Beiträge von Katla

    Hallo Nils ,


    vielen Dank für deine spannende Rückmeldung und auch die teils unterschiedlichen Sichtweisen. Sowas finde ich immer super spannend.

    Ich würde hier sehr dafür plädieren, die Serie unabhängig von TD zu bewerten

    Auf jeden Fall, ich habe TD auch mehr für die stilistische Verortung erwähnt, nicht als ein Bewertungsmaßstab.

    Das ist vielleicht ein Problem, was alle Serien nun haben, die in Etwa in die gleiche Richtung gehen - oder die so gelesen werden, als wollten sie es tun.

    Hier werfe ich allerdings ein, dass es eher umgekehrt ist: True Detective orientierte sich ja an europäischem und vor allem nordischem Film & TV (alle Aussagen beziehen sich nur auf Staffel 1 - in S2 hab ich nur kurz reingeclickt und S3 komplett ignoriert). Dublin Murders ist damit weniger ein Re-Import als eine Weiterführung dieses Stils - der jetzt mit TD verbunden wird, weil Serien aus den USA immer noch größere Beachtung finden und sie ja auch wirklich grandios ist.

    Gibt es dafür eine Definition? Hier läge nämlich genau mein Punkt an dem ich sagen würde, man muss DM abseits von TD bewerten, da hier der philosophische Unterbau fehlt und deutlich sparsamer mit den spekulativen Elementen umgegangen wird.

    Ja, die Definition wäre: Das Spekulative ist ein selbstverständlicher Teil einer Fiktion, die vollständig im Realismus verortet ist.

    Anders als z.B. Gespenstergeschichten oder Zombiefilme, deren Setting zwar aussieht wie die wirkliche Welt, aber insgesamt eine spekulative ist, wie ein Parallelentwurf zu unserer Realität. Spekulativer Realismus sagt seinem Leser/Zuschauer eben nicht: 'Ja ja, wir wissen alle, dass es keine Zombies gibt, aber wir tun jetzt alle so, damit die Geschichte funktioniert', sondern integriert die paranormalen Momente als Realismus, als Fakt.


    Ketzerisch muss ich gestehen, dass ich - obwohl ich es mehrfach versuchte - mit dem King in Yellow-Mythos nichts anfangen kann. Anders als andere (post)moderne fiktive Mythen, die keine Tradition haben. Ich hab daher TD nicht als spekulativen, sondern als reinen Realismus gesehen, bei dem ein psychisch Kranker Visionen hat und daher mordet. Mag sein, dass mich die - imA eindeutigere - Zuordnung zum Genre bei DM so positiv überraschte. Ähnlich übrigens wie bei Jordskott, bei dem ich erwartete, dass das Spekulative am Ende wegerklärt würde. (Wobei dort die spekulativen Elemente auch viel dominanter sind.)


    Ich nehme schon allein deswegen an, dass wir die beiden Serien völlig anders geschaut haben.

    Man könnte vielleicht sagen, dass die Verhältnisse der jeweiligen Serien je umgekehrt werden: Wo TD die Ermittlung (mit starken Hardboiled-Anleihen, keine Frage) nutzt, um den spekulativen Raum zu öffnen, soll bei DM der Kontrast zwischen biederem Christentum und wildem Heidentum bloß einen Grusel-Effekt erzeugen - und am Ende vielleicht für einen dezent spekulativen Erklärungsansatz herhalten, denn..

    Hm, interessant. Soweit ich mich richtig erinnere, hab ich bei DM den Bezug zu heidnischen Kulten nicht als spekulativen Fakt gesehen, sondern - wie bei TD - als eine falschverstandene Esoterik, vor deren Bild eben auch ein psychisch Kranker agiert. Die Frage um das zurückgekehrte dritte Kind (der Ermittler) und das Doppelgängermotiv hab ich eher in einem generell spekulativen Kontext gesehen, da ja auch letztes nichts mit dem Heidentum zu tun hat.

    (Man könnte bei den drei Kids selbstverständlich die Fairy Underworld, Elben, annehmen, aber das Motiv wurde ja bis zum Schluss nicht bestärkt, daher hab ich eine traditonelle 'Folk'-Erklärung fallengelassen.)

    Eine zweite Staffel dürfte mit einer stärkeren Konzentration auf Partner-Dynamiken und weniger Schauplätzen/Handlungssträngen gut beraten sein.

    Oh, das hoffe ich nun nicht. Das hat imA schon eine ganze Reihe Serien kaputtgemacht, nicht zuletzt Bron | Broen (The Bridge) und - worüber wir uns ja grad an anderer Stelle unterhielten - die X-Files. Bei TD hat es funktioniert, weil die gesamte Dynamik über den Gegensatz zwischen den beiden Protas läuft, sowas lässt sich aber schlecht über mehrere Staffeln ziehen, weil solche Beziehungen sich ja mit der Zeit ändern (wie TD auch schön zeigt, eben weil es nur eine Staffel umfasst), das ermüdet schnell, wenn das durch ein ganzes Franchise gezogen wird und wirkt auch irgendwann artifiziell. (Wäre Holmes / Watson ein Gegenbeweis?)


    Ganz herzlichen Dank, Nils (auch wenn ich einiges etwas anders sehe), ich finde andere Perspektiven ja immer irre spannend!

    [Cof]

    Meine Übersetzungs-/Editingmusik zu Grabinski / Feuersignale (nachdem ich mich rauf und runter durch die Solstice-Playlist der HPL Historical Society gejingelt hab): Russischer Folkmetal auf Tatareska: Aq Bure. Passt auch gut zur Festtagsstimmung.


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    Arkham Insider Axel Ach, wirklich nix gegen Trash oder Bad-Taste reading (ich hab grad zum Frühstück im TV War on Everyone geschaut, soviel dazu *gn*), das mache ich auch mal gern. Was mich bei Stoker dabei so gegen den Strich gebürstet hat, ist, dass er das alles aus so einer unironischen (oder besser: wenig selbstironischen) Sicht schrieb.


    Und klar, Christopher Lee soll das adeln, das an sich ist ja auch okay, es klingt nur so lustlos (wozu ja der Verleger / Herausgeber nix kann - Haining schätze ich eigentlich ganz außerordentlich und seine Anthologien im Fischer Verlag lese ich heute noch mit größtem Genuß.)


    Und ehrlich gesagt ist mir das Erscheinungsdatum bei der Einschätzung auch egal, ich würde ja nie verlangen, dass das Buch verboten oder zensiert gehört. Wem Stoker Spaß macht - ist doch super. Das verbuche ich echt unter 'verschiedenen Geschmäckern'.


    ich halte ihn einfach für insgesamt nicht lesenswert und bin mir ziemlich sicher, hätte er nicht Dracula verfasst, würde er heute auch nicht mehr verlegt.

    Die Ratten sind hier auch drin, und wohl auch "Dracula's Guest" - im Vorwort steht, dass die Titel genommen wurden, die Stoker und nicht die Verleger wollten, also sind da einige quasi incognito enthalten.


    Ja, deinem Zitat stimme ich zu. Wobei: Dracula war wohl der erste Schauerroman, den ich als junge Teenie las (nach mehreren Anthologien mit Gothic Tales / Klassischen Gespenstergeschichten), und den Anfang fand ich auch toll. Als es dann aber nach London geht, zwischendurch noch diese Bedlam-Episoden und dann diese stocksteife Moral, das hat mich sogar damals schon enttäuscht. Meine Mutter hatte ich als Kind sogar mal gefragt, warum in den Hammer-Filmen immr Dracula sterben muss, und nicht mal Van Helsing, das wär doch total ungerecht. Ich fand (und finde) Van Helsing hat im Vergleich doch weniger zu bieten - alles, das er bringt, ist eine enggefasste Moral und 'Erlösung vom Bösen' ... aber eben auch keine wirkliche Selbstbestimmtheit.


    Letztlich hat Stoker mit dem Buch den Nerv einiger Generationen getroffen, über diesen Gewalt/Sex (oder leisen BDSM)Kontext, und daraus hat sich das Genre wunderbar weiterentwickelt. Das Buch hat schon schöne Motive - die Kutschfahrt in der Bucovina, das Schloss, all dieses Dräuen, aber heute wirkt der Roman eben so verknöchert/verspießt, wie ihn Stoker konzipierte, inzwischen haben wir aber Anderes, Freieres, zur Vampirunterhaltung.


    Just my 5 cent, natürlich.


    P.S.

    Ich würde das Buch verschenken, allerdings gegen Porto (das dürfte so bei € 5,70 liegen, ich könnte es aber gern mal wiegen, wenn jemand Interesse hat.) Einfach PM schreiben.

    :S

    Geschafft, auf den vorletzten Drücker. Meine Challengeauswahl hat mir wenig im Mittelfeld, sondern vor allem Bücher in den gut/schlecht-Extremen beschert. Ich habe dank ihr einen meiner neuen Lieblingsautoren kennen- und einen lang bekannten endgültig verachten gelernt.


    Kategorie 1 - Antoine Volodine: Mevlidos Träume

    Kategorie 2 - C. S. Friedman: This Virtual Night

    Kategorie 3 - JR Pinto: Wolf Mountain. A Werewolf Novel of Haiti

    Kategorie 4 - Manuela Draeger (A. Volodine): Eleven Sooty Dreams

    Kategorie 5 - Bram Stoker: Midnight Tales

    Kategorie 6 - Tanya Tagaq: Split Tooth
    Kategorie 7 - D. L. King (ed.): Carnal Machines. Steampunk Erotica


    WSKY


    Meine Reihenfolge von gut nach schlecht wäre: 1 - 2 - 6 - 4 - 3 - 7 - - - - - - - - - 5

    Bram Stoker: Midnight Tales

    Hrsg. Peter Haining, Vorwort von Christopher Lee

    Peter Owen Modern Classics. London 1990, Paperback reprint von 2001

    Illustriert von verschiedenen Künstlern, die jedoch uncredited bleiben, so sich nicht zufällig eine Signatur im Bild finden lässt.

    Die Texte wurden "für eine moderne, junge Leserschaft editiert" - was mich ganz außerordentlich wundert.


    Das hübsche Bändchen hatte ich im Sommer für € 3,- in einem Antiquariat gekauft und hab wirklich nicht viel erwartet. Allerdings gehört dies zu den fünf schlechtesten Büchern, die ich je gelesen hab und würde mich jemand mit vorgehaltener Waffe zwingen, mich für das übelste zu entscheiden, würde ich nicht zögern, dieses zu nennen.


    Stoker schrieb die zwölf kurzen Geschichten - wie wohl auch nahezu alle anderen Erzählungen - während seiner Arbeit als Agent für den Schauspieler Sir Henry Irving vom Jahr 1878 an. Der Start liegt also mindestens 60 Jahre nach der Veröffentlichung von Mary Shelleys Frankenstein, 82 nach Matthew Lewis' The Monk und 13 Jahre nach Lewis Carrolls Alice in Wonderland. Von einem frischen Wind, literarischer Innovation, revolutionären Konzepten oder linguistisch-symbolischen Spielereien ist in Midnight Tales allerdings nichts zu spüren: Stoker schreibt bestenfalls im Stil der (schlechtesten) Georgian Gothic Ende des 17. Jh.: kruder Stil, vorhersehbare Plots, platteste Figuren, noch plattere paranormale Phänomene.


    Ich halte mich nicht für besonders anfällig für 'literarische Aufreger', mag ein bissl altmodischen Ian-Fleming-Sexismus auch ganz gerne, weil das nichts mit mir zu tun hat. Aber Stoker schreibt nicht nur mit einem - sorry - Stock im Arsch, sondern schon aus der Haltung eines Incels: unerträglicher Sexismus, Rassismus und Klassismus durchtränken beinahe jede einzelne Zeile, völlig ungebrochen werden hier Helden entworfen, die in ihrer standhaften Ehre bestätigt werden und querbeet auf alles herabsehen, was anders ist: hysterische, irrationale, schwache und ohnmachts-anfällige Frauen, Unterklasse-Schurken (am schlimmsten sind die mit Dialekt!) und natürlich diejenigen verbrecherischen Halbmenschen mit roter (als Referenz in "The Squaw") und schwarzer Haut oder 'yellow faced' (meint: chinesische Piraten). Die (Anti)Helden dürfen dabei auch ruhig mal ein bisschen grob sein und Katzen quälen - auch wenn es dann poetic justice gibt.


    Als einzig 'ausländische' Kultur findet das Ägypten der Pharaonenzeit Gnade, was ja zu der Zeit - wie die griechisch/römische Antike - generell durchaus mit Bewunderung angesehen wurde.


    Der Stil schwankt zwischen sülzig-verkitschtem Märchenton ("The Spectre of Doom"), Abenteuerklamotte ("The Red Stockade") und ansonsten eben selbst zum Ende des 18. Jh. anachronistischem Horror. Einige Texte sind in einem fürchterlichen Akzent oder Dialekt/Regiolekt verfasst, der wohl die Unterklasse oder eben - selbstverständlich! - die irische Landbevölkerung charaktrisieren soll und der das Lesen wirklich zur absoluten Qual macht, zumal ich den Eindruck habe, Stoker hätte sich die Varianten selbst ausgedacht.


    Meine Lowlights:

    "But if the crafts [die Segelboote der Piraten] were ugly, the men were worse, for uglier devils I never saw. Swarthy, yellow chaps, some of them, and some with shaven crowns and white eyeballs, and others as black as your shoe, with one or two white men, more shame, among them ..."

    8|

    Irgendwo wird gesagt, dass 'Frauen ja halt immer irgendjemandem hinterherlaufen' und zu der ärgerlichen Haltung kommt ein unsäglicher Stil, der so ziemlich alle no-gos des Schreibens durchexerziert:

    - The reply rang out hurridly; 'No, no! Come away quick - quick! This is no place to stay, and on this of all nights.'

    - 'A wolf - and yet not a wolf!' another put in shudderingly.

    -'Truly we have earned our thousand marks!' were the ejaculations of a fourth.

    [LiZ]

    --- and so on and so forth. Eine Übung in 'welche Inquitformeln sollte man meiden wie der Teufel das Weihwasser?'.

    An moderne Leserschaft angeglichen my arse. (Dazu: Ich bin kein Freund davon, Bücher umzuschreiben, weder unter einer politischen Sensibilität noch aufgrund veränderter Stilpräferenzen).

    Stoker mixt wild die Erzählhaltungen und schafft es sogar einmal, seinen Icherzähler mit einem plötzlichen auktorial-allwissenden Anfall während einer Ohnmacht berichten zu lassen, was die Umherstehenden tun und sagen.


    Nett am Buch sind die kleinen Intros vor jeder Geschichte, die einen Bogen schlagen zu dem, was Irving und Stoker zu der Zeit erlebten oder was sie interessierte; Lees Vorwort ist ein vergessenswerter erweiterter Werbeslogan und Heinings Editorial wäre spannend, würde mich Stoker jetzt noch interessieren.


    Kurz gesagt: Sowas ist einfach unerträglich, ich bin sehr erstaunt, dass der Autor (ebenso wie der genauso spießige und dazu noch homophobe M. R. James, der imA auch nur eine gute Geschichte verfasste) noch nicht in die gescholtene Riege aller J. K. "Transen wollen meine Cervix klauen" Rowling literarischer Unpersonen aufgenommen wurde. Wenn es überhaupt - neben Rowling - jemand verdient hat, ins Scheinwerferlicht des diskriminierenden, abwertenden Schreibens gezerrt zu werden, ist es jedenfalls Stoker. Wäre das Buch selbst nicht so hübsch, würde ich es jetzt in die Tonne kloppen.


    Fazit: Jenseits einer Bewertung.


    stoker.jpg

    ralphomat und Nils : Jörg sagte, dass eine Printversion im Gespräch sei - entweder als Bundle (Hörspiel + Booklet) oder im Stil der Zeitungen des frühen 19. Jahrhunderts. Sicher ist es aber noch nicht, ich gebe hier Bescheid, wenn das bekannt wird.


    Wenn ich jetzt an den Totenschein denke, wäe es wirklich toll, wenn die Penny Sheets eine Wiederauferstehung erleben. Ich wollte das hier in Helsinki in Zusammenarbeit mit dem Besitzer des Arkadia International Bookshops auch mal aufziehen, als ich 2012 dort gearbeitet hab. Allerdings blieb dann die Arbeit incl. Finanzierung nur an mir hängen und das nahm mir zu große Arbeits-Ausmaße an. An sich finde ich das aber eine ganz wunderbare Sache.


    Arkham Insider Axel und Elmar - Ja, ich finde auch, YK hat schöne Sachen im Programm. Klein, aber sehr fein.

    C. S. Friedman: This Virtual Night

    DAW Books Inc, New York 2021

    448 Seiten

    Zweiter Band der Outworlds-Reihe


    Virtual Night.jpg


    Gothic Horror / Klassische Gespenstergeschichten und SF machen den größten Anteil meiner Phantastiklektüre aus, und gerade bei SF kehre ich immer wieder zu alten Bekannten oder - auch hier - Klassikern zurück, weil mich einfach viele aktuelle Veröffentlichungen ziemlich nerven. Entweder alles klingt wie die Nacherzählung eines Blockbusters, menschelt zu sehr oder der Hauptgrund: aktuelle Konflikte sind einfach in ein Space-Setting versetzt, aber es gibt keine tatsächlichen SF-Konflikte, die auch tatsächlich mit den zukünftigen / außerirdischen Gegebenheiten zusammenhängen.


    Dieses Buch entdeckte ich beim Stöbern im absolut riesigen Stockholmer SF-Bookshop, las es an und kaufte es jetzt. Friedman war mir unbekannt, mir gefiel einfach das Cover und der Titel. Und ich bin wirklich begeistert.


    This Virtual Night ist wohl der Folgeband zu This Alien Shore, das ich (noch) nicht kenne, und lässt sich auch ohne Vorwissen lesen. Setting: Die Menschen haben andere Welten kolonisiert, einige davon erfolgreich, andere gingen den Bach runter oder wurden ganz aufgegeben (wie ja wirklich häufig passiert, z.B. die Viking-Siedlungen auf Grönland).


    Durch die ungeheueren Entfernungen und - eines der Hauptmotive des Bandes - auch Mutationen, verbreiterte sich der Graben zwischen Menschen und ihren Varianten immer mehr. Einigen Kolonisten war es entweder unmöglich oder untersagt, menschliche Welten zu betreten. Sollte innerhalb langer Zeitspannen (mehrere Generationen) herausgefunden werden, ob die Kolonisten einer Welt überhaupt noch existieren bzw. eher: gibt es dort Rohmaterial zu bergen, werden sog. Outriders in Zweierteams auf diese Welten gesendet. Was sie meist antreffen, sind Wilde, deren Zivilisationen längst zusammengebrochen sind, oder verlassene Systeme.


    In diesem Buch treffen - erst durch parallele / getrennte Stränge erzählt - die Outriderin Ru und der Virtual-Games Designer Micah auf einer angeblich verlassenen Raumstation zusammen. Beide sind humaniode 'Varianten', beide stehen den Machthabern - keine politischen Staaten, sondern universal Corporations - feindselig gegenüber, auch wenn sie manchmal offizielle Aufträge übernehmen. Die beiden Erzählstränge werden sehr geschickt verknüpft, es gibt Spannung, Action (sinnvoll, nicht hirnlos), sehr gute, schnittige Dialoge und wunderbare Beschreibungen. Friedman labert nie rum, ergeht sich nie in Beschreibungen um ihrer selbst willen und hat seine Geschichte wirklich voll im Griff.


    Die ersten zwei Drittel des Buches gefallen mir mit Abstand am besten, da es um eine sehr begrenzte Anzahl Figuren geht und weil hier eben die Konflikte sehr SF-abhängig sind. Dann geht es verstärkt um zwischen-'menschliches': Fragen um Vertrauen und Freundschaft, Verrat und Enttäuschung. Ein Seitenfaden handelt von einer Yakuza-ähnlichen Organisation, den Machtkämpfen dort in einer Art Casinowelt, was alles aus Thrillern bekannt ist.


    Trotzdem kann das meiner Begeisterung wenig Abbruch tun. Die Figuren sind klasse, nicht nach pc:ness entworfen und doch gegen den Mainstream, sie sind glaubwürdig und intelligent. Ich merke mal wieder, dass mich eigentlich Szenen und Passagen am allermeisten faszinieren, in den gar keine Menschen vorkommen, sondern nur Maschinen, Raumschiffe oder Planeten / das All selbst. Ähnlich wie bei dem Intro zu Lems Der Unbesiegbare oder die düsteren Evakuierungsszenarien in Cixin Lius The Dark Forest. Oder auch: Erkundungsgänge durch verlassene Raumschiffe/-stationen, in denen etwas Unheimliches lauert - hier erinnerte mich Night angenehm an Alien oder auch den Anfang von Event Horizon.

    Vom Stil her knackig, unangestrengt poetisch und sehr im Fluß, irgendwo zwischen Liu, Reynolds und Gluchovsky (in seinen besten Momenten).


    Lieblingsstelle:

    Zitat

    THE AINNIQ was eerily beautiful. A sliver of space that did not look like space, alive with shadows the mind could not identify. A flaw in a black jewel, catching the light unexpectedly—then disappearing from view as the angle changed, equally unexpectedly. Colors that had no name shimmered within its depths; shadows that required no light pulsed up and down its length. The universe had been fractured in its first nanoseconds of birth, space-time wounded beyond hope of healing, and the Guerans had learned to navigate those wounds as one might the rivers of a great world, or the veins of a body. Entering the ainniq, a ship might defy the usual limits of space and time; skipped along its edge at just the right angle, a signal might cross the galaxy in less than a lifetime.

    Traveling through the ainniq, one might also be devoured by the unique predators that called it home.


    Fazit: 9 von 10.

    Punktabzug für die wirklich massiv nervende Einsprengselung christlicher Ideen / Sprüche ("so es einen Gott gibt / ... will, he prayed that xy should happen etc."), und das, obwohl keine der Figuren tatsächlich gläubig ist. Diese Sätze katapultieren einen immer wieder aus der überzeugend gestalteten Zukunft heraus in die Historie/Jetztzeit, einfach vor der Kulisse extrem unglaubwürdig und noch anachronistischer als sie ohnehin schon wirken.


    Mir als autoführerscheinloser Niete in den Naturwissenschaften ist erstaunlicherweise ein faktischer Fehler aufgefallen, der die un/möglichen Flugmanöver von Raumschiffen betrifft: eine Art Kurvenschlagen nur durch Steuerung, im Englischen 'banking', was aber ungeachtet dessen in den meisten Raumschlacht-Szenen in Filmen ebenso verwendet wird. Phil Plait hat das mal in seinem Bad Astronomy Blog & Buch aufgedröselt, warum das im Vakuum / ohne Reibung nicht ohne massiven Einsatz des Antriebs geht und dann auch nicht so zackig.

    Entweder wollen die Leute direkt stimmen oder sie warten bis zum Schluss. Das ist zumindest bei der Mehrheit so.

    Ja, sicher: wollen. Aber wer möglichst schnell abstimmen will, ignoriert einfach spät eintrudelnde Nennungen - sei es daher, dass ein Werk einfach nicht aufgeführt wurde oder, wichtiger, bis dahin noch nicht erschienen. Wäre es nicht fairer, die Stimmabgabe erst zu ermöglichen, wenn - allein vom Datum her - kein weiteres Werk erscheinen kann? Also: 31.12.



    Ah, sorry, ich hatte die Deadline anders im Kopf. My bad,

    Das ist m.E. auch das Hauptproblem. Als Unterstützer des Vincent Preis muss man nämlich bis zum Nominierungsende die aktuellen Werke gelesen haben. Das ist die Grundvoraussetzung.

    Ich werfe mal ein paar Stichworte ein (da ein bissl in Eile, sorry): So ganz klar ist mir - selbst nach meiner Abstimmung beim vergangenen Preis - nicht, wann man eigentlich stimmberechtigt ist. Ich erinnere mich vage, eingeworfen zu haben, dass ich eigentlich alles kennen müsste, um meine Stimme abzugeben und die Antwort war (wenn ich mich falsch erinnere, bitte korrigieren!), dass es ausreiche, wenn ich das kenne, an das ich Punkte vergebe.


    Vielleicht enthalten sich ja potenziell Interessierte, weil sie falsche Vorstellungen von dem haben, was sie alles gelesen haben müssen?


    Eine Sache finde ich noch wichtig: Wie wäre es, eindeutig terminierte Deadlines / Phasen zu benennen:
    - Enddatum für Vorschläge / Nominierungen zum 15.1. des neuen Jahres und dann sagen wir vom 15.1. bis 31.1. oder ggfs. länger - die Wahlrunde zur Abgabe der Stimmen.


    Äußerst ungünstig finde ich, dass bereits gewählt werden kann, während die Nominierungsrunde noch offen ist. Das könnte dazu führen, dass Interessierte der Fairness halber und wegen der besseren Auswahl bis zum Schluß warten wollen, dann ist Weihnachten und Neujahr und über all dem Trubel geht die Stimmabgabe unter.


    Diese Phasen einzuschränken, mit genauen Daten und Deadlines zu kommunizieren und vor allem bis wirklich Jahresende zu warten, damit alle Werke nominiert werden können und zur Abstimmung stehen, dann die Liste schließen und dann abstimmen lassen, halte ich für besser als eine 'sukzessive' Wahl.


    P.S.

    Wenn der Preis bekannter gemacht werden soll, vielleicht sogar außerhalb der Con/Phantastikszene, sollten doch möglichst viele die Möglichkeit zur Wahl haben. Ist mit der Wahl eine Forenmitgliedschaft verbunden, ist es eben ein Forenpreis - selbst, wenn ich dieses Forum wirklich über alle Maßen schätze, widerspricht das vllt. etwas dem Wunsch nach einer breiter gefächerten Etablierung auch unter mehr Verlagen, die hier im Forum nicht / nicht so stark eingebunden sind.


    [CTHu]

    Yellow King Productions lässt verlauten: "Kurz vor Weihnachten gibt es nochmal was zum Gruseln auf die Ohren. Nach Das Artefakt präsentieren wir euch nun das neue Werk des Amberger Autors Jörg Fischer. Hunger gibt es ab heute als Hörbuch bei BookBeat zum streamen. Bei Audible wird der Titel wahrscheinlich ab dem 18.02.2022 als Download verfügbar sein."


    Eine Erzählung von Jörg Fischer in der Tradition E.T.A. Hoffmanns und Robert W. Chambers. Schleichender Horror für alle Liebhaber des stilvollen Grauens.

    Sprecher: Philipp Engelhardt

    Schnitt, Mixing & Mastering: Sebastian Quadflieg (Q-Audio)

    Coverartwork: Boris Bashirov


    Worum es geht?

    Ein uraltes Grauen erhebt sich – ausgerechnet an einem Ort, der von der Zeit vergessen schien … Der Osten Bayerns, mitten im 19. Jahrhundert. Die biedere Landbevölkerung vertraut auf das Wittelsbacher Herrscherhaus und den lieben Gott. Fortschritt ist ein Fremdwort. Das Leben ist in lieb gewordenen Gewohnheiten erstarrt. Erst der abscheuliche Mord an der sittsamen Müllerin Creszenzia Aytermoser durchbricht das trügerische Idyll. Die näheren Umstände der Tat sind so unklar wie spektakulär und in Windeseile sprießen Gerüchte und Verdächtigungen wie das Unkraut auf den zahllosen Misthaufen.
    Justiz und Gendarmerie werden umgehend aktiv und ermitteln auch prompt einen Täter.

    Doch als es schließlich in der ehemaligen Hauptstadt des Regenkreises zum Prozess kommt, treten drei Männer auf den Plan, mit denen niemand gerechnet hat: Ein Justizschreiber, dessen gute Jahre längst vorüber sind, der weithin belächelte Magister der königlichen Bibliothek und der sträflich unterbezahlte Gerichtsreporter des lokalen Revolverblattes entwirren ein Knäuel aus abartigen Trieben und dunklen Geheimnissen.


    ---

    Als Jörgs wilde Achterbahnfahrt "Im Meer der Farben" für die Alraune #1 einging, wußte ich, dass wir mit dem Zine auf dem richtigen Weg sind. Und mit seinem Beitrag zu Feuersignale - Hommage à Grabinski hat er sich endgültig in mein Herz geschrieben: spannendes Setting und tolle, komplexe Figuren, überraschende Twists, der erzählten Epoche angemessen, mal lebensnah schnodderig, mal melancholisch-tiefgründig, und immer unterhaltsam.


    Während der Zusammenarbeit an diesen Projekten durfte ich bereits einen kleinen Einblick in Hunger nehmen und empfehle jedem diese feine mit Schalk und Düsternis gespickte Geschichte, auf die das oben gesagte ebenfalls genau zutrifft.


    Ich mag Braggs Sprachweise recht gern und hatte auch selten ein Problem beim Verständnis.

    Ach, krass!


    Ja, du hast selbstverständlich Recht, sein Portfolio macht die Wahl selbstverständlich nachvollziehbar. Ich schaue mir die meisten Folgen so oder so an, vielleicht gewöhne ich mich ja auch ein. [Cof]