Beiträge von Cheddar Goblin

    Endlich auch gelesen. Ein absolut großartiges Buch... und wesentlich weirder als erwartet.

    Ich hab mir jetzt auch mal noch "Jonathan Strange & Mr. Norrel" auf die Liste gesetzt - Auch wenn ich mit Fantasy eigentlich recht wenig anfangen kann und mich die Seitenzahl doch etwas abschreckt.

    Allerdings wieder mit einem Titel, der jeglichen Charme des Originals missen lässt und sich einfach nur nach nem Rohrkrepierer anhört.

    Der Heyne-Verlag ist in dieser Beziehung besonders schlimm. Ich finde es auch immer extrem sinnfrei, einen englischen Titel, für den deutschen Markt durch einen anderen englischen Titel zu ersetzten (???).

    MMn sind solche Namensänderungen auch ein starker Eingriff in das Werk des Künstlers und sollten generell abgeschafft werden. (Hat man als Autor eigentlich ein Mitsprache- bzw. Veto-Recht, wenn ein Buch fürs Ausland übersetzt wird?)

    Oh, aber fein, dass der übersetzt wird!

    Definitiv.

    Habe jetzt auch die letzten zwei Novellen gelesen:


    Hoch oben (circa 140 Seiten):

    "Ein junger Mann fliegt für seinen ersten Fallschirmsprung hoch in den Himmel … und landet auf einer festen Wolke, die von einem eigenen Verstand belebt zu sein scheint und Gedanken lesen kann."

    Eben noch im Flugzeug, plötzlich an einem äußerst irrationalen Ort gefangen, von dem es kein Entkommen gibt... Der Beginn von "Hoch oben" erinnert ein bisschen an die Serie "Lost". An John Ajvide Lindqvists fantastischen Roman "Himmelstrand" musste ich im späteren Verlauf ebenfalls denken.

    "Hoch oben" ist jedenfalls eine wirklich schräge, leicht surreale Robinsonade, die gleichzeitig aber auch "nur" die Halluzination eines ge- bzw. verstörten Mannes sein könnte. "Hier auf der Wolke gab es gar kein Narrativ, geschweige denn einen Wirbel verrückter Traumereignisse. Ein Moment ging einfach so in den andern über."

    Um am Ende kommt sogar noch eine Prise Cosmic Horror dazu. Großartig. Und der Beweis, dass sich Reinhard Mey all die Jahre geirrt hat: Die Freiheit ist üben den Wolken nämlich ganz und gar nicht grenzenlos.


    Regen (circa 150 Seiten):

    "An einem scheinbar gewöhnlichen Tag in Colorado öffnen sich die Wolken und es regnet Kristallsplitter, die jede Person zerfetzen, die ohne Deckung ist. Dieses Phänomen droht sich wie eine Apokalypse auf der ganzen Welt auszubreiten."

    Im Nachwort bezeichnet Hill die Geschichte als eine Parodie auf seinen letzten Roman "Fireman" und erklärt, dass der Wahlsieg von Donald Trump, die Handlung der Novelle stark beeinflusst hat. Und auch wenn sie bereits vor mehreren Jahren geschrieben wurde, muss man beim Lesen noch permanent an die aktuelle Corona-Pandemie denken.

    Im Prinzip ist "Regen" eine recht typische und unoriginelle Post-Apokalypse-Story (inklusive der obligatorischen Weltuntergangs-Sekte, einem beschwerlichen Roadtrip, Freunden, die zu Feinden werden usw.). Ähnlich wie in John Nivens kürzlich erschienenen Roman "Die Fuck it-Liste" (welcher ebenfalls mit der Trump-Regierung und dem momentanen grassierenden Wahnsinn abrechnet), geht es hier aber gar nicht so sehr um die Handlung, sondern um das Gesellschaftsbild, welches Hill uns währenddessen präsentiert.

    Die Botschaft wird zwar ähnlich subtil an den Leser gebracht, wie in "Geladen" (Protagonistin Honeysuckle Speck kämpft sich durch religiöse Fanatiker, misogyne, homophobe Dreckssäcke und rassistische Mörder), dennoch hat mir die Geschichte wesentlich besser gefallen. Auch wenn sie durchaus ein paar Längen besitzt, Hill es manchmal deutlich übertreibt und das Ende bzw. die finale Auflösung hinter dem Kristallregen (die eigentlich niemand gebraucht hätte) mMn völlig misslungen sind.


    Alles in allem ist "Strange Weather" aber eine äußerst abwechslungsreiche Sammlung geworden: Coming-of-Age-Horror, Anti-Waffen-Thriller, Sci-Fi-(Alp)Traum, Post-Apokalypse-Story... Abgesehen von "Geladen" fand ich die Novellen auch größtenteils sehr gelungen. Kann man machen...


    Deutsche Erstausgabe

    652 Seiten

    Festa Verlag

    November 2020


    Im Original ist diese Sammlung, die vier Novellen enthält, bereits vor drei Jahren erschienen - Bei Heyne hatte man aber anscheinend kein allzu großes Interesse an "Strange Weather", weswegen das Buch nun mit etwas Verspätung in der Must Read-Reihe bei Festa veröffentlicht wurde. Auch wenn mich die letzten Hill-Werke eher enttäuscht haben (besonders "Fireman"), war ich dennoch gespannt was dieser dicke Brocken denn so zu bieten hat, denn besonders sein Kurzgeschichtenband "Black Box" aka "20th Century Ghosts" hatte mich damals doch ziemlich begeistert. Generell funktioniert Hill für mich meist besser, wenn er sich etwas kürzer fasst und in Sachen Seitenzahlen nicht krampfhaft versucht mit seinem Vater zu konkurrieren.


    Bisher habe ich die ersten zwei Novellen gelesen - Mein durchwachsenes Zwischenfazit:


    Schnappschuss (circa 130 Seiten):

    "SCHNAPPSCHUSS ist die verstörende Geschichte eines Jungen, der von einem brutalen Schläger bedroht wird. Dieser besitzt eine Sofortbildkamera, die Erinnerungen löscht, Schnappschuss für Schnappschuss …"

    Das Setting/die Prämisse der Geschichte ist eigentlich recht ausgelutscht - Kleinstadt-/Coming-of-Age-Horror, inklusive jeder Menge 80er Referenzen. "Stranger Things" lässt grüßen. Dennoch hat mir die Story wirklich gut gefallen. Der "Polaroid-Man" ist ein gelungener Gegenspieler, der sich nicht vor "Der Keksfrau" (Philip K. Dick) oder dem illustrierten Mann aus Bradburys "Das Böse kommt auf leisen Sohlen" verstecken muss. Zudem hat Hill ein paar wirklich originelle Ideen und unheimliche Szenen in petto (das Finale!). Und er schafft hier etwas, was ihm mit seinen letzten Werken nicht mehr gelang - Mich emotional zu erreichen. Denn im Kern ist "Schnappschuss" eine äußerst traurige Geschichte über das Vergessen bzw. die Demenz einer alten Frau.


    Geladen (circa 230 Seiten):

    "In GELADEN stoppt der Sicherheitsbeamte eines Einkaufszentrums mutig eine Amokläuferin und wird zum Helden der modernen Waffenrechtsbewegung. Doch als eine Reporterin die wahren Hintergründe der Geschichte aufdeckt, dreht der Beamte durch …"

    Was den Umfang von "Geladen" angeht eigentlich eher ein Roman, wenn man im Hause King aufgewachsen ist, sieht die Sache aber wohl etwas anders aus und das Ganze geht als kurze Novelle durch. Die Geschichte, die übrigens völlig ohne phantastische Elemente auskommt, war für mich aber leider ein ziemlicher Reinfall. Hill spricht hier zwar ein paar wichtige Themen an (Rassismus/Racial Profiling, die US-Waffengesetze, Police Brutality), präsentiert seine Massage aber dermaßen mit dem Holzhammer, dass er mich damit schnell verloren hatte. Die Figuren waren größtenteils völlig überzeichnet, die Handlung zunehmend unglaubwürdig/albern, teilweise ziemlich flach und außerdem viel zu lange. Ein klarer Fall von "Gut gemeint, aber nicht gut gemacht". "Geladen" war echt nicht mein Fall.


    Mal sehen wie es weitergeht...

    Freut mich. Es sei jedoch gesagt, dass Blackwoods Internatszeit zwar tatsächlich stattgefunden hat, Pechmanns Schilderung dieses Kapitels aber rein fiktional ist. Gleiches gilt für Severins Paris-Aufenthalt und die Künstler, die er dort trifft - Alles erfunden. Als Zeitdokument oder Teil-Biographie funktioniert die Novelle also nur bedingt. Auch wenn das Ganze, abgesehen von der "Muse", tatsächlich so stattgefunden haben könnte.

    Inzwischen habe ich das Buch gelesen:


    Kurz vor seiner Donau-Reise, die ihn zu seiner berühmten Geschichte "Die Weiden" inspirieren sollte, trifft Algernon Blackwood in einem Zug auf den (fiktiven) Maler Paul Severin. Die Begegnung ist nicht ganz zufällig, denn die beiden Männer haben mehr gemeinsam, als er zunächst den Anschein macht. Bei einer anschließenden Wanderung durch den Schwarzwald erzählen sie sich gegenseitig ihre Lebensläufe, die durch das wiederholte Auftauchen einer mysteriösen Frau (Mensch? Geist? Dämon?) ganz offensichtlich miteinander verbunden sind...

    "Die zehnte Muse" als Schauergeschichte zu bezeichnen wäre prinzipiell zwar richtig, träfe den Kern der Erzählung aber dennoch nicht so ganz. Phantastische Elemente werden hier nämlich nur sehr wohl dosiert eingesetzt. Stattdessen schildert Pechmann (in einer wunderschönen Sprache und philosophischen Dialogen) Blackwoods Internatszeit und die Pariser Kunstszene zu Beginn des 20.Jahrhunderts. Wer eine klassische Geisterstory erwartet dürfte größtenteils also eher enttäuscht werden. (Müsste ich die Novelle mit Blackwoods Werk vergleichen, würde mir am ehesten noch dessen mystischer Roman "Der Zentaur" einfallen.) Mir hat das Buch jedenfalls äußerst gut gefallen. Neben dem fantastischen "Geisterschiff" von Middleton schon die zweite Veröffentlichung aus dem Steidl Verlag, welche mich diesen Monat begeistert hat. :thumbup:

    Hab das Buch nun auch gelesen:


    Eine wirklich schräge und einzigartige Mischung aus einem irren Kunstmärchen/Heiligenschrift und einem extrem surrealen Fiebertraum. Die Geschichte hat auf mich sofort eine starke hypnotische Wirkung ausgeübt und ich konnte das Buch kaum noch aus der Hand legen. Wahrscheinlich hätte ich sogar 1000 Seiten mehr lesen können, ohne mich dabei zu langweilen - Doch leider kam bereits nach 215 Seiten das Ende.

    Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass "Der Heilige mit der roten Schnur" schon sehr spezielle Literatur und daher ganz sicher nicht für jeden geeignet ist. Man sollte beispielsweise nicht allzu zart besaitet sein oder Probleme mit diversen Körperflüssigkeiten haben (Blut, Sperma, Kotze, Scheiße ergießen sich hier in Strömen). Ardelean hat durchaus ein paar Alptraum-Bilder erschaffen, die ich so schnell nicht vergessen werde (Stichwort: Uterus...).

    Mein Fazit: Im wahrsten Sinne des Wortes - Eine Offenbarung. Vielleicht sogar mein Buch des Jahres.


    Danke für die Vorstellung, Felix. Ohne diesen Thread wäre ich wohl nie auf den Heiligen aufmerksam geworden.

    Ich selbst habe „The Web of Easter Island“ nicht gelesen und kann mich daher nur auf Joshis Ausführungen berufen.

    Diese sind aber doch schon mal ganz interessant. Danke für die Info, Axel.

    Die Unterschiede scheinen also eher stilistischer als inhaltlicher Natur zu sein.

    (Wie kommt es eigentlich, dass dein Buch 505 Seiten und der Festa-Band nur 288 Seiten hat?)

    ...ob das eine Verbesserung bedeutet, stellt zumindest Joshi in Frage.

    Es wird schon einen Grund haben, dass man sich bei der Wiederveröffentlichung für den Ursprungstext entschieden und nicht die überarbeitete Version genommen hat.

    Ich kann deine Kritik nachvollziehen (...) Ich habe es mir jedoch angewöhnt, solche Antiquitäten dezidiert mit einem historischen Bewusstsein zu lesen … und bin daher vielleicht ein wenig milder gestimmt.

    Mag sein. Vielleicht hatte ich aber auch einfach zu große Erwartungen.

    Wie gesagt: Schlecht fand ich den Roman nicht. Solide Weird-Fiction-Kost.

    Aber das ist doch cool, oder?

    Definitiv. Ein Highlight des Romans.

    Den "Prolog" (Auslöschung einer ganzen Familie) fand ich ja auch noch recht stimmungsvoll. Auch wenn er natürlich ein recht dreistes "Die Farbe aus dem All"-Rip-Of war.

    Wie auch immer: weitere Einschätzungen würde wir gerne zur Kenntnis nehmen, nicht wahr Cheddar Goblin ?

    Absolut!

    Inzwischen ist "Tote Titanen, erwacht!" auch in der deutschen Übersetzung erschienen:



    Vielleicht kann man den Thread daher ja in den Allgemeinen-/Klassiker-Bereich verschieben.


    Ich habe das Buch jedenfalls nun auch gelesen und bin leider nicht ganz so begeistert wie Axel. Vielleicht lag es an der Übersetzung, aber bei der Lektüre wollte irgendwie keine richtige Stimmung aufkommen. Horror-Elemente sind hier generell ziemlich rar gesät, die (von Axel ins Spiel gebrachte) Bezeichnung "Abenteuerroman" passt daher tatsächlich ganz gut.

    Wirklich innovativ war "Tote Titanen" ebenfalls nicht. Das Motiv "Schnitzeljagd über den Kontinent" ist halt doch schon etwas ausgelutscht. Meist stört mich das bei klassischer Weird-Fiction überhaupt nicht, hier hat es mich aber manchmal durchaus gelangweilt.

    Viele Kapitel tragen auch nicht viel zum eigentlichen Geschehen bei (der Alptraum, der Flugzeugabsturz, die Zeitungsartikel, Teile des Tagebuchs). Ich weiß schon warum sie vorhanden sind (Atmosphäre, das Aufzeigen einer globalen Bedrohung, Charakterstudie des Protagonisten etc.). Ich hatte dennoch das Gefühl, dass Wandrei seine Geschichte, durch diese Einschübe, künstlich strecken und krampfhaft zum Roman ausbauen wollte. Als Novelle hätte "Tote Titanen" mMn jedoch besser funktioniert. Auch wenn das Buch mit seinen 270 Seiten nicht gerade umfangreich ausgefallen ist.

    Normalerweise mag ich es auch, wenn Autoren mit verschiedenen Erzählperspektiven und Textformen experimentieren, hier wirkte es auf mich aber stellenweise etwas unbeholfen und unausgegoren - Das gilt leider auch für den Schluss/finalen Twist, der irgendwie nicht so ganz zum Rest der Geschichte passen will.

    Man darf bei all dieser Kritik natürlich nicht vergessen, dass "Tote Titanen" der Debütroman eines damals 19jährigen Wandrei war - Genau so liest er sich aber eben auch. Ganz schönes Flickwerk und ein klassischer Fall von "zu viel gewollt".

    Schlecht ist das Buch nicht, aber höchst mittelmäßig.

    „Dead Titans, Waken!“ ist die Vorabversion von „The Web of Easter Island“ und unterscheidet sich an einigen Stellen markant von diesem.

    Hast du eventuelle genauere Informationen zu den Unterschieden, Axel? Sie werden im Nachwort des Festa-Bandes zwar erwähnt, aber leider geht Andreas Fliedner nicht näher darauf ein.

    Ein wirklich großartiges Buch. Witzig, skurril, traurig... Ich hoffe da kommt in Zukunft noch mehr von Middleton. Ich hatte zuvor noch nichts von ihm gelesen, aber er gehört für mich, dieses Jahr, neben Morrow ("Der Affe, der Idiot und andere Leute") definitiv zu den Entdeckungen im Klassiker-Bereich.

    Die anderen Nocturnes-Bücher werde ich mir zeitnah auch noch zulegen.