Charmante Idee! Das Prinzip der limitierten Kleinstauflage noch etwas weiter gestrickt, die Abnehmerschaft scheint hier wirklich sehr handverlesen zu sein. Nun, 52 Ex. sollten sich davon wohl absetzen lassen.
Beiträge von Arkham Insider Axel
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Hund und Wolf – eine Familie. Die Verwandtschaft besteht und daher ist die Geschichte für mich, in einem weiteren Sinn, eine Werwolfgeschichte. Interpretieren tue ich da nicht so viel … Von Haus aus haftet der Gestalt des Werwolfs etwas Animalisches und Triebhaftes an. Dann diese wabernde, mal mehr, mal wenigere explizite Sexualität bei Aickman, irgendwann kommt eins zum anderen.
Ich habe die Stelle sehr ernst genommen, als der (kindliche) Hilary nach dem Erscheinen des Hundes einen offenbar unbekleideten Mann jenseits der Mauer sieht. Das war für mich das Indiz, dass hier eine Verwandlung stattgefunden hat. Der Mord an Mary passt ebenfalls ins Konzept: "Man hat sich an ihr vergangen, hat sie übel zugerichtet. Über und über von Bisswunden bedeckt (…)." (S. 75)
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The Same Dog
Was oberflächlich als eine recht konventionelle Schauermär daher kommt, entpuppt sich bei genauerer Lektüre als eine sensible Parabel über Vergänglichkeit und kindliche Verlusterfahrung, als eine psychologisch einfühlsame Überlegung mit übernatürlichem Bruch, der zu Interpretationen verschiedenster Art reizt.
Erst einmal besten Dank für die neue Buchpräsentation. Gelesen habe ich nun noch eine Story aus Cold Hand in Mine, enthalten im DuMont-Band Glockengeläut, Titel: "Derselbe Hund".
In der Sekundärliteratur wird Aickman wiederholt als ein Vertreter der traditionellen britischen Phantastik eingestuft. Dies kam mir aber hier zum ersten Mal in den Sinn – und wenn ich an die anderen Geschichten denke, dann würde ich auch sagen, dass es "recht konventionell" zugeht, zumindest für Aickmans Verältnisse.
Die Story ist rund und bietet dem Leser im Detail – in Anbetracht der erwähnten Verhältnisse – einigermaßen griffige Erklärungen, bewegt sich aber insgesamt auf einer typisch phantastisch-hintergründigen Ebene. Das Ausleuchten speziell kindlicher Seelenzustände erscheint mir in der Tat typisch für die englische Geistergeschichte, wenigstens gibt es eine Handvoll Geschichten, die so oder ähnlich gestrickt sind. Später hat, so weit ich sehe, eigentlich nur Stephen King diese besondere Perspektive etabliert.
Last but not least ist "The Same Dog" definitiv ein Beitrag zum Werwolf-Subgenre. Das ist für mich ausschlaggebend, dass ich hier Nils' drei Daumen zustimme, aber noch einen extra Monster-Punkt vergebe:
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FAB TOOL - das neue Stück von Carpenter Brut (feat. David Eugene Edwards),
Nice! Vielen Dank fürs Teilen.
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Kein einziger Band aus DuMont's Bibliothek des Phantastischen?
Du kannst ganz beruhigt sein.
Ich hatte Nils zuletzt gefragt, was es mit dem schlichten Aickman-Band auf dem Foto auf sich hat (s. die Vorstellung von Cold Hand in Mine), schwarzer Einband mit roter Verfasser-Angabe. Es handelt sich allem Anschein nach um die beiden DuMont-Bände, privat nachgebunden. Dabei fielen offenbar die ersten Seiten untern Tisch – und nur dort taucht ja der Name Frank Rainer Scheck auf.
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Es fällt mir tatsächlich schwer, die Story griffig in Schutz zu nehmen.
Es ist ja auch Joshi, der auf den hohen Symbolgehalt bei Aickman verweist und welcher, je nach Leser, unterschiedlich ansprechend ausfallen kann. Die Story hat ihre Stärken, keine Frage, nur bei mir weniger ausgelöst als andere seiner Sachen.
Ich komme zu:
Die Schwerter (The Swords)
Diese Geschichte ist in der Tat verstörend. Sexualität spielt ja allgemein keine geringe Rolle in Aickmans Geschichten. Der junge Handelsreisende ist kaum zu beneiden um seine „erste Nacht“. Nicht nur verbringt er sie mit einer Prostituierten, muss also dafür bezahlen (aber wie er an das Geld kommt!), sondern das Erlebnis fällt alles andere als zufriedenstellend aus. Und noch bevor er diese „Frau“ (ist sie ein Mensch?) überhaupt begehrt, wird er Zeuge, wie sie im Rahmen der Jahrmarkts-Vorstellung von anderen Männern mit Schwertern traktiert (ohne jeden Blutverlust) und anschließend abgeküsst wird.
Ohne Moral oder Bewertung zeichnet Aickman hier das Bild eines männlichen Triebs, der offensichtlich von Gewalt und Voyeurismus beherrscht wird. Man weiß nicht, was man gruseliger finden soll: das Schwertstechen, das Abreißen des Arms der „Frau“ – oder generell die Passivität und Leblosigkeit dieses Geschöpfs, das am Ende den Gesetzen des Marktes unterworfen und dessen zweifelhafte Gunst nur gegen cold cash zu erlangen ist.
Volle Übereinstimmung in der Daumen-Vergabe + 1 Extrapunkt für die ausgemachte Trostlosigkeit
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Ich bin sehr auf deine Detailkritik zum von mir hochgehaltenen "Mr. Millar" gespannt!
So detailliert fällt sie nicht aus. Ich habe einfach weniger Anknüpfungspunkte und Anregungen als in "The Hospice" gefunden. Aber nun gut:
Begegnung mit Mr. Millar (Meeting Mr. Millar)
Algernon Blackwood hat einige Geschichten nach dem Schema geschrieben: junger Mann bezieht eine städtische Absteige und wird Zeuge ungeheuerlicher Vorgänge. In dieser Tradition sehe ich auch die vorliegende Story (und sowohl Blackwood als auch Aickman plaudern aus dem autobiografischen Nähkästchen). So etwas lebt natürlich davon, dass die rätselhaften Vorgänge nicht plump aufgedeckt werden. Ein Vorwurf, den sich Aickman sicherlich nicht anhören muss … Nun, für meinen Geschmack treibt er das absurde Kammerspiel aber doch etwas zu weit. Das Kopfzerbrechen, was Millar und seine Leute eigentlich wirken, hat bei mir zu nichts geführt. Der Erklärungsversuch von Maureens Mann am Schluss – Untote – stiftet nur noch mehr Verwirrung. Regelrechten Schrecken sind mir in der Geschichte nicht begegnet (auch Millars gewaltsames Ende lässt mich eher kalt bzw. finde ich regelrecht unpassend). Zur milden Tönung der Story tragen die Liebelei zwischen Maureen und dem Erzähler sowie das positive Ende bei. Am besten gefiel mir während der Lektüre die Vorstellung der sinnlosen Betriebsamkeit der fluktuierenden Damen und Herren.
Ich sage: solides Mittelfeld und gebe einen Daumen weniger als Nils:
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Ob ich für Aickman eine Ausnahme machen soll?
Ich würde sagen: ja.
Sekundärliteratur
Es gibt eine kluge und unterhaltsame Abhandlung über Aickman von S. T. Joshi, auch auf Deutsch: Moderne Horrorautoren. Essays. Bd. 2. Festa 2001
Joshis Essay unterscheidet sich deutlich von den Nachworten Schecks, welche die DuMont-Bände beschließen. Joshi betont, dass er Aickman nicht kritisieren möchte, – was sich vor allem auf dessen Stil, die besten Geschichten und seine Bedeutung bezieht. Er ist jedoch nicht einverstanden mit Aickmans Theorie der Ghost Story, welcher Aickman Logik und Absicht abspricht. Wer Joshis Ansichten dazu kennt, sieht hier sofort den Knackpunkt: Fauler Zauber, ein unmotiviertes Übernatürliches und fadenscheinige Lösungen lehnt er schlankweg ab. Auf der Handlungsebene legt Joshi sehr wohl Wert auf Schlüssigkeit und Folgerichtigkeit. Nun, unter diesen Gesichtspunkten stößt er bei der Aickman-Lektüre bisweilen an seine Grenzen, wie er auf Seite 153 mitteilt:
ZitatIch selbst finde solche Erzählungen wie "Meeting Mr. Millar" und "Letters to the Postman" extrem entnervend, […]
Sehr richtig stellt Joshi fest, dass Aickman – wenn es schlecht läuft – die Unzufriedenheit der Leserschaft schürt (so ging es mir gerade selbst mit dem erwähnten "Mr. Millar"): Rätselhafte Begebenheiten zu sehr in der Schwebe zu halten und bewusst Erklärungen verweigern – das allein ist noch keine Kunst! Weiterhin gerät der Autor in Joshis Ziellinie, wenn jener eine Lanze bricht für Zivilisationskritik und Irrationalismus. Auch solche Dinge können in dem Essay nicht unkommentiert bleiben. Trotzdem: Joshi hält zu Aickman und findet letztendlich lobende Worte (S. 170):
ZitatAber Aickman ist sicherlich ein Meister der Art von Phantastik, die er sich ausgewählt hat; und sein Werk ist ein wunderbar erfrischender Kontrast zu der Schlamperei, Geschmacklosigkeit und grundlosen Gewalt, die in immer stärkerem Maße heutzutage als Phantastik durchgeht.
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Katla Ja, mit der Definition "Horror" gerät man bei Aickman schnell aufs Glatteis.
Ich habe im Übrigen die selben "Schwierigkeiten" wie du: das Alltägliche, das bei Aickman den Nährboden bildet – die britische middle class, wie Frank Rainer Scheck im Nachwort des DuMont-Bandes dessen Milieu beschreibt. Bin dann aber doch immer wieder geneigt, den Daumen hoch zu heben.
Irritationen und kleine Momente, die man auch leicht überlesen kann. Und die dann im Rückblick, wenn man das Ende gelesen hat, als ziemlich geniale Hinweise erkennt. Das ist einfach extrem gut gemacht und äußerst souverän erzählt.
So ist es!
Bei anderen Geschichten, vor allem "Hand in Glove" war mir der Überhang des Gewöhnlichen zu groß, obwohl mir klar ist, dass die Stories ohne dies nicht funktionieren würden.
Diese Story hatte ich schon mal kurz hier angeteasert – und fand sie doch sehr gelungen (hey, ein Friedhof, was kann dabei schon schiefgehen?!):
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Darf man Euch fragen, ob Ihr auch schon von Aickman oder anderen Künstlern geträumt habt?
Damit kann ich leider nicht dienen …
Ich habe aber Nils' Vorstellung zum Anlass einer erneuten Aickman-Lektüre genommen. Und es würde mich freuen, wenn darüber ein erweiterter Gedankenaustausch zustände käme.
Los geht es mit: The Hospice/Das Hospiz (enthalten in: Glockengeläut. Makabre Erzählungen. DuMont Verlag)
- Ich sehe in dem Hospiz eine Menschenfalle. Die Gäste werden gemästet und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie auf der Schlachtbank enden. Das Eingangstor erinnert Maybury an ein Viehgatter. Im Boden des Speisesaals befindet sich eine Schiene, an welche einer der Gäste gekettet ist.
- Sehr interessant ist das Wechselspiel aus Freiwilligkeit und Zwang, dem der Aufenthalt unterliegt. Maybury sträubt sich dagegen, doch hat er Momente, in denen er (bewusst oder unbewusst) nachgibt. So weiß er auf einmal nicht mehr, wie er seinen Wagen starten soll. Mit der Figur der Cécile Céliména trifft er auf eine erotische Attraktion, die seinen Drang, den Ort zu verlassen, deutlich hemmt.
- Das Treiben im Hospiz scheint eine Verwirklichung gewisser "Todsünden" zu sein: Völlerei, Wollust, unziemliches
Begehren, Trägheit (man beachte die stark geheizten Räume). So sehr das Maybury irritiert, so sehr haben sich die anderen Gäste bereits damit eingerichtet. - Ein komisches Element wird verkörpert mit der Figur von Mayburys Zimmergenossen Bannard. Dieser Bursche schwächt den Effekt des Unheimlich-Bedrohlichen etwas ab zugunsten eines grotesken Zugs.
- Der Titel sagt eigentlich alles: Es geht um eine Sterbeeinrichtung. Nicht verwunderlich, dass sich in der Nacht ein Todesfall ereignet. Das Finale, das Maybury neben dem Sarg im Leichenwagen zur Bushaltestelle fahren sieht, ist äußerst gelungen.
- Die Frage ist: Wird er wiederkommen?
Wenn fünf Daumen die höchste Bewertung sind, dann würde ich einen mehr als Nils geben:
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Cold Hand in Mine
Prima Vorstellung, die Firma dankt! Ich hoffe, ich finde demnächst mal die Zeit, wenigstens die beiden DuMont-Bände durchzuarbeiten.
Was ist von dem Roman "Das Modell" zu halten, der bei Klett-Cotta erschien? -
zu Posthumanismus und 'Abandoned' bereite ich ein langes Essay vor, das ich im neuen Jahr beginnen werde.
Fällt darunter auch The World Without Us von Alan Weisman? Das Buch hat ja ganz schön die Runde gemacht … habe damals nur etwas quergelesen (dt. Übersetzung) … nicht uninteressant.
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Und bei George Allen England handelt es sich natürlich um George Allan England. Kein Vertipper meinerseits, sondern ich habe die Schreibweise aus der Publikation übernommen.
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Sedlacek, Klaus-Dieter (Hrsg.): Erstaunliche Geschichten. H. G. Wells, G. A. England, H. P. Lovecraft
Toppbook. 2020 (Zweite überarbeitete und verbesserte Auflage)
Broschur, 65 Seiten
ISBN: 978-3-7504-6060-7
Eine Kollegin aus der dt. Lovecraft-Gesellschaft informierte mich über den recht neuen Verlag Toppbook und seine Veröffentlichung von Lovecrafts „Die Farbe aus dem All“. Beim Verlag handelt sich um das (Ein-Mann-)Projekt von Klaus-Dieter Sedlacek, einem Sammler und Fan alter Pulp-Magazine.
Der Sammelband enthält neben der Lovecraft-Story noch „Das rote Zimmer“ und „Der neue Nervenbeschleuniger“ von H. G. Wells sowie „Das Ding von – ‚Draussen‘“ (George Allen England). Gedruckt von BoD, Norderstedt.
Leider fällt es schwer, etwas Positives über das Büchlein zu sagen. Die Lovecraft-Übersetzung, ebenfalls von Sedlacek (Zitat aus dem Vorwort: „Aufgrund der kleinen Auflagen lohnt es sich nicht, einen externen Übersetzer zu beschäftigen“), reicht für den Hausgebrauch. Angesichts der bisherigen, guten Übersetzungen bei Suhrkamp, Festa oder Fischer Tor ist sie kaum zu rechtfertigen.
Die Aufmachung ist natürlich bewusst pulpig, fällt aber doch mit den Wells-Geschichten aus dem Rahmen, die aus den britischen Magazinen The Idler und Strand stammen, die ja kulturgeschichtlich etwas anderes als die US-amerikanischen Pulps darstellen.
Etwas lieblos ist am Schluss eine Seite mit Original-Werbeanzeigen aus der April-Nummer 1934 von Amazing Stories angefügt, bevor zweieinhalb Seiten „Buchtipps“ folgen. Dabei handelt es sich größtenteils um Eigenwerbung des Verlegers, der Werke zu physikalischen, chemischen, astronomischen oder medizinischen Themen publiziert hat. Auch die Stichworte „Ratgeber“ und „Bewusstsein“ finden sich in der Liste.
Wie so häufig in der Selfpublisher-Branche wird auch hier auf eine kostengünstige Herstellung gesetzt, so dass die Broschur schon aus dem Leim geht.
Wer sich die Sache mal anschauen möchte: https://toppbook.de/
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Zitat
Mit „Blakes London“ wird die Disziplin der Psychogeographie auch nun in Deutschland bekannt.
Ein Thema, das mich sehr interessiert. Bezogen auf Lovecraft gibt es auch schon ein Buch (das ich aber noch nicht kenne):
David Haden: Walking With Cthulhu: H.P. Lovecraft as psychogeographer, New York City 1924-26