Beiträge von Katla

    Ein sehr lieber, guter Freund (und Phantastikschreiber) hat das Buch ausgesprochen gut gefallen, aber hat keinen Platz mehr im Regal und möchte sein Exemplar verkaufen.

    Hier sein Ebay-Angebot.

    (Ich weiß, wir haben einen extra Faden, aber das könnte hier durch die Aktualität besser aufgehoben sein, oder? Falls hier unerwünscht, wäre eine Verschiebung zu Ebay nett.) :*

    Allein Erik Simons Beitrag zur Ukrainischen Phantastik ist - wie ich schon im Ukraine-Thread gefangirlt hatte - die Anschaffung Wert. <3


    Mein Zonen-Essay wird im Sommer - als Ausnahmeübersetzung eines Sachtextes dort - in dem wunderbaren polnischen Zine Nowa Fantastyka erscheinen. Ich hoffe auf Nazariis Einverständnis, auch dort seine 3 Chornobyl-Photos verwenden zu dürfen. Die Vermittlung hab ich nicht meinen polnischen Verlag zu verdanken, sondern allein Carsten Schmitt ( Carsten ) - Tausend Dank, boa, ich freue mich ganz ungeheuer! :*%X

    Antoine Volodine: Minor Angels

    Original: Des anges mineurs. Narrats (1999)

    University of Nebraska Press, 2008

    Übersetzer, Vorwort: Jordan Stump

    49 Kapitel | 166 Seiten

    Vorstellung des Verlags



    Vielleicht gefallen mir die Texte immer besser, je mehr ich davon lese - weil sich immer mehr Referenzen und Querverweise erschließen (die ja nie vom Autor oder Erzähler erklärt werden). Jedenfalls gehört Minor Angels zu meinen Top 3 Volodines. Die ersten Kapitel sind für meinen Geschmack schlichtweg Perfektion: Extrem präzise Sprache, extrem seltsame Szenen, dystopisch-hoffnungslos, surrealistisch und voll unglaublicher Phantasie. Ich hab noch nicht ganz rausgefunden, was die Texte so spannend macht, denn man weiß von Anfang an, dass die Figuren scheitern werden, aber das wie und warum schafft eine massive Tragik, die mit typisch zynisch-schwarzhumorigem - aber nie verachtendem - Humor ausbalanciert wird.

    Volodines Spiel mit dem sich-einmischenden-Erzähler/Autor bzw, der Erzählperspektive (1. oder / und auktoriale 3. Person) ist hier sehr deutlich, indem der Erzähler direkt angibt, wer das jeweilige sprechende "Ich" ist: In nahezu jedem Kapitel gibt es einen anderen Erzähler oder Erzählerin.


    Auch wenn ich keinen Vergleich zum Original ziehen kann, ist Jordan Stump mein Lieblingsübersetzer für Volodine (auch: Lutz Bassmanns We Monks & Soldiers). Sehr poetisch, sehr differenziert, spricht ggfs. auch schwierige Vokabeln / Wortschöpfungen mit dem Autor ab. Wie Bassmanns Black Village und der post-exotische Romanzyklus an sich hat Minor Angels 49 Kapitel bzw. Teile (= die Anzahl der Jahre Verstorbener im Bardo). Und wie eben Black Village ist Angels auch eine mehr oder minder zusammenhängende Sammlung an Kurztexten, die an einigen Punkten Überschneidungen - zu anderen Kapiteln oder dem Gesamtwerk - aufweisen. Die Kapitel erzählen - gesamt betrachtet im Fortlauf - zudem eine fragmentarische Rahmenhandlung als Zirkelschluss Geburt - (erfolglose) Wiedergeburt.


    Die Plotlinien sind: Eine Gruppe 250-jähriger, unsterblicher Greisinnen (ehemalige revolutionäre Scharfschützinnen) näht eine Puppe, gibt ihr in einem sibirisch-schamanischen Ritual magisches Leben und konditioniert den Jungen, in die Welt hinauszuziehen und die letzten Reste des Kapitalismus abzuschaffen - im ehrlichen Bestreben danach erreicht er das Gegenteil, seine "Großmütter" fangen ihn ein, bringen ihn in die Steppe und verurteilen ihn zum Tode durch Erschießen. Das Ganze funktioniert nicht richtig, und die Exekution dauert 20 Jahre - schließlich beginnt er - inzwischen durch eine spekulative Hautkrankheit zu einem Pflanzen-/Reptilien-/Stofffzetzen-artigen Monster mutiert -, autobiografische, post-exotische Geschichten (frz. "narrats", engl. "narracts") zu erzählen, nach denen die Frauen süchtig werden.

    Es geht ansonsten um dystopische Ruinenlandschaften, verlassene Metropole, Wüsten, die letzte Generation der Menschheit, wobei einzelne in verlassenen, halbzerstörten Hochhäusern ihre Wohnungen einrichten. Aber es geht auch um Orte mit noch halbwegs funktionierenden Sozialgefügen, Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln, wo alle in Armut leben: Müllsammlerinnen, ehemalige Lagerhäftlinge, Kriegsmigranten auf der Flucht vor einem nicht näher definierten Feind. Einiges wird mehrere Tausend Jahre in der bzw. aus der Zukunft heraus erzählt. Am Rande treten bekannte Figuren auf: Lutz Bassmann, Yazar Dondog (sowie seine sadistische Lehrerin), und die Agentin Ghorga (von der man nur aus Melvidos Träume weiß, dass sie eine Rabenfrau-Mutantin ist).


    Ein ganz wunderbares, extrem düsteres Buch, das mir mit den 166 Seiten viel zu kurz ist und dessen Mäandern ich noch gern über die doppelte Strecke gefolgt wäre. Der schmale Band wird von Jordan Stumps spannendem, gut informiertem und sehr erhellendem Vorwort abgerundet.


    Fazit: 10 von 10 Punkten.


    In Helsinki wartet schon Volodines RAF-Roman, ich bin nun doch sehr gespannt ...

    Das angekündigte Interview hat zwar ein bisschen Zeit in Anspruch genommen, aber ich hab mich wahnsinnig gefreut, dass Dennis mir heute die Antworten mailte! Und es kann sicher nix schaden, wenn wir damit noch mal auf das schöne Werk zurückkommen. Viel Spaß beim Lesen!


    SB: Dies ist dein englischsprachiges Romandebüt, wobei du bereits fremdsprachliche Kurzgeschichten veröffentlicht hast. Wie fühlt es sich für dich an, in einer Fremdsprache - die ja für dich Alltagssprache ist - zu konzipieren? Läuft das Denken in anderen Bahnen, hast du andere Assoziationen, die von der Sprache ausgelöst werden? (Abgesehen vom anderen Kulturkreis, der das Setting beeinflusst).


    Dennis Mombauer: Erst einmal, vielen Dank für diese wunderbare Gelegenheit, etwas über dieses Buch und meine Schriftstellerei im Allgemeinen zu sprechen. Und ja, das Schreiben auf Englisch war und ist eine Herausforderung, der ich mich zwar zunehmend gewachsen fühle, die aber viele Jahre und einiges an Arbeit in Anspruch genommen hat. Es fühlt sich anders an, als auf Deutsch zu schreiben, und hat mir teilweise auch geholfen, Sprache bewusster einzusetzen. Insgesamt würde ich allerdings nicht sagen, dass mein Denken in anderen Bahnen verläuft, aber ich habe natürlich viele zusätzliche Inspirationen und Ideen, die mir "nur" im Deutschen nicht zugänglich gewesen wären.


    SB: Ich liebe Folk Horror, das Genre hat oft zu tun mit Verdrängtem, mit lokalen Legenden, aber auch mit dem Clash zwischen Moderne / Technik und Traditionen / dem Ruralen. Einiges davon lässt sich auch im House of Drought wiederfinden: Du verknüpfst Klimawandel mit einer traditionell anmutenden Geistergeschichte. Hast du dich dabei direkt an realen Legenden orientiert, die zufällig passten oder hast du deine Version völlig neu erdacht?


    Dennis: Ich habe einige Zeit damit verbracht, mich in bestehende Legenden und Volkserzählungen in Sri Lanka hineinzulesen, habe sie dann aber - bis auf einige Spurenelemente - bewusst nicht verwendet. Einerseits, um mir nicht etwas anzueignen, zu dem ich als Ausländer nur einen begrenzten Zugang (und Anspruch) habe, andererseits, weil ich etwas Neues erschaffen wollte, das sowohl spezifisch als auch universell ist. Klimawandel ist ja genau das, einerseits betrifft er die ganze Welt, andererseits wirkt er sich regional aber sehr unterschiedlich aus und trägt viele verschiedene Masken und Kostüme. Die Geistergeschichte in House of Drought hat also traditionelle Anklänge, ist gleichzeitig aber nicht spezifisch "sri-lankisch," eine solche Erscheinung könnte ich mir durchaus auch in deutschen Wäldern vorstellen.


    SB: Dazu noch: Die Weiße Frau ist ebenfalls eine Nord-/Westeuropäische Legende (-> Glaube an Naturgeister).Gibt es eine ähnliche in Sri Lanka, oder war dieses Motiv in diesem Setting deine Idee?


    Dennis: Ja, wie in der vorherigen Antwort angedeutet, es gibt durchaus ähnliche Legenden in Sri Lanka (der "Waggoners Bane" ist z.B. ein direkter Anklang), subsumiert unter dem Namen "Kiri Amma", wörtlich übersetzt Milch-Mutter. Ich habe das (wie auch Namen und einige Hintergrundelemente) verfremdet und verarbeitet, um etwas Neues zu schaffen, das trotzdem noch ein Echo hervorruft - sowohl in Sri Lanka als auch rund um die Welt.


    SB: Das Thema könnte zu keinem passenderen Zeitpunkt kommen, neuerdings ist das Thema 'Dürre in Europa' in allen Medien, obwohl diese Entwicklung nicht als Überraschung kommen sollte. Magst du ein paar Sätze zu deinem Beruf / deiner Arbeit sagen und wie groß der Anteil dessen am Roman ausmacht? (Aufklärung ohne moralischen Zeigefinger ist sehr schwierig, aber ich finde, du hast es ungeheuer subtil gelöst.)


    Dennis: Ich arbeite für einen gemeinnützigen Think Tank in Sri Lanka, der vor allem im Bereich Klimawandel und nachhaltige Entwicklung aktiv ist. Wir haben da verschiedene Themen und Arbeitsprogramme, zum Beispiel zu Risikomanagement, Klimafinanzen, Ernährungssystemen oder Mobilität (Klimamigration, Vertreibung, Umsiedlung), ich koordiniere unsere Forschungsarbeit und Publikationen. Das hat den Roman schon stark beeinflusst, aber wie du schon sagst, ich wollte eben keine Zeigefinger-Geschichte daraus machen, den Klimawandel aber trotzdem als zentralen Teil des Buchs haben. Ich finde das auch ein schwieriges Thema, gerade wegen der Dringlichkeit - einerseits möchten man sich hinstellen und wirklich deutlich machen, wie bedrohlich die Klimafolgen bereits sind (Flut in Deutschland, Dürre in Europa, Waldbrände, Stürme, Artensterben etc.) und noch sein werden; andererseits ist The House of Drought aber eine Geschichte, keine Predigt, und ich will damit niemanden missionieren, sondern vor allem etwas emotional erfahrbar machen.


    SB: Zur Zeit hast du sicher durch die politischen Umwälzungen ganz andere Sorgen, aber du wirst das Buch ja davor geschrieben haben: Wie ist der Markt für Phantastik in Sri Lanka? Welche Genres findest du im Angebot und was ist dort deine Zielleserschaft? Gibt es da Unterschiede zur potenziellen Leserschaft in deutschsprachigen oder englischsprachigen Ländern?


    Dennis: Der Markt für Phantastik ist, soweit ich das überschauen kann (also vor allem im englischsprachigen Bereich, da ich zu Singhalesisch und Tamilisch nur einen sehr begrenzten Zugang habe), ziemlich klein, es gibt aber durchaus einige bemerkenswerte Autoren. Da ist z.B. Yudhanjaya Wijeratne, der hochinteressante und durchaus experimentelle Science-Fiction schreibt und damit mittlerweile auch über Sri Lanka hinaus ein großes Publikum erreicht. Die Verlagslandschaft in Sri Lanka selbst ist überschaubar und der Markt begrenzt, deshalb versuchen viele englischsprachige Autoren, auch Verlage außerhalb des Landes zu finden.


    SB: Ganz allgemein (nicht unbedingt in Verbindung mit House of Drought): Hat der Buddhismus einen Einfluss auf die Phantastik dort oder spielt dies bei den Legenden keine Rolle? (Ich weiß aus den Romanen Antoine Volodines, dass es ein sehr gruseliges buddhistisches Toten/Zwischenreich gibt - das Bardo - und auch Dämonen ... Eignen sich diese zur Phantastik-Literatur oder ist das ein ganz anderes paranormales System, etwa eher psychologisch verstanden?)


    Dennis: Generell würde ich sagen, ja, definitiv, ich kann das aber nicht quantifizieren. Buddhismus hat in jedem Fall eine zentrale kulturelle Rolle und einen eigenen Kanon an Geschichten, Figuren und Ideen, der unweigerlich auch die Phantastik beeinflusst. Das mischt sich aber auch mit externen Einflüssen und den anderen Religionen/Sagenwelten im Land, neben Buddhisten gibt es ja auch Bevölkerungsgruppen von Hinduisten, Muslimen und Christen. Inwieweit der Buddhismus sich für die Phantastik mehr oder weniger eignet als das Christentum, vermag ich nicht zu sagen.


    SB: Was sind deine weiteren literarischen Pläne? Was können wir erwarten, und planst du auch deutsche Übersetzungen?


    Dennis: Ich arbeite momentan an einem weiteren Climate-Fiction-Projekt, dass den Arbeitstitel "Urban Patchwork Weird" trägt und mir bereits viele Kopfschmerzen bereitet hat. Der Roman folgt zwölf Protagonisten aus allen sozialen Schichten über drei Jahreszeiten hinweg, in denen sich ihre Geschichten in einer fiktiven "eurasischen" Großstadt überschneiden und begegnen. Die Stadt hat Höhen und Tiefen, sie vermischt meine Erfahrungen aus Deutschland und aus Sri Lanka und wird einerseits von der mysteriösen Gestalt des Fischermannes, andererseits von den ausgedörrten Slums des "Tangle" bedrängt. Ansonsten habe ich noch ein paar andere Dinge in der Pipeline: mein experimenteller Roman "The Fertile Clay" wird hoffentlich dieses Jahr vom Nightscape-Verlag veröffentlicht, daneben arbeite ich noch (allerdings mit ziemlich begrenzter Zeit) an ein paar anderen Projekten, unter anderem einem Fantasy-Roman, der abseits der ausgetretenen Pfade wandelt und sich ebenfalls in seiner Weise mit Klimawandel beschäftigt.

    Was Übersetzungen ins Deutsche angeht, fände ich das sehr schön, es gibt aber momentan noch keine konkreten Pläne; falls ein(e) ÜbersetzerIn oder ein deutscher Verlag interessiert wäre, bitte melden, da ließe sich mit Sicherheit was machen. Einige meiner Kurzgeschichten sind ja in andere Sprachen übersetzt worden (ins Chinesische, Estnische, Spanische), für mich war das immer eine faszinierende und sehr bereichernde Erfahrung.

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    SB: Möchtest du noch etwas an deine Leser mitgeben, was ich nicht angesprochen habe?


    Dennis: Nur vielen herzlichen Dank an alle, die es gelesen haben, lesen werden, rezensiert haben oder jemandem davon erzählten - es war etwas überwältigend, so viele positive Rückmeldungen zu erhalten! Und vielen Dank auch an dich für das Interview, es war mir wirklich ein Vergnügen und ich beantworte auch gerne weitere Fragen.

    Vielleicht wird das Prinzip der Negative Ethics (Cabrera grenzt sich selbst vom klassischen, westlichen Nihilismus ab, ich sollte da mehr Sorgfalt walten lassen!) deutlicher, gerade bez. der Themen um 'Verachtung', Elitedenken, Suizid etc. Arkham Insider Axel und t.sebesta - bei Interesse hier ein längeres Zitat (nicht ganz vom Anfang) aus seinem Vorwort der englischen Fassung seines A Critique of Affirmative Morality: A Reflection on Death, Birth and the Value of Life.

    Ich meine den 2. und 3. Absatz, aber hab von davor noch mitzitiert, um seine generelle Haltung besser verständlich zu machen. Er schreibt explizit auch aus der Position der Lateinamerikanischen Philosophie, die wegen ihrer Veröffentlichungen / Debatten auf Spanisch nahezu vollkommen vom Nordwesten bzw. der restlichen akademischen Welt ignoriert wird, und die seiner Aussage nach einen ganz eigene (nämlich nicht elitäre, kolonialistisch geprägte) Herangehensweisen hat:


    Philosophies seem to assume the obligation of saying something different, extraordinarily interesting and strongly counter-intuitive, and whoever fails falls under the stigma of banality, and listeners move to another place where they could be told "something they do not already know". As if philosophical astonishment would be lost and replaced by mere surprise. Philosophers seem to have lost the ability to hear "the same", the ability of re-position, and think that truth must necessarily move, change its skin, shining in different stances. As if the dynamics of truth would be confused with the dynamics of life. (...)

    Nor have I intended the book is, in Fernando Savater‟s words, particularly “innovative” or “revolutionary”, an impression which could be given by the deliberately radical character of the reflection. On the contrary, the intention is to show an uncommon way of visualizing morality that could be repetitive, insisting on the monotonous trivialities of human condition; a procedure far from any proclaimed “revolutionary” style of thinking.


    Writers and filmmakers have indeed lingered more in the monotony of human condition than philosophers. Artists seem more gifted for pointless repetitions than philosophers, who frequently felt obliged to assume the clarity and precision of science. But it is difficult for philosophers to make scientific philosophy and, at the same time, to say something relevant about the monotonous human condition, of which science knows little. The notion of "affirmative" criticized in this book shows, however, that under the current philosophical practices following the model of science, literary motivations are hidden in a sort of narrative impulse to tell moral (or moralist) tales where the heroine is moral law and the villains, skepticism, relativism and nihilism. Perhaps in the impossibility of philosophy to refrain from telling an "edifying" story to their readers - despite its professed scientific objectivity and universality – is concealed some kind of revenge of what is neither art, nor science nor philosophy, but religion. The "metaphysics of life" presented here in the form of a “natural ontology” aims to move away from scientific arbitrariness - whereby nothing is essentially linked to anything – as from religious fatalism, according to which, magically, everything is inextricably connected to everything. This type of subject also facilitates the temptation for ad hominem arguments. As it occurs with firearms, when someone handles ideas about life, death and suicide, he or she should take extreme care in their manipulation. With "mortal questions" happens the same thing as with "deadly weapons": when we have them in hand, we must “freeze”: never point a mortal idea to anyone, even unloaded.


    This book has not been written, for example, for those who, when we talk about morality of suicide, brutally snap: "Well, so why don‟t you commit suicide once and for all and leave us alone?" A book that tries to submit procreation to ethical questioning and argues for a possible morality of suicide may easily, in our type of society, be considered "nihilist", "pessimistic", "immoral", "destructive", “irresponsible”, “dangerous” and other labels disguising the laziness or fear of thinking the roots of life. This book, anyway, is not written by a nihilist, but by a radical moralist shocked by the familiarity with which we have come to accept manipulation of the other, in particular manipulation of newborns and cold elimination of the enemy in the organization of "fair wars", the stifling lack of freedom in our lives, monitored by health, legal and religious policies. Properly read, this is the book of a moralist who decided to lead moral reflection to the last consequences. If that strategy opens the way towards "nihilism," it will be something sensibly different from much of what has been called by that name throughout the history of thinking. The ethical approach presented here is “negative” only in a relative sense, and may be regarded as a counterproof – perhaps ad absurdum – of the Nietzschean account about the essential immorality of life, from two simultaneous angles: the unavoidable need to organize society on the basis of the destruction of others, and the impossibility of looking for a truth not compatible with indefinite self-defense. Negative ethics is, at the same time, the ethics denied and omitted by all the others, the ethics capable of displaying the last roots of the structural difficulty of being ethical in a world like ours.

    Auf einer abstrakten, rein intellektuellen Ebene verstehe ich die Argumentation. Nur — ich bin alles andere als ein philosophischer Sinnsucher. Zu sehr stehen solche Erwägungen meinem everyday life, meinen Empfindungen und meinem persönlichen Streben entgegen.

    Das verstehe ich sehr gut - mir geht es da aus einem lustigen Grund ganz anders: Dass es einen postmodernen Nihilismus gibt und Antinatalismus eine Philosophie / Ethik ist, weiß ich erst seit - wehe, du lachst! - True Detective. ^^ Ich bin eigentlich als Kind (nicht mal als Teenie) selbst drauf gekommen, weil wir den Stern und den Spiegel sowie die Mitgliederhefte des Tierschutzbundes im Haus hatten (wo meine Oma Mitglied war). Da dachte ich: "Menschheit? Nein danke, ich hab genug gesehen!" Und auch bezogen auf das Verhalten der Leute im Alltag, v.a. das von Kindern. Ohne das irgendwie theoretisch groß zu untermauern, bin ich damals selbst zu den Schlüssen gekommen, die ich unendlich viel intelligenter und eleganter nun also heute bei Cioran und Cabrera und den 'Apokalyptischen Reitern' Hitchens / Dawkins / Harris / Dennett, etc. finde (und damals als Teenie u.a. eben in Prosaform bei u.a. Lovecraft). Für mich hat das alles etwas sehr Tröstliches, Beruhigendes.

    Und solange ich das Leben lebe, hat es für mich sehr wohl einen Wert

    Dem widersprechen postmoderne Nihilisten auch nicht unbedingt (wie gesagt: außer sie leiden z.B. selbst an klinischen Depressionen), und ich schon gar nicht. Die Theorie dreht sich ja um eine objektive Sicht, nicht um eine persönliche. Das ganz genau ist z.B. Cabreras Punkt.

    Sache ist ja: Wären wir nicht geboren worden, wären wir aber auch nicht in der Lage, unsere Nichtexistenz zu bedauern. Jetzt leben wir nun mal und selbstverständlich ist es wünschenswert, dass die Lebenden auch Freude daran haben, das kreativ nutzen und/oder anderen Lebewesen helfen.

    Menschen, die sich suizidieren, verspüren ja – nach allem, was man weiß – keine Todessehnsucht, sondern ertragen ihr Leben nicht mehr. Und nicht selten gehen solchen Fällen lange Krankheitsgeschichten voraus, innerhalb derer man durchaus versuchte, das Steuer noch einmal herumzureißen …

    Auf jeden Fall - es ist eben nur manchmal der einzige Weg (oder wird als der einzige gesehen), sich dem Leben zu entziehen, wenn die Belastung unüberwindbar erscheint. Ich hab mal die schöne Formulierung eines Therapeuten gelesen, die allermeisten wollten nicht für immer tot sein, sondern eigentlich das Leben für eine Zeit vollständig pausieren - und weil das biologisch nicht möglich ist, wird aufgrund des starken Leidensdruckes eben der Tod in Kauf genommen.

    (Crosspost: Ja, genau wie es t.sebesta auch beschreibt - wobei die Aussagen Angehöriger sicher noch mal anders gefärbt sind als die von überlebenden Suizidalen.)


    Als kleine persönliche Randnotiz: Ich sage das nicht so dahin: Mein Ex-Partner hatte einige Jahre nach unserer Beziehung, als wir noch eng befreundet waren, Suizid begangen. Und ich sehe da durchaus eindeutige Schuldige: Erst seine christliche Mutter, die ihre lesbische genderbending Tochter mit 14 auf die Straße setzte, damit in die Obdachlosigkeit und dort in die sexuelle Gewalt schickte; und später die amerikanische Mainstreamgesellschaft, die mit Transidentitäten nicht zurecht kommt.) Nichtsdestotrotz ist Suizid eine - vielleicht die einzige - persönliche Freiheit: Wir können ggfs. über unser Lebensende bestimmen, anders als über unsere Geburt.

    Daher lege ich die Stirn in Falten, wenn diese Art Sehnsucht quasi glorifiziert wird. Noch bedenklicher finde ich, wenn aus so einer gebenedeiten Negatitivät zusätzlich ein Elitenbewusstsein entwächst.

    Aha, das ist sehr interessant - das sehe ich beides nicht, das mag aber an der Auswahl meiner Quellen liegen. Und mag auch sein (jetzt so aus der Erinnerung der kurzen Abschnitte, die ich las), dass z.B. Ligotti dazu neigt. Einige Black Metal Bands sicher auch - mein Negativ-Paradebeispiel auf allen möglichen Ebenen wäre Mayhem -, aber bei anderen ist das eher Marketing/Image und einige wie Gaahl oder Immortal brechen das ja. Wer von denen steht denn überhaupt einem philosophischen Nihilismus / Negative Ethics nahe?


    Der Spieß lässt sich selbstverständlich wunderbar umdrehen (absolut nicht auf dich bezogen, sondern ganz querbeet!): Die Glorifizierung eines runaway population growth und die Haltung / Handlung der Anhänger abrahamischer Religionen - hier bedeutet das Elitebewusstsein Diskriminierung, Förderung der Sklaverei, Sexismus, Okkupation, Genozid, Vernichtung ganzer Kulturen, Ausbeutung und ebenfalls Vernichtung der Natur / anderer Spezies. Und dieses Elitebewusstsein hat man letztlich bei jeglicher starken sozio-/politischen, religiösen, kulturellen etc. Identifikation. Es kommt einfach drauf an, wo man das Problem verortet, dann sind die 'Schuldigen' automatisch das They im Vergleich zum persönlichen bzw. subkulturellen in-group Us: Männer, Heteros, Nazis, Kapitalisten, Sozialisten, Gläubige, Realisten, ethnisch-kulturelle Herkünfte ... Der Nihilismus vereint das eigentlich nur über politische Grenzen hinweg auf ein sehr egalitäres: 'Alle Menschen sind das Problem.'


    Als Illger-Update sag ich mal:

    In der Mitte des Bandes wirft er jegliche kulturwissenschaftliche Etikette (so er bislang eine hatte) über Bord und geht fröhlich und oft unbelegt so richtig in die Vollen, sprich: in die Glosse. Das in einem Stil, bei dem es mich stark wundert, dass der Autor Erfahrungen mit universitären Strukturen hat. (Gut, der Band ist nicht als Fachbuch ausgewiesen, aber irgendwie sollte sich das doch bissl bemerkbar machen ...). Ich wollte schon abbrechen, aber dann fielen mir beim Durchblättern einige interessante Zitate auf, die ich auch kritisch sehe, aber extrem frisch und spannend finde (Patricia MacCormacks Lovecraft-Interpretationen). Auch in der Hinführung dazu zeigt sich allerdings, dass Illger von seinem monotheistischen oder überhaupt theistischen Blick nicht abstrahieren kann: Cthulhu beschreibt er als Junta-Diktator mit seinem Schnurrbart, der in der Mittagspause ein paar Hinrichtungen anordnet, als "politische Denkfigur" [S. 103] und "Moralpolitisch gesehen ist und bleibt er eine Schießbudenfigur" [WTF?! [LiZ]]... "Die Pointe besteht nämlich darin, dass Cthulhu gesinnungsmässig mehr mit einem Schulhofschläger gemein hat als mit einer jenseitigen Entität, die aus den Tiefen des Universums eine geheimnisvolle und erhebende Weisheit mitbringt." [beide S. 102] Naja, Letzteres ist doch gerade der ganze verdammte Punkt des Kosmischen Horrors, oder? Dabei kommt er selbst zwei Seiten später zu dem wenig überraschenden Schluss: "Cthulhu ist kein dunkler Messias." Oh, no shit Sherlock!


    Ist auch nicht so, dass mich grundsätzlich christliche Haltungen triggern: Derrida kann ich da durchaus mit Interesse zuhören, auch, wenn mich bei ihm andere Themen mehr reizen. Derrida schafft es, die Religiösität seiner Intelligenz zu unterwerfen, sie behindert ihn nicht in der Analyse und er behandelt sie sehr kreativ, 'unorthodox' - in der Dekonstruktion, etwas, das Unger - der ansonsten ähnlich radikale Ansätze hat - leider nicht gelang.


    Jetzt mache ich ne Woche Deutschland-Urlaub und damit Illger-Pause, weil der mir so geballt doch ziemlich auf den Sack geht ... und in DE zudem das Nichts [Nerdine] sowie ein zweites Architekturbuch von Barnabas Calder auf mich warten. Zu Ende lesen werde ich Illger auf jeden Fall, und vermutlich sogar behalten - nicht nur, weil es ein haptisch ganz wunderbares Buch ist, sondern eben zu Zitatzwecken für unser kleines Vorhaben.


    Jedenfalls kann ich jetzt schon sagen, dass es das mit Abstand schlechteste Buch zu Horrorliteratur ist, das ich je gelesen hab. [skul] Bislang standen auf dem Tiefpunkt: Noël Carrolls The Philosophy of Horror: Or, Paradoxes of the Heart (wobei meine Lektüre fast 30 Jahre her ist und ich keine Einzelheiten mehr erinnere) und Julia Kristevas Powers of Horror (ganz einfach, weil es eine streng freudianische Position ist, die ich per se nicht ernst nehmen kann und die - wie auch ihr eigenartiger BioFeminismus - den Blick verbiegt).


    Zu Illger denke ich: Seine Argumente sind derart hahnebüchen und oft in so starkem Widerspruch zu den Zitaten, mit denen er diese eigentlich belegen will, dass ich mich echt frage, ob es ein Lektorat gab. Alle persönlichen, unbelegten Wertungen *) und glossenhaftes Mäandern am Thema vorbei rausgekürzt; konkrete, adäquate Begriffe verwendet anstelle seitenlanger, hilfloser Herleitungen - wie u.a. bei dem Prinzip der "Transgression" -, dann noch das religiöse Gefasel raus und ggfs. eine anständige, analytische Selbstverortung rein und man hätte ein längeres Essay in der Hand, über das sich sehr gut diskutieren ließe. Ein Buch hätte das in dieser Form meiner bescheidenen Ansicht nach nicht werden dürfen.


    *) z.B. S. 90: "Vielleicht hängt die Wirkung von Das Nachtland aber genau damit zusammen, dass man einem Autor, der so schlecht schreibt, wie Hodgson es des Öfteren tut, eigentlich kaum die Fähigkeit und Kompetenz zutrauen würde, derart mächtige Gefühle von Schrecken, Schönheit und Majestät hervorzurufen."

    Schlecht schreiben? Look into the friggin' mirror, Sir! Ich bin absolut kein Fan vom Nachtland und nicht mal generell von Hodgson, aber ein solcher Satz ist in einer halbwegs kultur- und/oder geisteswissenschaftlichen Abhandlung einfach ein totales No-Go. Das wäre uns damals nicht mal als Erstsemester-Hausarbeit abgenommen worden.

    Jeder kreativer Akt ist positiv und bejaht erst einmal die schöpferische, lebensspendende Kraft. Selbst dann, wenn vermeintlich Negatives verhandelt wird.


    So lese ich Lovecraft – jetziger Stand der Dinge – eher in einem positiven Licht.

    Lieber Axel, wie schön, dass du Rückmeldung gibst! [Cof] Ja, das meinte ich oben mit den Negative Ethics, die gar nicht so negativ sind. Also, es kommt natürlich auf den eigenen Standpunkt an, aber ich sehe Antinatalismus und Negative Ethics als absolut positive Dinge, auch lebensbejahende - nur nicht unbedingt auf rein menschliches Leben bezogen nämlich.

    Das 'negative' hat lediglich die Bedeutung, dass das Leben an sich - also das Dasein, die Existenz - weder objektiv positiv noch moralisch positiv ist. Das Leben hat keinen objektiven Wert, es ist nicht irgendwie besser als das Nichtsein. Das wird - auch unglücklicherweise teils über die Biographien einzelner Autoren / Philosophen - missinterpretiert als eine Todessehnsucht. Die steht mit der Philosophie aber gar nicht gezwungenermaßen im Zusammenhang (u.a. Julio Cabrera wird nicht müde, darauf hinzuweisen).

    Denn ich meine, dass man sich in diesem Bereich bewusst produzieren kann.

    Joar, aber das kann man in jedem Bereich, so man möchte. Ich brauche nur an eine Unzahl feministischer Debatten denken ...
    Ich fand - zumindest, was die Schriften zum Atheismus und Horror angeht - Lovecraft bislang immer sehr sachlich. Vielleicht erschließt sich deine Einschätzung, wenn ich endlich mal die beiden Biographie-Bände lese, die seit einem Jahr drauf warten.

    und kann von hier aus nicht gerade mühelos die Brücke zu Leuten wie Ligotti oder Cioran schlagen. Gerade letzterer erscheint mir (in den Aphorismen, die ich von ihm kenne) wie ein absoluter Schwarzseher und Cyniker. Aber ich kann mich natürlich auch täuschen.

    Mit Ligotti kann ich auch nicht. Der schwurbelt mir zu viel, das liest sich - sage ich jetzt mal - wie reines Gepose. Ich hatte ihn anfangs übrigens sogar für einen Nichtmuttersprachler gehalten, dem viele Formulierungen als Fehler unterliefen.

    Cioran dagegen ist mein Totemtier. *gn* Sogar mehr noch als Volodine. Ich teile den Zynismus (nicht aber seine Todessehnsucht) und vor allem kann mAn kaum jemand harte Wahrheit / Analyse so elegant und kurzweilig mit schwarzem Humor verbinden, ohne die Aussage zu verwässern oder zu verniedlichen. Ich bin immer zwischen Nicken und Tränenlachen hin- und hergerissen (Lachen mit ihm, nicht über ihn). Ich finde eine solche harsche Sicht sehr heilsam - also wie Balsam, sozusagen.


    Und genau da sehe ich die Verbindung zu Lovecraft. Das mag natürlich auch an mir liegen: Utopien machen mich automatisch misstrauisch. Man könnte in den hier besprochenen Mix übrigens auch noch sehr gut Baconsky, Kryzhanovsky und eben Volodine (ohne die politischen Komponenten) hinzufügen. Evt. sogar Bruno Schulz.

    Schon paradox, dass man für Nichts einiges an Zeit einplanen muss.

    :D

    Derridas Unterscheidung ist sicher sinnvoll, gleichwohl viele Menschen gerade besessen davon sind, sich durch irgendeine Art von Vermächtnis "unsterblich" zu machen. Für solche dürfte Derridas Diagnose ein herber Schlag sein.

    Ja, diese Obsession steckt teils ja auch hinter der übermäßigen Reproduktionstätigkeit unserer Spezies - denn ginge es nur darum, ein Kind haben zu wollen, könnten Menschen nach dem animal companion -Motto "adopt, don't shop" handeln. Aber ich hab tatsächlich als Begründung eines Kinderwunsches oft gelesen: 'Damit ein Teil von mir weiterlebt'. Könnten sich Menschen besser mit ihrer Endlichkeit abfinden, wäre auch Religionen die Grundlage entzogen.

    Voll erraten, liebe Katla, da bin ich natürlich auch gerne mit dabei ... das Thema ist ja auch in meinen eigenen Arbeiten im Hintergrund präsent ... ;)

    [Skl] Coooool! Ich freue mich, das wird sicher hochspannend.


    Finde ich sehr schön, weil ich den Eindruck hab, dass Nihilismus / Antitheismus / Antinatalismus häufig von Schreibern verhandelt wird, die eigentlich privat dagegen eingestellt sind. Und das resultiert in manchmal seltsamen Verrenkungen, das alles unter einen Hut zu bekommen oder gar (wie Illger das grad gen Ende des 2. Kapt. versucht) dem Objekt irgendwie doch einen Theismus unterzujubeln.

    Wenn ich zu Ikonen recherchiere, komme ich als Antitheistin auch nicht umhin, etwas zu Ikonographie und orthodoxer Kirchengeschichte zu lesen. Umgekehrt wäre das auch wünschenswert, passiert aber zu wenig.


    Dann hätten wir mit unserem kleinen Projekt nämlich eine deutschsprachige 'own voices'-Perspektive auf das Thema. [Cof]

    Katla, du hast ja lustigerweise auch genau die (mindestens zwei) Denkfehler aufgezeigt, die ich schon angesprochen hatte und die das Buch von Illgner letztlich unrund machen. Am Ende geht es ja - wie von dir oben schon formuliert - um die Frage, ob es so etwas wie eine "atheistische Mystik" geben kann ...

    Hehehe, super!

    Ja, hab ich höflich geschrieben, aber 'atheistische Mystik' ist selbstverständlich Quark. Das mag aus den USA rübergeschwappt sein, wo ja die fundamentalistischen Christen teils als Splittergruppen, teils als politisch extrem mächtiger Mainstream versuchen, das Zivilleben aller Mitbürger unter den Knüppel zu bekommen und die schnallen Atheismus / Antitheismus nicht. Die sagen: Atheismus ist auch ein religiöser Glaube bzw. sogar eine Religion, nur eben umgekehrt. Das ist natürlich völliger Humbug. Und sie sehen ja sogar Realismus und Wissenschaft als Religionen - Illger mag davon irgendwie um Ecken beeinflusst sein (oder selbst solchen Gedanken anzuhängen, in vllt. unbewusster Abwehr).


    Ich hab grad ein paar Seiten religiösen Geschwafels geskippt, weil ich auch nicht den Eindruck hab, es hätte irgendwie mit dem Thema des Buches zu tun. Mal gucken, wie's danach weitergeht. (Ich hoffe, es gibt ein Danach ... [shnt])


    Auch, wenn Lovecraft das Nicht-Sein positiv besetzt hat, würde ich sagen, es gäbe durchaus Versuche, das Nichts als Schrecken zu schreiben:

    - "The Music of Erich Zann", wo der junge Prota hinter dem Fenster eine Art Deep Space mit lediglich einem chaotischen / feindseligen Bewusstsein vorfindet.

    - "Dagon", was ein Spiel mit dem Spruch sein mag, "wenn du lange genug in den Abgrund starrst ...". Auch dort findet der Prota ein schwarzes Nichts (Könnte man die Story sogar als direkten Nietzsche-Kommentar werten?) und in beiden Geschichten ist es durchaus als Horror erzählt und erzählbar. (Okay, teils mit der Krücke über das 'fremde Bewusstsein', aber immerhin.)

    Also die Angst vor der Angst?
    Lovecraft hat übrigens, nach allem, was man darüber wissen kann, seinem frühen Krebstod relativ gelassen entgegen gesehen.

    Vielleicht eher die Angst (als ein extremes Bedauern) vor der Auslöschung des Selbst. Wenn nicht auch zusätzlich vor dem physischen Aspekt: Schmerz.

    Derrida hat da eine sehr differenzierte, sensible Unterscheidung gemacht: Er wandte sich gegen die weitverbreitete Idee, dass ein Verstorbener nicht tatsächlich tot sei, solange noch jemand lebe, der sich an ihn erinnerte oder der ihn sogar kannte. Derrida sagt: Jeder Mensch (Gedanken / Emotionen und Erinnerungen) ist eine einzigartige, einmalige Welt. Diese Welt erlischt in Gänze durch seinen Tod. Erinnerungen, die andere Menschen an ihn haben, sind nicht zu verwechseln mit den ursprünglichen, individuellen des Toten, sondern gehören - vllt. sogar unbewusst verzerrt, persönlich geprägt - ausschließlich zur überlebenden Person. Ich meine, dass eine solche Auslöschung sehr gut angstbesetzt sein wird.


    Hui, Respekt (Theorie ist ja eine Sache, wenn es einem selbst an den Kragen geht ...).

    Das Nichts würde mich auch interessieren. Bei mir ist es eher eine Zeitfrage. Deshalb kann ich nichts versprechen, würde aber allerwenigstens (!) interessiert mitlesen wollen.

    Momentan ist es bei mir ebenfalls eine Zeitfrage (das ist schönerweise ein echter Wälzer), aber mein kleiner, grad gereifter Plan, bei dem das Buch zum Einsatz käme, läge auch eher gegen Ende diesen Jahres - vielleicht können wir alle noch mal drauf zurückkommen (mitlesend oder schreibend?). Bin sicher, das wäre auch along the lines of Jo Piccol und Arkham Insider Axel .

    Schöne Idee.

    [Cof]%X Let's!

    Zum Thema Nichts habe ich vor einigen Jahren mal in einem Buch von Ludger Lütkehaus gestöbert, leider kann ich mich kaum an die Inhalte erinnern. Aber der Titel fiel mir eben beim Lesen deines Beitrags ein.

    Oh, super, vielen lieben Dank! Das klingt ganz enorm spannend, da schaue ich gleich mal nach. EDIT: Ist bestellt! :*


    Ich meine übrigens, das Problem mit dem "Nichts" als Positives und dem Tod & dem All als Auslöser von Furcht entsteht daraus, dass Lovecraft als Realist vielleicht weniger den Tod / Death meinte, sondern eigentlich das Sterben / Dying. Nur so lässt sich der kleine Widerspruch im Konzept erklären, der hier auch Illger behindert: Man hat Angst vor dem Unbekannten des Todes, aber lediglich, weil man bereits vorher weiß, dass diese Angst sich beim Sterben zuspitzen wird - denn Lovecraft muss ja davon ausgehen, dass es keine wie auch immer geartete Weiterexistenz nach dem Tod gibt.


    Also wäre bei HPL Tod = Sterben mit Angst besetzt, aber der dann nicht mehr erlebte Zustand des Todes = des individuellen Nichts positiv konnotiert.

    Kapt. 2 "Nihilismus" (in 1 ging es um Angst und das Horrorgenre):


    Illger begann mit Lovecrafts Definition von fear / unkown, und - was Illger glaube ich nicht erwähnt - dabei nannte HPL ja als beste Beispiele den Tod und das Weltall. Zu Beginn diesen Kapitels zitiert Illger wieder Lovecraft, nun zum "Nichts", was HPL eindeutig positiv und sogar als sehnsuchtsvollen, perfekten Zustand beschreibt. (Erstaunlich deckungsgleich zu Dennis Nilsen, übrigens!)


    Beginnend mit Lovecrafts un-mystischem, modern-naturwissenschaftlichem Ansatz zeigt Illger, dass nun nicht mehr Geister und Hexen den Leser ängstigen sollen, sondern eben als wissenschaftliche Fakten beschriebene Alien-Monster oder seltsame Phänomene (man hätte hier auch gut mit dem Genre des spekulativen Realismus argumentieren können). Angerissen und gut - wenn auch imA zu knapp - werden Antinatalismus, Cioran und Ligotti erwähnt, dann aber entfernt sich Illger davon und macht mit einem langen Zitat aus einer Hemingway-KG weiter, in der etwas zu nada steht. Allerdings geht es dabei nicht um Nihilismus. Illger verwendet nun ein paar Seiten lang nada anstelle von "Nichts". Von Hemingway geht es zu Bataille, der trotz seines Spottes die Religion ins Spiel bringt: Die "Einsamkeit Gottes" als Motiv.

    Dazu: Illger hat nicht nur das Kind / Kinderzimmer als durchgehende / wiederkehrende Illustration, sondern auch "Dämonen" und "Teufel". Deren Verbindung zum Buch ist mir etwas unklar - manchmal spricht Illger von den Dämonen, die Schrecken symbolisieren sollen, manchmal als Synonym des Horrorgenres und letztlich wie eine Art personifizierte ... Negativität. Das sitzt etwas schräg auf dem Buchthema, und eigentlich auch auf seiner eigenen Erkenntnis, dass HPL über solche altmodischen Figuren gelacht hätte. Illger bezeichnet dann das Weltall des Kosmischen Horrors als "Abenteuerspielplatz", was mMn eine unpassende Analogie ist, wenn man bedenkt, was verhandelt wird.


    Er stellt nun fest, dass "Nichts" ein schlechter Antagonist ist, bzw. sich damit allein kein Schrecken auslösen ließe (das ist ein sehr, sehr interessanter Gedanke, der für meinen Geschmack gern hätte näher ausdiskutiert werden können), und damit Lovecraft widersinnigerweise gezwungen gewesen sei, seine Geschichten mit Cthulhu und anderen Figuren zu bevölkern. Dabei unterläuft ihm aber ein Denkfehler: Lovecraft sprach von der Angst vor dem Unbekannten (und wir wissen, dass damit auch der Tod und das All gemeint waren), aber nicht vor der Angst vor dem Nichts. Dazu hatte Illger ihn ja ausführlich zitiert und in diesem Zitat stand dazu nichts Negatives. Der Tod ist sicher Auslöschung / Nichts, das All ist aber voll von physisch anwesenden Dingen, also keinesfalls "Nichts" - selbst ein Schwarzes Loch ist das Gegenteil von "Nichts". Da kommt also etwas nicht hin.


    Nachdem Illger mal wieder auf sein Kinderzimmer zurückkam (das mAn inzwischen jegliche Erklärungsfunktion verloren hat), stellt er fest: die Ästhetik und die Poesie (er sagt Poetik) können nicht mit einem "Nichts" operieren, und obwohl die Philosophen des Nihilismus / Antinatalismus wie auch Lovecrafts Haltung und dann die von Illger selbst festgestellte Ueberkommenheit von Dämonen, Teufeln und (Aber)Glauben in spätestens der Moderne solches eigentlich unmöglich machen, stellt er schließlich fest:

    - Das Weltall endet, und zwar nicht im Nichts, sondern es geht in "Gott" auf (und er meinte nicht einen der Old Ones *gn*).

    - "Wir" bewegten uns nun im Bereich einer "atheistischen Mystik".

    (Mystik: Bereich v.a. der Theologie, beschreibt eine "göttliche Erfahrung".) Jetzt wundere ich mich doch mehr als nur ein Bisschen.


    Mein zweites Zwischenfazit:

    Um eine illgersche Analogie zu nehmen: Mir kommt der Text bislang so vor, als fahre Illger in Schlangenlinien über eine Autobahn, schrammt mal links und mal rechts an der Leitplanke entlang und nimmt jeweils ein paar verschiedene Farbkratzer oder Bruchstücke mit. Der Abhandlung fehlt bislang eine klare Prämisse und die Haltung des Autors zum Thema ist unklar bzw. widersprüchlich (ich rede nicht von der nötigen Gegenüberstellung kontroverser Zitate oder Theorien, sondern von den vielen persönlichen Wertungen und Kommentaren des Autors selbst dazu).

    Genauso schlingert er übrigens von umgangssprachlichem Humor zu philosophischen Definitionen (ich bin nicht sicher, ob immer ganz korrekt erfasst), was ich als ziemlich unangenehm empfinde.


    Illger ist Fantasyautor und Filmwissenschaftler - dabei wundert mich, dass er so seltsam um den heißen Brei herumredet, wenn es um Definitionen, Theorien und Inhalte von postmodernen nihilistischen und antinatalistischen Themen geht, denn maßgeblich ist dort ein brasilianischer Professor der Philosophie und Filmwissenschaft, Julio Cabrera, tonangebend. Einige Zitate von Cabrera hätten vielleicht nicht nur die Herleitung verkürzen, sondern auch einige Unklarheiten aus dem Weg räumen können, die Illger offensichtlich behindern. Damit steht er nicht allein da: Das gleiche Problem - dort ebenfalls mit Religion - hat der ansonsten extrem intelligente Philosoph Roberto Mangabeira Unger in seinem Passion. An Essay on Personality, das ich deswegen leider abbrechen musste.



    Als eine, die noch kein Buch zu irgendwas geschrieben hat und auch keine Philosophin ist, lehne ich mal mal meterweit aus dem Fenster: das Buch macht mir Lust, die Theorien des imA passgenauen Dreiergespanns Lovecraft - Cioran - Cabrera im Hinblick auf Kosmischen Horror und der (gar nicht so negativen) Negativen Ethik anzuschauen. Vielleicht hab ich Ende diesen Jahres Zeit und vielleicht hat ja jemand Lust, mit dran rum zu denken. [CTHu]