Habe leider schon wieder ausgecheckt. Der Aufenthalt war wirklich viel zu schnell vorbei.
Hier noch mein Eintrag fürs Gästebuch:
Jener, der da kommt:
Den nebulösen Zustand zwischen Wach und Schlaf, in dem sich flackernde Bildfetzen aus unseren Träumen in die vermeintliche Realität hinübergerettet haben, fängt Andara am Anfang dieser Geschichte wirklich perfekt ein. Oder ist die Manifestation eines Astronauten in Katjas Wohnzimmer vielleicht doch echt? Oder die Folge zu vieler Schlaftabletten? Oder Anzeichen eines psychischen Zusammenbruchs/Burnouts? Schließlich muss sie sich täglich in einer gnadenlosen Männerwelt durchsetzen, in der man ihr beruflich zwar jede Menge Steine in den Weg legt, sie nach Dienstschluss dafür aber auch mal vom Chef in die Saune eingeladen wird, um das Ganze nochmal in Ruhe zu „besprechen“.
Und was hat das alles eigentlich mit dem mysteriösen Tor zu tun, das man gerade auf dem Mond entdeckt hat?
Der Horror des Patriarchats trifft in dieser ungewöhnlichen Geschichte auf kosmisches Grauen/Weird-Fiction à la Lovecraft. Eigentlich stimmig. Beim einen gibt es die Großen Alten, beim anderen gibt es große, alte, weiße Männer (Übrigens sind alle Hauptfiguren in diesem Band weiblich).
Mein fremder Name:
Familientreffen sind der Horror - Das ist nichts Neues. Auf Aaina und ihre Verwandtschaft trifft dies jedoch besonders zu, denn ihre mysteriöse Tante scheint nicht von dieser Welt zu sein.
1001 Nacht meets Rumpelstilzchen. An Neil Gaimans „American Gods“ musste ich auch denken. Und ich bin mir sicher, dass das Ganze zusätzlich noch einen mythologischen Hintergrund hat, den ich nicht kenne.
Am Rande wird hier auch das Thema Migration und der Konflikt „Traditionen vs. Modernisierung“ behandelt. Generell finde ich es schön, dass Andara immer mal wieder gesellschaftspolitische/aktuelle Themen (Feminismus, White Privilege, Homosexualität usw.) in seinen Geschichten anklingen lässt, ohne dass dies jedoch aufgesetzt wirkt oder mit dem halluzinatorischem Wahnsinn kollidiert, der sich ansonsten so bei ihm abspielt.
In „Mein fremder Name“ dauert es übrigens sehr lange bis das Grauen über Aaina hereinbricht - Dafür geschieht es dann aber umso nachdrücklicher.
In ihrer Finsternis ruhen:
Andara paraphrasiert hier Poes „Ligeia“. Aber ähnlich wie schon bei „Hinaus durch die zweite Tür“ und „Nachtzug nach Carcosa“ drückt er dem Ganzen seinen eigenen Stempel auf und erschafft dadurch etwas völlig Neues/Einzigartiges. Die Protagonistin dröhnt sich dabei permanent mit Fentanyl-Tabletten zu - Passenderweise wirkt dann auch die (sehr, sehr kurze) Geschichte wie ein einziger Opiumrausch - Inklusive einer geradezu hypnotischen Melancholie, die den Leser unweigerlich gefangen nimmt/benebelt. Der Sieger Wurm befindet sich aber anscheinend (glücklicherweise?) immer noch „im Garten Numen“.
Ökonomische Ordnung:
Dämonen als Kreditkarten, Shops als Tempel, Hochverschuldete als Sklaven dunkler Mächte - Der Kapitalismus zeigt hier seine hässliche Fratze (Mit finanziellen Nöten dürfte sich Andara als freiberuflicher Autor sicher auskennen). Die durch ihn hervorgerufene Existenzangst bei den Betroffenen ist hier jedoch tatsächlich wortwörtlich zu verstehen - Nämlich als Angst um das eigene Sein/Ich bzw. dessen gnadenlose Auslöschung (Die „Hochverschuldeten“ werden zu leeren Hüllen, die dann bereitwillig von Anderen in Besitz genommen werden).
Spätestens wenn es in „Ökonomische Ordnung“ zu besagten „Verschmelzungen/ Übernahmen/ Löschungen“ kommt, entwickelt sich die Geschichte auch von einer reinen Kapitalismuskritik in einen wirklich, wirklich irren Fiebertraum.
Sicher die weirdeste Erzählung in diesem Band. Leider kannte ich sie allerdings schon aus „Miskatonic Avenue“.
Hotel Kummer:
Das Hotel Kummer ist ein seltsamer und äußerst unwirklicher Ort. Gesichtslose Schatten, bizarre Telefonate, fremdartige Geräusche…
Natürlich erinnert die Geschichte sofort an Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ (Die Sache mit dem Pakt und die surreale Atmosphäre ließen mich zusätzlich noch an Alain Resnais großartigen Avantgardefilm „Letztes Jahr im Marienbad“ denken).
Aber ist das Hotel wirklich die Hölle? Oder der Himmel? Ein Ort zwischen Leben und Tod? Imaginationen einer sterbenden und/oder demenzkranken Frau? Etwas völlig anderes?
Was für ein Trip …
Die Idee mit dem Ausgang hat mir ebenfalls gefallen.
Auch wenn ich ihn eigentlich gar nicht durchschreiten wollte…
Ein großartiges Buch!