Beiträge von Arkham Insider Axel

    Arthur Holitscher – Adela Bourkes Begegnung

    Illustrierter Pappband, 407 Seiten

    S. Fischer Verlag. Berlin 1920



    Arthur Holitschers Roman Adela Bourkes Begegnung „entnimmt einem bekannten Kriminalfall tiefste okkulte Erkenntnisse.“ — So urteilte 1921 eine zeitgenössische Literaturgeschichte. Tatsächlich ist das Buch ein ungewöhnlicher Mix aus Sozialroman, Gruselgeschichte und Krimi.


    Inhalt

    Der Londoner Arzt Walter Garrat lebt mit seiner Frau Belle in einer Ehehölle. Auch seine berufliche Situation ist prekär: Garrats Vertrieb für Kurpfuschermittel wird in der Presse scharf kritisiert. Trost findet er bei seiner jungen Angestellten Cora Stratton. Um sich Luft zu verschaffen, fliehen beide aus London und reisen ziellos umher.


    Derweil wird Belle Garrat tot aufgefunden, vergiftet. Sofort stehen Walter und Cora unter Verdacht, eine fieberhafte Suche nach dem Paar beginnt. Abseits der Öffentlichkeit nimmt auch eine unscheinbare Person Fühlung mit den Flüchtigen auf: Adela Bourke. Die geschiedene Frau lebt mit ihrer Tochter Sheila und deren Katze „Feuer“ in einer Londoner Pension. Vor Jahren hatte sie einen kurzen Flirt mit Walter Garrat. Ein nur sekundenlanges, zufälliges Zusammentreffen auf der Straße mit ihm frischt die Erinnerung wieder auf. Kraft seelischer und gedanklicher Fernwirkung dringt sie jetzt zu Walter durch, der sich bereits auf dem Weg nach Kanada befindet. Das telepathische Wechselspiel bleibt nicht folgenlos. Während sich das Netz um Walter und Cora immer weiter zuzieht, fühlt sich Adela in zunehmendem Maß mitschuldig an der brenzligen Situation.


    Eindruck

    Dass eine Blitzbegegnung ausreicht, um komplexe seelische Vorgänge zu aktivieren, ist die spektakuläre Aussage des Romans. In dessen Zentrum steht die Frage nach der Schuld, der individuellen und der allgemeinen. Während Adela sich in den Glauben hineinsteigert, sie sei für Walter Garrats Lage verantwortlich, fällt eine sensationsgierige Öffentlichkeit bereits das Urteil über den abgängigen, vermeintlichen Mörder.


    Adela Bourke wird als instabile Persönlichkeit präsentiert. Sie schließt Bekanntschaft mit dem mystisch veranlagten Mr. Lucas, der sie in metaphysische Diskussionen verwickelt. Zusätzlich gerät sie unter den Einfluss sozialrevolutionärer Agitation. Das führt dazu, dass sie der Familie eines politisch Verfolgten Asyl gewährt. Doch egal, in welchen Kreisen sich Adela bewegt – alle Welt, und sie selbst am stärksten, nimmt Anteil an der Jagd auf Walter Garrat.


    Merkwürdig emotionslos erscheint Adelas Beziehung zu ihrer Tochter Sheila, einem ernsten, leicht unheimlichen Kind, das mit sich selbst und „Feuer“, der Katze, beschäftigt ist. Dieses Tier aber, das eines Tages spurlos verschwindet, dünkt Mr. Lucas als böser Geist. Das Geraune von der Gefahr, die angeblich von der dämonischen Katze ausgehe, verfehlt seine Wirkung auf die labile Adela nicht.


    Zitat

    Sie verstummte, wurde unruhig. Ihr war’s, als habe sie plötzlich den schrillen, rollenden Kehllaut des Tieres, der wie Menschenschrei anhub und wie ein leis aufschnarchender Seufzer abschwoll, vernommen. Aber das konnte ja nur ein Spiel ihrer aufgeregten Sinne sein; niemand unter den Anwesenden schien es gehört zu haben.

    Fazit

    Der Roman von Arthur Holitscher (1869 bis 1941) – den Thomas Mann als larmoyanten, „schwärmerischen Edelkommunisten“ verspottete – sitzt zwischen den Stühlen. Als soziale Dichtung lässt er sich schwer einordnen, dazu ist er zu versponnen. Für ein Werk der Phantastik hält er sich in wesentlichen Punkten zu bedeckt, wenngleich er mit dem Esoteriker Mr. Lucas und den Vorgängen um die Katze „Feuer“ wirkungsvolle Elemente enthält. Die Zerrüttung der Protagonistin, die unter einem bohrenden Schuldgefühl leidet, ist plausibel dargestellt. Nicht zuletzt durch die Frage, was aus Walter Garrat seiner Freundin Cora wird, bleibt die Geschichte spannend.


    Obwohl das Buch wie gesagt etwas sperrig ist, hat es mich überzeugt. Ich gebe 4 von 5 Daumen.

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    Bild: Kalenderblatt aus einem Werbekalender der Antikamnia Chemical Company (1897)

    Postskriptum

    Das von Holitschers Romanfigur Dr. Walter Garrat vertriebene „Antikamnia“ gab es wirklich. Auch die medizinische Kritik an dem nicht unbedenklichen Schmerzmittel, das in verschiedenen Varianten von der Antikamnia Chemical Company vertrieben wurde, ist real.

    Katla Auch wenn ich das Buch nicht empfehle, ist es doch — wie ich dank deiner Ausführungen bemerkt habe — bemerkenswert, nämlich:


    Sehr interessant finde ich, dass Clausens Originaltitel The Search for Judd McCarthy lautete - denn es gibt ja William H. Hallahans The Search for Joseph Tully, der ebenfalls ein - auch auf Spuk & Wahnvorstellungen bezogen paranormaler - Reinkarnations-Thriller ist. Im Original bereits 1974, auf Deutsch ein Jahr später als Das Stilett veröffentlicht.

    1. Deine Vorstellung dieses Buchs ist damals an mir vorbeigegangen, Asche auf mein Haupt! Deine Beschreibung liest sich ja hochinteressant, so dass ich mir den Titel bestellt habe. Lektüre und Wortmeldung folgen hoffentlich alsbald.
    2. In Danse Macabre schreibt Stephen King etwas von einer Hypnose- und Reinkarnationswelle, die nach The Search for Bridey Murphy folgte. Bei diesem Titel handelt es sich um einen Film und dessen Buchvorlage, basierend auf dem Fall der Virginia Tighe. Diese behauptete in den 1950er Jahren, sich an das früheres Leben einer Frau namens Bridey Murphey aus dem 19. Jahrhundert zu erinnern.
    3. Somit haben wir The Search for Bridey Murphy, The Search for Joseph Tully und The Search for Judd McCarthy. Es sieht so aus, als stünden die beiden Bücher, die wir erwähnen, im Zusammenhang mit der erwähnten Welle. Oder sollte der gleichbleibende Namensbestandteil In Search for … bloßer Zufall sein?

    Dennis M. Clausen – Die Rache des Toten (Ghost Lover). Ein Reinkarnations-Roman

    Deutsche Übersetzung von Monika Koch.

    Broschur, 223 Seiten. Wilhelm Heyne Verlag. München 1983



    Für das Horror-Genre waren die 1980er Jahre ein goldenes Jahrzehnt. In Deutschland begann Stephen King einen regelrechten Siegeszug. Sein Erfolg sorgte für gesteigertes Interesse an ebenso phantastischen wie auch blutrünstigen Büchern und Filmen. Beide Aspekte deckt Dennis M. Clausens Roman Die Rache des Toten ab, 1983 in der Heyne-Reihe „Die unheimlichen Bücher“ erschienen (Selbstbeschreibung: „Romane aus den Grenzbereichen Horror, Okkultes, Schwarze Magie“).

    Vorgeschichte

    Das Carver County im Mittleren Westen, Oktober 1926: Judd McCarthy stiefelt im Auftrag der Hanley Brothers Construction von Danvers nach Carson, um die Lohngelder abzuholen. Doch McCarthy kehrt nicht nach Danvers zurück. Nicht an diesem Tag, nicht am nächsten – überhaupt nicht mehr. Naheliegender Verdacht: Er ist mit dem Geld durchgebrannt.


    Handlung

    Die eigentliche Handlung setzt rund 30 Jahre später ein, in einem Ort namens Farmington. Hier lebt der junge Rechtsanwalt Joel Hampton mit seiner Frau Susan und der Tochter Seneca. Joel leidet unter Wahnvorstellungen, die sich bis zu lebensbedrohlichen Gewaltausbrüchen gegen Frau und Tochter steigern. Der Nervenarzt Ned Finley wird zu Rate gezogen. Er hypnotisiert den als Kind adoptierten Joel. Während der Hypnose-Sitzung benimmt sich dieser, als lebe er in den 1920er Jahren im Caver County. Der Arzt erhält von Susan die Adoptionsurkunde ihres Mannes. Daraus geht hervor, dass Joels leibliche Mutter eine gewisse Katherine McCarthy war.


    Dr. Finley fährt nach Caver County, um etwas über diese Frau herauszufinden. Er hört von einer Maureen McCarthy, die um 1890 in Danvers lebte und 1895 in die Nervenheilanstalt von Farmington eingewiesen wurde. Auch die Episode um Judd McCarthy und die angeblich veruntreuten Lohngelder bleibt ihm nicht verborgen. Doch wie hängt all dies mit den Wahnvorstellungen Joel Hamptons zusammen? Während Dr. Finley einerseits freundliche Unterstützung erfährt, wird er andererseits bedroht. Irgendwer ist offenbar ganz und gar nicht mit seinen Nachforschungen einverstanden …


    Zitat

    „Bisher habe ich jedenfalls noch mit keinem Patienten gearbeitet, der sich so klar an Ereignisse in einem früheren Leben erinnern konnte. Wir dürfen daran doch nicht einfach vorbeigehen. Freud hat uns gelehrt, in der frühesten Kindheit nach den Ursachen für die Probleme zu forschen. Vielleicht hat er uns nur nicht gelehrt, noch weiter unten anzufangen. Nicht erst in der frühesten Kindheit, sondern bereits vor der Empfängnis!“ (S. 101/102)


    Eindruck

    Bereits auf den ersten Seiten wird erkenntlich, dass es sich bei Joel Hampton um eine Reinkarnation von Judd McCarthy handelt. Dass dieser nicht mit den Geldern durchbrannte, sondern einem Mordanschlag zum Opfer fiel – auch das verrät der Prolog. Der Reiz der Geschichten besteht nun darin, diesen 30 Jahr alten Mord aufzudecken, mithin das Dunkel von Joel Hamptons Herkunft zu beleuchten und ihn zu heilen. Auf dass dieser wieder zu einem liebevollen Ehemann und treusorgenden Vater werde.


    Statt unheimliche Stimmung zu erzeugen (wie es der Titel der Buchreihe verspricht), hält uns der Roman eher durch Rätselraten in Spannung. Ein leichter Unterhaltungswert ist dank der ausgeklügelten Konstruktion nicht zu leugnen. Stilistisch unspektakulär, in den Horrorszenen klischeehaft – Joel Hampton als messerschwingender Psychopath – vertritt Die Rache des Toten freilich nur einen geringen Anspruch.



    Fazit

    Da ich es schwer ertrage, einen einmal begonnenen Roman abzubrechen, habe ich auch diesen ausgelesen. Mein bescheidenes Urteil fällt jedoch dementsprechend aus: bescheiden. Für Mystery-Fans vielleicht interessant. Zwei von fünf Daumen.


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    Postskriptum

    Der Autor Dennis M. Clausen zeigte sich übrigens nicht happy mit dem vom Verlag bestimmten Buchtitel, im Original Ghost Lover. Er hat ihn auf eigene Faust wiederveröffentlicht als The Search for Judd McCarthy und sogar noch einen Nachfolger verfasst (The Sins of Rachel Sims). Mehr Infos dazu auf Clausens Webseite: www.dennisclausen.com/books



    FUSSGÄNGER DER LUFT (MEN WHO WALK UPON THE AIR) von Frank Belknap Long bietet eine schaurige Episode aus dem Leben des François Villon. Dieser hat zum Zeitpunkt der Erzählung seine besten Tage bereits hinter sich – und so ist auch die Landschaft, durch die er zieht, von Tod und Verzweiflung geprägt. Da macht er die Bekanntschaft einer hübschen Bäuerin und lässt sich mit ihr auf ein verhängnisvolles Geschäft ein. – Auch hier hinterlässt Long, der bei der Veröffentlichung gerade einmal 24 Jahre alt war, einen guten Eindruck. Erschienen ist die Story in der Mai-Ausgabe 1925.


    Bot der 1. Band bisher einiges an mildem Grusel, kommen wir nun zu zwei wirklich abgefeimten Horrorgeschichten. Zu H. P. Lovecrafts und C. M. Eddys DIE GELIEBTEN TOTEN (THE LOVED DEAD) aus der legendären Mai/Juni/Juli-Ausgabe 1924 gibt es einen Arkham Insiders Podcast mit Inhaltsangabe und ausführlicher Besprechung. Lovecraft und Eddy entwickeln hier aus einer geschundenen Kindheit eine abartige körperliche Neigung und betten diese in die Schrecken des 1. Weltkriegs ein. So extrem sich das anhört, so extrem reagierte damals auch die „Öffentlichkeit“.


    Sehr brisant fällt auch Frank Belknap Longs TÖDLICHES GEWÄSSER (DEATH-WATERS) aus der Dezember-Nummer desselben Jahres aus: eine jener zeitgenössischen Geschichten, deren krasser Rassismus einem die Sprache verschlägt. Um aber doch etwas zu sagen: Aus einem verdorbenen See in der honduranischen Wildnis beschwört ein Schwarzer ein todbringendes Verderben herauf (das sich an Land fortsetzt). Dies weist eine überraschende Ähnlichkeit mit Irvin S. Cobbs FISHHEAD auf. Bei aller kritischen Lesart, die hier angebracht ist: Die Story ist spannend erzählt, wirkungsvoll und ein Paradebeispiel tropischen Horrors.

    Super Tip, vielen Dank, – ich werde in meinen Stadtbibliotheken ebenfalls Ausschau nach dem Film halten. Berichte über diesen Verlag habe ich früher schon gerne gelesen, noch bevor es um irgendwelche phantastischen Titel ging. Hat natürlich auch etwas mit der eigenen Biographie zu tun.

    Ehrich Weiss, besser bekannt unter dem Künstlernamen Harry Houdini (1874 – 1926) war nicht nur berühmter Entfesselungskünstler, sondern auch engagierter Kämpfer gegen den Aberglauben. So ist sein Text vom April 1924 DIE TÄUSCHUNGEN DES GESPENSTISCHEN LIEBHABERS (THE HOAX OF THE SPIRIT LOVER) zu verstehen.


    Zitat

    Scharlatanerie bringt mehr Geld ein, als mit dem ehrlichen Handwerk der Zauberkunst aufzutreten.


    Eine kurze, investigative Story, die definitiv nicht unheimlich ist. Der Name Houdini ist untrennbar mit WT verbunden, denken wir an seine (indes von Lovecraft geschriebene) Geschichte IMPRISONED WITH THE PHARAOHS aus der Mai/Juni/Juli-Ausgabe desselben Jahres.

    Angeregt durch das schon angesprochene Thema Zweitverwertung, habe ich – nur für Band 1 – geschaut, welche Weird Tales sich auf Deutsch aus früheren Veröffentlichungen belegen lassen. Mein vorläufiges Ergebnis:



    1. M. L. Humphreys: DAS OBERE STOCKWERK (THE FLOOR ABOVE)
    2. H. P. Lovecraft & C. M. Eddy: DIE GELIEBTEN TOTEN (THE LOVED DEAD)
    3. H. Warner Munn: DER WERWOLF VON PONKERT (THE WEREWOLF OF PONKERT)
    4. H. G. Wells: DER GESTOHLENE KÖRPER (THE STOLEN BODY)
    5. Henry Ferris Arnold: TELEGRAMM IN DER NACHT (THE NIGHT WIRE)
    6. Arthur J. Burks: DIE GLOCKEN DES OZEANS (BELLS OF OCEANA)
    7. Everil Worrell: DER KANAL (THE CANAL)
    8. Bram Stoker: DRACULAS GAST (DRACULA’S GUEST)
    9. H. P. Lovecraft: DER RUF DES CTHULHU (THE CALL OF CTHULHU)
    10. Frank Belknap Long: DIE WELTRAUMFRESSER
    11. Robert E. Howard: SCHÄDEL INMITTEN DER STERNE (SKULLS IN THE STARS)
    12. Frank Belknap Long: DIE HUNDE DES TINDALOS (THE HOUNDS OF TINDALOS)
    13. Henry S. Whitehead: DIE LIPPEN (THE LIPS)
    14. H. P. Lovecraft & Zealia Bishop: DER FLUCH DES YIG (THE CURSE OF YIG)


    Lovecraft und sein Kreis

    Die Lovecraft-Texte und Kollaborationen mit Eddy und Bishop sind natürlich schon sämtlich auf Deutsch erschienen. Zum einen verteilt über diverse Suhrkamp/Insel-Bücher, zum anderen im Festa Verlag selbst. Auch zu Leuten wie Frank Belknap Long und Robert E. Howard ist Festa einer der ersten Ansprechpartner,


    DIE WELTRAUMFRESSER und DIE HUNDE DES TINDALOS sind enthalten in dem schönen Band Das Grauen aus den Bergen. Frank Belknap Long & H. P. Lovecraft (2013) – als Printversion längst vergriffen. Ebenfalls out of print: Das Festa HC-Buch Das rote Zimmer. Lovecrafts dunkle Idole, Bd. 2 (2010). Hier finden sich die Geschichten von M. L. Humphreys, Henry Ferris Arnold und Arthur J. Burks. Luckily existiert ein Paperback, das Lovecrafts dunkle Idole 1 + 2 vereint.


    Weird Tales im Vintage Paperback made in Germany

    Bei Howards SCHÄDEL INMITTEN DER STERNE (ein Solomon Kane-Abenteuer) ist’s etwas kniffliger. Die Reihe Terra Fantasy des Pabel Verlags versammelt die Kane-Stories in zwei Bänden. Enthalten ist das Corpus Delicti in dem ersten Band Degen der Gerechtigkeit (1975), freilich ganz anders geartet als DER MOORGEIST – und ohne Angabe des Originaltitels. Klarheit schaffte der Herausgeber dann im zweiten Band Rächer der Verdammten (1976), in welchem die Originaltitel der Geschichten aus Band 1 nachgeliefert wurden.


    Bleiben wir beim Pabel Verlag. Neben Terra Fantasy boten auch die Vampir Horrorstories den Weird Tales eine Plattform. H. Warner Munns DER WERWOLF VON PONKERT lässt sich nachweisen in Eiskalt ist die Totenhand von 1974. Und Whiteheads DIE LIPPEN in Lautlos schleicht das Grauen (1975), daselbst unter dem aufgemotzten Titel DAS FLÜSTERN BLUTIGER LIPPEN.


    DER KANAL von Everil Worrell stöbern wir im Heyne Verlag auf. Genauer in der Anthologie 14 Horror-Stories von James Dickie (1973). Doch halt! Da wurde die Story nicht als DER KANAL übersetzt, sondern als DAS MÄDCHEN VOM HAUSBOOT


    Das 19. Jahrhundert lässt grüßen

    Weird Tales brachte immer wieder klassischen Stoff, namentlich aus dem 19. Jahrhundert. Dazu zählte im November 1925 H. G. Wells DER GESTOHLENE KÖRPER, ursprünglich im Strand Magazine November 1898 veröffentlicht. Die dt. Erstveröffentlichung findet sich in dem Band Der gestohlene Bazillus und andere Geschichten (J. Hoffmann, 1910). Mir ist sie zugänglich in der Auswahl Das Kristallei, seinerzeit in der DDR erschienen (Reclam, 1979)


    Bram Stokers DRACULAS GAST ist ein empfehlenswertes Seitenstück zu Stokers Dracula-Roman. Was aus heutiger Sicht altbekannt erscheint, war in der WT Dezember-Ausgabe 1927 noch relativ frisch und erstmals 1914 posthum erschienen. Auf Deutsch liegt mir die Story in dem Band Von denen Vampiren oder Menschensaugern (Bibliotheca Dracula/Hanser, 1968) vor.


    Fazit

    Von den insgesamt 27 Weird Tales-Geschichten im 1. Band lassen sich hierzulande zumindest 14 in älteren Publikationen nachweisen. Klar, dass rund um H. P. Lovecraft die Verlage Festa und Suhrkamp/Insel Hauptrollen einnehmen. Doch auch Heyne und der Pabel Verlag brachten schon vor rund 50 Jahren Weird Tales auf den deutschen Taschenbuchmarkt. Und wenn ich mich wiederhole: Es ist das große Plus dieser 5-bändigen Jubiläumsedition, die publizistischen Zusammenhänge und Bedingungen möglichst originalgetreu zu identifizieren und somit nachvollziehbar zu machen.

    Das ist erst die dritte Übersetzung des Autors ins Deutsche

    Und die vierte folgt sogleich – nämlich in Band 5 der hier besprochenen Ausgabe, Band Zusatzmaterial. Dort ist Klines Aufsatz enthalten: WARUM WEIRD TALES? (WHY WEIRD TALES?). Wenigstens beanspruchte er die Urheberschaft für sich, nachdem der Aufsatz 1924 ohne Verfasserangabe erschienen war …


    Im Übrigen kann man nie ausschließen, dass nicht doch noch eine frühere Übersetzung auftaucht, die den Bibliographen durch die Lappen gegangen ist.

    Das Jahr 1923, wenigstens was Festas Weird Tales-Ausgabe angeht, endet mit diesen beiden Geschichten:


    Ob, wie das Internet behauptet, P. D. Gog ein Pseudonym des Autors Charles Edward Lauterbach (1884 – 1962) war, vermag ich nicht zu bestätigen. Was seinen super kurzen Beitrag DER TOD DES LUKAPEHU (THE DEAD-NAMING OF LUKAPEHU) vom September 1923 angeht, teile ich die Enttäuschung von openupandbleed . Es handelt sich im Grunde genommen um eine hawaiianische Zaubersage, der eine überflüssige Einleitung vorangesetzt wurde (wohl, um glaubhaft zu wirken).


    Ebenfalls aus der September-Ausgabe 1923 stammt Otis Adelbert Klines (1891 – 1946) EIN BECHER VOLL BLUT (THE CUP OF BLOOD). Keine großen Worte zu diesem Autor, den das SF-Lexikon einen „Fisch in allen Wassern“ nennt und der als einzig ernstzunehmender Konkurrent von Edgar Rice Burroughs galt. Hier tischt er uns das abscheuliche Verbrechen eines schottischen Burgherren auf, dessen Vermächtnis zwei amerikanischen Touristen das Gruseln lehrt. Vor allem die von Todesangst durchschauerte Nacht in der alten Burg ist gut geschildert. Abermals ist es interessant zu lesen, dass es sich bei den Amerikanern um Teilnehmer des 1. WK handelt – womit man also eine gewisse Abgebrühtheit erwarten durfte. Gewisse Übereinstimmungen in der Anlage wie in den Details mit H. P. Lovecrafts DIE RATTEN IM GEMÄUER (THE RATS IN THE WALLS) sind zudem frappierend.

    Ziehen du und Mirko eigentlich in Erwägung, die Stories im Rahmen des Podcasts zu „verwerten“?

    Oder habt ihr schon etwas anderes, nach Beendigung der Kollaborationen, in Aussicht?

    Mit den Stories befasse ich mich hier "privat". Nur dort, wo sie mit Lovecraft zu tun haben, kommen sie im Podcast vor. Darunter fallen auch Sachen von Frank Belknap Long, Clark Ashton Smith oder Henry S. Whitehead.


    Nach den Kollaborationen starten wir eine Reihe von "Personality Shows", d. h. werden eingehender Freunde und Kollegen Lovecrafts präsentieren (wie damals mit W. Paul Cook, Samuel Loveman u. a.).

    ch habe mich nach dem letzten FESTA Newsletter nochmal beim Shop gemeldet und heute Vormittag wurde mir vom Verlag noch ein Rückläufer angeboten. Der geht jetzt schon morgen raus. Ich bin happy.

    Sehr gut! Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden …


    Bleibt zu hoffen, daß es nicht allzu häufig zu derlei Zweitverwertung kommt.

    Die lässt sich wohl nicht umgehen, da Festa in den letzten Jahren rund um die Veröffentlichungen des Lovecraft-Zirkels tonangebend war bzw. ist. Es sind auch Übersetzungen enthalten, die bereits in anderen Verlagen erschienen (z. Bsp. Der Werwolf von Ponkert - H. Warner Munn, Das Haus des Wurmes - Mearle Prout oder Shambleau - C. L. Moore).


    Was wäre die Alternative gewesen? Eine WT-Jubiläumsedition ohne diese Meilensteine der Weird Fiction … Eigentlich auch undenkbar. Ich habe den Fakt der Zweitverwertung bereits gegenüber Nils angesprochen und er meinte – und ich muss ihm Recht geben – nicht jeder verfügt über eine Bibliothek, die diese Stories bereits abdeckt. Unterm Strich sehe ich das große Ganze: Und da hat, wie ich finde, Festa den Vogel abgeschossen.

    Momentan gibt es nichts schöneres, als morgens beizeiten aufzustehen und sich in eine weitere Weird-Tales-Geschichte zu vertiefen. Draußen ist noch alles dunkel, kaum ein Menschen auf den Beinen, seelenruhig läuft der Kaffee durch den Filter …


    H. P. Lovecraft hielt sehr viel von M. Humphreys DAS OBERE STOCKWERK (THE FLOOR ABOVE) – man kann es ihm nicht verdenken: Der Erzähler erhält den Hilferuf eines seit zehn Jahren verschollen geglaubten Freundes aus Baltimore. Umgehend werden die Koffer gepackt, um dem Bedauernswerten beizustehen. Der wohnt zusammen mit einer alten Haushälterin in einem großen, unheimlichen Haus. Unser Chronist quartiert sich rund einen Monat lang ein, – was er hier erleben muss, stellt seine geistige Gesundheit auf eine harte Probe.


    DAS OBERE STOCKWERK ist unfehlbar eine Geistergeschichte; unterm Strich recht konventionell aber on point erzählt (mal wieder in der guten alten Tagebuchform). Wir reden übrigens von der Mai-Ausgabe 1923. Aus dieser stammt auch DAS PURPURROTE HERZ (THE PURPLE HEART) von Herman Sisk – eine deutlich weniger engagierte Geschichte. Potential hat sie, aber – so meine Impression – es wurde nicht gut genutzt.


    Beide, Humphreys als auch Sisk, blieben übrigens unbekannt und traten nicht weiter nennenswert in Erscheinung.