Beiträge von Vincent Voss

    So, Erik kann nicht nur weird, sondern auch Zombie. Ich war begeistert. Die Wahl des Settings (Gefängnis), die Art, in diesem Setting zu operieren, eben nicht rein auf survival, sondern auch mit Innenansichten, Liebe zum Charakter ... das verquickt mit Zombiehorror: Sehr, sehr gelungen. Lieber Kollege, ich vergebe gerne und mit Genuss 9 von 10 kleinen Zombiemädchen und stelle fest, dass du dich auf einem konstant hohen Niveau befindest. Yeah!

    Der Garten der Qualen (aus dem Belleville Verlag von 2005)

    "Spielhöllen, Bordelle und die Börse sind die bevorzugten Aufenthaltsorte des Erzählers. Mit seinem Schulfreund, der es zu einem Ministerposten im Kabinett von Gambetta gebracht hat, ist er in dunkle Machenschaften, in politische Intrigen und Korruption verstrickt. Um die eigene Karriere nicht aufs Spiel zu setzen, beseitigt der Minister den lästigen Mitwisser, indem er ihm einen Forschungsauftrag im Fernen Osten vermittelt.


    So schifft sich der Erzähler nach Ceylon ein, voller Hoffnung, mit der neuen Identität auch ein neues Leben beginnen zu können. Auf dem Schiff lernt er die junge, geheimnisvolle Engländerin Miß Clara kennen und folgt ihr nach China. Seine zunächst eher zurückhaltende Geliebte entpuppt sich bald als grausamkeitslüsterne Megäre, die ihn in die tiefsten Abgründe des Menschlichen einweiht – und Asien erscheint ihm schon bald nur noch als pandämonische Folterkammer.


    Der Garten der Qualen vereinigt alle Elemente der Dekadenz in sich und ist aufs engste verknüpft mit den Werken Baudelaires, Flauberts, Gautiers, Huysmans’ und nicht zuletzt des Marquis de Sade. Neo-Sadismus, Satanismus und romantischer Exotismus verschmelzen in ihm zu einer Allegorie des untergehenden Europa. Inmitten eines Blumen- und Schönheitskultes zelebriert Octave Mirbeau (1850-1917) ein infernalisches Kompendium grausamster Strafen und exzentrischer Torturen.


    »Baudelaire streute die Samen der fleischfressenden, monströsen, fauligen Tropenpflanzen aus, die im Treibhausklima des fin de siècle ihre Blüten trieben.« (Mario Praz) Der Garten der Qualen, diese »Bibel des Sadismus« (Tailhade), ist eine der bemerkenswertesten dieser Blüten."



    Erst einmal vielen, vielen Dank, Katla: Das war ein absoluter Tipp für mich. Über den Inhalt lässt sich wenig Zusätzliches berichten, nur, dass man sich hier sprachlich dem obersten Regal bedient. Mirbeaus zynische gesellschaftliche Beobachtungen sind ätzend, es hat mir sehr viel Spaß gemacht ihnen zu folgen. Seine ausschweifenden Botanikbeschreibungen habe ich derart noch nie lesen dürfen und seine Exzesse, es mit Blut, Gedärm, Folter, Liebe, Erotik und Sex anzureichern sind ... unbeschreiblich. Anschließend an die Geschichte folgt ein bebilderter Exkurs in die chinesische Gerichtspflege und man kann sich zu einigen Foltermethoden inspirieren lassen. Der abschließende Begleittext über Mirbeaus Einbettung in Zeit und zu anderen Literaten runden das gelungene Buch ab.


    Ich bin geneigt, 9,5 Pfingstrosen in den gequälten, aufgebrochenen Leib eines Verstümmelten zu legen.

    Gerne.


    Der schlechte Führer: Wieder eine Gefängnisgeschichte in einer Art Parabel. Mensch und Kröte teilen ein gemeinsames Schicksal. Hat mir gefallen.


    Faszination: Wenn einen ein begangener Mord nicht loslässt. Ich bin jetzt zwiegespalten. Die Erzählungen sind wohlfeil formuliert, jedoch drehen sich viele ausschließlich um Sühne und enden oft ähnlich.


    Mildernde Umstände: Was eine Mutter durchleiden muss, wenn das eigene Kind Verbrechen verübt.


    Der Brunnen: Vielleicht auch aus aktuellem Anlass, aber Brunnen triggern mich. Daher hat mich diese Geschichte ob des Szenarios doch sehr geängstigt. Brrr ... schauderhaft und gut.


    Das Wunder: Es kann auch etwas Gutes haben, wenn man nicht alles sieht, weil man erblindet ist ...


    Der Vermisste: Man merkt, Level behandelt oft medizin-ethische Fragen in seinen Geschichten. Hierin geht es um Verantwortung für seine anvertrauten Patienten.


    Der Kuss: Noch besser der Abschiedskuss. Sehr schön. Tod und Liebe und Enthaltsamkeit, alles kondensiert sich in diesem Setting, der Begegnung einer Nonne und einem Sterbenden.


    Der Schnellzug um 10 Uhr 50: Die Last der Verantwortung in einem technischen Rahmen. Hans Jonas´ "Das Prinzip Verantwortung" lässt grüßen. Hat jetzt durch technische Entwicklung nicht mehr den Drive, den die Geschichte kurz nach ihrer Entstehung hatte, ist aber in der Aussage weiterhin aktuell.


    Illusion: Ja, für mich auch eine herausragende Geschichte. Forschung und Wissenschaft ob der Forschung und Wissenschaft wegen, doch was, wenn sie aufgrund ihrer erreichten Ziele obsolet wird? Sehr gut. Diese Geschichte hatte ich mit Abstand zu den anderen gelesen und sie hatte mich wieder sofort. Vielleicht muss man die Erzählungen in gewissen zeitlichen Abständen genießen.

    "Ursprünglich dazu gedacht, Empfehlungen und Vorschläge für die kommende Vergabe des Hugos zu machen, war die Beteiligung an den Locus Awards oft höher als bei Hugo und Nebula zusammen."


    Das sagt ja Wiki über den Preis. ich denke, wenn man eh schon eine hohe Beteiligung hat, durchaus überdenkenswert. Aber wenn sich die Beteiligung in Grenzen hält, glaube ich nicht, dass sich durch die Genreöffnung eine größere Reichweite erzielen lässt ohne dabei den Gedanken des VP zu verwässern.

    "Die Bewohner von Harper’s Cove glauben, der Widow’s Point Leuchtturm sei verflucht. Seit dem Bau 1838 ereigneten sich fast zwei Dutzend Todesfälle, darunter unerklärliche Unfälle und kaltblütiger Mord. Der Leuchtturm wurde 1988 endgültig geschlossen. Seither hat ihn niemand mehr betreten.

    Bis heute Abend.

    Thomas Livingston ist der gefeierte Autor von dreizehn Büchern über das Übernatürliche. Er wird im Widow’s Point Leuchtturm für seinen nächsten Bestseller recherchieren – ein ganzes Wochenende, ohne Kontakt zur Außenwelt.

    Und obwohl ein hoher Sicherheitszaun den Leuchtturm umgibt und die Eingangstür mit einer schweren Kette verschlossen ist, wird Livingston dort nicht allein sein ...

    Vater und Sohn, Richard und Billy Chizmar, erzählen eine Geschichte, die Sie zwei Mal darüber nachdenken lässt, was im Dunkeln auf Sie wartet."


    My five pence: Erst einmal: es ist ein sehr schön aufgemachtes Buch. Es macht Spaß, es in den Händen und gleich zurück ins Regal zu stellen. Nun zum Buch: Eine Geschichte, die man im Grunde genommen kennt, weil viele Geschichten davon erzählen. Jemand verbringt aus welchem Grund auch immer ein oder mehrere Nächte an einem Ort, an dem es spukt. Hier ist es der Gruselautor Thomas Livingston, der für zwei Nächte in den Leuchtturm Widows Point in Harper´s Cove einzieht, bzw. sich dort einschließen lässt. Und dort berichtet er überwiegend auf einem Diktiergerät von seinen Entdeckungen. So weit eigentlich nichts wirklich Neues, aber das ist egal, denn die Geschichte ist einfach verdammt gut, spannend und gruselig erzählt. Puzzleteil um Puzzleteil setzt sich Seite um Seite zusammen und führt in letzter Konsequenz darauf hinaus, dass es eine blöde Idee von Livingston war.


    Von mir gibt es dafür 9 von 10 Sonydiktiergeräten.