Beiträge von Cheddar Goblin

    Ich fand das Ende von Bird Box sehr stark und rund und habe die große Befürchtung, dass der zweite Teil jetzt bloß dem ERfolg wegen der Verfilmung geschuldet ist.

    Okay, kann ich verstehen. Hättest du "Malorie" gelesen und für Schrott befunden, hätte ich mir die Sache noch überlegt, so gebe ich dem Buch wohl doch mal eine Chance.

    Ja, sollte nicht noch ein anderes Buch übersetzt werden? On This, The Day of The Pig?

    Stimmt. Hatte ich schon wieder völlig vergessen.

    Eigentlich schön dass von Malerman wieder etwas in Deutschland erscheint, diese Omnibus-Ausgabe hätte es mMn aber nicht gebraucht. "Bird Box" ist hierzulande immerhin bereits 3mal (in 2 verschiedenen Verlagen) erschienen.

    Eine einfache Taschenbuchausgabe von "Malorie" hätte mir daher absolut gereicht. Ich will gar nicht wissen was dieser limitierte Schuber am Ende kosten wird.

    Das sehe ich genauso.

    Hast du "Malorie" gelesen und fandst den Roman überflüssig oder bis du der Meinung, dass "Bird Box" prinzipiell keine Fortsetzung braucht?

    Die Lebenswirklichkeit der Bunkergesellschaft wird von Dick ja nur angerissen. Richtig glücklich ist sie jedenfalls nicht.

    So habe ich es auch aufgefasst.

    Von einer Kurzgeschichte darf man eben auch kein allzu komplexes Worldbuilding erwarten. Später hat Dick die Idee ja wieder in einem Roman aufgegriffen und ihr mehr Raum geboten.

    ...so weit hergeholt ist mir das Darben im Bunker nicht. Wie sah Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aus?

    Stimmt.

    Den beschriebenen Weg hin zu einer geeinten Welt empfinde ich als überaus naiv (...) Gerade noch wollten es die Amerikaner den Russen zeigen, schon sind alle Menschen Brüder.

    Naja, sie arbeiten ja nur gezwungenermaßen zusammen, da sie ansonsten nicht überleben könnten. Von Friede, Freude, Eierkuchen ist die Menschheit ja noch weit entfernt. Zumal wir hier auch nur von einer kleinen Gruppe sprechen, die ihre Differenzen beiseitelegt.

    Erst dachte ich, nicht schon wieder eine Kriegsstory.

    Ich auch. Die Themen waren bei Dick anfangs teilweise doch recht begrenzt. Die autark funktionierenden Waffen erinnert an „Die Kanone“, die Tatsache dass hier erneut Maschinen für die Menschen in den Kampf ziehen (und sie spät geradezu elterlich umsorgen und zu ihrem Wohl bevormunden) an „Die Verteidiger“ - Nichts Neues also soweit.

    Zudem ist „Mister Raumschiff“ mMn leider auch noch ziemlich langatmig geraten - Interessant wird es erst auf den letzten zehn Seiten, auf denen uns Dick quasi eine neue Schöpfungsgeschichte (inklusive Adam & Eva und Arche Noah) präsentiert. Der selbsternannte Gott in dieser Erzählung kommt nämlich zu dem Ergebnis dass die Menschheit völlig am Arsch ist und uns nur noch ein Neuanfang retten kann - Also schnappt er sich zwei Menschen und sucht für sie eine neuen Erde.

    Mir war nicht mehr bewusst das bei Dick schon so früh religiöse Motive auftauchen und auch so eine starke Rolle spielen - aus dieser Sicht war „Mr. Raumschiff“ also durchaus erhellend - wirklich gelungen ist die Geschichte (aus oben genannten Gründen) jedoch leider nicht.

    Daher die Idee ein Gehirn in ein Raumschiff zu verpflanzen und es damit zu steuern, um den Minen überlegen oder zumindest gleichwertig zu sein. Warum das menschliche Gehirn der Automatik überlegen ist, wird im Details nicht erklärt.

    So sieht es aus. Mir hat sich ehrlich gesagt auch nicht erschlossen, warum man unbedingt ein menschliches Hirn verwenden musste, anstatt das Schiff einfach aus sicherer Entfernung fernzusteuern (Stichwort: Drone).

    Und warum unser apotheotischer Collegeprofessor, dessen Hirn für diese Operation genommen wird, seinen naiven Plan nicht einfach schon viel früher umgesetzt hat, ist auch nicht verständlich - Sein „Transfer“ war dafür jedenfalls nicht zwingend notwendig. Es wird zwar erwähnt, dass er nun endlich lange genug leben könne, um das „Experiment“ in die richtige Richtung zu lenken, mit ein paar Gleichgesinnten, die seine Ansichten teilen, wäre sein Vorhandensein jedoch eigentlich nicht mehr nötig. Aber man kennt es inzwischen ja aus unzähligen Sci-Fi-Stories: Sobald der Mensch nicht mehr an seinen sterblichen Körper geknüpft ist, kriegt er gleich den Höhenflug und hält sich für unverzichtbar (zuletzt u.a. gesehen im Film „Trancendence“).


    Noch erwähnenswert: Bei der „Operation Kopf“ kam stellenweise dezentes Frankenstein-Feeling auf: Ein Wissenschaftler (Kramer) erweckt etwas unlebendiges/totes zum Leben, verliert aber schnell die Kontrolle über seine Schöpfung und wendet sich ab. Nur dass der „moderne Prometheus“ diesmal nicht der Schöpfer, sondern die Schöpfung selbst ist und beide am Ende hoffnungsvoll durchs All fliegen, statt jämmerlich am Nordpol zu verrecken. Mehr Tiefgang als ein „Make Love, not War“-Plakat darf man von „Mister Raumschiff“ allerdings nicht erwarten. Für mich bisher die schlechteste Geschichte in diesem Band. (2/5)


    Oz Perkins letzter Film „I Am the Pretty Thing That Lives in the House“ konnte mich ja nur mäßig begeistern, auf „Gretel & Hänsel“ war ich dennoch ziemlich gespannt - Immerhin waren Hexen Hauptbestandteil der besten Horrorfilme der letzten Jahre (u.a. „The Witch“ und das absolut brillante „Suspriria“-Remake). Die Idee das Grimm-Märchen als „feministische Coming-of-Age-Geschichte mit dezentem Kunst-Ansatz“ zu inszenieren klang ebenfalls reizvoll, der geniale Synth-Soundtrack von Rob („Maniac“, „Revenge“) ist sowieso über jeden Zweifel erhaben und auch der Trailer sah mMn ziemlich stimmungsvoll aus...

    Und Stimmung/Atmosphäre sind sicher auch die großen Stärken des Films. Gerade auf der audiovisuellen Ebene ist „Gretel & Hänsel“ wirklich ein Erlebnis und lässt einen stellenweise sogar an Argento, Cosmatos oder Kubrick denken. Dennoch hat man permanent das Gefühl, dass da noch mehr drin gewesen wäre: Mehr Farbrausch, mehr Experiment, mehr Wahnsinn... Selbst ein Pilz-Trip fällt bei Perkins vergleichsweise zahm aus. Es wird ein bisschen gekichert und weiter geht’s. Und auch das große Finale gestaltet sich diesbezüglich recht unspektakulär.

    Wenn man sich auf ihn einlassen kann, hat der Film jedoch durchaus seinen hypnotischen Charm. Ähnlich vielleicht wie Ari Asters Folk-Horror-Meisterwerke „Midsommer, mit dem sich „Gretel & Hänsel“ jedoch nicht wirklich messen kann. Und damit wären wir dann auch schon bei den größten Schwachpunkten angelangt: Auf der Handlungs- und Erzählebene bleibt der Film deutlich hinter der gelungenen Optik und dem großartigen Score zurück. Besonders die Gespräche zwischen den zwei Geschwistern wirken teilweise recht gestelzt (um ihre Botschaft an den Mann/die Frau zu bringen). Und auf die inneren Monologe von Gretel hätte man ebenfalls gut und gerne verzichten können. Bei ihnen handelt es sich meist um reine Erklärtexte, die die gezeigten Bilder eher unterminieren statt sie sinnvoll zu ergänzen.

    Der „Twist“ Gretel in den Mittelpunkt der Geschichte zu stellen ist jedoch sicher ein netter Einfall - Obwohl Perkins damit ja eigentlich gar nicht so sehr vom Ursprungsmaterial abweicht: Schließlich ist es Gretel, die im Märchen, die böse Hexe besiegt, während Hänsel nur im Käfig sitzt und sich vollfrisst. Somit ist die Geschichte der Gebrüder Grimm ja fast schon als ein frühes Beispiel für female Empowerment zu werten.

    Der feministische Ansatz (wenn man denn von einem sprechen möchte) wirkt hier also keinesfalls konstruiert oder mit dem Holzhammer präsentiert. Trotzdem wurden durch den Filmtitel/Rollentausch natürlich unzählige Incels und andere fragwürdige Individuen getriggert, die auf diversen Filmseiten einen Shitstorm gestartet haben. Dies sei hier aber nur am Rande erwähnt.


    Als nächstes wird Perkins (der übrigens der Sohn von Norman Bates bzw. Anthony Perkins ist) Paul Tremblays Roman „A Head Full of Ghosts“ inszenieren. Ich bin gespannt. Auch wenn „Gretel & Hänsel“ für mich etwas hinter den Erwartungen zurückblieb.


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    Das Buch ist inzwischen am 21. Mai erschienen.

    Danke für die Erinnerung, Shadowman. War mir eigentlich sicher, dass ich das Buch vorbestellt habe, aber scheinbar habe ich mich da geirrt.

    Ich finde es ja immer noch verdammt schade, dass die meisten Vonnegut-Bücher nur noch antiquarisch (und teilweise auch völlig überteuert) zu beziehen sind. Golkonda hatte ja mal geplant sein Gesamtwerk zu bringen, aber da gab es (abgesehen von der Insolvenz) wohl ein paar Probleme. Die Rechtslage ist bei Vonnegut anscheinend nicht so einfach/klar.

    Fraglich natürlich, ob sich eine Biographie über einen Autor gut verkauft, wenn dessen Werk kaum noch erhältlich ist.

    Aber ich wünsche dem Memoranda-Verlag natürlich viel Erfolg. Ein tolles Projekt.

    Was mich bei Die Verteidiger ein wenig verwundert: Beide Seiten, Amis und Sowjets, sind acht Jahre unter der Erde, stellen ihr Leben zur Kriegswaffenproduktion Verfügung, es gibt kein Aufbäumen der Gesellschaft und stattdessen entwickelt sich dort sowas wie eine Militärdiktatur. Das ist für meinen Geschmack überzeichnet und wirkt arg unrealistisch. (...) Oben angekommen versuchen unsere Amis direkt wieder, die Situation für ihre Seite zum Vorteil zu gereichen. Da kommt an keiner Stelle die Idee, sich mit dem Gegner auseinander zu setzen und nicht weiter Krieg zu spielen. (...) was dann oben passiert, das finde ich, ist für mich an den Haaren herbei gezogen.

    Ich habe die Geschichte ehrlich gesagt gar nicht so nach ihrem Realismus-Gehalt abgeklopft und denke auch nicht das Dick hier das Ziel hatte ein möglichst realistisches Zukunft abzubilden.

    Mann muss das Ganze auch im zeitlichen Kontext der Entstehung betrachten: Kalter Krieg, Angst vor der atomaren Vernichtung... Dick greift diese Ereignisse/reale Ängste auf und entwirft dann ein übertriebenes Worst-Case-Szenario. Ich denke man sollte "Die Verteidiger" eher als eine Art Parabel sehen.

    Wenn dich aber gerade die Ereignisse an der Oberfläche gestört haben, kann ich dir den oben erwähnten PKD-Roman „10 Jahre nach dem Blitz“ empfehlen. Dort gestaltet sich die Entwicklung auf der Erde nämlich etwas anders.

    Die Roboter nennen den fehlenden Schritt zur Weltbevölkerung, aber sie füllen ihn nicht mit Leben. Was soll passieren, damit die Menschen sich nicht mehr gegenseitig umbringen? Das ist ein blinder Punkt in der Story und ist nicht nachvollziehbar.

    Stimmt, sie füllen ihn nicht mit Leben (und wollen dies auch gar nicht): Ihre Taktik ist ja eher die systematische Zermürbung der Menschen - Bis diese gar nicht mehr in der Lage sind noch einen Krieg zu führen.

    sorry, bin grad ziemlich vollgepackt.

    Kein Stress. Ich war nur auf deine Meinung gespannt.

    ...und so religiös anmutende Storylines geben mir persönlich nicht viel.

    Sicher Geschmackssache. Mit seiner "Valis"-Trilogie konntest du dann wahrscheinlich auch nicht viel anfangen, oder?

    Hatte jetzt auch ein bisschen in den Anhängen gestöbert, was mir immer großen Spaß bereitet, da mir die AutorInnenmeinung meist egal ist, die Hintergründe aber durchaus spannend finde.

    Finde den Anhang auch ziemlich interessant. Leider fällt er allerdings nicht besonders umfangreich aus.


    +++


    Ich mach dann mal weiter:


    Die Verteidiger:




    Worum geht’s: Auf der Erde tobt ein gewaltiger Krieg, dessen Zerstörung den Planeten unbewohnbar gemacht hat. Die Menschheit hat sich daher schon längst unter die Erde geflüchtet und lebt dort in unterirdischen Schutzräumen. Die Kämpfe an der Oberfläche werden nur noch von Maschinen (den sogenannten „Bleimännern“) ausgetragen.

    „…oben auf der zerstörten, zerbombten Oberfläche eines einst lebenden Planeten krochen und huschten die Bleimänner umher und kämpften den Krieg der Menschen. Unten unter der Oberfläche, in den Tiefen des Planeten, plackten sich Menschen endlos damit ab, die Waffen zu produzieren, um den Krieg fortzusetzen, Monat für Monat, Jahr für Jahr.“

    Was in ihrer einstigen Heimat vorgeht, erfahren sie dabei nur über Videoaufzeichnungen, die ihnen die Maschinen übertragen. Doch kann man diesen Bildern trauen? Allmählich kommen unter den Menschen erste Zweifel auf. Als ein Trupp an die verstrahlte Oberfläche entsandt wird, erlebt er eine kleine Überraschung.


    1952 geschrieben und im gleichen Jahr in einem Magazin namens „Galaxy“ veröffentlicht. Es war die erste Geschichte von PKD, die auf einem Cover illustriert wurde (siehe oben). 1956 wurde sie sogar fürs Radio adaptiert. „Die Verteidiger“ war also so etwas wie sein erster Hit. Es handelt sich mMn aber auch um eine äußerst gelungene Erzählung, die viele Elemente aufweist, die später noch zu Dicks Markenzeichen werden sollten.

    Die klare Anti-Waffen-Botschaft und Kritik an der Kriegsgeilheit des Menschen kennen wir schon aus „Die Kanone“, aber Dick beschäftigt sich hier auch erstmals mit einer falschen bzw. simulierten Wirklichkeit. Die Übertragungen der Maschinen entsprechen nämlich nicht den tatsächlichen Begebenheiten - Es sind Fake-News. In Wahrheit haben sie ihre Kriegshandlungen schon längst eingestellt und die Erde in ein Paradies verwandelt: Grüne Wiesen, dichte Wälder, unzählige Tiere… liefern den Beweis, dass der Planet ohne die Menschen deutlich besser dran ist.

    Die Idee einer menschenleeren Erde, die von Robotern gesäubert wird, hat mich etwas an den Pixar-Film „Wall-e“ erinnert. Das Schicksal der Menschheit hat hingegen leichte Parallelen zum Sisyphos-Mythos: Während Sisyphos von Zeus dazu verdammt wurde endlos einen Stein einen Berg hinauf zu schleppen, der jedoch kurz vor dem Gipfel immer wieder herunterrollt, werden die Menschen in „Die Verteidiger“ von den Maschinen für ihr kriegerisches Naturell bestraft und müssen in unterirdischen Fabriken endlos Waffen produzieren (etwas anderes scheinen sie gar nicht mehr zu tun). Waffen, die jedoch gar nicht benötigt und sofort wieder vernichtet werden.

    Im Gegensatz zu Sisyphos sind sie sich der Sinnlosigkeit ihres Tuns jedoch nicht bewusst, deswegen hinkt der Vergleich vielleicht etwas. Tatsächlich erfüllt die Arbeit den Protagonisten Don Tylor sogar mit großem Stolz und er freut sich über jede explodierende Bombe, an deren Produktion er beteiligt war (andererseits darf man sich laut Camus Sisyphos ja ebenfalls als einen glücklichen Menschen vorstellen; weil er eine Aufgabe hat).

    Die Menschen sehen sich das „Spektakel“ auch täglich im Fernsehen an und bezeichnen es als „Show“. Letzteren Punkt könnte man durchaus als Medienkritik bzw. als Kritik an der Pervertierung der Unterhaltungsindustrie sehen. Auch wenn die Fernsehlandschaft 1952 sicher noch eine andere war als heute. Wahrscheinlich kritisiert Dick also eher die Berichterstattung über den Kalten Krieg bzw. dessen Stellvertreterkrieg in Korea. Der Ost-West-Konflikt spielt für die Geschichte ja auch eine nicht gerade unbedeutende Rolle.

    Bei der Erwähnung der „Shows“ musste ich auch sofort an Susan Sontags „Das Leiden anderer betrachten“ denken. In ihrem weltberühmten Essay schriebt Sontag ausführlich darüber wie Kriegsbilder uns manipulieren und abstumpfen lassen können - Uns in gewisser Weise aber auch immer faszinieren und befriedigen werden. U.a. heißt es dort: „Zuschauer bei Katastrophen sein, die sich in einem anderen Land ereignen, ist eine durch und durch moderne Erfahrung... Kriege, das sind inzwischen auch Bilder und Töne, die uns im Wohnzimmer erreichen. 'If it bleeds, it leads', lautet seit jeher die Faustregel der Massenpresse und der Nachrichtenkanäle: Blut zieht immer."

    Interessant ist auch dass in „Die Verteidiger“ erstmals Androiden/menschenähnliche Roboter auftauchen, auch wenn sie hier als „Bleimänner“ bezeichnet werden. Sie haben jedenfalls das geschafft, was die Menschen nicht konnten: Sie haben Frieden geschlossen und sich verbrüdert. Eine nette Abweichung zu den meisten Dystopien, in denen Maschinen stets unser Feindbild darstellen und uns gnadenlos auslöschen wollen (mal abgesehen von Asimov vielleicht).

    Hier versuchen sie tatsächlich uns vor unserer Selbstauslöschung zu retten, denn… „Wir fanden heraus, daß menschliche Kulturen bestimmte Phasen durchlaufen (…). Wenn die Kultur altert und ihre Ziele zu verlieren beginnt, entstehen Konflikte zwischen jenen, die die Kultur abschütteln und neue kulturelle Parameter durchsetzen wollen, und jene, die das Alte mit so wenig Veränderungen wie möglich erhalten wollen. (…) Das Ergebnis ist Krieg. Für einen logischen Verstand ist der Krieg absurd. Doch nach Maßgabe menschlicher Bedürfnisse spielt er eine existentielle Rolle. Und das wird er tun, bis der Mensch so reif wird, daß kein Haß mehr in ihm ist.“

    In einer Phase des kulturellen Umbruchs befinden wir uns ja auch gerade (Digitalisierung, Umweltschutz/FFF, Feminismus/#MeToo, Globalisierung/steigende kulturelle Vielfalt, Auflösung der klassischen Geschlechtergrenzen, Neubewertung des Themas Rassismus/kulturelle Aneignung uvm.). Oder um es mit Bob Dylan zu sagen: The times they are a-changin… auch wenn manche Individuen einfach nicht damit klarkommen wollen, dass wir nicht mehr in der Steinzeit leben (siehe u.a. den ansteigenden Rechtsextremismus, Klimaleugner, Verschwörungstheoretiker). Frei von Hass sind wir also noch lange nicht.

    Und auch die Amerikaner wollen in „Die Verteidiger“ ihren Wissensvorsprung (bezüglich der bewohnbaren Erde) natürlich gleich ausnutzen, um zum großen Vernichtungsschlag gegenüber der Sowjetunion auszuholen. Dummerweise war ihr Feind jedoch schneller… und schlauer.

    (Die „Bleimänner“ haben beiden Fraktionen übrigens nicht viel entgegenzusetzen, denn sie sind nicht in der Lage einem Menschen Schaden zuzufügen und halten sich somit an Asimovs erstes Gesetz der Robotik. Stattdessen verschweißen sie einfach sämtliche Zugänge zur Erde, bis der Mensch zur Vernunft gekommen ist. Aus pädagogischer Sicht sicher eine fragwürdige Methode.)

    Die Geschichte endet trotzdem auf einer positiven Note: Die auf der Erde zurückgebliebenen Amerikaner und Sowjets schließen sich (zwangsläufig) zusammen, da sie nur so überleben können. Der erste Schritt zur „Einswerdung der Menschheit“ ist somit getan. Wenn man das Entstehungsjahr der Geschichte berücksichtigt (der Kalte Krieg steckte damals gerade erst in seinen Kinderschuhen) sicher eine fast schon revolutionäre Botschaft. (4,5/5)


    Ergänzung 1: Die Idee hinter „Die Verteidiger“ wird Dick später nochmal für seinen Roman „10 Jahre nach dem Blitz“ recyceln.

    Ergänzung 2: Beide (Kurzgeschichte und Roman) dürften sicher eine große Inspiration für Hugh Howeys „Silo“-Trilogie gewesen sein.

    Ergänzung 3: Hier noch die erwähnte Radio-Version von „Die Verteidiger“:


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    Auf den Film bin ich auch schon extrem gespannt. Genau wie auf den (sicherlich mal wieder großartigen) Soundtrack von Jim Williams (Kill List, Raw).

    sehr gut, dann wünsche ich dir ein dunkelviolettes wochenende

    Danke. Ebenfalls...:D

    Sandsteinburg hätte den rahmen deutlich gesprengt.

    Okay, da habe ich mich eventuell missverständlich ausgedrückt. Ich meinte die "Ergänzungstexte", die Perkampus gerade auf phantastikon.de veröffentlicht. Diese wären als Anhang im Buch eine nette Dreingabe gewesen... Aber im Prinzip ist es ja egal, wo diese erscheinen.

    Das Buch kam heute bei mir an.

    hier die Nachweise

    Vielen Dank, Longstride. Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, dass "Der Gehenkte" schon in "Miskatonic Avenue" erschienen war :\.

    MP schreibt übrigens über die Sammlung (fortfolgend): https://phantastikon.de/dunkelviolette-geschichten/

    Interessante Ergänzung zu den Geschichten. Besonders was Perkampus über seinen Antiroman "Sandsteinburg" schreibt, der (laut ihm) wohl nie erscheinen wird. Schade dass es die Texte als Appendix nicht auch ins Buch geschafft haben.

    "Der Erlöser" ist aus dem Jahr 1952

    Welche Übersetzung hast du denn gelesen, Tobias? Im Haffmans-Band heißt die Geschichte "Der Schädel" (im Original "The Skull").

    Und hier fällt der Satz, dessen Quintessenz mir bei "Die Kanone" durch den Kopf ging: "Ihre Anhänger predigten, daß der Mensch gegenüber einer Maschinerie auf der Verliererseite war, daß sie sich verselbständigten und ihn zu größeren und immer größeren Kriegen trieben."

    Stimmt, lässt sich wirklich perfekt auf "Die Kanone" übertragen.

    Allein ein Bart macht verdächtig.

    Die Paranoia/Angst vor Kommunisten fängt Dick wirklich gut ein :D.

    ich bin auch noch da

    :thumbup:

    Ja, man kann sich für Frieden einsetzen und ihn sogar für erreicht halten, aber tief in uns verborgen ist der Krieg doch noch da.

    So kann man das Ganze natürlich auch sehen. Wobei es auf dem Planeten natürlich nur so "friedlich" zugeht, weil es nichts mehr gibt, was man noch bekämpfen könnte... zumindest bis das Raumschiff auftaucht.

    Zynisch auch die unter der Kanone verborgenen Schätze. An die die Reisenden wohl doch nicht kommen werden.

    Fast schon eine Indiana Jones-mäßige Falle.

    Die Ironie an der Sache ist ja, dass die Schätze durch diese Schutzmaßnahmen völlig wertlos (weil unerreichbar) geworden sind. Die letzten Überreste der Kultur gammeln vor sich hin. So haben die Erbauer unbewusst genau das Gegenteil von dem erreicht, was sie eigentlich wollen - Nämlich dafür gesorgt, dass sie wirklich vollständig aus der Geschichte verschwinden. Was bleibt ist nur die Waffe. Mehr nicht.