Beiträge von Arkham Insider Axel

    Zwar sind das "Das Geisterschiff" und auch "Auf der Landstraße nach Brighton" schon häufig anthologisiert worden, aber eine eigene Anthologie zu Middleton gab es doch bisher noch nicht auf Deutsch, oder? Von daher ernet der Band meinen vollen Zuspruch.


    Auch Musil und Mérimée hören sich lohnenswert an … Übrigens ist diese Reihe ja nun eine von mehreren der letzten Zeit, die – seit dieses Forum neu eröffnet wurde – sich dem Unheimlichen und den Nachtseiten widmen. Ich denke z. Bsp. an die "Handliche Bibliothek der Romantik"/Secession-Verlag oder die neue Arthur-Machen-Werkausgabe im Elfenbein-Verlag.


    Auffällig ist, dass diese Sachen gerade nicht in dezidierten Genre-Verlagen erscheinen.

    col.race Vielen Dank für die Vorstellung dieser Klassiker-Reihe – zu der wohl viele von uns einen Bezug haben …


    Er entdeckte Lovecraft bereits vor (!) dem Krieg in Estland (!). Auf welchen Wegen die alten Arkham House-Ausgaben oder Weird Tales-Hefte damals ins Baltikum gelangten, wäre wahrscheinlich eine eigene Story wert.


    Tja, da sagst du was! Erst letztens erkundigte ich mich bei Robert Bloch wegen dieser Angelegenheit. Er hat das nicht nur bestätigt, sondern schrieb, dass Kalju Kirdes Mutter ihm die Weird-Tales-Ausgaben vom Zeitschriftenstand mitgebracht habe … Was aber die Arkham-House-Bände betrifft, so hat Kirde selbst noch – dann wohl schon in Göttingen – mit dem Verlag korrespondiert.

    Es freut mich, dass das Buch einen neuen Fan gewonnen hat!


    Was Hawthorne und das Haus der sieben Giebel betrifft: Ich sehe hier eine (oberflächliche) Analogie in einem vermaledeiten Haus – welchem ein Laden angegliedert ist. Dieses Anhängsel aber weiß Hawthorne besser zu nutzen, wie mir scheint. Das Hawthorne-Zitat vor "Die Vision des Anarchis" erhält freilich erst nach abgeschlossener Lektüre des Romans seinen Sinn.


    Die ganze Konstruktion ist so exotisch und abseitig, dass ich mir trotz letztendlicher Erklärungen die Abläufe nicht als in der realen Welt verhaftet vorstellen konnte. Lange habe ich nicht mehr einen solch radikalen Bruch mit der Realität gelesen.


    Ein bedenkenswerter Aspekt! Der Bruch mit der Realität erfolgt eigentlich nicht, da wir ja vom Fleck weg ins phantastische Geschehen geschmissen werden. Das aber ist eine Spezialität der Ray'schen Schreibe: Er hat, ähnlich wie Lovecraft, eine so vielsagende Art und suggeriert ohne Umschweife, dass etwas Ungewöhnliches bevorsteht. Daher eignet er sich auch besonders gut für die eher kurze Form.


    Ich liebe die Biedermeierlichkeit, in die er seine Schauplätze einschmiegt: gemütliche alte Städtchen und Stadtviertel, Hafengegenden, verträumte Gassen … das Haus Malpertuis darf man sich, wenn ich es richtig sehe, irgendwo in Gent denken.


    Nicht zu vergessen: Rays Sinn für Kulinaristik! Dies wird keinem aufmerksamen Leser – nicht nur dieses Romans – entgehen. Gipfelpunkt in dieser Hinsicht: seine Erzählung "Das Sauerkraut" …

    Das ist zweifellos der Fall, und ich wäre dafür tendenziell auch offen - aber nicht (oder nur sehr begrenzt) in einem Buch, das von Lovecraft berichten soll. Auf dieser Prämisse würde ich hier schon beharren wollen.

    Natürlich, eine gerechtfertigte Einstellung.


    Das Buch hatte wohl das Unglück, in aller Schnelle zusammengeschustert zu werden. Dass es Jahrzehnte gedauert hat, bis eine deutsche Übersetzung erschien – und dann noch in einem Verlag, der sich guten Gewissens der lovecraft'schen Peripherie widmen kann – das sagt wohl ebenso etwas über seine Qualitäten aus.

    Eine schön geschriebene Kritik! Ich will ihr in den angeführten Punkten auch nicht widersprechen. Denn zwar kenne ich das Buch nicht, aber einen anderen biografischen Text von Long: Autobiographical Memoir, Necronomicon Press 1985. Dieser versammelt die oben erwähnten Untugenden auf entsprechend weniger Seiten (ca. 30 an der Zahl).


    Die doch recht scharf geführte Feder scheint mir indes auf eine zu große Erwartungshaltung zurückzuführen sein. In einigen Details scheint diese Haltung ja letztendlich auch erfüllt worden zu sein (s. letzten Absatz). In anderer Hinsicht, vor allem im direkten Vergleich mit dem Cook-Text, mag Longs Buch schlechter abschneiden. Zu der überhasteten Veröffentlichung – die ja wohl auch nie korrigiert worden ist – wurde schon alles gesagt: Das kann man nicht mehr ändern und es ist sehr richtig darauf hinzuweisen, wäre für mich aus heutiger Sicht jedoch kein Kritikpunkt mehr.


    Ich würde nach dieser Besprechung nun auch eher von dem Buch erwarten, etwas über Long zu lernen. Zumindest eher, als dass mir in puncto Lovecraft noch ein großes Licht aufginge … Etwas über Lovercrafts Zeitgenossen und Weggefährten zu erfahren, dafür bin ich aber eben auch stets dankbar!


    Wie auch immer: Die Geschichte der Lovecraft-Forschung ist eine sehr wechselvolle, nicht immer geradlinig und auf gleichbleibendem Niveau verlaufene Aufarbeitung und Durchleuchtung. Wir haben dabei den Sonderfall, dass von Anfang an eher das Fandom als eine routinierte Literaturkritik die Hauptarbeit leistete. Was mich betrifft, so bin ich froh über jedes Buch, das geschrieben wurde und das – wenn auch kontrovers – in die Forschung eingegangen ist. Und unter diesem Aspekt haben die Bücher von L. Sprage de Camp, Houellebecq – und, um beim Thema zu bleiben: Long – ihre volle Daseinsberechtigung. Und wir sind mit diesen Büchern wahrscheinlich weitergekommen als ohne sie.

    Nach knapp 60 Seiten bin ich noch vollkommen planlos.

    60 Seiten Planlosigkeit – ich weiß nicht, ob ich das ausgehalten hätte …


    Man konzentriere sich vorerst nur auf den Bericht des Jean Jaques Grandsire: ein junger, verliebter Mensch, umgeben von allerlei Sonderlingen in einem großen Haus. Soweit ist doch alles klar, oder?

    Danke sehr für die ausführliche Vorstellung

    Da nicht für. [Cof]


    Ein Preis von 15 Euro ist für dieses Buch, welches einem genussreiche Stunden bietet, nicht zu viel. Wenn man sich anschaut, wie andere Suhrkamp TB der Reihe angeboten werden, dann ist es jedoch ein vergleichsweise hoher Preis.

    Zitat

    Zum Wahnsinn hat ihm nicht viel gefehlt. Beide Eltern endeten im Irrenhaus. Diesen biographischen Schatten verarbeitete der 1890 geborene Howard Phillips Lovecraft in seinen Horrorgeschichten. Vom menschenscheuen Nervenbündel hat er es zu einer Ikone der Popkultur gebracht.

    Zum Wahnsinn hat ihm nicht viel gefehlt. Beide Eltern endeten im Irrenhaus. Diesen biographischen Schatten verarbeitete der 1890 geborene Howard Phillips Lovecraft in seinen Horrorgeschichten. Vom menschenscheuen Nervenbündel hat er es zu einer Ikone der Popkultur gebracht.

    Berge des Wahnsinns - Der Horrorschriftsteller H.P. Lovecraft. Von Kurt Darsow


    WDR3 Kulturfeature. Ausstrahlung am 15. August 2020, Wiederholung am 16. August 2020


    Nils – Das ist aber etwas älteres, oder?

    Immer gerne, liebe Leute!


    Die Neuauflage ist bestimmt lohnenswert, da die alten Insel/Suhrkamp/Festa-Bände keine Schnapper sind, wenn ich es richtig sehe.


    Tja, den Film würde ich gerne auch mal sehen. Die DVD wird aber schon zu deftigen Preisen angeboten …



    Jean Ray: Malpertuis. Phantastischer Roman

    Broschur, 213 Seiten. Deutsch von Rein A. Zondergeld. Nachwort von Jörg Krichbaum

    Suhrkamp, Phantast. Bibliothek Bd. 165. Frankfurt a. Main 1986


    Malpertuis und seine seltsamen Bewohner

    Der Rosenkreuzer und Okkultist Cassave liegt im Sterben. An seinem Sterbebett hat er Familienmitglieder, Freunde und Bedienstete zusammengerufen. Das beträchtliche Vermögen wird unter den Anwesenden aufgeteilt. Mit der Bedingung, dass Cassaves Haus Malpertuis fortan ihr Wohnsitz sei und ein kleines Farbengeschäft, das sich daselbst befindet, weiterhin betrieben werde.

    Die Schicksalsgemeinschaft setzt sich aus merkwürdigen Individuen zusammen. Da ist etwa der durchtriebene Onkel Dideloo, der Alice, der schönsten der drei Cormélon-Schwestern nachstellt. Einen Jagdtrieb anderer Art lebt Cousin Philarète aus: Als geschickter Präparator stopfte er ehedem das von Cassave erlegte Wild aus. In der Hoffnung auf irgendeine Rarität der Kleintierfauna platziert er seine Fallen auch auf dem Dachboden von Malpertuis. Da sind Nancy und ihr Freund Mathias Krook, die sich des Geschäfts angenommen haben. Weiter haben wir die rätselhafte Euryale – eine Schönheit mit rotblondem Haar und „Augen aus Jade“ . Sie ist denn auch der Augenstern unseres Erzählers Jean Jaques Grandsire, der freilich zwischen ihr und der ebenso anziehenden Alice Cormélon schwankt. Unablässig schleicht ein gebeugter, abgemagerter Mann mit verfilztem Haar im Haus umher: Lampernisse, der Hüter der Lampen. Seine Furcht gilt einem unsichtbaren Wesen, das es darauf angelegt hat, sämtliche Lichtquellen von Malpertuis zu löschen. Und wer ist jener strenge, gebieterische Herr namens „Eisgenott“, der sich nur selten – dann aber entscheidend – in die Angelegenheiten der Hausbewohner einmischt?


    Der Lockruf von Malpertuis

    Es erübrigt sich zu sagen, dass sich dieses Personal– das längst noch nicht vollständig ist – bestens eignet für die phantastischen Begebenheiten, die sich in den Mauern von Malpertuis abspielen. Was das Haus betrifft, so entzieht es sich einer eindeutigen Beschreibung. Es ist jedenfalls groß genug, um seine Einwohnerschaft zu fassen. Von den Schatten, die hier umgehen, ganz zu schweigen. Abgesehen von einigen Ausflügen ist es dieser verwunschene Bau – fürchterliches Vermächtnis des Onkels Cassave – der den größten Teil unserer Aufmerksamkeit und der Geschichte beansprucht. Wie ist das siebente Kapitel so treffend benannt: „Der Lockruf von Malpertuis“ …


    Vorgehensweise und Vorbilder

    Zum unabdingbaren Charakteristikum des Romans gehört, das er aus verschiedenen Erzählperspektiven heraus aufgebaut wird. Das Zentrum bildet die Schilderung des Jean Jaques Grandsire: er, der Neffe des verblichenen Cassave, ist’s, der die seelenzerstörenden Ereignisse im Haus Malpertuis hautnah erlebt. Seinen Erinnerungen vor- und nachgestellt sind die Zeugnisse anderer Personen, die mit ihm in Verbindung stehen und das Gesamtgeschehen erhellen. Diese komplexe Herangehensweise mag nur anfänglich etwas verwirren. Am Ende versteht es Jean Ray geschickt, alles miteinander zu verknüpfen, ohne offene Fragen schuldig zu bleiben.

    Bedenkenswert sind zudem die den Kapiteln vorangestellten Eingangszitate. Sie geben einen Hinweis auf Rays Lektüre-Vorlieben oder sogar Einflüsse. Da finden wir Aussprüche von Nathaniel Hawthorne, Edgar Allan Poe aber auch von deutschsprachigen Phantasten wie Hermann Esswein oder Jakob Elias Poritzky. Und wenn unser Chronist den Ladendiener Mathias Krook mit an der Wand festgenageltem Kopf auffindet – dann wissen wir zwar nicht, welch böser Geist dies tat, wohl aber zeugt die Todesursache von Jean Rays Vorliebe für Wilhelm Hauffs „Geschichte vom Gespensterschiff“, in welcher der Kapitän das gleiche Schicksal erleidet.


    Fazit

    Man könnte Malpertius leichthin ein Spukhaus nennen, denn natürlich spukt es: Leute verschwinden spurlos, geisterhafte Musik erklingt und befremdliche Kreaturen treiben ihr Unwesen. Das wäre allerdings eine unzulässige Bemerkung angesichts Jean Rays ausgeklügelter Hintergrundgeschichte. Denn die Bewohner und Bewohnerinnen von Malpertuis sind nicht unbedingt Menschen wie du und ich … Die bizarre Konzeption des belgischen Autors funktioniert – trotz der klassischen Eingangszitate – ihrem Kern nach ohne historische Vorbilder und ist einmal mehr ein Beweis seiner Originalität. Angefixt von griechischer Mythologie, Geheimwissenschaften, klösterlicher Frömmigkeit und folkloristischen Motiven, hat Ray mit Malpertuis wohl eines seiner ambitioniertesten Werke vorgelegt. In puncto Eindrücklichkeit und düsterer Faszination steht es seinen meisterlichen, längeren Erzählungen wie „Die Gasse der Finsternis“ oder „Der Mainzer Psalter“ in nichts nach.

    5 von 5 Daumen: :thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

    Zitat

    Im Juli 1905 macht der Maler Paul Severin im Zug eine geheimnisvolle Bekanntschaft. Algernon Blackwood, Journalist und Abenteurer, ist überaus interessiert an Severins Malerei. Vor allem an einem Gemälde: Es zeigt das Mädchen Talitha, das Severin ein Jahr zuvor Modell gestanden hatte. Doch Blackwood behauptet, Talitha bereits vor zwanzig Jahren getroffen zu haben. Ungläubig lässt sich Severin Blackwoods Geschichte erzählen: Als Internatsschüler war ihm nachts in den Wäldern etwas Unheimliches begegnet, das ihn nicht losließ. Auch Severin kennt diesen Wald und seine Geheimnisse und berichtet wiederum Blackwood von seiner dramatischen Kindheit.


    Als die beiden Männer ihr Ziel Königsfeld im Schwarzwald erreichen, beschließen sie, dem Rätsel gemeinsam auf den Grund zu gehen. Ihre Suche nach dem Mädchen Talitha, das eine seltsame Sprache spricht und nicht zu altern scheint, mündet in einem Labyrinth aus halbvergessenen Gerüchten und düsteren Legenden. Doch vielleicht ist die Wahrheit noch fantastischer als Märchen und Spukgeschichten aus alter Zeit?


    Quelle: Steidl Verlag


    Nicht von der Webseite aber aus dem gedruckten Verlagsprospekt stammt diese Einschätzung:


    "Die zehnte Muse ist eine exzellent recherchierte, im Mysteriösen und auch Kriminellen angesiedelte Geschichte, raffiniert aufgebaut, sprachlich erstklassig. Schauderhaft gut eben." (Quelle: Kleine Zeitung).


    Dank Alexander Pechmann und des Steidl Verlags gerät der gute Algernon Blackwood nicht in Vergessenheit. Blackwood-Fans merken angesichts der Beschreibung natürlich auf. In bio-bibliografischer Hinsicht sicherlich nicht uninteressant …

    Vielen Dank für diese nochmalige Einschätzung und Erklärung. Hört sich nach wie vor gut an … allerdings wird es der Titel nicht in nächster Zeit auf meine Leseliste schaffen. Aber vielleicht mache ich erst einmal einen zweiten Versuch mit "Gebein und Flöte".

    Bei meiner Überlegung, welchen unbekannten (oder vergessenen) Autor – dessen Bücher aber noch gut erhältlich sind – sich hier vorzustellen lohnt, bin ich noch gar nicht auf Bergengruen gekommen. Als ich deinen Beitrag sah, Strach , habe ich mich daher sehr gefreut. Danke für den Buchtipp, das hört sich interessant an, auch wenn der Titel zu märchenhaften Preisen angeboten wird.


    Gelesen habe ich von Bergengruen den frühen Roman "Das große Alkahest" (später als "Der Starost" wiederveröffentlicht), "Der Tod von Reval" sowie einige Novellen. Auch der sagenhafte Zyklus "Das Buch Rodenstein" ist mir in guter Erinnerung. Gelegentlich anthologisiert wurde seine Gespenstergeschichte "Die Speltsche Einfahrt". Der auf dem Foto abgebildete Band "Spuknovellen" wurde von seiner Frau (Witwe) Charlotte Bergengruen herausgegeben.


    Es ist wohl so, wie das Lexikon der Phantastischen Literatur schreibt: "Die Novellen und Romane des baltischen Erzählers, die sich lange Zeit einer großen Wertschätzung erfreuten, werden heute nur noch wenig gelesen."


    Aber vielleicht täusche ich mich auch und es melden sich weitere Bergengruen-Leser*innen zu Wort … ?