Das angekündigte Interview hat zwar ein bisschen Zeit in Anspruch genommen, aber ich hab mich wahnsinnig gefreut, dass Dennis mir heute die Antworten mailte! Und es kann sicher nix schaden, wenn wir damit noch mal auf das schöne Werk zurückkommen. Viel Spaß beim Lesen!
SB: Dies ist dein englischsprachiges Romandebüt, wobei du bereits fremdsprachliche Kurzgeschichten veröffentlicht hast. Wie fühlt es sich für dich an, in einer Fremdsprache - die ja für dich Alltagssprache ist - zu konzipieren? Läuft das Denken in anderen Bahnen, hast du andere Assoziationen, die von der Sprache ausgelöst werden? (Abgesehen vom anderen Kulturkreis, der das Setting beeinflusst).
Dennis Mombauer: Erst einmal, vielen Dank für diese wunderbare Gelegenheit, etwas über dieses Buch und meine Schriftstellerei im Allgemeinen zu sprechen. Und ja, das Schreiben auf Englisch war und ist eine Herausforderung, der ich mich zwar zunehmend gewachsen fühle, die aber viele Jahre und einiges an Arbeit in Anspruch genommen hat. Es fühlt sich anders an, als auf Deutsch zu schreiben, und hat mir teilweise auch geholfen, Sprache bewusster einzusetzen. Insgesamt würde ich allerdings nicht sagen, dass mein Denken in anderen Bahnen verläuft, aber ich habe natürlich viele zusätzliche Inspirationen und Ideen, die mir "nur" im Deutschen nicht zugänglich gewesen wären.
SB: Ich liebe Folk Horror, das Genre hat oft zu tun mit Verdrängtem, mit lokalen Legenden, aber auch mit dem Clash zwischen Moderne / Technik und Traditionen / dem Ruralen. Einiges davon lässt sich auch im House of Drought wiederfinden: Du verknüpfst Klimawandel mit einer traditionell anmutenden Geistergeschichte. Hast du dich dabei direkt an realen Legenden orientiert, die zufällig passten oder hast du deine Version völlig neu erdacht?
Dennis: Ich habe einige Zeit damit verbracht, mich in bestehende Legenden und Volkserzählungen in Sri Lanka hineinzulesen, habe sie dann aber - bis auf einige Spurenelemente - bewusst nicht verwendet. Einerseits, um mir nicht etwas anzueignen, zu dem ich als Ausländer nur einen begrenzten Zugang (und Anspruch) habe, andererseits, weil ich etwas Neues erschaffen wollte, das sowohl spezifisch als auch universell ist. Klimawandel ist ja genau das, einerseits betrifft er die ganze Welt, andererseits wirkt er sich regional aber sehr unterschiedlich aus und trägt viele verschiedene Masken und Kostüme. Die Geistergeschichte in House of Drought hat also traditionelle Anklänge, ist gleichzeitig aber nicht spezifisch "sri-lankisch," eine solche Erscheinung könnte ich mir durchaus auch in deutschen Wäldern vorstellen.
SB: Dazu noch: Die Weiße Frau ist ebenfalls eine Nord-/Westeuropäische Legende (-> Glaube an Naturgeister).Gibt es eine ähnliche in Sri Lanka, oder war dieses Motiv in diesem Setting deine Idee?
Dennis: Ja, wie in der vorherigen Antwort angedeutet, es gibt durchaus ähnliche Legenden in Sri Lanka (der "Waggoners Bane" ist z.B. ein direkter Anklang), subsumiert unter dem Namen "Kiri Amma", wörtlich übersetzt Milch-Mutter. Ich habe das (wie auch Namen und einige Hintergrundelemente) verfremdet und verarbeitet, um etwas Neues zu schaffen, das trotzdem noch ein Echo hervorruft - sowohl in Sri Lanka als auch rund um die Welt.
SB: Das Thema könnte zu keinem passenderen Zeitpunkt kommen, neuerdings ist das Thema 'Dürre in Europa' in allen Medien, obwohl diese Entwicklung nicht als Überraschung kommen sollte. Magst du ein paar Sätze zu deinem Beruf / deiner Arbeit sagen und wie groß der Anteil dessen am Roman ausmacht? (Aufklärung ohne moralischen Zeigefinger ist sehr schwierig, aber ich finde, du hast es ungeheuer subtil gelöst.)
Dennis: Ich arbeite für einen gemeinnützigen Think Tank in Sri Lanka, der vor allem im Bereich Klimawandel und nachhaltige Entwicklung aktiv ist. Wir haben da verschiedene Themen und Arbeitsprogramme, zum Beispiel zu Risikomanagement, Klimafinanzen, Ernährungssystemen oder Mobilität (Klimamigration, Vertreibung, Umsiedlung), ich koordiniere unsere Forschungsarbeit und Publikationen. Das hat den Roman schon stark beeinflusst, aber wie du schon sagst, ich wollte eben keine Zeigefinger-Geschichte daraus machen, den Klimawandel aber trotzdem als zentralen Teil des Buchs haben. Ich finde das auch ein schwieriges Thema, gerade wegen der Dringlichkeit - einerseits möchten man sich hinstellen und wirklich deutlich machen, wie bedrohlich die Klimafolgen bereits sind (Flut in Deutschland, Dürre in Europa, Waldbrände, Stürme, Artensterben etc.) und noch sein werden; andererseits ist The House of Drought aber eine Geschichte, keine Predigt, und ich will damit niemanden missionieren, sondern vor allem etwas emotional erfahrbar machen.
SB: Zur Zeit hast du sicher durch die politischen Umwälzungen ganz andere Sorgen, aber du wirst das Buch ja davor geschrieben haben: Wie ist der Markt für Phantastik in Sri Lanka? Welche Genres findest du im Angebot und was ist dort deine Zielleserschaft? Gibt es da Unterschiede zur potenziellen Leserschaft in deutschsprachigen oder englischsprachigen Ländern?
Dennis: Der Markt für Phantastik ist, soweit ich das überschauen kann (also vor allem im englischsprachigen Bereich, da ich zu Singhalesisch und Tamilisch nur einen sehr begrenzten Zugang habe), ziemlich klein, es gibt aber durchaus einige bemerkenswerte Autoren. Da ist z.B. Yudhanjaya Wijeratne, der hochinteressante und durchaus experimentelle Science-Fiction schreibt und damit mittlerweile auch über Sri Lanka hinaus ein großes Publikum erreicht. Die Verlagslandschaft in Sri Lanka selbst ist überschaubar und der Markt begrenzt, deshalb versuchen viele englischsprachige Autoren, auch Verlage außerhalb des Landes zu finden.
SB: Ganz allgemein (nicht unbedingt in Verbindung mit House of Drought): Hat der Buddhismus einen Einfluss auf die Phantastik dort oder spielt dies bei den Legenden keine Rolle? (Ich weiß aus den Romanen Antoine Volodines, dass es ein sehr gruseliges buddhistisches Toten/Zwischenreich gibt - das Bardo - und auch Dämonen ... Eignen sich diese zur Phantastik-Literatur oder ist das ein ganz anderes paranormales System, etwa eher psychologisch verstanden?)
Dennis: Generell würde ich sagen, ja, definitiv, ich kann das aber nicht quantifizieren. Buddhismus hat in jedem Fall eine zentrale kulturelle Rolle und einen eigenen Kanon an Geschichten, Figuren und Ideen, der unweigerlich auch die Phantastik beeinflusst. Das mischt sich aber auch mit externen Einflüssen und den anderen Religionen/Sagenwelten im Land, neben Buddhisten gibt es ja auch Bevölkerungsgruppen von Hinduisten, Muslimen und Christen. Inwieweit der Buddhismus sich für die Phantastik mehr oder weniger eignet als das Christentum, vermag ich nicht zu sagen.
SB: Was sind deine weiteren literarischen Pläne? Was können wir erwarten, und planst du auch deutsche Übersetzungen?
Dennis: Ich arbeite momentan an einem weiteren Climate-Fiction-Projekt, dass den Arbeitstitel "Urban Patchwork Weird" trägt und mir bereits viele Kopfschmerzen bereitet hat. Der Roman folgt zwölf Protagonisten aus allen sozialen Schichten über drei Jahreszeiten hinweg, in denen sich ihre Geschichten in einer fiktiven "eurasischen" Großstadt überschneiden und begegnen. Die Stadt hat Höhen und Tiefen, sie vermischt meine Erfahrungen aus Deutschland und aus Sri Lanka und wird einerseits von der mysteriösen Gestalt des Fischermannes, andererseits von den ausgedörrten Slums des "Tangle" bedrängt. Ansonsten habe ich noch ein paar andere Dinge in der Pipeline: mein experimenteller Roman "The Fertile Clay" wird hoffentlich dieses Jahr vom Nightscape-Verlag veröffentlicht, daneben arbeite ich noch (allerdings mit ziemlich begrenzter Zeit) an ein paar anderen Projekten, unter anderem einem Fantasy-Roman, der abseits der ausgetretenen Pfade wandelt und sich ebenfalls in seiner Weise mit Klimawandel beschäftigt.
Was Übersetzungen ins Deutsche angeht, fände ich das sehr schön, es gibt aber momentan noch keine konkreten Pläne; falls ein(e) ÜbersetzerIn oder ein deutscher Verlag interessiert wäre, bitte melden, da ließe sich mit Sicherheit was machen. Einige meiner Kurzgeschichten sind ja in andere Sprachen übersetzt worden (ins Chinesische, Estnische, Spanische), für mich war das immer eine faszinierende und sehr bereichernde Erfahrung.
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SB: Möchtest du noch etwas an deine Leser mitgeben, was ich nicht angesprochen habe?
Dennis: Nur vielen herzlichen Dank an alle, die es gelesen haben, lesen werden, rezensiert haben oder jemandem davon erzählten - es war etwas überwältigend, so viele positive Rückmeldungen zu erhalten! Und vielen Dank auch an dich für das Interview, es war mir wirklich ein Vergnügen und ich beantworte auch gerne weitere Fragen.