Inzwischen habe ich die ersten zwei Novellen gelesen.
Das Ganze ist mein erster Kontakt mit Michael Dissieux, da dessen Bücher (Endzeitdramen) sonst nicht unbedingt mein Fall sind. Für gutgemachte Lovecraft-Pastiches bin ich allerdings immer empfänglich.
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Die schwarze Stadt:
"Wenn man alles verloren hat, was man im Leben als wichtig erachtete, ist es kein leichtes Unterfangen, wieder aus den düsteren Tiefen der Verzweiflung heraus zu gelangen. Noch aussichtsloser erscheint der mutlose Versuch, seinen Geist von der wunderlichen und verlockenden Sehnsucht nach dem Tode zu befreien oder gar zu beschützen. In London, jener lauten und grellen Stadt, in der Wahnsinn und Hochgefühl an jeder Ecke Hand in Hand gingen, hatte Mike Osmond diesbezüglich keine Möglichkeit gesehen, den schreienden Schatten der Vergangenheit zu entfliehen und sich aus dem Sumpf von Niedergang und verzehrendem Selbstmitleid zu befreien. Und so zog es ihn nach Arc's Hill, einer kleinen Stadt im Schoße düsterer Gebirge … nicht ahnend, welch dunkle Geheimnisse dort auf ihn warteten."
Als Osmond nach dem tragischen Tod seiner Tochter nach Arc's Hill reist und dort immer wieder die geisterhafte Erscheinung eines kleines Mädchens sieht, musste ich sofort an "Wenn die Gondeln Trauer tragen" denken. Das verwahrloste Herrenhaus (voller Dreck, Schimmel und Maden) in das er anschließend zieht, entspricht zudem perfekt seinem aktuellen Seelenleben. Spätestens als er sich, trotz diverser Warnungen, dann noch auf ein seltsames Wesen aus seinen Träumen einlässt, wird klar, dass er eigentlich nur sterben will. Dementsprechend geht das Ganze am Ende auch nicht gut für ihn aus - Quelle Surprise!
Obwohl "Die Schwarze Stadt" sicher keinen Innovationspreis gewinnt und nichts bietet, was man nicht schon mal gelesen hätte, hat mir die Novelle ganz gut gefallen. Ich hab allerdings auch ein starkes Faible für klassiche Weird-Fiction-Geschichten. Da die Handlung immer wieder zwischen Traum, Wirklichkeit und alten Tagebucheintragungen wechselt, las sich das Ganze zudem recht abwechslungsreich und wurde nie langweilig. Auch wenn strenggenommen nicht viel passiert.
Die etwas altertümliche Sprache mochte ich auch. So etwas kann ja ganz schnell mal aufgesetzt wirken, Dissieux schafft es mMn aber eine wirklich unheimliche Atmosphäre zu schaffen. Das Niveau eines Siefener oder Kleudgen (die thematisch ja recht ähnliche Felder beackern) erreicht er allerdings nicht. Ich habe aber auch schon wesentlich schlechtere Lovecraft-Kopien gelesen.
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Das Grab des Teufels
"In dem düsteren Städtchen Arc´s Hill hatte der Verleger und Journalist James Feldman gehofft, der unheimlichen und dämonischen Legende des von der Zeit vergessenen Ortes auf den Grund zu gehen. Als gebrochener Mann kehrt er nach nur wenigen Tagen in den Schoß seiner Familie zurück. Erst neunzehn Jahre später, auf seinem Totenbett, bricht James sein Schweigen und berichtet seinem Sohn Frank von den Ereignissen, die ihn in Arc´s Hill in eine seelenlose Hülle verwandelt hatten. Er erzählt ihm von einem geheimen Raum unter der kleinen Kirche von Arc´s Hill … und davon, was seit Jahrhunderten tief unter der Erde verborgen gehalten wird. Frank macht sich auf den Weg in das düstere Dorf, ohne zu ahnen, dass er schon bald an die Grenzen seines Glaubens geführt wird."
Sequel und Prequel zu "Die schwarze Stadt", das allerdings auch als völlig eigenständige Geschichte funktioniert. Die Handlung spielt vor, während und nach der ersten Novelle, beantwortet ein paar offene Fragen und lässt den Leser noch tiefer in die Chronik der verfluchten Stadt eintauchen. Die Sprache fällt etwas moderner aus und auch die Lovecraft-Bezüge wurden deutlich zurückgeschraubt. Stattdessen entwirft Dissieux hier eine ganz eigene Mythologie bzw. Dämonologie und baut dabei auch verstärkt religiöse Motive ein.
Die Handlung ist aber wieder sehr reduziert und bietet recht klassische Schauerliteratur: Zwei Herren sitzen sich gegenüber und erzählen sich eine Gruselgeschichte - M.R. James lässt grüßen. Auch wenn Dissieux den Kamin mit einem Tresen und die Pfeifen durch Whisky ersetzt. Stellenweise war mir das etwas zu wenig, dennoch bietet "Das Grab des Teufels" solide Grusel-Unterhaltung. Zudem endet das Ganze noch mit einem interessanten Cliffhanger.
Bisher bin ich von den Novellen nicht völlig begeistert, aber ich werde das Buch definitiv zu Ende lesen.