Beiträge von Katla

    Das wäre ja auch schlimm wenn wir immer einer Meinung wären.

    Ich plädiere auf Gleichschaltung! ^^


    Die Eisenbahngeschichten haben auf mich einen ungeheueren Sog entwickelt, die hab ich alle an einem Stück gelesen (so ähnlich fand ich sie gar nicht), die anderen dann nach und nach. Bei denen - mit Ausnahme v.a. von "Saturnus Sektor" - fehlte mir manchmal so ein Meta-Thema, etwas, das sich da angedeutet durchzieht, ohne unbedingt offensichtlich zu werden. [Gh2]

    In Absprache mit Michael stelle ich - als großer Fan von Leseproben - mal ein paar Teaser hier ein. Es sind jeweils eine Seite; die Beiträge in der Reihenfolge wie auch im Buch erschienen. Und um nicht nur Eigenwerbung zu machen, sind auch auch Auszüge aus zwei historischen Geschichten vorgestellt - die Idee ist, dass sich die noch lebenden Autoren vielleicht selbst mit ihren Auszügen hier im Thread vorstellen könnten.


    Meine Kurzgeschichte wird 2022 in polnischer Übersetzung in einer von Maciej Szymczak herausgebenen Slavic Horror-Anthologie erscheinen und bekommt entweder für den zweiten Wolfsbrut-Band oder ein reguläres Zwielicht eine Fortsetzung (die Geschichte in diesem Band ist in sich abgeschlossen).



    Hugh Walpole: "Tarnhelm" (1929 unter dem gleichen Titel)


    Ich glaube, ich war seinerzeit ein sonderbares Kind. Zum einen, weil es meiner Natur entsprach, zum anderen, weil ich einen großen Teil meines jungen Lebens in der Gesellschaft von Menschen verbracht hatte, die wesentlich älter waren als ich.

    Die Ereignisse, von denen ich jetzt erzählen werde, prägten mich mit einer unauslöschlichen Eigenschaft. Ich wurde zu einem jener – ansonsten unbedeutenden – Menschen, die für sich selbst über bestimmte Fragen unwiderruflich entschieden haben.


    Manche Dinge, die von den allermeisten bezweifelt werden, sind für solche Menschen wahr und bedürfen keiner Diskussion mehr. Diese Gewissheit grenzt sie von anderen ab und drückt ihnen eine Art Stempel auf, als hätten sie so lange in ihrer Vorstellung gelebt, dass sie nicht mehr zwischen Tatsachen und Vorstellungen unterscheiden können. Wenn ich heute, mit fünfzig Jahren, ein Mann mit wenigen Freunden, und sehr allein bin, dann liegt es, wenn Sie so wollen, daran, dass mein Onkel Robert vor vierzig Jahren auf seltsame Weise starb und ich Zeuge seines Todes war.

    Ich habe bis zum heutigen Tag niemandem von den merkwürdigen Geschehnissen erzählt, die sich im Jahr 1890 am Weihnachtsabend in Faildyke Hall zutrugen. Es gibt noch ein oder zwei Personen, die sich an die Ereignisse jenes Abends erinnern und sie als eine Art Legende vom Tod meines Onkels Robert an die jüngere Generation weitergegeben haben.


    msr3





    msr3

    Arthur Leo Zagat: "Die Mitternachtsbestie" (1934) Übersetzung: Achim Hildebrand


    Sie stand unbeweglich da, ihre hochgewachsene, schlanke Gestalt ganz in schwarz gehüllt, das mit der Dunkelheit hinter ihr verschmolz, so dass ihre weißen Arme und Schultern und das kleine, blasse Oval ihres Gesichts fast körperlos erschienen. Ihre Augen, schwarz wie das streng zurückfrisierte Haar, blickten grübelnd, und selbst in dem schwachen Lächeln, das in ihren Mundwinkeln zu erahnen war, lag eine angedeutete Traurigkeit. Sie passte so seltsam gut in diesen von schummrigem Licht erfüllten Raum und zu meiner Stimmung, dass ich über ihre Anwesenheit nicht ungehalten war. Auch stand ich nicht auf oder regte mich – ich wartete nur.


    Eine Harzgalle platzte in einem der Kaminscheite, und das aufflackernde Licht schälte ihre Umrisse aus der Dunkelheit, ließ sie wirklich werden. Ich wollte mich erheben.

    „Dieser Sessel ist sehr bequem.“

    „Vielen Dank, aber ich werde mich hierhin setzen.“

    Ich hatte den Sessel neben meinem noch gar nicht bemerkt. Sie ließ sich hineinsinken. „Ich hoffe, Sie nehmen mir mein Eindringen nicht übel.“

    „Eindringen! Ihre Gegenwart ist alles andere als das. Es macht die Dreifaltigkeit vollkommen. Eine gute Zigarre, ein knisterndes Feuer, eine wunderschöne Frau – was mehr könnte ein Mann sich wünschen?“

    „Sie sind überaus freundlich. Aber ich fürchte, ich werde Sie enttäuschen.“

    „Mich enttäuschen? Wie könnten Sie das wohl anfangen?“


    msr3


    Artikel

    Silke Brandt: "Berserker, Freibeuter, Untote – Werwolfkonzepte zwischen Skandinavien und Osteuropa" (2021)


    Der Historiker Kim Hjardar scheibt in einem Beitrag für BBC History: „Die Beschreibungen der ‘Berserker’ und ‘Wolfsfelle’ in den alten Quellen bewegen sich an der Grenze zwischen Phantastik und Realität und es ist für uns heute schwer zu glauben, dass solche Menschen – besessen von einer unkontrollierbaren destruktiven Kraft – jemals real existieren konnten. Aber es gab sie tatsächlich. Die Berserker und ‚Wolfsfelle‘ (auch bekannt als ‚heidnische Wölfe‘) waren eine besondere soziale Gemeinschaft von extrem gut ausgebildeten und gefährlichen Kriegern, die mit dem Gott Odin in Verbindung gebracht wurden. (…) Aber Berserkereinheiten konnten ein zweischneidiges Schwert sein, ungeeignet für wohlgeordnete Kampfformationen. Stattdessen mochten sie es vorgezogen haben, in kleineren Einheiten anzugreifen. In der Schlacht von Stiklestad (1030) positionierte Olav Haraldsson Berserker in der ersten Linie vor seiner eigenen Phalanx, aber anstatt auf das Signal zum Angriff zu warten, griffen sie an und trugen so zum Sturz des [eigenen] Königs bei.“ [5]


    Ebenso kritisch untersuchen aktuell Historiker der nordischen Länder, ob die Elitekrieger möglicherweise vom Schwarzen Bilsenkraut abhängig waren und wie Suchtkranke im Berserkerrausch nicht nur den Feind in fremden Ländern, sondern auch die eigene Gemeinschaft in Friedenszeiten ‚zu Hause‘ terrorisierten. Dieser Aspekt ist der bislang einzige, der den Berserker aus einer Verortung in der InGroup herauslöst und ihn zum gefürchteten Außenseiter machen könnte.



    X/

    Ja, moderne Kommunikationstechnologie ist für klassischen Horror ein echtes Problem - Handys töten so manchen Plot, treiben aber genau deswegen immer wieder an, neue Konzepte und Ideen zu entwickeln.

    Ja, das Problem ist halt, dass die Figuren damit Taschenlampen, Land-/Stadtkarten, Notruf etc. zur Hand haben und Autoren dann Erklärungen brauchen, um das auszuhebeln: Kein Empfang (je nach Setting wird das schwer, Estland hat z.B. 100% Abdeckung), Akku alle, runtergefallen, vergessen ... Da das letztlich immer dieselben Erklärungen sind, ermüdet mich das automatisch, da erlischt jedes Interesse, noch bevor ich wirklich in den Plot eingestiegen bin.

    Wenn beispielsweise ein TV-Film wie Ghostwatch - wirklich eine exzellente BBC-Mockumentary von 1992 - das Medium Fernsehn an sich von innen heraus dekonstruiert.

    Videodrome <3!


    Lustig, mit den Flachbildschirmen werden keine Geistergeschichten mehr erzählt, oder? Die sind vllt. zu steril. (Flach an sich sollte ja kein Problem sein *gn*.)

    Nach dem Film schaue ich mal, danke. Kannte ich gar nicht.


    Nevill-Verfilmungen (ich kenne nur das unsägliche Ritual, da mag ich aber auch das Buch nicht) sind wirklich noch mal eine andere Sache als die Romane. Grad wie gesagt Last Days ist (vom Ende mal abgesehen) wirklich brillant und tatsächlich gruselig - so ein 'schlafe ich bei Licht?'-Grusel. Da gehts übrigens auch um einen Filmemacher, auch wenn das Medium nix mit dem Spuk zu tun hat. Im Film möglicherweise über Mockumentary erzählbar.

    Nils und Pinkgogo


    Außerordentlich spannend, sehr speziell und dennoch breitgefächert! Vielleicht kannst du einen Link zum Buch posten (bzw. einer Bestellmöglichkeit)?


    Dass die Virus/Zombieinfection-Filme so viele Ähnlichkeiten zur Covid-Realität haben, ist sicher nicht verwunderlich. Die Produktionsfirmen/Drehbuchautoren werden auch recherchieren und sich überlegen, wie es am wahrscheinlichsten ablaufen würde und wenn die gut recherchiert / nachgedacht haben, sieht das identisch aus. (Skurril ist es dennoch.)


    Im Kontext des Buches sind doch bestimmt auch diese virulenten Anti-Vaxx-Ideen interessant, oder? Offenbar sind davon ja viele - ich las von 80% der evangelistischen Anti-Vaxx-Gemeinden in den USA - von Trollfarmen entfacht worden. Diese wissenschaftsfeindliche, religiöse Bewegung greift ebenfalls wie ein elektronischer Virus um sich (dazu noch drehen sich deren Alu-Hut-"Theorien" ja noch um das Thema 5G als Virus). Und tötet letztlich Menschen, die sich aus Kliniken auschecken oder eben Impfungen verweigern.


    Eigentlich sind diese elektronischen Themen im Horror gar nicht so mein Ding (ein Grund, aus dem ich viel historischen Horror schreibe, ist, dass Handys und das www plotmässig spannungstötend sein können), aber dein Buch klingt ja hochspannend.


    Kennst du Adam Nevills Last Days, Rahel? Da wird auch das Haunting unabhängig vom Haus (aber nicht von den Personen, von den es ursprünglich mal ausging, sei es auch über deren Tod hinaus) konzipiert,

    Nils Oh, sehr spannend, ganz lieben Dank. (Mal wieder!)


    Dann höre ich da doch gleich mal rein, sehr schön über der letzten Tasse Morgenkaffee mit noch einem halben Cookie auf dem Teller ... [Cof]

    Totenschein

    Hrsg. von den Autoren Carsten Schmitt & Tanja Karmann

    No. 1 - März 2020

    8 DIN A 3 Seiten, illustriert

    Preis: € 4,50 incl. Porto

    Bestellung per Email an: carsten[ät]carstenschmitt.com

    Homepage



    Das ist eine wirklich außergewöhnlich charmante Zeitung im Stil der Penny Sheets, mit Überschriften in gotischem Font und prä-ausgeblichener Optik.


    Enthalten ist ein längeres Gedicht ("Die Braut von Corinth") von Goethe, sowie jeweils eine Kurzgeschichte des Herausgeberteams. Beide - das finde ich eine sehr schöne Idee - beginnen auf der Titelseite.

    Die Geschichten sind im spekulativen Jetzt angesiedelt, wobei Tanja Karmanns "Die drei Blutstropfen" vom Tonfall her sehr viel postmoderner klingt, während Carsten Schmitt eine ganz wunderbare Balance zwischen dem Stil der Gothic Tales bzw. des 19. Jahrhunderts und der Kaffeehauswelt von heute findet. Gleichzeitig Postapokalypse und Märchen (erinnert sicher nicht zufällig an Andersons "Das Mädchen mit den Zündhölzern"), sehr dezente Moralparabel und ein Schuß Spannung.


    Ebenfalls beide Geschichten drehen sich auch um Geschriebenes bzw. Zeitungen, gerade Carstens Text ist dabei ein schönes Spiel mit der Haptik (denn man hält ja eine solche Zeitung beim Lesen selbst in den Händen).


    Die letzte gesamte Seite wird von ... ironischer Kunst (?) oder einem Photo-Wortwitz eingenommen, aus dem ich ehrlich gesagt nicht ganz schlau werde (ich kenne Memes mit entsprechendem Text, dachte aber immer, die würden sich auf einen Horrorfilm, wohl The Shining, beziehen). Da hätte ich es nicht schlecht gefunden, wäre auch auf dieser Seite noch Text gewesen.


    Insgesamt - was sich wohl herauslesen lässt - hat mich Carstens Geschichte hunderprozentig überzeugt und ich hab sie mit ausgesprochenem Vergnügen gelesen. Zudem eine wirklich smoothe Vermischung der Epochen, glaubwürdig und vom Vokabular und Tonfall her perfekt gemixt.

    Tanja hat mit ihrer Geistergeschichte zwar ein spannend-klassisches Thema / Setting gewählt, aber da bin ich immer wieder über Formulierungen gestolpert, wie z.B. "wand" statt "wendete / wandte" und eine Vielzahl "es schien / scheinbar", wogegen ich einfach eine kleine Allergie habe. (Einmal drei davon in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen.)


    Das sind aber nur Details - es ist ein wirklich tolles, ungewöhnliches Projekt, und ich hoffe sehr, dass noch viele weitere phantastische Totenscheine aus Saarbrücken/Zweibrücken folgen werden.

    Das ist eine wirklich beeindruckende Reihe, nicht nur von der Qualität der Beiträge her (die haben interessante, individuelle Standpunkte, sind durchaus auf akademischen Niveau und trotzdem locker geschrieben), sondern auch der Quantität. Anbei die Auslage im Berliner Otherland, wo man gut sieht, was für ein Backstein das ist.


    Die Reihe wird fortgesetzt (wobei das Schwerpunktthema 2022 noch nicht feststeht), ihr könntet letztlich das Endjahr im Threadtitel offen lassen.


    Ich hoffe, es ist okay, wenn ich hier anmerke, ungeheuer stolz zu sein, seit vergangenem Jahr zur Autorenriege zu gehören (noch mal herzlichsten Dank an Arkham Insider Axel!). Zumal ich die Heyne-Reihe in den 80ern bereits verschlungen hatte.


    Meine Beiträge:

    2020: "Vampirella in Herland – Das Dilemma um Identität, Sex & Repräsentation"

    Hier stelle ich die starken, sexy Frauenfiguren der 80er SF-Fantasyszene (Frazetta, Heavy Metal ...) der feministischen Phantastik der 90er gegenüber, verorte die Debatte zwischen Helene Cixous' radikal-separatistischer Haltung und Donna Haraways & Jacques Derridas Speziesismus, und entwickle eine These, warum phantastische Erzählungen mit zwei Anderen (z.B. Aliens + marginalisierte Identitäten) im selben Plot nur sehr selten funktionieren.

    Leseprobe Silke Brandt Vampirella in Herland.pdf


    2021: "All Humans Must Die! - Pessimistischer Posthumanismus im Klimawandel"

    Antinatalismus, die 'Lust am Abandoned' und die 'Welt ohne uns' als neue Utopie. Es geht auch um die Schwierigkeit, Klimawandel - als langfristigen Prozeß, bei dem wir selbst Täter und Opfer sind - innerhalb traditioneller Erzählstrukturen zu fiktionalisieren. (Cli-Fi verwendet selten den Klimawandel selbst als narrativen Konflikt).

    Leseprobe_Silke Brandt_All Humans Must Die.pdf


    Könnte dem Autor nun eine Forums-Renaissance bevorstehen?

    Das wäre doch cool, Interesse scheint ja recht groß zu sein, das ist super.


    Ich hab einfach mal hier einen Faden aufgemacht, vielleicht, liebe @Moderatoren, könnte hier alles ab #8 verschoben werden? Dass der arme Alexander nicht in Samuels-Beträgen untergeht? Ganz lieben Dank! :* Ich bekomme auch direkt wieder Lust auf einen ordentlichen Schuss britischen Nihilismus.

    Ich starte mal einen Thread, um den Samuels-Tipps und dem Austausch einen Ort zu geben. In den näxten Tagen schreibe ich auch gern etwas zu Darkness und freue mich über viele verschiedene Eindrücke und Rezensionen von euch.


    Als kleiner Platzhalter ein nettes, etwas älteres Interview.