Hab das Buch gestern endlich fertig gelesen - nahezu in einem Rutsch. Es hat mich fertig gemacht, war sehr unangenehm und stressig (alles im positiven Sinne).
Die ersten ~100 Seiten empfand ich zunächst als schleppend, weswegen ich es immer wieder zur Seite gelegt hatte. Die Protagonistin ist Patricia, eine ewig gestresste und überforderte Kleinstadtmutter im klassischen Familienbild: Vater geht den ganzen Tag arbeiten, lässt seine Frau mit den zwei Kindern und dem gesamten Haushalt permanent allein und nimmt eigentlich die Situation für selbstverständlich. Patricia versucht, dieses Leben so gut es geht auszufüllen und dabei vor allem immer das gute Image der Familie und des Städtchens zu bewahren. Denn - und das ist ein roter Faden durch den gesamten Roman - es ist in diesem Leben grundsätzlich sehr wichtig, was andere Menschen von einem denken.
Das sind also die Startbedingungen des Romans. Zu Beginn ist das noch irgendwie sympathisch, schließlich erkennt man diese gesellschaftlichen Konstellationen aus vielen anderen Geschichten wieder, weiß im Grunde genommen, wo das Ganze hinausläuft. Doch Patricias Sorge um den guten Ruf und ihre permanente Überforderung mit jeglicher Situation außerhalb ihres gewohnten Alltags machen eben auch den Anfang des Romans zäh.
Doch genau das ist extrem lohnenswert, denn nahezu ohne Vorwarnung kommt die 180°-Drehung und der Roman wird eine wilde Fahrt voller Gaslighting, Frauenfeindlichkeit und (institutionellem) Rassismus, gewürzt mit einer gehörigen Portion Blut, Horror und Ekel. Immer und immer wieder wird Patricia von ihren Mitmenschen (insbesondere von ihrem Ehemann und dessen Kumpels) gegaslighted, bis hin zur Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus. Dieses Buch zu lesen ist einfach unangenehm - aber deswegen auch wieder sehr gut.
Mein persönliches Fazit: Freizeitaktivitäten abgesagt um lesen zu können, zweimal fast ins Buch gebissen, halbe Flasche Rotwein beim Lesen gekillt --> would recommend.