scheinst du ja sehr körperlich auf Filme zu reagieren, die du nicht magst (siehe "Bliss"). Du musst das aber nicht näher erläutern, wenn du nicht magst.

    4) "Im Verborgenen" ist sicher nicht das beste Werk von Lindqvist. Ist zwar schon lange her, dass ich die Storysammlung gelesen habe, habe sie aber eher als recht mittelmäßig in Erinnerung. Wirklich im Gedächtnis geblieben, ist mir eigentlich nur "Die Vertretung" - Die Geschichte war richtig gut.

    5) Was "Grenze" angeht: Sicher kein Meisterwerk, aber besser als der Film. Fast alles was mich an "Border" gestört hat, wurde nämlich vom Regisseur und der Drehbuchautorin hinzugedichtet und war nie Bestandteil der eigentlichen Handlung. Daher war es auch interessant zu erfahren, dass sich Lindqvist während der Entstehung des Films mit Ali Abbasi verworfen hat. Das wusste ich gar nicht.

    Seit heute ist übrigens der Score von Colin Stetson (u.a. "Hereditary") erhältlich.

    File under: Ganz nett/ zweckdienlich.

    Wobei gegen Ende doch eine leichte Steigerung spürbar wird und er in seinen besten Momenten sogar etwas an die Soundkulisse von "Annihilation" (Ben Salisbury & Geoff Barrow) erinnert - Auch wenn er nie deren Niveau erreicht.

    (Ganz zu schweigen vom großartigen "Mandy"-Soundtrack von Jóhann Jóhannsson).

    Mal sehen wie das Ganze dann später in Verbindung mit dem Film wirkt. Bis März ist ja nicht mehr lange...

    Den habe ich mir vor einiger Zeit mal notiert. Gibt ja nicht viel gutes Flimmermaterial, aber das interessiert mich jetzt dann doch.

    Film ist seit ein paar Wochen oder Monaten auf Amazon Prime. Fand ihn ganz gut, auch wenn er mir als reine Erweckungs- bzw. Emanzipationsgeschichte wesentlich besser gefallen hätten. Den drangeklatschten Thriller-Part (der stellenweise recht konstruiert wirkte) hätte ich nicht unbedingt gebraucht.


    Vielleicht sollte man auch noch erwähnen dass es sich bei "Border" um die Verfilmung einer Kurzgeschichte von John Ajvide Lindqvist (Autor von u.a. "So finster die Nacht") handelt. In Deutschland ist die Geschichte unter dem Namen "Grenze" im Sammelband "Im Verborgenen" enthalten. Den von mir kritisierte Handlungsbogen gibt es dort übrigens nicht.

    Klar, der Preis ist eine Ansage. Ich freue mich trotzdem über die Ankündigung, da sich Adam Nevill hierzulande scheinbar nie besonders gut verkauft hat und daher seit "Der letzte Tag" (vor 7 Jahren!) keines seiner Bücher mehr in Deutschland erschienen ist. Außerdem ist "No One Gets Out Alive" mit fast 700 Seiten recht umfangreich geraten und wird neben der Signatur ja auch noch diverse Illustrationen enthalten.

    Wirkt so als wolle Ennis nach dem Erfolg der Verfilmung unbedingt noch etwas nachlegen. Andererseits war die Mini "Butcher, Baker, Candlestickmaker" (auf deutsch: "Von Menschen und Monstern"), die sich mit dem Schicksal von Butcher und Beckys befasst hat, mit Abstand der stärkste Teil der ganzen Reihe. Hier war Ennis mMn auf "Preacher"-Niveau. Also warten wir mal ab...

    Weiß man denn schon wie viele Hefte "Dear Becky" umfassen wird?

    Auch wenn ich Ligottis Weltbild nicht unbedingt teile, gebe ich dir da zweifelsfrei recht, Nils.

    Man kann sicher über "Conspiracy Against The Human Race" streiten, als flach würde ich dieses Werk aber auch nicht bezeichnen wollen. Eigentlich wollte ich nur die starken Parallelen von "Das Alptraum-Netzwerk" und besagtem Sachbuch hervorheben, mir ist da beim schreiben aber anscheinend die Klammer verrutscht.

    Hab das mal gefixt:

    Ligottis enormer "Menschenekel" wird in diesen Geschichten mMn nicht nur überdeutlich (ähnlich wie schon bei seinem Sachbuch "Conspiracy Against The Human Race", welches diesbezüglich sogar noch extremer ausfällt und eine einzige Abrechnung mit der Menschheit darstellt), sondern gerät stellenweise auch überraschend flach.