Beiträge von Arkham Insider Axel

    Die Geschichte scheint übrigens nicht allzu oft anthologisiert worden zu sein. 1947 aber wurde sie in dem Band „Visionen“ (Ibis-Verlag, Linz, Pittsburgh, Wien) aufgenommen, neben Stories von E. A. Poe, Villiers de L'isle Adam und C. L. Philippe.


    Die Illustrationen schuf Ludwig Schwarzer (1912 — 1989), ein Künstler from Austria.


    Zum „Meister Leonhard“ habe ich (im Großen und Ganzen) auch nicht mehr zu sagen, außer dass ich – in dem nun eingerichteten Thread Meister Leonhard Gustav Meyrink – noch eine Buchausgabe empfehle.


    Dass Meyrinks Novelle in dem hier besprochenen Band berücksichtigt wurde, liegt wahrlich nicht auf der Hand. Aber okay: Je weiter man das Thema fasst, desto mehr ergibt sich. Teufelsglaube wird ja nur am Rande gestreift … und ist, wenn wir ehrlich sind, nur das schmückende Beiwerk einer Story, deren Abgründe woanders liegen.

    Hinweisen möchte ich noch auf mein Lese-Exemplar. Es handelt sich um eine vergleichende Edition zwischen Manuskript und Druckfassung, hervorgegangen aus einem Projekt von Studierenden am Lehrstuhl für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Ruhr-Uni Bochum. Das preiswerte Bändchen bietet außerdem noch einige erhellende Kommentare zum Text bzw. der Textgeschichte.


    Gustav Meyrink: Meister Leonhard, Hrsg.: Stephanie Heimgartner

    Klappenbroschur,

    96 Seiten, mit umfangreichem Kommentar und Apparat

    Chr. A. Bachmann Verlag

    Essen 2012

    Mir geht es ähnlich wie dir, Katla – wenige andere Texte von Meyrink hatten eine so schlagartige und beeindruckende Wirkung auf mich wie der „Meister Leonhard“.


    Kurz angemerkt: Es ist das gute Recht derjenigen, die einen Thread eröffnen, nicht zu spoilern. Ich selbst nehme es hier nicht für mich in Anspruch. :saint:


    Zu loben ist die Kürze und Dichte von Meyrinks Novelle. Auch die Herangehensweise gefällt mir sehr, der erwähnte „melancholisch-düstere Rückblick“, der sich in der Tat wie ein „verzweifelter stream of consciousness“ liest. Natürlich ist alles wild erdacht und auf die Spitze getrieben: Meister Leonhard entstammt einer inzestuösen Beziehung, er selbst wiederholt sie später mit seiner Schwester. Der Vater: ein Mitglieder des Templerordens und der Teufelsverehrung verdächtig. Meister Leonhard wirft einen gehörnten Schatten und fällt dem Wahn der abergläubischen Bauernschaft zum Opfer.


    Die eigentliche Hauptdarstellerin ist aber, auch da stimme ich überein, – die Mutter, ganz offensichtlich im Bann einer zwanghaften Obsession.

    Die Figur des Meister Leonard ist unter moralischen und psychologischen Gesichtspunkten ebenfalls enorm spannend, und vom Autor mit einer ungeheuren Feinfühligkeit und auch Empathie verarbeitet, wobei dies an herkömmlicher Moral durchaus vorbeiführt.


    Diese sich steigernde seelische Tragik (Psychologie), die dem Text von Anfang an innewohnt, hat mich ebenfalls gepackt. Es ist immer gut über die Beziehung von Eltern und Kindern zu schreiben. Das ist schließlich eine Grunderfahrung der (meisten) Menschen. Meyrink bietet die ganze Palette: Ein Kind, das unter der krankhaften Mutter zu leiden hat, ein Vater, der sich abkapselt und nachher dement wird … schließlich der Muttermord. Dann die Schwester, mit der eine Tochter gezeugt wird, – die nachher, so deutet es ja das Ende der Geschichte an, wiederum zur Mörderin wird. Man liest das alles quasi mit aufgerissenen Augen und offenstehendem Mund …


    Dass in diesem Zusammenhang (der familiären Beziehungen) Bruno Schulz’ „The Sanatorium Under The Sign of the Hourglass“ genannt wird, passt daher für mich auch sehr gut ins Bild. Mit dem erwähnten „The Mainz Psalter“ hat der
    „Meister Leonhard“ vielleicht die Kompromisslosigkeit gemeinsam: Man merkt einfach, da ist ein Autor am Werk, der genau weiß, was er sagen will. Und er tut’s — ohne umständliche Herleitungen, groß angelegte Erklärungsversuche oder Beweggründe.

    Vielen Dank für die Vorstellung, sehr interessant!


    Katla Möchtest Du vielleicht Gustav Meyrinks „Meister Leonhard“ in einem eigenen Thread bei den Klassikern vorstellen? Mir schwebte die Story bereits vor … jetzt warst Du schneller als ich. Hierzu gäbe es sicher noch das eine oder andere zu sagen …

    Und auf einer - leider Russischen - Ausgabe der Purpursegel ist sogar einer der schönsten Rahsegler überhaupt abgebildet, die Briggen Tre Kronor, deren Segel auf dem Scarlet Sails Festival in St. Petersburg rot angestahlt wurden.

    Mal wieder echtes Insider-Wissen, immer schön zu lesen!


    Ansonsten kann ich noch sagen, dass der russische Name des Schiffs, der ja auch titelgebend für den Roman ist, woanders mit

    „Wellenreiterin“ – statt „Wogengleiter“ – übersetzt wurde (s. Suhrkamp-Band Die dunkle Seite der Wirklichkeit: Pollak, „Reise nach Grinland“). Was mir in dem Fall, weil weiblich, richtig erscheint.

    Vielen Dank für die Vorstellung, klasse zusammengefasst! Der Meinung schließe ich mich in allen Punkten an, vor allem, was die „Gleichförmigkeit der Themen bzw. Grundplots“ anbelangt.


    als Übersetzer wird aber neben Degner auch eine Elisabeth Schnack genannt


    Einst pflegte Diogenes ja die Schwerpunkte angelsächsische Literatur, Krimi und Grusel. Für die verlagsinterne Initialzündung sorgten die Übersetzerinnen beziehungsweise Herausgeberinnen Elisabeth Schnack (1899 – 1992) und Mary Hottinger (1893 – 1978). Weltgewandt und unbelastet von der damals noch gängigen Unterteilung in „ernsthaft“ und „unterhaltend“, servierten sie dem Publikum allerlei literarischen Mord und Totschlag, wobei auch Gespenstergeschichten nicht fehlen durften.


    Elisabeth Schnack verantwortete schon 1957 einen Band mit Kurzgeschichten von Lord Dunsany („Jorkens borgt sich einen Whisky“, illustriert von Paul Flora). Le Fanus „Carmilla“ ist auch heute noch im Verlagsprogramm, der Band „Der ehrenwerte Herr Richter Harbottle“ jedoch nur noch antiquarisch erhältlich.



    Alexander Grin: Wogengleiter

    Mit einem Vorwort von Leonid Borissow

    Phantastische Bibliothek 274. Suhrkamp Taschenbuch 1830. Frankfurt a. Main 1991

    218 Seiten


    Ein Schiff, von dem es heißt, dass es auf dem Meeresboden von zwei Riesen namens „Geheimnis“ und „Ausdauer“ erbaut worden sei (unter Mithilfe der Handwerker „Hammerhai“ und „Sägefisch“), muss ja wohl seinen Weg in unsere Herzen finden. Weil mir die erste Lektüre schon so gut gefiel, habe ich Alexander Grins „Wogengleiter“ nun zum zweiten Mal gelesen – wieder begeistert.


    Inhalt: Und ewig lockt das Geheimnis

    „Wogengleiter“ ist die Geschichte des empfindsamen Thomas Harvej, der krankheitsbedingt eine Reise unterbrechen muss und in der Hafenstadt Lissa landet. Dort verguckt er sich ebenso in die schöne Bice Seniel wie in ein prachtvolles Segelschiff, den „Wogengleiter“. Wie kann es sein, dass das luxuriös ausgestattete Fahrzeug für einfache Frachtfahrten genutzt wird? Harvej wittert ein Geheimnis.

    Obwohl Kapitän William Gaes scheinbar ein Ekel ist, bucht Harvej für teures Geld eine Passage auf dem Wogengleiter nach Gel-Gju. Erwartungsgemäß gerät er auf See mit Gaes aneinander … und gelangt nur unter Schwierigkeiten an sein Ziel.

    In Gel-Gju herrscht ausgelassener Karneval. Inmitten des bunten, maskenhaften Treibens löst Harvej das Rätsel um den Wogengleiter. Mehr noch: Er findet sich im Schnittpunkt dreier Frauen wieder (Bice Seniel ist eine von ihnen), wird in einen erbitterten lokalpolitischen Streit und außerdem noch in einen Mordfall hineingezogen.

    Am Ende hat Harvej sein Verlangen nach dem Geheimnisvollen befriedigt. Auch die Sehnsucht nach Liebe erfüllt sich. Dieser versöhnliche Ausgang bleibt dem Wogengleiter freilich verwehrt. Wie nebenbei, aber unüberhörbar, wird auch das tragische Schicksal des Schiffes zu Ende erzählt.


    Meinung: Es muss ja nicht immer alles düster sein

    Was ist dieses Buch? Eine Romanze, ein Abenteuerroman, eine Seefahrergeschichte und nicht zuletzt ein Krimi. Ebenso pflegt Grin bekannte Topoi der Phantastik: In einer kurzen Binnenerzählung wird etwa eine Lösung des Rätsels um das Gespensterschiff „Mary Celeste“ angedeutet!

    Harvej ist ein im besten Sinn naiver Held – er lässt sich ohne zu zögern aufs Abenteuer ein und hat die wunderbare Fähigkeit, intuitiv auf die Begebenheiten zu reagieren. Die Stimmung des Buchs ist durchweg positiv, licht, – vielleicht eher Fantasy denn unheimliche Phantastik. Dazu trägt auch Grins künstliche Geografie bei, denn Städte wie Lissa, Dagon oder Gel-Gju entspringen der Imagination (ohne aber völlig aus der Luft gegriffen zu sein).

    Hinter seinen Vorbildern – die wohl Herman Melville, Joseph Conrad oder Jack London heißen – braucht sich Alexander Grin nicht zu verstecken. Mit seinem William Gaes hat er die maritime Literatur um einen weiteren zwielichtigen Kapitän bereichert.


    Ich vergebe 5 von 5 möglichen Daumen. :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

    the_seus Solche Zonen mag es geben; ich kenne sie nicht. Hier (Westdeutschland) lassen viele (nicht alle!) Leute ihre Hunde überall und zu jeder Jahreszeit von der Leine. Was okay ist, – wenn die Tiere cool sind. Man merkt wohl, dass ich hier etwas gespalten bin.


    Also, die Frage von Satz und Typografie könnte man durchaus vertiefen. Dafür müsste dann freilich ein eigener Thread her.


    Ansonsten: Ich werde es mal mit einem weiteren Carroll probieren, einige Titel wurden ja nun schon genannt. Aber strenggenommen habe ich mich ja gar nicht an dieser Challenge beteiligt. X/

    the_seus Danke für die Hintergrundinfos, immer interessant zu erfahren! Das gilt natürlich auch für

    Erik R. Andara, wobei ich kurz nachdenken musste, was mit Hundezone gemeint ist (irgend so ein crazy weird shit aus dem Multiversum? Der Titel einer Story, die ich sträflich ignoriert habe? Dann habe ich es aber – glaube ich – kapiert …)


    Was die Schriftgröße betrifft: Der Gedanke kam mir jetzt auch, nachdem ich wieder einen Roman aus der Reihe gelesen habe. Auch der Satzspiegel ist nicht optimal: die Ränder fallen für meinen Geschmack zu schmal aus. Unterm Strich machen die Seiten einen überlasteten Eindruck. Ja, das tut der Konzentration nicht gut.


    In den alten Lovecraft-Bänden hatten sie tw. eine deutlich bessere Schriftgröße.

    Eines dieser "Buch-im-Buch-Bücher". Ich habe es auch gerne gelesen und fand es unterhaltsam. Gut erzählt und man ist immer bereit, dem Autor bei seiner verrätselten Geschichte zu folgen. Daher meine ich schon, dass es "ein einfaches Buch" ist.


    aber die weiteren Romane fallen dagegen deutlich ab.

    Deswegen wurde Caroll vielleicht auch nicht der neue Star der Phantastik, als welchen man ihn vielleicht nach "Das Land des Lachens" sehen konnte?


    Mich dünkt, es war einer der wenigen kontemporären Titel in der Phantastischen Bibliothek. Und war das dort die deutsche Erstveröffentlichung? Ich hätte gedacht, dass der Roman genug Potential besitzt, um nicht gleich vom Start weg in so ein Nischenprogramm – als Taschenbuch – untergebracht zu werden.

    Schöne Idee! Das Cover ist ein Hingucker, auch wenn ich kein Fan der Farbe Blau bin … die Idee finde ich aber ganz charmant.


    Auch finde ich es richtig, dass Matthias Käther sein Pulp-Wissen jetzt mittels Buch-Projekt unters Volk bringt. Seine Artikel-Reihe auf dem Zauberspiegel wurde hier im Forum ja schon erwähnt.


    Mammut Ich welcher Form warst Du an dem Projekt beteiligt? Bitte berichte doch mal, wie alles zustande kam.