Zu "Die Bewahrungsmaschine":
Primärziel ist es der Kunst eine körperliche Form zu geben, damit sie sich aktiv gegen ihre Vernichtung wehren und nicht aussterben kann. Die "Konsumierbarkeit" scheint dabei erst mal zweitrangig zu sein. Um die Wesen wieder in Musik umzuwandeln, braucht es aber zwingend die Bewahrungsmaschine, das stimmt. Hunderprozentig durchdacht ist Doc Labyrinths Masterplan (von Anfang an) nicht.
+++
Ich mach dann mal weiter mit...
Entbehrlich:
Worum geht’s: Ein namenloser Mann kriegt zufällig mit, wie sich zwei Raupen über ihn unterhalten. Für ihn ist das eigentlich nichts Ungewöhnliches, denn er wird schon länger von diversen Insekten verfolgt und steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Bereits ein kleines Spinnennetzt versetzt ihn in entsetzliche Panik. Eine Panik, die alles andere als unbegründet ist - Denn die Ameisen wollen ihn tatsächlich umbringen!
Zur Inspiration zu „Entbehrlich“ sagt Dick im Anhang: „Die Idee zu dieser Geschichte kam mir, als eines Tages eine Fliege an mir vorbeiflog, und ich hatte das Gefühl – paranoid allerdings! – sie lacht mich aus.“
Mit ihren 7 ½ Seiten wirklich eine extrem kurze Erzählung. Sie erschien erstmals 1953 im „F & SF-Magazin“, auch wenn davon ausgegangen wird, dass Dick sie zur selben Zeit wie „Roog“ geschrieben hat (also bereits 1951).
Eigentlich gab er ihr den Namen „He who waits“, die Herausgeber von „F & SF“ haben sie jedoch einfach in „Expendable“ umbenannt (Warum auch immer?). Dick war mit dieser Entscheidung jedenfalls nicht besonders glücklich. In einem Brief an Boucher schrieb er: „I am puzzled by the new title "Expendable." What does it mean? How does it fit the story? Who put it on? And -- is there any way I can get hold of the foreign edition it appears in?…“
Ich finde den neuen Titel eigentlich recht passend (besonders wenn man das bitterböse Ende der Geschichte kennt), dennoch ist Dicks Ärger natürlich verständlich.
Zum Inhalt: Die Mensch/Ameisen-Metapher wird ja immer gerne benutzt, wenn man z.B. die Überlegenheit eines meist gottähnlichen Wesens zum Ausdruck bringen will. Dick dreht die Sache hier jedoch einfach um: Die Ameisen werden hier als Götter bezeichnet. In ihren Augen handelt es sich bei den Menschen um primitive, mitleidserregende Geschöpfe, die dringend vernichtet werden müssen. Auch interessant dass ausgerechnet die Spinnen, unter dem Volk der Insekten, unsere einzigen Verbündeten sind, handelt es sich bei den Achtbeinern doch sicher um die unbeliebtesten Krabbeltieren der Menschen (Stichwort: Arachnophobie).
Aber entspricht das Geschilderte in „Entbehrlich“ überhaupt der Wahrheit, oder bildet sich der Mann nur alles ein?
„Sie hatten es also auf ihn abgesehen, so sehr, daß sie schon organisiert vorgingen. Verzweiflung begrub ihn wie eine Lawine. Was konnte er bloß tun? An wen konnte er sich wenden? Mit wem reden?“ heißt es an einer Stelle in „Entbehrlich“. Im Prinzip entspricht er also dem typischen Bild eines Paranoikers, der in allem eine Gefahr/Verschwörung erkennt. (Im ICD-10 steht unter paranoider Persönlichkeitsstörung: „Diese Persönlichkeitsstörung ist durch (…) Misstrauen, sowie eine Neigung, Erlebtes zu verdrehen gekennzeichnet, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missgedeutet werden…“)
Wie man die Sache auch interpretiert, es handelt sich hier mMn um eine äußerst unterhaltsame Geschichte, nach der man sein Verhältnis zu Spinnen und Ameisen sicher grundlegend überdenken wird und die das Thema „Killer-Insekten“ mal auf recht originelle Weise behandelt. Das Ganze weist natürlich deutliche Parallelen zu „Die kleine Bewegung“ auf, „Entbehrlich“ ist mMn jedoch wesentlich gelungener. Hat mir gut gefallen. (4/5)