Beiträge von Katla

    Boa, super Faden, Hospes , vielen, vielen Dank! :*


    Blake in Hamburg, das ist ja der Hammer!

    Obwohl ich schon auf ner Riesenmenge Ausstellungen war und früher mit Muttern auch mal für spezielle (u.a. Präraffaeliten Werkschau im Victoria & Albert) nach London bin, kann ich mich grad nicht erinnern, je ein Original von Blake gesehen zu haben. Hm, ich wollte im Sommer eigentlich nach Klaipeda und segeln, aber wenn ich keinen Urlaub dafür bekomme, ist das gut machbar. Ein Trostpflaster ...


    Schöne Ausstellungshalle übrigens, die neben Einzelkünstlern auch oft interessante, ungewöhnliche Themen-Ausstellungen bieten. Hab vor Jahren - auch mit Mutter - eine große und wirklich sehr gut kuratierte Helene Schjerfbeck Ausstellung dort gesehen. Liegt quasi direkt neben dem Busbahnhof / Nähe Hbf und ist bequem erreichbar. Hat außerdem ein sehr gutes, schönes Café/Restaurant.

    Besitzt jemand von euch eine ältere Auflage des Buches und kann etwas dazu sagen?

    Was meinst du genau mit "was sagen", lieber Felix ? Als Abgleich der verschiedenen Übersetzungen, oder ganz generell? Von dem Buch gab es bislang nur eine weitere Auflage: die erste von 2010, oder? Die hat eine identische Aufmachung, Seitenzahl, Klappentext ... Da würde ich von einer einfachen Neuauflage ausgehen.



    Falls du Carrington an sich nicht kanntest (was ich mir jetzt eigentlich nicht vorstellen kann):

    Ich hab ältere Auflagen von ihren Kurzgeschichten bzw. vermutlich alles, was es bis in die 2000er auf Deutsch von ihr herauskam. (Weil ich sie Mitte der 80er anfing zu lesen, als Englisch noch nicht so arg flüssig ging und sie glaube ich auch in anderen Sprachen schrieb, die ich nicht kann - Französisch & Spanisch) Die Kompilationen der Geschichten überschneiden sich teils, da fehlt mir bissl der Durchblick grad, aber ich hatte gar nicht auf dem Schirm, dass ihre Werke vergriffen gewesen sein sollen. Antiquarisch ist glaube ich alles noch erhältlich, ich hatte zwischendurch ab & zu mal was als Geschenk bestellt gehabt.


    Die schönste Ausgabe ist imA die Sammlung Die ovale Dame bei Qumran, die sich meiner Erinnerung nach nur teils überschneidet mit einem sehr schmalen (und optisch recht hässlichen) Ullstein-Bändchen gleichen Titels. Dann gibt es bei Suhrkamp noch die Sammlung Das Haus der Angst. Extrem empfehlenswert ist auch ihr Roman, Das Hörrohr (Suhrkamp) sowie ihre Theaterstücke (gesammelt in Das Flannellnachthemd, Qumran, darunter auch Fragmente). Absolut wichtig auch ihr autobiografischer Bericht der Zwangseinweisung in die Psychiatrie (nach einem Zusammenbruch, weil sie die - zum Glück unwahre - Nachricht erreichte, Max Ernst wäre von den spanischen Faschisten auf der Flucht ermordet worden): Unten (Suhrkamp).


    Ihre Texte (und Malerei / Skulpturen) sind neben selbstverständlich Surrealismus und dem Phantastischen gleichzeitig verstörend, schön, gruselig, bedrückend, aber auch sehr humorvoll und geistreich.


    Die Windsbraut hab ich nun grad nicht, weil es zu viele Überschneidungen (oder eine vollständige?) mit Texten in meinem Bestand hat, auch würde ich da keine Neuübersetzung benötigen (falls das welche wären).


    Ich halte Carrington für eine der brillantesten und fantasiebegabtesten sowie auf ihr Leben bezogen eine der radikal konsequentesten Künstler*innen der Geschichte. Auch wesentlich besser als die oft mit ihr verglichene (recht romatisch-verträumte) Leonor Fini, Remedios Varo und sogar immer noch besser als die wunderbare Dorothea Tanning. Auf Englisch gibt es eine Werkschau: Leonora Carrington Surrealism, Alchemy and Art.


    Und einen neueren, ganz wunderbaren Film (Doku), auch mit raren Interviews. The Lost Surrealist. BBC Four, 59' auf YT.


    Keine Ahnung, sorry falls ich dich vollgequatscht haben sollte und deine Frage auf was ganz Anderes, Spezielles abzielte. =O

    Carrington ist ein absolutes Must-Have und Must-Read (-See), es gibt wenige, die ich so sehr bewundere wie sie - ja, Giger, Ernst, Caravaggio, Genteleschi, Kahlo, Kubin ... Aber dann wirds echt schon dünn.


    Fun fact: Michael Perkampus übersetzte Carrington, ich muss noch mal nachfragen, ob das für eine Druck- oder Onlinepublikation war, und was genau.

    Ich muss gestehen, dass ich (wieder) passe. Zum einen liegt das an Foster, zum anderen daran, dass ich massenhaft Nordic Noir sehe. Der Trailer erinnert mich - auch von der Bildsprache - viel zu stark an Fortitude (das selbst bei The Thing, Miss Smilla und den X-Files abschaut), und vom Set-up auch an Fargo (wovon ich aber nur Ausschnitte kenne). [Sorry, ich wiederhole mich, hab ich grad gesehen - mein Gedächtnis!]


    Das Tolle an der ersten Staffel war ja, dass alles so neu war, ungewohnt erzählt und mit frischen Themen ungewohnte Figuren präsentierte. Klar, es ist schwer, sowas in mehreren Staffeln zu realisieren. Trotzdem kann (und will) ich mich von der Überraschung und Wirkung damals nicht lösen.


    Bin aber durchaus gespannt auf dein Urteil.

    Wo die Grenzen gezogen werden, weiß ich nicht genau, Jon Savage listete im Guardian z.B. diese Top 20 Songs/Bands.

    New York Dolls, oh ja, visuell auf jeden Fall (die musik hab ich grad gar nicht im Ohr).

    Aber ich finde diese ganze Synthie Pop Musik Anfang der 80er war androgyn, viele homosexuell und die Melodien eingängig.

    Oh ja, und ich würde hier sogar dezidiert auf bisexuell spezifizieren. Wobei es ja noch den 'dreckigen' Wave/Goth-whatever gab. Wegen bisexuell fällt mir da gleich Gavin Friday / die Virgin Prunes ein, die nach ihrem pagan look auch eine dekadente Glamourphase hatten, aber auch hier dann nicht mit klassischem Rock als Musikstil.

    Obwohl ich schon denke, dass Manson mit Antichrist das musikalische Rad wirklich neu erfand und die Prunes sicher nicht kannte, ist das ein verwandtes, fast identisches Konzept und ähnliche expressionistische Freiheit bzw. Chaos auf der Bühne: "A New Form of Beauty" und "The Beautiful People".


    Letztlich geht GlamRock als Idee doch auf die Burlesque der 1920er zurück, oder? Mit einem Schuss Hippie ... (Ich sehe schon, wie Marianne mir den Hals umdreht :-)).

    Den Manson und seine Band habe ich 1997 gesehen. Das war aber purere Rock, das hat mich echt weg gehauen.

    [Nerdine] Oh wow, jetzt packt mich fast der Konzert-Neid. Obwohl: Ich stand mittig in der 3. Reihe vorn, das war schon grandios - und: Manson hatte extrem gute Laune ...

    Die Phase hatte ich ganz knapp verpasst, ich stieg zwar mit Antichrist ein (vllt. sogar über das Video eines deutschen Konzerts: Bizarre 1997), aber als er grad in die Bowie-Phase ging.

    Die weibliche Variante des Glam wäre dann Anne Lennox von Eurythmics, die hat Dee Manson ja auch gecovert. Ist natürlich eine andere Art von Musik, die aber vielleicht auch auf Bowie zurück zu führen ist 😄

    Guter Punkt! (Wobei ich denke, dass Manson das Lied sogar pointierter / adäquater als sie selbst interpretierte). Aber eben ja: Lennox wäre nicht Glam. Wave weiblich mit einem Touch Glam-Optik wär vielleicht Danielle Dax, aber ich glaube nicht, dass sie sich in diesem Erbe sah. Das war eher die bunte Variante von Gothic, wie auch Toyah. Jedenfalls der gleiche Fankreis damals wie auch rein gothige Goth/Punk Bands.

    Marilyn Manson würde ich eher als Sohn oder Enkel von Alice Cooper sehen ...

    Oh, der ist aber doch das genaue Gegenteil: alles andere als androgyn / genderbending, nicht-kink, Republikaner und born again christian.


    Euer Faden lässt bei mir die Frage aufkommen, ob es weibliche GlamRock-Bands gibt. Ich verbinde damit stark eine androgyne oder cross dress-Optik - das müsste dann bei Mädels umgedreht gehen. Anzug & Krawatte? Oder wie ABBA damals? (Was aber Pop, kein Glam war.)

    Hanoi Rocks sind erst Ende der 70er aufgetaucht, da war Glam schon wieder gegessen.

    Offensichtlich nicht in Finnland. ;) Siehst du das echt so eng an eine Epoche gebunden? Nicht mehr an Stil / Klang?

    Marilyn Manson ist ja sehr wandelbar. Hier macht er einen auf Bowie

    Genau (allein schon die blaue Kontaktlinse und die ganze Men Who Fell to Earth- Optik bzw. auch Thema des Videos). Zu der Mechanical Animals-Zeit hab ich ihn das erste Mal live gesehen, in Hamburg, kleine Halle mit 300 Leuten, eines der besten Konzerte je. Apropos Glam: das hier tickt doch alle boxes - sorry, sauschlechte Qualität, aber zumindest nicht wie sonst gebeept:


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    Bowie ist natürlich sehr eigen. Aber diese Glamrock Attitüde hatte der auch, oder?

    Aber hallo! [Al4]  <3


    Glam Rock und Wave hatten doch eh starke Überschneidungen. Ich werfe da Hanoi Rocks und Japan in die Runde (bes. aus der Gentlemen Take Polaroids-Phase - mein erstes Live-Konzert, übrigens, und das Album höre ich heute noch). Und Marilyn Manson nicht zu vergessen, zumindest bis in die frühen 2000er (teils eben direkt an Bowie angelehnt, nachdem die beiden sich trafen).

    Eine sehr gute Entscheidung, Michael! Mammut Und ich bin sehr interessiert, wie es dir gefallen wird.


    Bitte nicht von dem entsetzlich drögen Intro abschrecken lassen.

    (Un)Fun fact: Mary Shelley hat den Roman an einem späteren Punkt beginnen lassen (zumindest im Original ist der auch ganz deutlich am Stilwechsel erkennbar), aber Percy redete ihr ein, dass das so nicht ginge und lektorierte ihr eben diesen Anfang rein - heißt, er formulierte auch wesentliche Teile davon. Soweit ich weiß ist leider bislang kein Versuch unternommen worden (oder vielleicht existiert das Material nicht mehr?), den Roman in der von Mary Shelley eigentlich intendierten Version zu veröffentlichen - also so eine Rekonstruktion wie Joshi es bei Lovecraft macht.

    EDIT: Ich muss mich korrigieren: diese Originalfassung gibt es!


    Als Studienausgabe gilt (oder galt Mitte der 90er) das Penguin Classics. Wenn es dir darum geht, eine passgenaue Übersetzung zu finden, könntest du dort in den Anfang reinlesen und dann eben vergleichend in die der deutschsprachigen Fassungen.


    Penguin bietet grad eine Deluxe-Ausgabe als kommentiertes Hardcover an, vielleicht nehme ich dein Lesevorhaben als Anlass, das als Zweitausgabe anzuschaffen und noch mal zu lesen. Es ist so anders als als die ganzen Mythen um das Motiv, und hat mir damals extrem gut gefallen. Passend dazu könntest du dich mit Ken Russells Gothic einstimmen - hab ich neulich zum x-Mal gesehen und der ist wahnsinnig gut gealtert. Auch, wenn er eigentlich auf die große Leinwand gehört.

    Felix Ich fürchte, das war ganz ernst genau so gemeint. Die Zeitschrift ist das wöchentliche Fachmagazin für den Baumarkt (weniger für Architekten / Designs, als wirklich auf neue Projekte und ihre Bauphasen, Materialien etc. fokussiert), und der generelle, editorische Ton ist eigentlich genau das Gegenteil. Aber das Zitat kommt aus einem opinion piece, und das war der Chef irgendeines Architektur-/Entwicklungsbüros, der wohl meinte, besonders cutting edge zu sein, wenn er diese 'weg mit dem ollen Schiet'-Haltung an den Tag legt. Der Rest seiner Glosse war nicht besser. Ihm ging es in erster Linie darum, ständig und weiträumig neue Ideen und Formsprachen, auch Materialien zu verwirklichen, quasi um jeden Preis. Ab & zu lese ich diese Haltung auch in anderen Medien, eben so betont unsentimental, aber auch - was den Klimaschutz angeht - arg tone deaf.

    Wirklich wie Fast Fashion.


    Momentan macht in Helsinki der bittere Scherz die Runde: "Ach, das Gebäude wird auch abgerissen - da waren wohl mal wieder die Decken 10 cm zu niedrig!" Ich rede hier nicht von irgendwelchen schnell hochgezogenen Bausünden der Nachkriegszeit, sondern von z. B. Gebäuden der Internationalen Moderne wie das unten: verkleidet mit schwarzem Granit, langgezogene Fensterfronten ... Kein Asbest. Mitten auf der Flaniermeile in der City, wo die ganze lange Straßenseite so aussieht. Was wird gebaut? Ein dunkles, verkleidetes Haus gleicher Größe, bei dem nur die Decken höher sind und die Fenster vertikal statt horizontal. Ich mache leider keine Witze.

    Wer braucht so hohe Decken? Und den ganzen Freiraum über'm Kopf muss man ja auch noch heizen, in einem Land, das eine 8-monatige Heizperiode hat!


    Dasselbe leistete sich die Åbo Akademi, einer der Unis in Turku. Abriss eines weißen, sehr großzügigen Gebäudes ("Gadolinia" genannt) eines berühmten finnischen Architekten. Neubau ist auch weiß und 'klotzig', ebenfalls mit etwas höheren Decken und vertikalen statt horizontalen Fenstern. To add insult to injury wurde das Erdgeschoss stehengelassen. (Weil das Gebäude durchaus berühmt war, und bis zur letzten Minute gab es Bemühungen, es denkmalzuschützen.)


    Hier die beiden Problemfälle: Alle Bilder meine - der Neuentwurf des Helsinkier Baus ist das gerenderte Projektbild da auf dem Bauzaun - bis auf Gadolinia die beiden rechts. Bei dem Rendering des Gadolinia-Neubaus haben die auch noch die Umgebung perspektivisch total verzogen, da drumrum ist gar kein Platz, und selbst wenn das modernistische Wohnhaus auf der anderen Straßenseite auch noch abreißen, stehen aber sonst denkmalgeschützte Häuser von 1850 dort. Das ist da alles auf kleinem Raum, so viel Freiraum um ihren Klotz werden die nie haben - das Bild der alten Gadolinia ja nämlich vom selben Punkt aus fotografiert, da macht man drei Schritte über die Straße und steht vor der Uni.



    Keanu Reeves & China Miéville: The Book of Elsewhere

    Del Rey / Penguin UK

    VÖ: 23.6.2024

    ISBN: 9780593446591

    Vorbestellung möglich. Hardcover € 27, 50 | Paperback € 20,- | eBook € 15,-


    Laut einem Artikel im Guardian:

    Reeves (...) said it was “extraordinary” to work with Miéville. “China did exactly what I was hoping for – he came in with a clear architecture for the story and how he wanted to play with the world of BRZRKR, a world that I love so much. I was thrilled with his vision and feel honoured to be a part of this collaborative process."


    "Sometimes the greatest games are those you play with other people’s toys,” said Miéville on the collaboration. “It was an honour, a shock and a delight when Keanu invited me to play. But I could never have predicted how generous he’d be with toys he’s spent so long creating,” he added.



    Das Buch spielt in dem selben Universum wie Reeves' BRZRKR (in Zusammenarbeit mit Matt Kindt, Ron Garney und Bill Crabtree) und wird vom Verlag so angekündigt: The legendary Keanu Reeves and inimitable writer China Miéville team up on this genre-bending epic of ancient powers, modern war, and an outcast who cannot die.


    Btw: Nicht zu verwechseln mit einer gleichlautenden Graphic Novel-Serie für Kinder (das hätte man ja vielleicht vorab checken können ...).


    Nils Ooooh, danke! [Cof] Krass, Recycling-Beton kannte ich schon, aber da gibt es ja echt wilde Ideen. Mein Fazit:

    Algen :thumbup:

    Pisse :thumbdown:


    Okay, das ist konservativ, aber nu. Echt spannend, was für Wege da beschritten werden, in der finnischen Baupresse (Rakennuslehti = 'Baublatt' und Betoni) werden vor allem Kunststoff-Granulate besprochen. Ich lese mich ja selbst erst ins Thema ein, aber mir scheint, dass auch hier häufig ganz schön Greenwashing betrieben wird. Der Witz ist ja, dass heute kaum einem Gebäude eine Lebenszeit von 20, geschweige denn 50 oder - haha - 200 Jahren zugestanden wird. In einer neueren Ausgabe des Rakennuslehti sagte ein Helsinkier Architekt: "Es gibt keinen Grund, ein Gebäude länger als 10 Jahre stehen zu lassen." [shnt]

    Mir scheint, das Prinzip von Fast Fashion wird aufs Bauen übertragen ...


    Sehr spannend, vielen vielen Dank für dein aufmerksames Auge! :*

    Mit ziemlicher Verspätung (wo bliebt nur die Zeit?!) komme ich - dank Elmar - auch mit einem Eindruck. Ehrlich gesagt bin ich zwiegespalten. Und zwar nicht, ob ich es gut oder nicht so gut finden soll, sondern: Ich liebe die erste Hälfte absolut und ohne Abstriche, und war in der zweiten ziemlich verloren. Das nicht, weil die Geschichte zu komplex wäre, sondern, weil es nach andauerndem - und zwar exzellent gemachten - Foreshadowing irgendwie keinen Payoff gibt.


    Der Reihe nach: Das Setting sowohl vom Ort wie auch der Epoche her, sowie die Figuren sind ein richtiger Jörg-Fischer-Klassiker und imA auch absolut handwerkliche best practice. Jörg taucht richtig ein in diese Epoche, die etwas steifen Umgangsformen, die Haltungen von damals, ohne dass sich aber diese Steifheit auf mich als Leser überträgt. Ich feiere das sehr, so alles aus einem Guss, kein Rausfallen aus dem Tonfall, dem Vokabular, der Erzählhaltung und der Figurenzeichnung. Ich glaube zu wissen, dass Jörg da wirklich ganz in seinem Element ist, und das klingt so, als habe er sich beim Schreiben sehr wohl gefühlt. Trotz der Steifheit der Umgangsformen zwischen den Figuren hab ich den Eindruck, alles fließt im genau richtigen Tempo.


    Das Ganze hat auch Lokalkolorit, und es wird ein literarischer Konflikt aufgebaut, der einerseits spekulativ (das Artefakt eben) und andererseits realistisch / historisch ist (die französischen Gefangenen und die sich verändernde Haltung des Erzählers dazu). Bis zu der Szene in der Bibliothek des Bruders finde ich alles sehr harmonisch - selbst mit den eingestreuten Zeitungsartikeln, was ich an sich nicht so arg gern mag - und auch sehr, sehr spannend sowie super sympathisch erzählt.


    Dann kam ich irgendwie ins Schleudern. Es wird ziemlich achronologisch (jetzt nicht nur über die Zeitungsnotizen, sondern auch in der Erzählung der Ich-Figur selbst), und anstatt nun einen Payoff zu bekommen, also eine Weiterführung der angeteaserten Fäden (Artefakt, Buch, das seltsame Verhalten einiger Beamten, die schrägen Interessen des Bruders, ein vorzeitlicher Todeskult etc.) kommt nur noch mehr Foreshadowing, Andeutungen und vage Spekulationen - aber ab einem Punkt wünschte ich einfach, dass hier Butter bei die Fische kommt. Etwas Konkretes, das vllt. sogar direkt in der erzählten Zeit stattfindet. Dabei halte ich mich nun nicht für jemanden, dem man was mit dem Holzhammer beibringen müsste, so hoffe ich zumindest.


    Durch die vielen, teils längeren Rückblicke kommt in diesen Sequenzen auch ein Hilfsverben-Overkill durch die ganzen hattes, was man durch eine nur leichte Umstrukturierung leicht hätte vermeiden können. An vielen Stellen wäre eh einfaches Perfekt besser gewesen - denn zur etwas förmlichen Epoche hätte es gut gepasst. (Und man kann es durchaus so machen, dass man nach einem PQP-Einstieg als Tempuswechsel-Anzeiger schnell wieder ins Perfekt geht, damit das alles flüssiger klingt).


    Dass dann Menschen verschwinden - offensichtlich eine von den Behörden vertuschte Opferung - ist imA kein Payoff, denn wenn vorzeitliche Menschenopfer erwähnt werden, ist ja genau zu erwarten, dass dem in der erzählten Zeit auch jemand zum Opfer fällt. Aber irgendwie hatte ich fest damit gerechnet, dass eben die Erwartungen mit etwas übertroffen werden und - so wie ich es zumindest las - läuft es dann mit ein paar Andeutungen und Vermutungen in dieser Richtung aus. Auch das Leder des Buches hatte ich mir gleich gedacht.


    Irgendwie las es sich für mich, wie wesentlich unkonzentrierter geschrieben / konzipiert als die erste Hälfte. Vielleicht liegt es aber auch an mir, obwohl ich es in Ruhe und in einer einzigen Session durchlas.


    Nichtsdestotrotz gefällt es mir wahnsinnig gut, dass Jörg ohne Humor auskommt, dass es sehr lebensnah und doch glaubhaft historisch klingt und er einfach in der ersten Hälfte eine ganz wahnsinnig tolle Leserführung betreibt, nämlich eben mit den vielen kleinen Spannungspunkten. Es gibt sehr schöne Zeichnungen im liebevoll aufgemachten Buch, auch, wenn ich gewünscht hätte, der Hintergrund wäre etwas heller Grau gewesen (meine Augen finden wenig Kontrast nicht mehr so cool wie früher, auch ein Problem bei finnischen Metalmagazinen: schwarz auf Dunkelgrau oder weiß auf Mittelgrau). Ich bin jedenfalls trotz leichter Enttäuschung und Konfusion sehr froh, das Buch zu besitzen.


    Ein Lovecraft-Feeling hatte ich gar nicht, und das ist absolut kein Kritikpunkt. Es sehe es eher im Sinn einer fiktionalen Place Lore. (Ja, klar: Der bereuende Erzähler, der aus dem Jetzt schaut, das Dräuen und das Verzögern von konkreten Bedrohungen - bzw. in diesem Falle beinahe die Negierung dessen - sind auch Kunstgriffe, die Lovecraft verwendet, aber andererseits gbt es das ja bereits in Gothic Tales und Klassischem Horror um 1900).

    Sehr cool, Nils , danke schön - das hat ja auch einen ziemlichen Noir-Touch, erinnert mich sehr stark an den Soundtrack zu Angel Heart. Den ich gleich ein paar Mal hintereinander gehört hab - mit der selben Begeisterung wie damals. Mir gefällt jede Minute Sekunde daran, und mit den eingespielten Dialogen erlebt man im Grunde den Film noch mal nach.